Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 10.09.2015


BGH 10.09.2015 - IX ZR 255/14

Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung: Voraussetzungen im Falle der Veranlassung einer Bekanntgabe eines erstmaligen Antrags auf Prozesskostenhilfe


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
10.09.2015
Aktenzeichen:
IX ZR 255/14
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Frankfurt, 16. Oktober 2014, Az: 22 U 22/13vorgehend LG Darmstadt, 20. Dezember 2012, Az: 27 O 419/11
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. Die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Prozesskostenhilfe hemmt nur dann die Verjährung, wenn der Gläubiger die richtige Anschrift des Schuldners mitgeteilt hat.

2. Zu den Voraussetzungen, unter denen die Bekanntgabe des Antrags demnächst nach dessen Einreichung veranlasst wird.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in Darmstadt vom 16. Oktober 2014 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 20. Dezember 2012, berichtigt durch Beschluss vom 14. Februar 2013 und durch weiteren Beschluss vom 11. März 2013, wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 24. September 2007 am 25. Februar 2008 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S.                    GmbH (Schuldnerin). Die Beklagte ist die Ehefrau des Geschäftsführers der Schuldnerin. Sie hatte der Schuldnerin unter dem 31. August 2006 ein Darlehen in Höhe von 49.584,89 € gewährt. Am 24. August 2007 gingen auf dem im Soll befindlichen Geschäftskonto der Schuldnerin zwei Zahlungen der Beklagten in Höhe von 49.584,89 € und 49.920,50 € ein. Ebenfalls am 24. August 2007 überwies die Schuldnerin an die Beklagte den Betrag von 49.584,89 € als "Rückzahlung Darlehen gemäß Vertrag vom 31. August 2006".

2

Der Kläger verlangt Rückgewähr des Betrages von 49.584,89 € nebst Zinsen seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Er hat am 15. Dezember 2011 Prozesskostenhilfe für eine entsprechende Klage beantragt, die im Entwurf beigefügt war. Mit Verfügung vom 22. Dezember 2011 hat das Landgericht die Übersendung des Antrags und des Klageentwurfs an die Beklagte unter der vom Kläger angegebenen Anschrift "…                        " veranlasst. Am 12. Januar 2012 ist das Schreiben mit dem Vermerk "unbekannt verzogen" wieder zur Akte gelangt. Mit Verfügung vom 13. Januar 2012, dem Kläger eigenen Angaben zufolge zugegangen am 19. Januar 2012, ist dies dem Kläger mitgeteilt worden. Am 8. Februar 2012 hat der Kläger die Anschrift "…                                   " mitgeteilt. Mit Verfügung vom 9. Februar 2012 hat das Gericht die Übersendung des Antrags und des Klageentwurfs an die nunmehr mitgeteilte Anschrift veranlasst. Eigenen Angaben zufolge hat die Beklagte dieses Schreiben am 14. Februar 2012 erhalten. Mit Beschluss vom 15. März 2012 ist dem Kläger Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage bewilligt worden. Die Klage ist am 29. Mai 2012 zugestellt worden. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision führt zur Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts. Der geltend gemachte Anspruch ist verjährt.

I.

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Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Anfechtungsanspruch sei nicht verjährt. Bereits die Veranlassung der Bekanntgabe des Antrags auf Prozesskostenhilfe am 22. Dezember 2011 habe die Verjährung gehemmt. Der Anspruch des Klägers auf Rückgewähr der 49.584,89 € folge aus §§ 130, 131, 143 InsO. Die Schuldnerin sei am 24. August 2007 zahlungsunfähig gewesen, was der Kläger dargelegt und die Beklagte nur unzulänglich bestritten habe. Die Zahlung von einem überzogenen Konto schließe die Anfechtung nicht aus.

II.

6

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

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1. Die Verjährung eines Anfechtungsanspruchs richtet sich gemäß § 146 Abs. 1 InsO nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Gemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Sie beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Verjährungsfrist begann mit Ablauf des Jahres 2008 und endete mit Ablauf des Jahres 2011. Anfechtungsansprüche entstehen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 - IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 Rn. 20; vom 18. Juli 2013 - IX ZR 198/10, WM 2013, 1504 Rn. 30). Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin ist am 25. Februar 2008 eröffnet worden. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Kläger vor Ablauf des Jahres Kenntnis von den Anspruchsvoraussetzungen hatte oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

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2. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe, der am 15. Dezember 2011 bei Gericht eingegangen ist, hat nicht zu einer rechtzeitigen Hemmung der Verjährung geführt, weil er eine unrichtige Anschrift der Beklagten aufwies, diese also nicht erreichen konnte.

