Entscheidungsdatum: 05.06.2014
Übernimmt es ein Instanzanwalt, im Auftrag seiner Partei nach seiner Wahl einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt mit der Einlegung einer zugelassenen Revision zu beauftragen, will dieser das Mandat aber nur nach Abschluss einer Honorarvereinbarung übernehmen, muss sich der Instanzanwalt vergewissern, dass die Honorarvereinbarung mit seinem Mandanten rechtzeitig abgeschlossen wird, und andernfalls einen anderen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt beauftragen.
Der Antrag der Beklagten, ihr Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 9. September 2013 zu gewähren, wird zurückgewiesen.
Die Revision der Beklagten gegen das genannte Urteil wird als unzulässig verworfen.
I.
Der Kläger macht als Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des D. (nachfolgend: Schuldner) gegen dessen Tochter als Beklagte auf der Grundlage einer Schenkungsanfechtung nach §§ 134, 143 Abs. 1 InsO einen Anspruch auf Bewilligung einer Grundbuchberichtigung dahingehend geltend, dass alleiniger Eigentümer der Schuldner sei, nicht - wie eingetragen - der Schuldner und die Beklagte in Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen.
Das Berufungsurteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 16. September 2013 zugestellt worden. Am 30. Oktober 2013 hat die Beklagte, vertreten durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt, Revision eingelegt und Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Revision beantragt. Zur Begründung macht sie geltend, der wirtschaftlich hinter dem Rechtsstreit stehende Schuldner habe nach Besprechung mit dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt Dr. K. , entschieden, dass ein beim Bundesgerichtshof zugelassener Rechtsanwalt mit der Einlegung der Revision beauftragt werden solle. Daraufhin habe Dr. K. den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt Dr. Kl. , ersucht, einen geeigneten beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu beauftragen. Dieser habe mit Schreiben vom 7. Oktober 2013 den Auftrag an Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof Dr. W. erteilt und darum gebeten, die weitere Korrespondenz mit den erstinstanzlichen Kollegen und dem Schuldner zu führen. Er habe die entsprechenden Post- und Mailadressen angegeben.
Herr Rechtsanwalt Dr. W. habe mit Mail vom 14. Oktober 2013 seine grundsätzliche Bereitschaft zur Übernahme des Mandats bekundet, die Übernahme aber vom Abschluss einer Honorarvereinbarung abhängig gemacht. An das Angebot halte er sich bis 15. Oktober 2013, 14.00 Uhr gebunden. Diese Mail habe er an Rechtsanwalt Dr. Kl. und zugleich in Kopie an Rechtsanwalt Dr. K. und den Schuldner gesandt. Beide Rechtsanwälte hätten diese Mail erhalten, nicht aber der Schuldner.
Rechtsanwalt Dr. Kl. habe auf die Mail hin nichts unternommen, weil er zu Verhandlungen über eine Honorarvereinbarung nicht bevollmächtigt gewesen sei und dem Schreiben habe entnehmen können, dass es auch an Rechtsanwalt Dr. K. und den Schuldner persönlich gerichtet gewesen sei. Auf Nachfrage der Kanzlei Dr. W. am Mittag des 15. Oktober 2013 habe seine Kanzlei dieser mitgeteilt, man sei nicht zu Verhandlungen über Sonderhonorare bevollmächtigt, Rechtsanwalt Dr. W. möge sich unmittelbar an den Schuldner wenden.
Rechtsanwalt Dr. K. habe die Mail von Herrn Dr. W. am 14. Oktober 2013 vorsorglich an den Schuldner weitergeleitet. Rechtsanwalt Dr. K. sei zu Honorarvereinbarungen ebenfalls nicht ermächtigt gewesen und davon ausgegangen, dass sich der Schuldner unmittelbar mit Dr. W. verständigen werde. Auch diese Mail von Dr. K. habe der Schuldner, obwohl wie die Mail von Dr. W. an seinen üblichen Mailaccount gerichtet, aus nicht nachvollziehbaren Gründen, wohl eines technischen Defekts, nicht erhalten. Der Schuldner sei, weil er ohne Rückmeldung geblieben sei, davon ausgegangen, dass gemäß seinem Auftrag Revision eingelegt worden sei. Der Defekt des Mailaccounts sei erst am 23. Oktober 2013 aufgefallen infolge einer weiteren Mail von Rechtsanwalt Dr. K. , die den Schuldner ebenfalls nicht erreicht habe, in dem unmittelbar nachfolgenden Telefonat. Erst dann sei bekannt geworden, dass die Revisionsfrist ungenutzt verstrichen gewesen sei. Rechtsanwalt Dr. W. habe die Übernahme des Mandats danach auf nochmalige Anfrage abgelehnt. Deshalb sei der jetzige Prozessbevollmächtigte der Beklagten mandatiert worden.
