Entscheidungsdatum: 27.04.2017
Zur Aussonderung des anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs in einem Fall der Doppelinsolvenz.
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 27. Juli 2016 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Der Kläger ist Verwalter in dem am 11. April 2013 aufgrund eines Eigenantrags vom 23. Januar 2013 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der H. Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft mbH (nachfolgend: Schuldnerin). Diese war mit einem Anteil von fünfzig vom Hundert an der B. GmbH (nachfolgend: GmbH) beteiligt. Gegen die GmbH wurde am 4. Dezember 2012 ein Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Am 17. Januar 2013 ernannte das Insolvenzgericht den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt und ordnete an, dass Zahlungen nur noch an diesen erfolgen durften. Mit Eröffnungsbeschluss vom 1. April 2013 wurde der Beklagte zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH bestellt.
Im Hinblick auf Pfändungen des Geschäftskontos der GmbH, die in Flensburg einen Restaurantbetrieb unterhielt, ließ der Geschäftsführer H. , der gleichzeitig Geschäftsführer beider Gesellschaften war, schon im Jahre 2012 für die GmbH bestimmte Zahlungen eines Kreditkartenunternehmens auf das Geschäftskonto der Schuldnerin bei der Bank F. überweisen. Nach Pfändung dieses Kontos durch einen Gläubiger der Schuldnerin leitete er die Zahlungen des Kreditkartenunternehmens auf ein weiteres Konto der Schuldnerin bei der Bank N. um, welches er zuvor als Vorratskonto eingerichtet hatte. Auf dieses Konto überwies die Kreditkartengesellschaft in der Zeit vom 3. bis zum 24. Januar 2013 in fünf Einzelbeträgen insgesamt 13.183,85 €. Am 7. Januar 2013 wurde von dem Konto ein Betrag von 5.396,17 € an einen Gläubiger der GmbH überwiesen. Das restliche Guthaben überwies die Schuldnerin in zwei Teilbeträgen in Höhe von 5.461,89 € am 17. Januar 2013 und in Höhe von 2.312,59 € am 25. Januar 2013 auf ein vom Beklagten als vorläufigem Insolvenzverwalter der GmbH eingerichtetes Treuhandkonto bei der D. Bank AG.
Der Kläger verlangt Rückgewähr beider Beträge unter dem Gesichtspunkt der Deckungsanfechtung. Er meint, zur Ersatzaussonderung des auf das Treuhandkonto des Beklagten gelangten Betrages berechtigt zu sein. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil es sich bei dem Konto bei der Bank N. um ein Treuhandkonto gehandelt habe, welches die Schuldnerin für die GmbH geführt habe. Die Berufung gegen dieses Urteil ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in ZInsO 2016, 2257 veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Eine Verpflichtung des Klägers, seinen Anspruch gemäß § 87 InsO nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren zu verfolgen und zunächst im Verfahren nach den §§ 174 ff InsO als Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden, sei nicht gegeben. Bestehe der geltend gemachte Rückgewähranspruch, so berechtige dieser den Kläger zur Aussonderung.
Es sei anerkannt, dass der Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO in der Insolvenz des Anfechtungsgegners ein Aussonderungsrecht begründen könne. Damit solle verhindert werden, dass die Gläubiger des insolvent gewordenen Anfechtungsgegners von Rechtshandlungen profitierten, die als ungerechtfertigte Vermehrung der Vermögensmasse des Empfängers erschienen. Zwar erlösche die Aussonderungskraft des anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs, wenn der auszusondernde Gegenstand noch vor der Verfahrenseröffnung untergehe. Bestehen bleiben könne allenfalls noch ein Anspruch auf Ersatzaussonderung oder ein Bereicherungsanspruch aus § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO gegen die Insolvenzmasse. In einem solchen Fall müsse der Wertersatzanspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO Aussonderungskraft besitzen, weil sonst die Gläubiger des insolvent gewordenen Anfechtungsgegners von einer ungerechtfertigten Vermehrung des Vermögens des Schuldners profitieren könnten. Führe - wie vorliegend - die Übertragung von Buchgeld aus dem Vermögen des (künftigen) Schuldners dazu, dass dieser kein Aussonderungsrecht erlange, weil die Gutschrift auf dem Konto des Zahlungsempfängers nicht aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben sei, müsse der durch die Gutschrift des Betrages auf dem Konto des Anfechtungsgegners entstehende Wertersatzanspruch ebenfalls Aussonderungskraft haben.
Die Klage sei jedoch unbegründet, weil die angefochtenen Überweisungen die Gläubiger der Schuldnerin nicht benachteiligt hätten. Die Aktivmasse der Schuldnerin sei nicht verkürzt worden, denn der Beklagte hätte hinsichtlich der überwiesenen Beträge ein Aussonderungsrecht geltend machen können. Auf die Frage, ob die Schuldnerin das Konto als Treuhandkonto für die GmbH geführt habe, komme es dabei nicht an. Es reiche aus, dass die Schuldnerin das an den Beklagten überwiesene Kontoguthaben in anfechtbarer Art und Weise erlangt habe.