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a) Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB wird die Verjährung durch die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe gehemmt. Wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung des Antrags bei Gericht ein. Das Gericht hat die Übersendung des Antrags an die Beklagte am 22. Dezember 2011 verfügt, mithin vor Ablauf der Verjährungsfrist.

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b) Entgegen der Ansicht der Revision (ebenso Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2014, § 204 Rn. 117, die sich zu Unrecht auf das die fehlende Veranlassung der Bekanntgabe betreffende Senatsurteil vom 24. Januar 2008 - IX ZR 195/06, WM 2008, 806 Rn. 7 ff berufen) kommt es nicht darauf an, ob der Antrag dem Schuldner tatsächlich bekanntgeworden ist. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt es auf die Veranlassung der Bekanntgabe an, nicht auf diese selbst. Auch die Entstehungsgeschichte der betreffenden Bestimmung spricht gegen die von der Revision für richtig gehaltene Auslegung. Die Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB ist durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts eingeführt worden. Der Gesetzentwurf vom 14. Mai 2001 (BT-Drucks. 14/6040, S. 4 zu § 204 Abs. 1 Nr. 14, S. 116) knüpfte die Hemmung zunächst an die Bekanntgabe des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe an, um sicherzustellen, dass der Schuldner Kenntnis von der Hemmung erlangte. Auf die Zustellung konnte es nicht ankommen, weil die Zivilprozessordnung eine solche nicht vorsah. Anträge, die dem Schuldner nicht bekanntgegeben wurden, sollten keine Hemmung entfalten (BT-Drucks. 14/6040, S. 116 zu Nr. 14). Die heutige Fassung des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB geht auf einen Vorschlag des Rechtsausschusses zurück. Dieser befürchtete, dass der Schuldner durch die schwer zu widerlegende Behauptung, das betreffende Schreiben nicht erhalten zu haben, die Hemmungsregelung unterlaufen werde. Sachgerecht sei daher, auf das aktenmäßig nachprüfbare Veranlassen der Bekanntgabe des Antrags abzustellen (BT-Drucks. 14/7052, S. 181 zu Nr. 14, Nr. 4). Wollte man nun vom Gläubiger gleichwohl den Nachweis verlangen, dass der Schuldner den Antrag tatsächlich erhalten hat, liefe das dem im Gesetz hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommenen Anliegen des Gesetzgebers zuwider, die Hemmung unabhängig vom Nachweis der Kenntnis eintreten zu lassen.

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c) Unabdingbare Voraussetzung für den Eintritt der Verjährungshemmung ist jedoch, dass der Gläubiger die richtige ladungsfähige Anschrift des Schuldners angegeben hat. Der Regelung des § 204 BGB liegt das Prinzip zugrunde, dass die Verjährung durch eine aktive Rechtsverfolgung des Gläubigers gehemmt wird, die einen auf die Durchsetzung seines Anspruchs gerichteten Willen für den Schuldner erkennbar macht (BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 - III ZR 198/14, WM 2015, 1319 Rn. 18, zVb in BGHZ; vom 6. Juli 1993 - VI ZR 306/92, BGHZ 123, 337, 343 mwN zu § 209 BGB aF). Der Gläubiger muss dem Schuldner seinen Rechtsverfolgungswillen so klar machen, dass dieser sich darauf einrichten muss, auch nach Ablauf der (ursprünglichen) Verjährungszeit in Anspruch genommen zu werden. Die einzelnen Tatbestände der "Rechtsverfolgung" gemäß § 204 Abs. 1 BGB setzen deshalb überwiegend die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes voraus. Die in § 204 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 14 BGB geregelten Ausnahmen des Güteantrags und des Antrags auf Prozesskostenhilfe stellen, wie gezeigt, nur deshalb nicht auf die Bekanntgabe des Antrags, sondern auf die vorbereitende Verfügung der Gütestelle und des Gerichts ab, weil der Gläubiger nicht durch ein wahrheitswidriges Bestreiten des Zugangs in Beweisnot geraten soll, nicht weil der Schuldner in diesen Fallgestaltungen keinen Schutz verdient. Eine unrichtig adressierte Sendung, die vom beauftragten Postdienstleistungsunternehmen zurückgegeben wird, kann den Schuldner aber von vornherein nicht erreichen. Der Schuldner wird nicht gewarnt. Der Gläubiger seinerseits braucht dann, wenn feststeht, dass die Sendung den Schuldner unter der angegebenen Anschrift nicht erreichen wird, nicht vor einem wahrheitswidrigen Bestreiten des Zugangs geschützt zu werden. Ungeschriebene Voraussetzung des Hemmungstatbestandes des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB muss daher sein, dass die gerichtliche Verfügung im Grundsatz geeignet ist, die Bekanntgabe des Antrags zu bewirken. Das ist nicht der Fall, wenn im Antrag eine unrichtige Anschrift des Antragsgegners angegeben ist, also nicht erwartet werden kann, dass er diesen überhaupt erreicht.