Die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist sei weder von der Beklagten noch von dem für sie handelnden Schuldner verschuldet gewesen. Der Beklagten sei deshalb Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsfrist zu gewähren.
II.
Die eingelegte Revision ist unzulässig, weil die Revisionsfrist, die gemäß § 548 ZPO einen Monat ab Zustellung des Berufungsurteils beträgt, nicht eingehalten worden ist. Sie ist deshalb gemäß § 552 ZPO zu verwerfen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsfrist ist zurückzuweisen, weil die Beklagte nicht glaubhaft gemacht hat, dass sie ohne ihr Verschulden gehindert war, diese Frist einzuhalten.
1. Der Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig. Er ist gemäß § 234 Abs. 1 ZPO rechtzeitig und gemäß §§ 236, 549 ZPO formgerecht beantragt und begründet sowie die Revisionseinlegung nachgeholt worden. Die geltend gemachten Wiedereinsetzungsgründe wurden glaubhaft gemacht.
2. Nach den von der Beklagten glaubhaft gemachten Umständen war diese jedoch nicht ohne ihr Verschulden verhindert, das Rechtsmittel rechtzeitig einzulegen. Der Beklagten ist jedenfalls das Verschulden ihrer erst- und zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.
a) Es fehlt allerdings bereits an Ausführungen dazu, in welcher Weise die Beklagte die Einlegung der Revision veranlasst hat. Dargelegt wird lediglich das Verhalten des "wirtschaftlich hinter dem Rechtsstreit stehenden Insolvenzschuldners", das sich die Beklagte nach ihrer Ansicht zurechnen lassen müsse. Dass der Insolvenzschuldner für sie Vertretungsvollmacht hat, legt der Wiedereinsetzungsantrag nicht dar. Das kann dem Vorbringen allenfalls mittelbar entnommen werden.
b) Wird mit dem Wiedereinsetzungsantrag eine solche Vollmacht unterstellt, hat sich die Beklagte jedenfalls das Verschulden ihrer Bevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen zu lassen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beschränken sich die Sorgfaltspflichten bei der Erteilung eines Rechtsmittelauftrags durch einen Rechtsanwalt der Vorinstanz nicht darauf, rechtzeitig ein Auftragsschreiben zu versenden. Der Absender muss sich vielmehr grundsätzlich innerhalb der Rechtsmittelfrist, gegebenenfalls durch Rückfrage, rechtzeitig vergewissern, ob der beauftragte Rechtsanwalt den Auftrag übernimmt; eine Ausnahme gilt nur dann, wenn - was hier nicht geltend gemacht wird - zwischen dem Absender und dem Rechtsmittelanwalt im Einzelfall oder allgemein eine Absprache dahin besteht, dass dieser Rechtsmittelaufträge annehmen, prüfen und ausführen wird (BGH, Beschluss vom 11. Juli 1988 - II ZB 5/88, BGHZ 105, 116, 117 ff; vom 7. November 1995 - XI ZB 21/95, NJW-RR 1996, 378; vom 23. November 2006 - IX ZB 291/05, nv, Rn. 5; vom 4. März 2008 - VI ZR 66/07, NJW-RR 2008, 1452 Rn. 5).
Im Falle der Ablehnung des Mandats durch den zunächst in Aussicht genommenen Rechtsanwalt muss der Auftraggeber in der Lage sein, den Rechtsmittelauftrag noch rechtzeitig einem anderen Rechtsanwalt zu erteilen, um die Durchführung des Rechtsmittels zu gewährleisten (BGH, Beschluss vom 7. November 1995, aaO).
aa) Den Schuldner trifft allerdings an der Versäumung der Frist kein Verschulden. Er hat den Auftrag zur Einlegung der Revision rechtzeitig dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten erteilt. Die Mail des Rechtsanwalts Dr. W. vom 14. Oktober 2013 und die Weiterleitung dieser Mail durch den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten hat der Schuldner nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt nicht erhalten. Da er den Auftrag unbedingt erteilt hatte, bestand für ihn ohne besonderen Anlass kein Grund, an der rechtzeitigen Einlegung der Revision zu zweifeln und besondere Maßnahmen zur Fristwahrung zu ergreifen.
bb) Sowohl den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten wie den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten trifft jedoch an der Nichteinhaltung der Frist ein Verschulden.
