Entscheidungsdatum: 10.09.2015
Erbringt der spätere Insolvenzschuldner als Dritter zur Abwendung der Zwangsvollstreckung des Gläubigers gegen seinen Forderungsschuldner aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil die von jenem geschuldete Leistung, stellt der Verlust des Rechts, eine geleistete Sicherheit zurückzuverlangen, kein die Entgeltlichkeit der empfangenen Leistung begründendes Vermögensopfer des Gläubigers dar.
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 16. September 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Der Kläger ist Verwalter in dem auf einen Antrag vom 22. Dezember 2010 am 1. März 2011 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der s. GmbH (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin ist eine Tochtergesellschaft der s. AG, über deren Vermögen ebenfalls auf Antrag vom 22. Dezember 2010 am 1. März 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Beklagte zu 2 hatte am 26. April 2010 gegen die s. AG ein gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbares Vorbehaltsurteil erwirkt, das diese für erbrachte Beratungsleistungen zur Zahlung von 75.000 € zuzüglich Zinsen und vorgerichtlicher Kosten verpflichtete. Nachdem die Beklagte zu 2 die Sicherheit durch Einzahlung bei der Hinterlegungsstelle geleistet hatte, forderte die von ihr mit der Zwangsvollstreckung beauftragte Gerichtsvollzieherin die s. AG zur Zahlung des Betrags von 77.699,92 € bis zum 13. August 2010 auf. Daraufhin überwies die Schuldnerin von ihrem Geschäftskonto am 10. August 2010 einen Betrag von 20.000 € und am 23. August 2010 den Restbetrag von 57.699,92 € auf das Dienstkonto der Gerichtsvollzieherin. Diese kehrte die empfangenen Beträge an die Beklagte zu 2 aus. Die s. AG nahm ihre gegen das Vorbehaltsurteil eingelegte Berufung am 30. August 2010 zurück. Am 23. September 2010 wurde die Rückzahlung der Sicherheit an die Beklagte zu 2 angeordnet.
Der Kläger verlangt von der Beklagten zu 2, nachdem er zunächst deren Muttergesellschaft, die Beklagte zu 1, verklagt hatte, unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung die Rückzahlung des Betrags von 77.699,92 € nebst Zinsen. Das Landgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen und die Beklagte zu 2 antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten zu 2 hat das Oberlandesgericht die Klage auch ihr gegenüber abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zu 2.
I.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat gemeint, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Rückgewähr der von der Schuldnerin erbrachten Zahlungen nach § 143 Abs. 1, § 134 Abs. 1 InsO zu, weil es sich nicht um unentgeltliche Leistungen gehandelt habe. Die Schuldnerin habe nicht zur Tilgung einer fremden Schuld geleistet, sondern ohne Erfüllungswirkung lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung unter der Bedingung der rechtskräftigen Bestätigung der zugrunde liegenden Verbindlichkeit und unter dem Vorbehalt der Rückforderung im Falle der Aufhebung des zur Zahlung verpflichtenden Urteils. Die Beklagte zu 2 habe aufgrund der von der Schuldnerin erlangten Zahlung das Recht verloren, die von ihr erbrachte Sicherheitsleistung unter Rücknahme des Vollstreckungsauftrags zurückzuverlangen; nur bei einer Bestätigung des der Vollstreckung zugrunde liegenden Urteils habe nun noch ein Anspruch auf Rückgabe der Sicherheit bestanden. Darin liege die ausgleichende Gegenleistung der Beklagten zu 2, welche den Leistungsempfang als entgeltlich qualifiziere. Der Umstand, dass die geleistete Sicherheit nach Rechtskraft des zu vollstreckenden Urteils zwischenzeitlich zurückgezahlt worden sei, führe zu keiner anderen Beurteilung. Dies sei die Folge einer weiteren Rechtshandlung, nämlich der Rücknahme der Berufung durch die s. AG, und begründe allenfalls die Anfechtbarkeit durch den Verwalter im Insolvenzverfahren über deren Vermögen.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Schuldnerin nicht zur Erfüllung der Verbindlichkeit ihrer Muttergesellschaft, sondern lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleistet habe, beruhe auf einem Verfahrensfehler, weil die Beklagte zu 2 dies nicht vorgetragen und mit ihrer Berufung nicht gerügt habe. Den äußeren Sachverhalt der Zahlung über die Gerichtsvollzieherin hat der Kläger selbst in erster Instanz in das Verfahren eingeführt. Er ist auch von der Beklagten zu 2 mit der Berufungsbegründung vorgetragen worden. Zahlungen aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils bei drohender Zwangsvollstreckung sind in der Regel dahin zu verstehen, dass sie nur als vorläufige Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung ohne Anerkennung der Schuld und unter dem Vorbehalt der Rückforderung erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Mai 1976 - III ZB 4/76, WM 1976, 1069; Urteil vom 19. Januar 1983 - VIII ZR 315/81, BGHZ 86, 267, 269; vom 15. März 2012 - IX ZR 35/11, WM 2012, 754 Rn. 7). Mangels entgegenstehender Umstände konnte das Berufungsgericht auch im Streitfall von einer solchen Zweckbestimmung ausgehen. Eines Berufungsangriffs bedurfte es insoweit nicht (§ 529 Abs. 2 ZPO; BGH, Urteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 266/03, BGHZ 162, 313, 317 f).