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d) Diese einschränkende Auslegung des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB fügt sich in die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Hemmungstatbeständen des § 204 Abs. 1 BGB ein. Inhaltliche Anforderungen an den Antrag lassen sich dem Gesetz nicht entnehmen. Darauf, ob die beabsichtigte Klage zulässig und schlüssig ist und ob die in § 117 Abs. 2 ZPO vorgeschriebene Erklärung beigefügt ist, kommt es darum nicht an. Gleichwohl hat der Bundesgerichtshof bei der Auslegung der vergleichbaren Bestimmung des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB - Hemmung der Verjährung durch die Veranlassung der Bekanntgabe eines Güteantrags - nicht jeden Antrag ausreichen lassen, sondern eine ausreichende Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs verlangt (BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 - III ZR 198/14, WM 2015, 1319 Rn. 16 ff, zVb in BGHZ). Der Schuldner muss erkennen können, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht wird, damit er prüfen kann, ob eine Verteidigung erfolgversprechend ist und ob er in das Güteverfahren eintreten möchte (aaO, Rn. 22 f). Damit hat der Bundesgerichtshof nicht nur den Hemmungstatbestand des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB einschränkend ausgelegt. Er hat auch zum Ausdruck gebracht, dass auch dann, wenn der Gläubiger nur die Veranlassung der Bekanntgabe des Antrags nachzuweisen hat, der Schuldner Kenntnis vom Antrag erhalten können muss; denn andernfalls wären inhaltliche Vorgaben nutzlos.

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e) Die gerichtliche Verfügung vom 22. Dezember 2011 war wegen der unrichtigen Adressierung ungeeignet, der Beklagten Kenntnis von dem Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe zu vermitteln. Sie vermochte die Verjährung nicht zu hemmen.

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3. Der geltend gemachte Anspruch wäre folglich nur dann nicht verjährt, wenn die Veranlassung der Bekanntgabe gemäß Verfügung vom 9. Februar 2012, nunmehr mit der zutreffenden Anschrift der Beklagten, im Sinne von § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB "demnächst" nach dem Eingang des Antrags bei Gericht am 15. Dezember 2011 erfolgt wäre. Das ist jedoch nicht der Fall.

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a) Der Begriff "demnächst" in § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB entspricht demjenigen in § 167 ZPO. Er beschreibt keinen festgelegten oder festzulegenden Zeitraum. Vielmehr ist im Einzelfall zu würdigen, ob der Gläubiger alles Erforderliche und Zumutbare für eine Zustellung (in § 167 ZPO) oder die Veranlassung der Bekanntgabe (in § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB) getan hat und ob der Rückwirkung schützenswerte Belange des Schuldners entgegenstehen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 1999 - VII ZR 24/98, MDR 1999, 1016, 1017). Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs dürfen dem Gläubiger nicht zum Nachteil gereichen, da er auf diesen keinen Einfluss hat. Hingegen sind dem Gläubiger Verzögerungen zuzurechnen, die er bei gewissenhafter Vorbereitung des Antrags hätte vermeiden können, wobei es nicht darauf ankommt, ob ihm insoweit Vorsatz oder Fahrlässigkeit, sei es auch nur leichte Fahrlässigkeit, zur Last fällt (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 1988 - IVb ZR 92/87, FamRZ 1988, 1154 f zu § 270 Abs. 3 ZPO aF). Geringfügige Verzögerungen von bis zu 14 Tagen, gerechnet vom Tage des Ablaufs der Verjährungsfrist an, bleiben außer Betracht (BGH, Urteil vom 8. Juni 1988, aaO; vom 22. Juni 1993 - VI ZR 190/92, NJW 1993, 2614 f; vom 27. Mai 1999, aaO; vom 10. Juli 2015 - V ZR 154/14, MDT 2015, 1028 Rn. 5; jeweils zu § 270 Abs. 3 ZPO aF oder § 167 ZPO).

