Entscheidungsdatum: 12.07.2012
1. Weist der Schuldner einen von ihm eingesetzten Treuhänder nach Verfahrenseröffnung an, von einem Treuhandkonto eine Überweisung an einen Dritten zu bewirken, kann der Verwalter nach Genehmigung der Zahlung von dem Dritten deren Erstattung verlangen.
2. Verfügungen eines Treuhänders sind nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Treugebers wirksam, auch wenn der Verfügungsgegenstand wirtschaftlich zur Masse gehört.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 8. November 2011 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Der Beklagte hat auch die Kosten des Streithelfers zu tragen.
Der Streitwert wird auf 38.347,92 € festgesetzt.
I.
Dem Beklagten steht als letztverbliebenem Partner der Rechtsanwaltskanzlei R. Rechtsanwälte GbR (nachfolgend GbR) gegen Dr. Rü. (nachfolgend: Schuldner) wegen der Wahrnehmung seiner Rechte in einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung mit der Bank A. eine Honorarforderung in Höhe von 48.347,92 € zu. Auf diese Forderung entrichtete der Schuldner, nachdem die GbR gegen ihn am 9. Juni 2008 einen auf Zahlungsunfähigkeit gestützten Insolvenzantrag gestellt hatte, aufgrund einer Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung am 27. August 2008 einen Betrag in Höhe von 10.000 €. Nach dieser Zahlung nahm die GbR den Insolvenzantrag durch Schriftsatz vom 28. August 2008 zurück.
Auf den neuerlichen Antrag der GbR vom 6. Januar 2009 wurde am 4. Februar 2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Streithelfer des Klägers, ein Rechtsanwalt, führte bei der B. AG für den Schuldner ein offenes Treuhandkonto. Auf eine von dem Schuldner nach Verfahrenseröffnung erteilte Weisung entrichtete der Streithelfer in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung am 5. Februar 2009 zur Tilgung der Honorarrestforderung von dem Konto einen Betrag in Höhe von 38.347,92 € an die GbR.
Der Kläger verlangt mit vorliegender Klage von dem Beklagten Erstattung dieser Zahlung. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat angenommen, dass die Zahlung gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung unterliege. Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht entscheidungserheblich, weil die Klage nach eindeutiger Rechtslage ihre Grundlage in § 816 Abs. 2 BGB findet.
1. Zutreffend macht die Beschwerde geltend, dass eine Anfechtung vorliegend ausscheidet, weil die maßgebliche Rechtshandlung entgegen dem Wortlaut des § 129 Abs. 1 InsO nach Verfahrenseröffnung vorgenommen wurde und der Sondertatbestand des § 147 InsO nicht eingreift.
a) Voraussetzung jeder Insolvenzanfechtung bildet nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 129 Abs. 1 InsO in Anlehnung an das frühere Konkursrecht (§ 29 KO) eine vor Insolvenzeröffnung vorgenommene Rechtshandlung (BT-Drucks. 12/2443, S. 157; BGH, Urteil vom 4. März 1999 - IX ZR 63/98, BGHZ 141, 97, 107; HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 129 Rn. 35; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 129 Rn. 74; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 129 Rn. 23). Die Beschränkung der Anfechtung auf vor Verfahrenseröffnung verwirklichte Rechtshandlungen beruht auf der Annahme des Gesetzgebers, dass bei späteren Rechtshandlungen des Schuldners durch §§ 80 bis 82, 89, 91 sowie 96 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 InsO ein hinreichender Schutz der Masse sichergestellt wird (Kirchhof aaO).
b) Vorliegend ist unstreitig, dass schon der Auftrag des Schuldners an den Streithelfer, die Überweisung an den Beklagten vorzunehmen, erst nach Insolvenzeröffnung erging. Bei dieser Sachlage ist mangels einer zeitlich vor Verfahrenseröffnung liegenden Rechtshandlung für eine Insolvenzanfechtung von vornherein kein Raum.