b) Die Unentgeltlichkeit der Leistung der Schuldnerin kann aber mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden.
aa) Wird der spätere Insolvenzschuldner als dritte Person in einen Zuwendungsvorgang eingeschaltet, kommt es für die Frage der Unentgeltlichkeit seiner Leistung nicht darauf an, ob er selbst einen Ausgleich für seine Leistung erhalten hat. Entsprechend der Wertung des § 134 Abs. 1 InsO, dass der Empfänger einer Leistung dann einen geringeren Schutz verdient, wenn er keine ausgleichende Gegenleistung zu erbringen hat, hängt die Unentgeltlichkeit von dem Ausbleiben eines Vermögensopfers des Zuwendungsempfängers ab (BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 - IX ZR 71/08, WM 2009, 1099 Rn. 6 mwN; vom 13. Februar 2014 - IX ZR 133/13, WM 2014, 516 Rn. 14; Beschluss vom 3. April 2014 - IX ZR 236/13, WM 2014, 955 Rn. 4). Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob der Leistungsempfänger eine Gegenleistung erbringt, ist der Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs. Hat er vertragliche Leistungen wie hier die Beratungsleistungen bereits erbracht, kann eine ausgleichende Gegenleistung nur nach dem Wert eines bestehenden, aber noch nicht ausgeglichenen Anspruchs bemessen werden. Ist dieser im Zeitpunkt der Leistung nicht werthaltig, liegt eine unentgeltliche Zuwendung vor. Der Leistungsempfänger, der lediglich eine nicht werthaltige Forderung gegen seinen Schuldner verliert, ist gegenüber den Gläubigern des Insolvenzschuldners nicht schutzwürdig, denn er hätte ohne dessen Leistung, auf die er keinen Anspruch hatte, seine Forderung nicht durchsetzen können (BGH, Urteil vom 7. Mai 2009, aaO; Beschluss vom 3. April 2014, aaO Rn. 5).
bb) Mit Recht hat das Berufungsgericht danach für die Beurteilung, ob die Zahlungen der Schuldnerin unentgeltlich erfolgten, den Zeitpunkt in den Blick genommen, zu dem die Zahlungen bewirkt wurden. Zu diesem Zeitpunkt erlosch die Forderung der Beklagten zu 2 gegen die s. AG noch nicht. Leistungen, die der Schuldner einer Forderung oder ein Dritter zur Abwendung der vom Gläubiger angedrohten oder bereits eingeleiteten Zwangsvollstreckung aus einem nur vorläufig vollstreckbaren Urteil erbringt, bewirken grundsätzlich zunächst keine Erfüllung der dem Urteil zugrunde liegenden Forderung. Sie stehen unter dem Vorbehalt, dass das Bestehen der Schuld rechtskräftig festgestellt wird. Dieser Vorbehalt lässt die Schuldtilgung bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Schwebe (BGH, Urteil vom 22. Mai 1990 - IX ZR 229/89, NJW 1990, 2756; vom 3. Juli 1997 - IX ZR 122/96, NJW 1997, 2601, 2602; jeweils mwN). Für den Zeitpunkt der Zahlungen lässt sich ein Vermögensopfer der Beklagten zu 2 und damit die Entgeltlichkeit der Zahlungen deshalb nicht mit dem Erlöschen der titulierten Forderung der Beklagten zu 2 gegen die s. AG begründen.
cc) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann ein die Entgeltlichkeit der empfangenen Leistungen begründendes Vermögensopfer der Beklagten zu 2 aber auch nicht darin gesehen werden, dass diese ihr Recht verlor, die geleistete Sicherheit zurückzufordern. Diese Rechtsfolge stellt kein die Leistung der Schuldnerin ausgleichendes Vermögensopfer dar.