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b) Die Verzögerung, die infolge der vom Kläger mitgeteilten unrichtigen Anschrift eingetreten ist, war nicht nur geringfügig. Die Verjährungsfrist endete mit Ablauf des 31. Dezember 2011. Das Gericht hat jedoch erst am 9. Februar 2012, also mehr als einen Monat ab Fristablauf, die Bekanntgabe des Antrags an die richtige Anschrift der Beklagten verfügt.

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c) Der Kläger hätte die eingetretene Verzögerung vermeiden können, indem er den Antrag mit der zutreffenden Anschrift der Beklagten versah.

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aa) Die Angabe einer unrichtigen Anschrift allein lässt den Schluss auf ein fahrlässiges Verhalten des Gläubigers allerdings nicht zu. Fahrlässigkeit kann erst dann bejaht werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Wohnungswechsel des Schuldners bestehen. Ohne jedes konkrete Anzeichen eines Wohnungswechsels des Anspruchsgegners ist der Gläubiger nicht verpflichtet, vor Einreichung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe beim zuständigen Einwohnermeldeamt die ihm bekannte Anschrift des Anspruchsgegners überprüfen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1993, aaO).

19

bb) Entgegen der nicht näher begründeten Ansicht des Berufungsgerichts bestanden nach dem festgestellten und revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt derartige konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die vom Kläger verwandte Anschrift nicht mehr zutraf. Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte sei bis Mitte 2007 Arbeitnehmerin der Schuldnerin gewesen; ihre Anschrift habe er den dazu gehörenden Unterlagen entnommen. Mit einer Änderung der Anschrift habe er schon deshalb nicht zu rechnen brauchen, weil er noch im Jahre 2008 ein Schreiben an diese Anschrift versandt habe, welches nicht zurückgekommen sei. Der Kläger wusste jedoch, dass die Beklagte die Ehefrau des Geschäftsführers der Schuldnerin war. Als solche hatte er sie in Anspruch genommen. Die Anschrift …                     war zugleich diejenige des Geschäftsführers des Schuldners. Der Ehemann der Beklagten hatte den Kläger am 10. Februar 2009 wegen einer Versicherungsangelegenheit angeschrieben und dabei die Anschrift …                  angegeben. Mit Email vom 19. August 2010 hatte er sich erneut an den Kläger gewandt und gebeten, die betreffenden Unterlagen an die Anschrift …                 zu übersenden. Hierbei handelt es sich um diejenige Anschrift, die der Kläger dem Gericht am 8. Februar 2012 mitgeteilt hat. Der Schluss darauf, dass die Beklagte gemeinsam mit ihrem Ehemann umgezogen war, mag nicht zwingend sein. Das ist jedoch auch nicht erforderlich. Die mitgeteilten Anschriften boten jedenfalls Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte nicht mehr an derjenigen Anschrift wohnte, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegolten hatte, sei es, dass die Eheleute gemeinsam umgezogen waren, sei es, dass die Beklagte als Folge einer Trennung einen separaten Wohnsitz begründet hatte. Ein sorgfältig handelnder Gläubiger hätte dies zum Anlass genommen, rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist zu prüfen, ob die in den alten Unterlagen befindliche Anschrift der Beklagten noch zutraf. Dann wäre die eingetretene Verzögerung vermieden worden. Bereits leichte Fahrlässigkeit des Gläubigers schließt mit Rücksicht auf die berechtigten Interessen des Forderungsschuldners, Klarheit darüber zu erlangen, ob die gegen ihn gerichtete Forderung nun verjährt ist, die Annahme einer demnächst erfolgten Veranlassung der Bekanntgabe des Antrags auf Prozesskostenhilfe aus (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 1988 - IVb ZR 92/87, FamRZ 1988, 1554 f).

20

cc) Der Beklagten kann die eingetretene Verzögerung nicht zugerechnet werden. Der Kläger hat seine Behauptung, die Beklagte selbst habe ihm die im ersten Antrag enthaltene Anschrift mitgeteilt, nicht aufrechterhalten.

III.

21

Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat selbst in der Sache zu entscheiden (§ 563 Abs. 2 ZPO). Da der geltend gemachte Anspruch verjährt ist, ist das klagabweisende Urteil des Landgerichts wieder herzustellen.

Kayser                       Lohmann                         Pape

               Grupp                            Möhring