Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 24.09.2015


BGH 24.09.2015 - IX ZR 206/14

Rechtsanwaltshaftung wegen verspäteter Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages: Nachforschungspflicht hinsichtlich der Versäumung der Ausschlussfrist für eine Klagebegründung im Wohnungseigentumsverfahren


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
24.09.2015
Aktenzeichen:
IX ZR 206/14
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend LG Lüneburg, 29. Juli 2014, Az: 5 S 10/14vorgehend AG Uelzen, 20. Januar 2014, Az: 12 C 78/13
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Der deutliche Hinweis des gegnerischen Anwalts, dass die Klagebegründung nicht rechtzeitig eingereicht sei, kann die Kenntnis von einer Fristversäumnis begründen.

Tenor

Auf die Revisionen der Klägerin und des Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 29. Juli 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 1.897,82 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie beauftragte in einem Vorprozess den nunmehr beklagten Rechtsanwalt, Klage auf Feststellung der Ungültigkeit eines Beschlusses der Wohnungseigentümer zu erheben. Nachdem die Klagebegründung nicht innerhalb der Frist des § 46 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 WEG bei Gericht eingegangen war, beantragten die beklagten Wohnungseigentümer mit dem hiesigen Beklagten am 24. November 2011 zugegangenem Schriftsatz, die Klage mangels einer rechtzeitig eingegangenen Begründung abzuweisen. Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2011 erklärte der Beklagte, die Klagebegründung ordnungsgemäß zur Post gegeben zu haben, und stellte hilfsweise einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, welcher als unzulässig verworfen wurde. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beklagten blieb erfolglos. Auf richterlichen Hinweis nahm die Klägerin persönlich die Klage zurück und glich die aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Gegenseite zu erstattenden Kosten aus.

2

Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, den Wiedereinsetzungsantrag verspätet gestellt zu haben. Wegen dieser Verletzung anwaltlicher Sorgfaltspflichten begehrt sie den Ersatz der an die Gegenseite gezahlten Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.351,13 €. Der Beklagte hat hilfsweise die Aufrechnung mit offenen Honorarforderungen in Höhe von insgesamt 776,24 € erklärt, von denen 546,69 € auf die anwaltliche Vertretung der Klägerin im Ausgangsrechtsstreit und 229,55 € auf die Einholung einer Deckungszusage bei der klägerischen Rechtsschutzversicherung entfielen.

3

Das Amtsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Aufrechnung des Beklagten in Höhe von 546,69 € für begründet erachtet und das amtsgerichtliche Urteil teilweise abgeändert. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter; der Beklagte stellt weiterhin den Antrag, die Klage vollständig abzuweisen.

Entscheidungsgründe

4

Die zulässigen Revisionen der Klägerin und des Beklagten haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

5

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.351,13 € wegen der schuldhaften Verletzung von Sorgfaltspflichten aus dem anwaltlichen Mandatsverhältnis zu. Zwar treffe einen Rechtsanwalt grundsätzlich nur bei Vorliegen besonderer Umstände die Pflicht, Erkundigungen über den Eingang seines Schriftsatzes bei Gericht einzuholen. Nach Erhalt der eindeutig und ernsthaft formulierten Klageerwiderung am 24. November 2011, in welcher auf die fehlende Begründung der Klage hingewiesen worden sei, hätte es dem Beklagten jedoch oblegen, Nachforschungen anzustellen und erforderlichenfalls innerhalb der Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. Nach Zurückweisung des verspätet gestellten Wiedereinsetzungsantrags habe die Klägerin in Erfüllung der ihr obliegenden Schadensminderungspflicht die Klage zurückgenommen, weshalb die erstatteten Rechtsanwaltskosten der Gegenseite einen kausalen Schaden darstellten. Der die fehlenden Erfolgsaussichten der Ausgangsklage betreffende Vortrag des Beklagten sei hingegen widersprüchlich und damit unbeachtlich.

6

Die seitens des Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung habe nur in Höhe der Gebühren für sein Tätigwerden im Ausgangsrechtsstreit Erfolg, weil ein Rechtsanwalt seine Honorarforderung aus einem Anwaltsdienstvertrag regelmäßig nicht aufgrund einer Schlechtleistung verliere. Um eine Gebühr für die Führung des Deckungsschriftverkehrs verlangen zu können, bedürfe es zumindest eines vorherigen ausdrücklichen Hinweises des Rechtsanwalts an den Mandanten, an dem es hier fehle.

II.