2. Jedoch ist die Klageforderung gemäß § 816 Abs. 2 BGB begründet. Nach dieser Vorschrift kann der Berechtigte von einem Nichtberechtigten Erstattung einer an diesen erbrachten Leistung verlangen, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist. Der Streithelfer hat durch die am 5. Februar 2009 zugunsten des Beklagten vorgenommene Zahlung nach der in vorliegender Klage zu erkennenden Genehmigung (§ 185 Abs. 1 BGB) des Klägers eine diesem als Berechtigtem gegenüber wirksame Leistung erbracht.
a) Die Wirksamkeit der von dem Streithelfer von dem Treuhandkonto an den Beklagten vorgenommenen Überweisung scheitert nicht bereits an § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO. Deshalb bedurfte nicht bereits die Überweisung zu ihrer Gültigkeit einer Genehmigung seitens des Klägers.
Zwischen dem Schuldner und dem Streithelfer bestand ein Treuhandverhältnis über das Konto, aus dessen Guthaben die Überweisung an den Beklagten herrührte. Dabei handelte es sich um eine Vollrechtstreuhand, weil der Schuldner als Treugeber keine Verfügungsmacht innehatte, sondern der uneingeschränkt verfügungsbefugte Streithelfer als Treuhänder lediglich schuldrechtlich gebunden war, das übertragene Recht nur nach Maßgabe der Treuhandvereinbarung mit dem Schuldner auszuüben. Das Treuhandverhältnis war uneigennützig in der Art einer Verwaltungstreuhand ausgestaltet, weil die Treuhand den Interessen des Schuldners als Treugeber diente (vgl. im Einzelnen HK-InsO/Lohmann, aaO, § 47 Rn. 20). Der Treuhänder handelt im eigenen Namen und ist deshalb nicht Vertreter des Schuldners. Seine Verfügungen unterliegen auch dann nicht der Vorschrift des § 81 InsO, wenn der Verfügungsgegenstand wirtschaftlich zur Masse gehört. Entscheidend ist dabei, dass der Treuhänder die Rechte an dem Treugut als Vollrechtsinhaber ausübt (HK-InsO/Kayser, aaO, § 81 Rn. 20; Jaeger/Windel, InsO, § 81 Rn. 13; HmbKomm-InsO/Kuleisa, 4. Aufl., § 81 Rn. 11; MünchKomm-Inso/Ott/Vuia, aaO § 81 Rn. 12; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 81 Rn. 6; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO 2009, § 81 Rn. 9; Piekenbrock in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO, § 81 Rn. 16). Bei dieser Sachlage hat der Streithelfer rechtswirksam von dem seiner Verfügungsmacht unterliegenden Treuhandkonto die Überweisung in Höhe von 38.347,92 € an den Beklagten erbracht.
b) Nach Verfahrenseröffnung hatte der Kläger gegen den Streithelfer einen Anspruch auf Auskehr des gesamten auf dem Treuhandkonto befindlichen Guthabens.
Im Fall der hier gegebenen echten Verwaltungstreuhand kann der Treugeber in der Insolvenz des Treuhänders das Treugut aussondern (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - IX ZR 49/10, WM 2011, 798 Rn. 13). Gerät hingegen - wie vorliegend - der Treugeber in Insolvenz, erlischt der Treuhandvertrag gemäß §§ 115, 116 InsO mit Verfahrenseröffnung. Dann kann der Verwalter das Treugut nicht aussondern, aber als wirtschaftlichen Bestandteil der Insolvenzmasse an sich ziehen (HK-InsO/Lohmann, aaO, § 47 Rn. 22; MünchKomm-InsO/Ganter, aaO, § 47 Rn. 371; Homann in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO, § 47 InsO Rn. 63). Diese Grundsätze gelten auch, wenn es sich um ein Treuhandkonto handelt. In der Insolvenz des Treugebers fällt das Treuhandguthaben wirtschaftlich in die Insolvenzmasse. Darum hatte der Kläger nach Verfahrenseröffnung gegen den Streithelfer als Treuhänder einen Anspruch auf Rückübertragung des Treuguts zur Insolvenzmasse (BGH, Urteil vom 25. April 1962 - VIII ZR 43/61, NJW 1962, 1200, 1201; vom 15. Dezember 2011 - IX ZR 118/11, ZIP 2012, 333 Rn. 16 f; Uhlenbruck/Brinkmann, aaO § 47 Rn. 34; Homann in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO, § 47 InsO Rn. 72; FK-InsO/Imberger, 6. Aufl., § 47 Rn. 49).