Erbringt ein Gläubiger eine Sicherheitsleistung, von der das Gericht die vorläufige Vollstreckbarkeit eines nicht rechtskräftigen Urteils abhängig gemacht hat, erfüllt er damit lediglich eine Bedingung für den Beginn der Zwangsvollstreckung (vgl. §§ 709, 751 Abs. 2 ZPO). Nach der zum Zeitpunkt der hier erfolgten Hinterlegung geltenden Rechtslage ging das bei der zuständigen Hinterlegungsstelle als Sicherheit hinterlegte Geld in das Eigentum des Bundes oder Landes über (§ 7 HinterlO); der Sicherungsberechtigte erlangte ein gesetzliches Pfandrecht am Anspruch des Sicherungsgebers auf Rückerstattung (§ 233 BGB; Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 108 Rn. 15a). Zweck einer solchen prozessualen Sicherheitsleistung ist es, einen bei Aufhebung oder Abänderung des vorläufig vollstreckbaren Urteils bestehenden Anspruch des Forderungsschuldners auf Ersatz des Schadens abzusichern, der ihm durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist (vgl. § 717 Abs. 2 ZPO). Wird die Verurteilung hingegen rechtskräftig, kann der Gläubiger die geleistete Sicherheit zurückverlangen (§§ 109, 715 ZPO). Mithin bildet die Sicherheitsleistung keinen Ausgleich für den Erhalt einer Zahlung, sondern sichert lediglich deren Rückforderung. Wirtschaftlich betrachtet bleibt der in der Sicherheitsleistung verkörperte Wert zunächst im Vermögen des Sicherungsgebers.
Daran ändert sich nichts, wenn der Forderungsschuldner oder ein Dritter nach der Hinterlegung der Sicherheit eine Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erbringt. Zwar wird dadurch der Zugriff des Gläubigers auf die geleistete Sicherheit beschränkt. Vor einer zur Abwendung der Vollstreckung erfolgten Zahlung kann der Gläubiger etwa durch eine Rücknahme des Vollstreckungsauftrags und einen Verzicht auf die vorläufige Vollstreckbarkeit einseitig die Voraussetzungen für eine Rückgabe der Sicherheit nach § 109 ZPO schaffen. Nach Entgegennahme der Zahlung ist eine Rücknahme der Sicherheit vor der Rechtskraft des Urteils nur mit Bewilligung des Sicherungsberechtigten möglich. Die darin liegende Beschränkung des Zugriffs auf die Sicherheit ist aber wie schon die Hinterlegung selbst kein Ausgleich für die empfangene Leistung und ändert nichts an der Zuordnung der Hinterlegungsmasse zum Vermögen des Gläubigers.
3. Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
II.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Als bereits im Zeitpunkt des Erhalts der Zahlungen der Schuldnerin erbrachtes, die Entgeltlichkeit dieser Zahlungen begründendes ausgleichendes Vermögensopfer der Beklagten zu 2 kommt in Betracht, dass die Beklagte zu 2 im Umfang der von der Schuldnerin erbrachten Leistung das Recht verlor, die Vollstreckung gegen die s. AG als ihrer Forderungsschuldnerin fortzusetzen. Einer weiteren Vollstreckung stand nunmehr das Verbot der Überpfändung (§ 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO) entgegen. Der Verlust des Vollstreckungsrechts stellt allerdings dann kein ausgleichendes Vermögensopfer der Beklagten zu 2 dar, wenn dieses Recht nicht werthaltig war, weil eine Vollstreckung gegen die s. AG keine Aussicht auf Erfolg bot. Hierzu hat das Berufungsgericht bisher keine Feststellungen getroffen.
b) Ein Vermögensopfer der Beklagten zu 2, das die erlangten Zahlungen als entgeltlich qualifiziert, kann auch darin liegen, dass die Zahlungen der Schuldnerin später die titulierte Forderung doch noch zum Erlöschen brachten, als nämlich die s. AG ihre Berufung mit einem am 30. August 2010 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz zurücknahm und das erstinstanzliche Urteil damit rechtskräftig wurde. Nach der Rechtsprechung des Senats bleiben bei der Beurteilung der Entgeltlichkeit von Drittzahlungen Leistungen, die der Gläubiger bereits zuvor erbracht hat, außer Betracht (BGH, Urteil vom 3. März 2005 - IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276, 281; st. Rspr.). Leistungen, die der Gläubiger nach dem Empfang einer Zahlung erbringt, können hingegen als ausgleichendes Vermögensopfer zu werten sein (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2008 - IX ZR 163/07, WM 2008, 1459 Rn. 15; vom 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13, WM 2013, 2182 Rn. 12). Das Erlöschen der Forderung der Beklagten zu 2 gegen die s. AG, das erst mit Rechtskraft des Urteils eintrat, aber ursächlich auf die Zahlungen der Insolvenzschuldnerin zurückzuführen ist, kann deshalb die Entgeltlichkeit dieser Zahlungen begründen, vorausgesetzt die Forderung der Beklagten zu 2 war im Zeitpunkt ihres Erlöschens werthaltig. Auch hierzu fehlt es an Feststellungen des Berufungsgerichts. Wegen des im Streitfall geringen zeitlichen Abstands wird die entsprechende Bewertung kaum anders ausfallen können als die Beurteilung der nach den vorstehenden Ausführungen zu prüfenden Frage, ob eine erfolgversprechende Vollstreckung gegen die s. AG noch möglich war, als die Beklagte zu 2 die am 10. und 23. August 2010 angewiesenen Zahlungen der Schuldnerin erhielt.
Kayser Lohmann Pape
Grupp Möhring