7

Die Revision des Beklagten ist begründet. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand. Mit der bisher gegebenen Begründung kann ein auf einer Sorgfaltspflichtverletzung beruhender Schaden der Klägerin nicht bejaht werden.

8

1. Zu Unrecht wendet sich die Revision des Beklagten gegen die Würdigung des Berufungsgerichts, wonach der Beklagte schuldhaft eine ihm aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Anwaltsvertrag obliegende Pflicht verletzt habe, indem er nicht innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO Wiedereinsetzung in die versäumte Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 WEG beantragte (§ 46 Abs. 1 Satz 3 WEG, §§ 233, 234 ZPO).

9

a) Grundsätzlich hat ein Rechtsanwalt zu verhindern, dass sein Mandant durch einen Fristablauf Rechtsnachteile erleidet, weshalb er von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfristen unverzüglich zu erfassen und zu überwachen hat (Vill in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 697). Wird wegen eines Verschuldens des Rechtsanwalts eine zu überwachende Frist nicht eingehalten, so dass eine Wiedereinsetzung nicht gewährt werden kann, handelt er insoweit pflichtwidrig (Vill, aaO Rn. 770). Dies gilt auch für die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

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b) Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes und auf rechtliches Gehör gebieten es, den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfG, NJW-RR 2002, 1005; BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - IX ZB 238/08, nv Rn. 8). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 155/07, NJW-RR 2008, 930 Rn. 6; vom 3. Dezember 2009, Rn. 8; vom 5. Juni 2012 - VI ZB 16/12, NJW 2012, 2522 Rn. 6). Diese Funktion des Wiedereinsetzungsgesuchs beeinflusst die Voraussetzungen, unter denen im Einzelfall Wiedereinsetzung zu gewähren ist. Deshalb ist ein Rechtsanwalt, der regelmäßig in besonderem Maße eine hinreichend sichere Ausgangskontrolle gewährleisten muss und diese Verpflichtung im konkreten Fall erfüllt hat, grundsätzlich nicht gehalten, den Eingang seiner Schriftsätze bei Gericht zu überwachen (vgl. BVerfGE 79, 372, 375 f; BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009, aaO Rn. 10). Liegt jedoch ein konkreter Anlass vor, kann eine Nachfragepflicht begründet sein (vgl. BVerfGE 42, 120, 126; BVerfG, NJW 1992, 38, 39; BGH, Beschluss vom 5. Juni 2012, aaO Rn. 10). Ein solcher Anlass ist zwar - um die Sorgfaltspflichten des Prozessbevollmächtigten nicht zu überspannen und den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren - regelmäßig noch nicht allein aus der Tatsache abzuleiten, dass vor Fristablauf keine entsprechende Nachricht des Gerichts eingegangen ist (vgl. BVerfG, NJW 1992, 38, 39; BGH, Beschluss vom 5. Juni 2012, aaO). Ergibt sich jedoch aus einer Mitteilung des Gerichts unzweifelhaft, dass etwas fehlgelaufen ist, kann eine solche Nachricht Nachforschungspflichten des Rechtsanwalts auslösen (vgl. BVerfG, NJW 1992, 38, 39; BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009, aaO Rn. 11; vom 5. Juni 2012, aaO).

11

c) Einer solchen gerichtlichen Mitteilung kann auch ein deutlicher Hinweis der anwaltlich vertretenen Gegenseite gleichstehen. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass auch eine - telefonisch oder schriftsätzlich erteilte - anwaltliche Nachricht, beispielsweise über die erfolgte Zustellung (BGH, Beschluss vom 15. November 1976 - VIII ZB 35/76, VersR 1977, 258) oder die eingetretene Rechtskraft eines Urteils (BGH, Urteil vom 28. September 1972 - IV ZB 62/72, VersR 1973, 31) ebenso wie die Zustellung eines Berichtigungsantrags der Gegenseite (BGH, Urteil vom 28. März 1990 - XII ZR 68/89, VersR 1991, 120) geeignet ist, Erkundigungspflichten des Rechtsanwalts zu begründen (vgl. MünchKomm-ZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 234 Rn. 6; Musielak/Voit/Grandel, ZPO, 12. Aufl., § 234 Rn. 4; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 234 Rn. 5). Grund für die besondere Bedeutung der anwaltlichen Mitteilung ist das Vertrauen, welches der Rechtsverkehr der anwaltlichen Nachricht entgegenbringt. Bei Erhalt einer solchen Mitteilung ist regelmäßig anzunehmen, dass diese keinen gegen die aus § 138 Abs. 1 ZPO folgende Wahrheitspflicht verstoßenden, bewusst wahrheitswidrigen oder unvollständigen Vortrag enthält.