c) Den Anspruch des Klägers auf Auskehr des Kontoguthabens konnte der Streithelfer nicht durch Zahlung an den Beklagten zum Erlöschen bringen. Dieser war trotz der Weisung des Schuldners an den Streithelfer nicht berechtigt, die im Wege der Überweisung bewirkte Zahlung anstelle des Klägers entgegenzunehmen. Gleichwohl ist die Regelung des § 816 Abs. 2 anwendbar, weil der Kläger die unberechtigte Leistung an den Beklagten genehmigt hat (§ 185 Abs. 1 BGB).
aa) Den Anspruch auf Auskehr des auf dem Treuhandkonto befindlichen Guthabens hat der Streithelfer nicht durch die Zahlung an den Beklagten im Verhältnis zu dem Kläger wirksam erfüllt. Zwar kann der Schuldner einen Dritten zum Empfang einer dem Schuldner zustehenden Leistung ermächtigen. Wird eine solche Ermächtigung - wie im Streitfall - erst nach Verfahrenseröffnung erteilt, ist diese gemäß § 81 InsO unwirksam. Darum wird der Drittschuldner ungeachtet seiner Gutgläubigkeit nicht gemäß § 82 InsO von der Zahlungspflicht befreit (vgl. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012 - IX ZR 210/11, zVb).
bb) Jedoch hat der Kläger die Zahlung des Streithelfers an den Beklagten im vorliegenden Verfahren genehmigt.
(1) Der Insolvenzverwalter ist befugt, eine unwirksame Leistung des Drittschuldners an den Schuldner oder an einen von diesem Ermächtigten zu genehmigen (HK-InsO/Kayser, aaO, § 82 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, aaO, § 82 Rn. 6; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, aaO, § 82 Rn. 5; BK-InsO/v. Olshausen, 2011, § 82 Rn. 15; HmbKomm-InsO/Kuleisa, aaO, § 82 Rn. 33). In der Klageerhebung kann regelmäßig die Genehmigung der Leistung an einen Nichtberechtigten gesehen werden, auch wenn dies nicht ausdrücklich erklärt wird. Eine solche Annahme ist jedenfalls gerechtfertigt, wenn die Klagebegründung die Voraussetzungen eines den Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB ausfüllenden Tatsachenvortrags enthält (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2009 - IX ZR 237/07, WM 2009, 517 Rn. 8).
(2) Diesen Anforderungen ist genügt. Der Kläger hat - wenn auch zu Unrecht - in der Klagebegründung geltend gemacht, bereits die Wirksamkeit der Überweisung durch den Streithelfer an den Beklagten scheitere an § 81 InsO. Bei zutreffender rechtlicher Würdigung erweist sich hingegen die von dem Schuldner an den Streithelfer gerichtete Ermächtigung, das Guthaben an den Beklagten auszukehren, nach Maßgabe des § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO als unwirksam. Dessen ungeachtet konnte die Zahlung an den Beklagten auf der Grundlage beider Rechtsauffassungen nur infolge einer Genehmigung des Klägers diesem gegenüber Wirksamkeit entfalten. Bei dieser Sachlage ist aus der Klagebegründung eine Genehmigung der Zahlung des Streithelfers an den Beklagten herzuleiten. Folglich ist die Klage nach Maßgabe des § 816 Abs. 2 BGB begründet.
Kayser Gehrlein Vill
Fischer Grupp