(1) Der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte Dr. Kl. hatte es im Auftrag des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Dr. K. für die Beklagte übernommen, für die Einlegung der Revision beim Bundesgerichtshof zu sorgen. An dieser Verpflichtung hatte sich durch das Schreiben des Rechtsanwalts Dr. W. vom 14. Oktober 2013 nichts geändert. Die Auswahl des zu beauftragenden Rechtsanwalts am Bundesgerichtshof hatte der Schuldner seinen Instanzanwälten überlassen. War der von diesen ausgesuchte Rechtsanwalt nicht bereit, den Auftrag zu den gesetzlichen Gebühren zu übernehmen, musste Dr. Kl. klären, ob die Voraussetzungen für die Übernahme des Mandats durch diesen Anwalt geschaffen wurden. War dies nicht der Fall, hätte er einen anderen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt beauftragen müssen. Er durfte auf die Nachricht von Dr. W. nicht deshalb untätig bleiben, weil ausweislich der Mail eine Kopie an den Schuldner und den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten gehen sollten. Er musste insoweit in Rechnung stellen, dass der Zugang der Mail an den Schuldner wegen der Gefahr einer technischen Störung nicht gesichert war (BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 - IX ZB 272/11, WM 2013, 1232 Rn. 23; vom 17. Juli 2013 - I ZR 64/13, NJW 2014, 556 Rn. 11 f). Da er die Erteilung des Auftrags an einen vor dem Bundesgerichtshof postulationsfähigen Rechtsanwalt übernommen hatte, musste er dafür Sorge tragen, dass der Auftrag übernommen wird. Dementsprechend hatte er auch um Bestätigung der Übernahme des Mandats gebeten. Da eine solche Bestätigung abgelehnt worden war, musste er sicherstellen, dass die Voraussetzungen für die Übernahme des Mandats geschaffen wurden, oder einen anderen Rechtsanwalt beauftragen.
(2) Den erstinstanzlichen Anwalt Dr. K. trifft ebenfalls ein Verschulden. Er hatte es gegenüber der Beklagten übernommen, für den rechtzeitigen Eingang der Revision beim Bundesgerichtshof zu sorgen. Diese Pflicht hat er schuldhaft verletzt. Nachdem er erfahren hatte, dass Rechtsanwalt Dr. W. nur aufgrund einer Honorarvereinbarung tätig werden würde, wurde er durch das bloße Weiterleiten dieser Mail an den Schuldner seinen Sorgfaltspflichten schon deshalb nicht gerecht, weil auch er nicht darauf vertrauen konnte, dass die Mail von Dr. W. oder seine eigene Mail den Schuldner erreichen würden. Er musste zumindest organisatorische Maßnahmen ergreifen, die eine Kontrolle des Zugangs ermöglichten, etwa durch Anforderung einer Lesebestätigung (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2013, aaO Rn. 11). Zudem durfte er selbst für den Fall, dass den Schuldner die Mails erreichten, nicht darauf vertrauen, dass die Honorarvereinbarung unmittelbar zwischen dem Schuldner und dem Revisionsanwalt geschlossen werden würde. Er hatte vielmehr den Schuldner zu beraten, welche Alternativen hierzu bestanden, gegebenenfalls diese rechtzeitig wahrzunehmen. Für die Beklagte bestand nicht die Alternative, Revision bei Abschluss einer Honorarvereinbarung mit Rechtsanwalt W. oder überhaupt nicht einzulegen. Es hätte ein anderer Anwalt beauftragt werden können. Rechtsanwalt Dr. K. musste sich jedenfalls vergewissern, dass die Voraussetzungen für die Einlegung der Revision geschaffen waren. Er konnte dies nach Übernahme des Auftrags nicht kommentarlos dem Schuldner überlassen, ohne sich über dessen entsprechendes Tätigwerden zu vergewissern. Darauf, dass Rechtsanwalt W. beim Schuldner nachfragen würde, konnte er sich nicht verlassen. Mit Rechtsanwalt W. bestand noch kein Vertrag. Er hatte seine Bedingungen mitgeteilt. Die Telefonnummer des Schuldners war ihm nicht bekannt gegeben worden. Für schriftliche Nachfragen fehlte es an der hierfür erforderlichen Zeit. Die Mailanschrift war nicht ausreichend sicher.
Kayser Vill Lohmann
Fischer Möhring