II.
Die Klage auf Rückgewähr des an die GmbH überwiesenen restlichen Guthabens in Höhe von 7.774,48 € ist zulässig, obwohl die streitgegenständliche Forderung vom Kläger nicht wirksam zur Insolvenztabelle angemeldet worden ist.
Gemäß § 87 InsO können Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur noch nach den Vorschriften des Insolvenzrechts geltend machen. Sie haben ihre Forderungen nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren, also durch Anmeldung zur Insolvenztabelle gemäß §§ 174 ff InsO, zu verfolgen (BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - IX ZR 93/09, ZInsO 2010, 376 Rn. 9; vom 21. Februar 2013 - IX ZR 92/12, ZInsO 2013, 602 Rn. 21, jeweils mwN). Mit Rücksicht auf die Notwendigkeit einer Rechtsverfolgung durch Forderungsanmeldung ist die Zulässigkeit einer insolvenzrechtlichen Feststellungsklage an die Sachurteilsvoraussetzung einer ordnungsgemäßen Anmeldung und Prüfung der geltend gemachten Forderung gekoppelt (BGH, Urteil vom 5. Juli 2007 - IX ZR 221/05, BGHZ 173, 103 Rn. 12; vom 22. Januar 2009 - IX ZR 3/08, WM 2009, 468 Rn. 8; vom 3. Juli 2014 - IX ZR 261/12, ZInsO 2014, 1608 Rn. 9 f; Pape/Schaltke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2015, § 179 Rn. 4 ff, jeweils mwN). Nicht anzuwenden sind diese Voraussetzungen aber auf die Geltendmachung einer Forderung als Anspruch auf Aussonderung oder Absonderung sowie als Masseverbindlichkeit (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2004 - V ZR 100/04, ZInsO 2005, 95; vom 21. Februar 2013 - IX ZR 92/12, Rn. 21; HK-Kayser, 8. Aufl., § 87 Rn. 3; Lüke in Kübler/Kübler/Bork, InsO, 2010, § 87 Rn. 11 f; Uhlenbruck/Mock, InsO, 14. Aufl., § 87 Rn. 9). Derartige Ansprüche sind außerhalb des insolvenzrechtlichen Anmeldungs- und Feststellungsverfahrens zu verfolgen. Im Streitfall hat der Kläger die Forderung nicht als Insolvenzforderung geltend gemacht. Vielmehr hat er sein Begehren ausdrücklich auf die Geltendmachung eines Anspruchs auf Ersatzaussonderung gestützt, der außerhalb des Insolvenzverfahrens zu verfolgen ist. Damit kam eine Anmeldung der Forderung im insolvenzrechtlichen Feststellungverfahren nicht in Betracht.
III.
Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Begründetheit der Klage treffen zu. Die vom Berufungsgericht für rechtsgrundsätzlich gehaltene Frage, ob ein Wertersatzanspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO Aussonderungskraft entfalten kann, stellt sich nicht. Der Kläger hat schon deshalb keinen Anspruch auf Rückgewähr des von der Schuldnerin auf das Treuhandkonto des Beklagten bei der D. Bank überwiesenen restlichen Guthabens, weil dem Beklagten in jedem Fall ein Aussonderungsrecht an dem im Januar 2013 verbliebenen restlichen Guthaben zustand. Dieses Recht ergab sich entweder aus der Führung des Kontos bei der Bank N. als Treuhandkonto für die GmbH, oder es war Folge der Anfechtbarkeit der Umleitung der für die GmbH bestimmten Zahlungen auf ein Konto der Schuldnerin.
1. Voraussetzung für den eingeklagten Anspruch auf Ersatzaussonderung des auf das Konto des Beklagten überwiesenen Restguthabens wäre die erfolgreiche Anfechtung der von der Schuldnerin veranlassten Überweisung des Guthabens von dem bei der Bank N. geführten Konto auf das Konto des Beklagten bei der D. Bank gewesen, die zu einem Aussonderungsrecht des Klägers gemäß § 47 InsO hinsichtlich des Anspruchs aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO hätte führen können (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2003 - IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350, 359 ff; vom 9. Oktober 2008 - IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171 Rn. 15). Insoweit setzte die vom Kläger gemäß § 129 Abs. 1, § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO erklärte Deckungsanfechtung - wie jede Insolvenzanfechtung - voraus, dass die Überweisung die Gläubiger der Schuldnerin benachteiligte. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, sich somit die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGH, Urteil vom 26. April 2012 - IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 Rn. 11; vom 10. September 2015 - IX ZR 215/13, ZInsO 2015, 2180 Rn. 9, st.Rspr.). Nach den insoweit zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts fehlt es an einer derartigen Benachteiligung, so dass es einen Rückgewähranspruch des Klägers nicht gibt.
