Entscheidungsdatum: 05.02.2015
Nachteile, welche der Mandant infolge einer fehlerhaften steuerlichen Beratung erleidet, werden nur dann durch die hiermit bewirkte Steuerersparnis eines Angehörigen oder eines sonstigen Dritten ausgeglichen, wenn dessen Interessen nach dem Beratungsvertrag in die Beratung einbezogen werden sollten.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 27. Juni 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Beklagte beauftragte den klagenden Steuerberater, sie bei der Übertragung ihres Betriebs, einer Friedhofsgärtnerei mit Blumenfachgeschäft, auf ihren Sohn steuerlich zu beraten. Im Januar 2007 übergab sie den Betrieb. Sie unterzeichnete einen auf den 15. Januar 2007 datierten, vom Kläger vorbereiteten Kaufvertrag, nach welchem ihr Sohn "sämtliche Aktiva und Passiva" des Betriebs übernahm. "Als Gegenleistung" hatte der Sohn eine lebenslange monatliche Rente von 2.500 € zu zahlen. Bei der Steuererklärung der Beklagten und ihres Ehemannes für 2007 legte der Kläger diesen Kaufvertrag vor und gab entsprechend dem negativen Kapitalkonto der Beklagten einen Veräußerungsgewinn von 179.171 € an. Am 18. Februar 2009 rechnete er für die von ihm erbrachten Leistungen ein Honorar von 1.651 € ab. Die Beklagte zahlte darauf einen Teilbetrag von 44,06 €.
Die Beklagte beauftragte einen neuen Steuerberater. Entsprechend dessen Vorschlag wurden die monatlichen Zahlungen auf 1.000 € herabgesetzt und als Arbeitslohn gezahlt. Der Steuerberater strich die Versorgungsregelung in der Vertragsurkunde und reichte die geänderte Fassung beim Finanzamt ein. Mit Bescheid vom 8. Dezember 2009 wurden gegen die Beklagte und ihren Ehemann Einkommensteuer, Solidarzuschlag und Kirchensteuer in Höhe von insgesamt 19.198,15 € festgesetzt. Der Bescheid wurde bestandskräftig, später allerdings noch mehrfach geändert.
Nunmehr verlangt der Kläger Zahlung des restlichen Honorars in Höhe von 1.606,94 €. Die Beklagte hat mit Schadensersatzansprüchen wegen Falschberatung aufgerechnet und im Wege der Widerklage zunächst Zahlung von 4.523,40 € nebst Zinsen, Freistellung von der Steuerschuld von noch 14.373,26 € sowie Feststellung der Pflicht zur Freistellung von künftigen Säumniszuschlägen verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage hin unter Abweisung der weitergehenden Widerklage verurteilt, an die Beklagte 4.450,75 € nebst Zinsen zu zahlen und sie von ihrer aus der Veräußerung resultierenden Steuerschuld in Höhe von 14.373,26 € freizustellen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung des Honorars verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträge auf Abweisung der Klage, auf Zahlung von Schadensersatz an sie selbst und an das Finanzamt, welches etwaige Ansprüche der Beklagten gegen den Kläger gepfändet hat, sowie auf Feststellung der Verpflichtung, weitere Säumniszuschläge zu erstatten, weiter.
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Dem Kläger sei ein Beratungsfehler unterlaufen, weil er die Beklagte nicht auf die Möglichkeit hingewiesen habe, den Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf den Sohn zu übertragen. Dann wäre kein zu versteuernder Veräußerungsgewinn entstanden. Auf die Vermutung des beratungsrichtigen Verhaltens könne die Beklagte sich allerdings nicht berufen, weil es mehr als eine vertretbare Entscheidung gegeben habe. Bei einer Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge hätte die Beklagte keine Steuern auf den Veräußerungsgewinn zahlen müssen; jedoch hätte ihr Sohn die Anschaffungskosten nicht gewinnmindernd abschreiben können. Deshalb bestünden Zweifel, ob die Beklagte und ihr Sohn sich auf diese Lösung eingelassen hätten. Im Ergebnis komme es hierauf jedoch nicht an, weil kein Schaden entstanden sei. Im Rahmen des Gesamtvermögensvergleichs seien der steuerlichen Belastung der Beklagten von insgesamt 20.503,60 € diejenigen steuerlichen Vorteile gegenüber zu stellen, welche der Sohn erlangt habe. Dessen Steuerersparnis übersteige die Klageforderung.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsurteils kann ein der Beklagten entstandener Schaden nicht verneint werden.