12

d) Mit Zugang des Schriftsatzes der Gegenseite vom 24. November 2011 hatte die Klägerin, der die Kenntnis des Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet wurde, Kenntnis von der Fristversäumung.

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aa) Nach dem Inhalt dieses eine Seite umfassenden Schriftsatzes, hätte der Beklagte bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen müssen, dass die Klagebegründung als fristgebundene Rechtshandlung versäumt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2004 - XI ZB 33/03, NJW-RR 05, 76, 77; vom 13. Oktober 2011 - VII ZR 29/11, NJW 2012, 159 Rn. 9; Prütting/Gehrlein/Milger, ZPO, 7. Aufl., § 234 Rn. 4). Der in der Klageerwiderung enthaltene Antrag, die Klage aufgrund der nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG erfolgten Begründung abzuweisen, war eindeutig formuliert und - aufgrund fehlender weiterer tatsächlicher oder rechtlicher Ausführungen - auch bei nur oberflächlicher Durchsicht des Schriftsatzes sofort zu erkennen und in seinem Sinngehalt ohne weitere inhaltliche Prüfung zu erfassen. Auf eine durch das Gericht verursachte Verzögerung oder einen Fehler bei der Weiterleitung der Klagebegründung durfte sich der Beklagte angesichts der einschneidenden Wirkung der Ausschlussfrist nicht verlassen. Überdies lagen Anhaltspunkte, die ein dem Verantwortungsbereich des Gerichts zuzuordnendes Versehen nahelegen könnten, für den Beklagten nicht erkennbar vor. Insbesondere ist die von der Gegenseite verwendete Formulierung, wonach die Klage "soweit ersichtlich" nicht fristgerecht begründet wurde, nicht geeignet, einen zugunsten des Beklagten wirkenden Vertrauenstatbestand zu schaffen. Sie gab vielmehr umgekehrt Anlass, sich im Interesse des Mandanten unverzüglich über den rechtzeitigen Zugang des Schriftsatzes zu vergewissern.

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Selbst wenn hinsichtlich des Fristbeginns der Zeitpunkt zugrunde gelegt wird, zu dem auf eine Nachfrage des Beklagten eine klärende Antwort des Gerichts zu erwarten gewesen wäre, ist der Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten als nicht fristgerecht anzusehen. Angesichts der Bedeutung der Ausschlussfrist hätte sich der Beklagte unter Anwendung der gebotenen anwaltlichen Vorsicht nicht auf eine im gewöhnlichen Postlauf gestellte und nicht als besonders eilbedürftig gekennzeichnete Anfrage bei Gericht verlassen dürfen. Auf eine unverzügliche, beispielsweise per Telefon oder Fax unmittelbar nach Erhalt des Schriftsatzes am 24. November 2011 gestellte Anfrage wäre eine klärende Antwort des Gerichts innerhalb kürzester Zeit - jedenfalls vor Ablauf des 29. November 2011 - zu erwarten gewesen. Der am 15. Dezember 2011 gestellte Wiedereinsetzungsantrag wurde demnach nicht innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO gestellt.

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bb) Da der Beklagte den Inhalt des gegnerischen Schriftsatzes ohne nähere rechtliche oder tatsächliche Prüfung erfassen konnte, durfte er die gebotenen Nachforschungen auch nicht bis zu dem Ablauf der ihm in der richterlichen Begleitverfügung gesetzten dreiwöchigen Frist zur Stellungnahme auf die Klageerwiderung zurückstellen. Vielmehr musste er, nachdem ihm ein mögliches Fristversäumnis offensichtlich geworden war, die laufende Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO auch ohne einen entsprechenden richterlichen Hinweis beachten. Demnach oblag es ihm, unverzüglich Nachforschungen über den Verbleib seines Schriftsatzes anzustellen und erforderlichenfalls sogleich (hilfsweise) Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu beantragen. Letzteres Vorgehen wählte der Beklagte schließlich auch in seinem auf die Klageerwiderung folgenden Schriftsatz, der am 15. Dezember 2011 und somit außerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO bei Gericht einging. Eine Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO schied aus, weil der Beklagte auch diese Frist nicht ohne sein Verschulden versäumte.