a) Das Berufungsgericht konnte offen lassen, ob die Schuldnerin das Konto bei der Bank N. als Treuhandkonto für die GmbH geführt hat, wodurch der Beklagte zur Aussonderung des Guthabens berechtigt gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2011, IX ZR 49/10, BGHZ 188, 317 Rn. 16 mwN; HK-InsO/Lohmann, aaO, § 47 Rn. 21 ff; Prütting in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2015, § 47 Rn. 28; Uhlenbruck/Brinkmann, InsO, 14. Aufl., § 47 Rn. 79). Selbst wenn die GmbH aufgrund fehlender Unmittelbarkeit oder Offenkundigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2011, aaO Rn. 13; HK-InsO/Lohmann, aaO Rn. 23; Staufenbiel in Pape/Uhländer, InsO, § 47 Rn. 32) nicht Treugeberin geworden sein sollte, hätte der Beklagte das im Januar 2013 noch vorhandene restliche Guthaben nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin aus deren Vermögen aussondern können.
b) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts veranlasste der Geschäftsführer der schon im Sommer 2012 zahlungsunfähigen GmbH die Umleitung der Zahlungen des Kreditkartenunternehmens auf das auf den Namen der Schuldnerin geführte Konto bei der Bank N. , um zu verhindern, dass die Zahlungen auf das von einem Gläubiger gepfändete Geschäftskonto der GmbH gelangten und dem Zugriff der Gläubiger der GmbH unterlagen.
aa) Damit lagen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH die Voraussetzungen für eine Vorsatzanfechtung gemäß § 129 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO vor. Auf den von der Revision erhobenen Einwand, die GmbH habe bei der Schuldnerin erhebliche Verbindlichkeiten gehabt, welche die Schuldnerin mit den Kreditkartenzahlungen verrechnet habe, kommt es nicht an. Insoweit hätte es sich um eine Aufrechnung gehandelt, die sie durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hatte (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Der GmbH stand mithin ein Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1 InsO zu, den sie im Weg der Aussonderung nach § 47 InsO hätte geltend machen können (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2003 - IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350, 359 ff; vom 9. Oktober 2008 - IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171 Rn. 15).
bb) Zu einer die Aussonderung ausschließenden Vermischung des der GmbH zustehenden Guthabens auf dem Konto der Bank N. mit eigenen Mitteln der Schuldnerin ist es nicht gekommen. Zwar können Guthaben auf Konten, die auch für eigene Zwecke des Treuhänders genutzt werden, in der Insolvenz des Treuhänders nicht ausgesondert werden (BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - IX ZR 120/02, ZInsO 2003, 705; vom 10. Februar 2011 - IX ZR 49/10, BGHZ 188, 317 Rn. 15). Nutzt der Treuhänder das Guthaben auf einem (zunächst) ausschließlich für Fremdgeld bestimmten und genutzten Konto (auch) für eigene Zwecke, entfällt das Aussonderungsrecht regelmäßig auch hinsichtlich des verbliebenen, im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch vorhandenen Bestandes (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011, aaO). Von einer entsprechenden gemeinsamen Nutzung des Kontos durch die Schuldnerin und die GmbH ist aber nicht auszugehen. Die Schuldnerin hat lediglich einen geringen Betrag zur Deckung der anfallenden Gebühren bei Errichtung des Kontos eingezahlt, der im Januar 2013 bereits verbraucht war. Im Übrigen sind nur für die GmbH bestimmte Zahlungen auf das Konto gelangt und eine von dieser begründete Verbindlichkeit von dem Konto bezahlt worden. Das im Januar 2013 vorhandene restliche Guthaben war demgemäß eindeutig dem Vermögen der GmbH zugeordnet. Es reichte aus, um deren Aussonderungsanspruch zu erfüllen. Zweifel hinsichtlich einer Zuordnung des Kontoguthabens zum Vermögen der GmbH ergeben sich nicht.
2. Auf die vom Berufungsgericht im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage für entscheidungserheblich gehaltene Frage, ob der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Rückgewähr des auf dem Konto des Beklagten bei der D. Bank Aussonderungskraft besitzt, kommt es damit nicht an. Der Kläger kann mangels Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO) die Überweisung des restlichen Guthabens durch die Schuldnerin nicht anfechten. Der Senat muss über die vom Berufungsgericht mit fragwürdiger Begründung bejahte Grundsatzfrage, ob ein bloßer Wertersatzanspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO Aussonderungskraft besitzen kann, nicht entscheiden.
Kayser |
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Lohmann |
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Pape |
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Möhring |
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Meyberg |
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