1. Grundlage des von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten und hinsichtlich des überschießenden Teils im Wege der Widerklage geltend gemachten Anspruchs ist § 280 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Beratungsvertrag. Hat der Kläger eine ihm aus diesem Vertrag obliegende Pflicht verletzt, kann die Beklagte nach der genannten Bestimmung Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verlangen. Die Schadensberechnung richtet sich nach §§ 249 ff BGB. Der gegebenenfalls zu ersetzende Schaden ist durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen Vermögenslage zu ermitteln, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 42; vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 20). Dies erfordert einen Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst. Es geht bei dem Gesamtvermögensvergleich nicht um Einzelpositionen, sondern um eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage (BGH, Urteil vom 17. März 2011 - IX ZR 162/08, WM 2011, 1529 Rn. 16).
2. Bezugspunkt des Gesamtvermögensvergleichs ist grundsätzlich das Vermögen des Geschädigten, nicht dasjenige Dritter. Grundsätzlich kann auf Grund eines Vertrages nur derjenige den Ersatz eines Schadens verlangen, bei dem der Schaden tatsächlich eingetreten ist und dem er rechtlich zur Last fällt (BGH, Urteil vom 26. November 1968 - VI ZR 212/66, BGHZ 51, 91, 93). Soweit nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte oder der Drittschadensliquidation gegeben sind, hat der haftpflichtige Steuerberater nur für den Schaden seines Mandanten einzustehen (vgl. G. Fischer in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1218 zur Anwaltshaftung). Ebenso ist es ihm verwehrt, sich auf Vorteile zu berufen, die Dritte infolge der schädigenden Handlung erlangt haben mögen.
3. Ausnahmen von diesem Grundsatz hat der Bundesgerichtshof insbesondere im Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögenswerten an Familienangehörige zugelassen.
a) Gewerbetreibende sind oft bereit, Familienangehörige ohne gleichwertige Gegenleistung an ihrem Unternehmen zu beteiligen, insbesondere dann, wenn hiermit eine steuerliche Entlastung der Familie verbunden ist. In einer solchen Vermögensverschiebung kann jedenfalls dann kein Schaden im Rechtssinn, in ihrem Unterbleiben kein mit dem Steuerschaden verrechenbarer Vermögensvorteil gesehen werden, wenn sie - etwa im Interesse der Steuerersparnis - gewollt und gewünscht ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2008 - IX ZR 104/05, WM 2008, 1042 Rn. 15, 18 mwN). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Eine konsolidierte Schadensberechnung hat dann, aber auch nur dann zu erfolgen, wenn die Einbeziehung der Vermögensinteressen des oder der jeweiligen Verwandten oder sonstigen Dritten nach dem Inhalt des Beratungsvertrages geschuldet war.
Der Mandant hat einen Schaden erlitten, wenn die tatsächliche von der bei pflichtgemäßer Beratung eingetretenen hypothetischen Vermögenslage nachteilig abweicht. Beide Vermögenslagen können nur dann sinnvoll miteinander verglichen werden, wenn sie denselben Bezugspunkt aufweisen. Wird der Schaden unter Einbeziehung der einem Dritten durch die Schädigung entstandenen Vorteile berechnet, muss gleiches auch für die hypothetische Vermögenslage bei pflichtgemäßer Beratung gelten. Dies wiederum setzt voraus, dass die Beratung unter Einbeziehung dieser Interessen erfolgen sollte.
b) Ob dies der Fall war, richtet sich nach dem Auftrag, welchen der Mandant dem Berater ausdrücklich oder den Umständen nach erteilt hat. Der Mandant bestimmt den Gegenstand, den Umfang und die Zielrichtung der Beratung. Er allein entscheidet deshalb, ob im Rahmen einer Gestaltungsberatung nur sein eigener Vorteil gesucht werden soll oder weitere Interessen zu berücksichtigen sind. Diese im Rahmen des Auftrags getroffene Entscheidung ist für den Berater und gegebenenfalls auch für das Regressgericht verbindlich. Weder der Berater noch das Regressgericht sind berechtigt, ohne oder sogar gegen den Willen des Mandanten die Interessen Dritter in die Schadensberechnung einzustellen, weil sie dies für vernünftig halten.