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cc) Im Ergebnis kann dahinstehen, ob der Beklagte die Wiedereinsetzung in die versäumte Klagebegründungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 WEG innerhalb der Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO oder aber in der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO hätte beantragen müssen. Diese in der Literatur nicht einheitlich beantwortete Frage (vgl. Dötsch, NZM 2008, 309, 312 f; Bärmann/Klein, WEG, 12. Aufl., § 46 Rn. 48; Timme/Elzer, WEG, 2015, § 46 Rn. 197; Riecke/Schmidt/Abramenko, WEG, 3. Aufl., § 46 Rn. 9; Jennißen/Suilmann, WEG, 3. Aufl., § 46 Rn. 111 ff) ist bislang nicht höchstrichterlich entschieden. Angesichts dieser offenen Rechtslage durfte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass die Gerichte im Ausgangsverfahren bei der Entscheidung über seinen Wiedereinsetzungsantrag die Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu Grunde legen würden. Vielmehr musste er damit rechnen, dass sich die erkennenden Gerichte der für seine Mandantin ungünstigen Meinung anschließen würden. Daher oblag es dem Beklagten, vorausschauend den für seine Mandantin relativ sichersten und am wenigsten gefährlichen Weg zu wählen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - IX ZR 14/98, NJW 1999, 1391; Vill in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 697) und den Wiedereinsetzungsantrag innerhalb der Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu stellen.

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2. Mit Erfolg beanstandet die Revision des Beklagten jedoch, dass das Berufungsgericht einen auf der anwaltlichen Pflichtverletzung beruhenden Schaden der Klägerin bejaht hat, ohne tragfähige Feststellungen zur haftungsausfüllenden Kausalität zu treffen. In Verkennung der Darlegungs- und Beweislastverteilung hat das Berufungsgericht die notwendige Feststellung unterlassen, dass die Ausgangsklage Aussicht auf Erfolg hatte und somit ein Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden angenommen werden kann.

18

a) Grundsätzlich obliegt der Beweis für den Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden als anspruchsbegründende Voraussetzung nach allgemeinen Regeln demjenigen, der Schadensersatz verlangt (vgl. G. Fischer in: Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1104). Demnach hat der Auftraggeber den Nachweis zu führen, dass er den mit der Ausgangsklage geltend gemachten Anspruch gegen seinen Schuldner ohne die anwaltliche Pflichtverletzung hätte durchsetzen können (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 - IX ZR 211/00, WM 2004, 2220, 2221). Hierbei hat das Gericht über die Frage, wie der Vorprozess nach Auffassung des Schadensersatzrichters richtigerweise hätte entschieden werden müssen (vgl. G. Fischer, aaO Rn. 1190), nach den Grundsätzen des § 287 ZPO Feststellungen zu treffen (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2011 - IX ZR 82/10, WM 2011, 993 Rn. 19).

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b) Als Anfechtende traf die Klägerin im Ausgangsprozess die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Fragen, welche bei der Beurteilung der geltend gemachten Beschlussmängel der Wohnungseigentümergemeinschaft entscheidungserheblich sind (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2009 - V ZR 196/08, NZM 2009, 436 Rn. 27 ff; Dötsch, ZWE 2011, 305, 306; Bamberger/Roth/Scheel, BGB, 3. Aufl., § 46 WEG Rn. 34). Dementsprechend oblag es ihr, auch im Schadensersatzverfahren gegen den Beklagten zu den Erfolgsaussichten des Ausgangsprozesses vorzutragen und diese Tatsachen erforderlichenfalls unter Beweis zu stellen. Ob unter Zugrundelegung dieser Darlegungs- und Beweislastverteilung ein Kausalzusammenhang zwischen der anwaltlichen Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden angenommen werden kann, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Stattdessen hat es seine Entscheidung allein auf eine vermeintliche Widersprüchlichkeit des Beklagtenvortrags gestützt, auf die es insoweit nicht ankommt.

20

3. Das Berufungsurteil ist insgesamt aufzuheben. Über die mit der Revision des Beklagten (hilfsweise) aufgeworfene Frage der Auslösung eines Gebührentatbestandes durch anwaltliche Einholung einer Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers muss deshalb nicht entschieden werden.