4. Die tatsächlichen Voraussetzungen einer schadensrechtlichen Gesamtbetrachtung hat das Berufungsgericht nicht fehlerfrei festgestellt. Nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt hatte die Beklagte den Kläger nicht damit beauftragt, die für sie und ihren Sohn gemeinsam günstigste Lösung zu ermitteln. Im Verfahren vor dem Amtsgericht hatte sie zwar vorgetragen, ihre Familie wirtschafte gemeinsam; man unterstütze sich gegenseitig. Nach Abgabe der Sache an das Landgericht hat sie - anwaltlich vertreten - jedoch behauptet, eine Beratung unter Berücksichtigung der steuerlichen Situation ihres Sohnes sei weder gewünscht noch geschuldet gewesen, und sich zum Beweis auf das Zeugnis ihres Sohnes berufen. Die Interessen der Beklagten und ihres Sohnes konnten durchaus unterschiedlich bewertet werden. In anderem Zusammenhang, nämlich bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs zwischen dem von ihm angenommenen Beratungsfehler und dem eingetretenen Schaden, ist das Berufungsgericht von widerstreitenden Interessen der Beklagten und ihres Sohnes ausgegangen, indem es bezweifelt hat, dass der Sohn mit der für die Beklagten günstigsten Lösung einverstanden gewesen wäre. Es kam damit auf den Inhalt des dem Kläger erteilten Auftrags an, zu dem die Parteien unterschiedlich vorgetragen haben. Das Berufungsgericht hätte dem unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten hierzu nachkommen müssen.
III.
Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Die Beklagte hat ihren Anspruch bisher allerdings nicht schlüssig dargelegt. Sie hat ihn auf zwei einander ausschließende Klagegründe gestützt. Einerseits hat sie dem Kläger vorgeworfen, in der Steuererklärung für das Jahr 2007 einen Veräußerungsgewinn angegeben zu haben, obwohl ein solcher - trotz missverständlicher Formulierungen in dem auf den 15. Januar 2007 datierten Übertragungsvertrag - nicht angefallen sei. Diese Annahme liegt dem Urteil des Landgerichts zugrunde, welches die Klage abgewiesen und der Widerklage weitgehend stattgegeben hat. Andererseits hat sie - wie auch das Berufungsgericht - dem Kläger eine unvollständige, rechtlich fehlerhafte Beratung im Zusammenhang mit dem Übertragungsvertrag zur Last gelegt. Nur einer dieser Vorwürfe kann zutreffen. Die Beklagte hätte insoweit ein Haupt- und Hilfsverhältnis bilden müssen. Da sie diesen Gesichtspunkt bisher erkennbar übersehen hat, ein rechtlicher Hinweis nicht erteilt worden ist und sie keine Gelegenheit hatte, ihren Vortrag entsprechend zu ergänzen (§ 139 Abs. 2 ZPO), ist dem Senat eine ersetzende Sachentscheidung verwehrt.
IV.
Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO); die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dieses wird zunächst der Beklagten Gelegenheit zu geben haben klarzustellen, auf welchen Klagegrund sie ihre Klage stützt. Hinsichtlich eines Anspruchs wegen einer unvollständigen Beratung vor Abschluss des Übertragungsvertrages weist der Senat auf folgende rechtlichen Gesichtspunkte hin:
Darlegungs- und beweispflichtig für den Inhalt des dem Kläger erteilten Auftrags ist nach allgemeinen Grundsätzen die Beklagte, die Schadensersatzansprüche aus der Verletzung der durch diesen Vertrag begründeten Pflichten herleitet. Der Senat hat bereits entschieden, dass dann, wenn die Frage der Pflichtverletzung vom Umfang des erteilten Auftrags abhängt, der Mandant diesen zu beweisen hat (BGH, Urteil vom 20. Juli 2006 - IX ZR 47/04, WM 2006, 2059 Rn. 7; G. Fischer aaO, Rn. 1061). Das gilt auch im vorliegenden Fall, in welchem die Zielrichtung und die zu berücksichtigenden Interessen des erteilten Auftrags streitig sind. Einen Erfahrungssatz des Inhalts, dass der Mandant stets eigennützig handelt, gibt es nicht, insbesondere dann nicht, wenn es um die Übertragung von Vermögenswerten innerhalb einer Familie geht.
Lässt sich feststellen oder jedenfalls nicht ausschließen, dass die Interessen des Sohnes, der nach dem ursprünglichen Vertrag immerhin eine monatliche Rente von 2.500 € an die Beklagte zu zahlen hatte, in die Beratung einbezogen werden sollte, wird zu prüfen sein, ob überhaupt ein Beratungsfehler vorliegt.
Darlegungs- und beweispflichtig ist die Beklagte auch für die Kausalität zwischen einer etwaigen Pflichtverletzung und dem dadurch eingetretenen Schaden. Sie wird darzulegen und zu beweisen haben, für welche der in Betracht kommenden Vertragsgestaltungen sie sich gegebenenfalls entschieden hätte. Auf die Vermutung des beratungsrichtigen Verhaltens wird sie sich nicht berufen können, weil es mehrere wirtschaftlich vernünftige Möglichkeiten gab, wie die Übergabe gestaltet werden konnte. Dass ihr Sohn sich auf eine für sie günstigere, für ihn selbst möglicherweise aber nachteilige Vertragsgestaltung eingelassen hätte, steht schließlich ebenfalls zur Beweislast der Beklagten.
Kayser Vill Lohmann
Fischer Pape