21

Sofern im weiteren Verfahren diesbezügliche Feststellungen zu treffen sein sollten, weist der Senat darauf hin, dass die Auffassung der Vorinstanz zutreffen dürfte. Entgegen einer vielfach vertretenen Ansicht dürfte - zumindest wenn sich die Tätigkeit des Rechtsanwaltes in der Anforderung der Deckungszusage unter Beifügung eines Entwurfs der Klageschrift erschöpft - das Vorliegen einer eigenen Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG zu verneinen sein (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 - VI ZR 274/10, NJW 2012, 919 Rn. 9). Denn die Annahme nur einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne setzt regelmäßig nicht voraus, dass der Anwalt mit einer einzigen Prüfungsaufgabe befasst war (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011, aaO). Insbesondere, wenn - wie vorliegend - kein vorheriger Hinweis des Rechtsanwaltes auf die Entstehung gesonderter Gebühren festgestellt werden kann, dürfte eine auf die Einholung einer Deckungszusage gestützte Gebührenforderung nicht begründet sein (vgl. OLG Celle, NJOZ 2011, 802, 804).

III.

22

Die Revision der Klägerin hat ebenfalls Erfolg.

23

1. Das von der Klägerin eingelegte Rechtsmittel ist zulässig. Das Berufungsgericht hat die Revision ausweislich des Entscheidungstenors in vollem Umfang zugelassen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich eine Eingrenzung der Rechtsmittelzulassung zwar auch aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung ergeben (BGH, Urteil vom 29. Juni 1967 - VII ZR 266/64, BGHZ 48, 134, 136; vom 16. März 1988 - VIII ZR 184/87, NJW 1988, 1778, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 104, 6; vom 13. Dezember 1989 - IVb ZR 19/89, NJW 1990, 1795, 1796). Dies muss jedoch zweifelsfrei geschehen; die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision genügt nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen (BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 - I ZR 45/11, NJW 2012, 3577 Rn. 16; vom 29. Januar 2015 - IX ZR 279/13, WM 2015, 581 Rn. 8). Das Berufungsgericht begründet seine Zulassungsentscheidung mit der zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlichen Klärung des Vorliegens einer Pflichtverletzung. Hieraus ergibt sich über die Angabe des Grundes für die Revisionszulassung hinaus keine hinreichend klare Beschränkung. Es muss daher angenommen werden, dass sich die Zulassung auf den gesamten in der Berufungsinstanz anhängigen Streitstoff erstreckt (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 1991 - VI ZR 171/91, NJW 1992, 1039 f).

24

2. Die Annahme des Berufungsgerichts, wonach die (hilfsweise) Aufrechnung des Beklagten mit der Gebührenforderung für die anwaltliche Vertretung der Klägerin im Ausgangsrechtsstreit erfolgreich geltend gemacht werden könne, wird von den getroffenen Feststellungen nicht getragen.

25

a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Gebührenforderung des Beklagten nicht wegen Nutzlosigkeit der erbrachten Leistung erloschen ist. Grundsätzlich kann ein Rechtsanwalt trotz Schlechterfüllung eines Anwaltsdienstvertrages die ihm geschuldeten Gebühren verlangen. Insofern kann der Auftraggeber den aus dem Anwaltsdienstvertrag (§§ 611, 675 BGB) herrührenden anwaltlichen Vergütungsanspruch nicht kraft Gesetzes wegen mangelhafter Dienstleistung kürzen (BGH, Urteil vom 15. Juli 2004 - IX ZR 256/03, NJW 2004, 2817; vom 4. Februar 2010 - IX ZR 18/09, BGHZ 184, 209 Rn. 55; D. Fischer in: Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1000). Eine Minderung der vereinbarten Vergütung wie im Fall des § 634 BGB ist bei einem Dienstvertrag ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 4. Februar 2010, aaO; D. Fischer, aaO).

26

b) Allerdings kann die Verpflichtung des Auftraggebers zur Zahlung der Gebühren entfallen, wenn die Belastung mit der Honorarverbindlichkeit Bestandteil des aus einer anwaltlichen Vertragsverletzung resultierenden Schadens ist (BGH, Urteil vom 4. Februar 2010, aaO Rn. 56; D. Fischer, aaO). Zu der Frage, ob der Beklagte schuldhaft einen möglichen prozessualen Kostenerstattungsanspruch der Klägerin gegen die Gegenpartei des Ausgangsrechtsstreits vereitelt hat, hat das Berufungsgericht bislang mangels Prüfung der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen anwaltlicher Pflichtverletzung und bei der Klägerin eingetretenem Schaden keine tragfähigen Feststellungen getroffen.

IV.

27

Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben wird (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Kayser                            Gehrlein                            Lohmann

                   Pape                               Möhring