Entscheidungsdatum: 25.09.2014
Lässt der Schuldner einen zur Sicherheit an einen Gläubiger übereigneten Gegenstand der Insolvenzmasse versteigern und den Erlös an den gesicherten Gläubiger auskehren, schädigt er die Insolvenzgläubiger in Höhe eines vom Insolvenzverwalter erzielbaren Übererlöses und des Kostenbeitrags für eine tatsächlich erfolgte Feststellung des Gegenstands.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 30. Mai 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klägerin verurteilt worden ist, an die Beklagte zu 2 4.900,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 20. Januar 2009 zu zahlen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Mit Beschluss vom 7. Oktober 2004 wurde über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet und die Beklagte zu 2 zur Insolvenzverwalterin bestellt. Im Mai 2006 übergab die Klägerin einem Auktionshaus eine Anzahl von Antiquitäten zur Versteigerung. In der Herbstauktion 2006 wurde ein Teil dieser Gegenstände versteigert und der Erlös von 4.900,60 € auf Weisung der Klägerin an deren Mutter ausgekehrt. Am 20. Dezember 2006 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben. Danach wurde bekannt, dass der Lebensgefährte der Klägerin im Jahr 2005 verstorben war und die Klägerin mit mehreren Vermächtnissen bedacht hatte. Das Insolvenzgericht ordnete deshalb am 15. Februar 2007 die Nachtragsverteilung hinsichtlich der Ansprüche der Klägerin aus dieser Nachlassangelegenheit an und übertrug den Vollzug der Beklagten zu 2. Im Herbst 2007 und im Frühjahr 2008 wurde ein weiterer Teil der Antiquitäten versteigert. Mit Beschluss vom 28. Mai 2009 stellte das Insolvenzgericht klar, dass sich die Anordnung der Nachtragsverteilung auch auf die von der Klägerin beim Auktionshaus eingelieferten Gegenstände und auf die erzielten Erlöse bezog.
Im Dezember 2008 hat die Klägerin gegen den Inhaber des Auktionshauses (Beklagter zu 1) und die Beklagte zu 2 Klage erhoben mit der Behauptung, die zur Auktion gegebenen Gegenstände seien als Sicherheit für verschiedene Darlehen an ihre Mutter übereignet gewesen. Die Beklagte zu 2 hat Widerklage gegen die Klägerin und gegen den Beklagten zu 1 erhoben. Von der Klägerin hat sie unter anderem Schadensersatz in Höhe des bei der ersten Versteigerung erzielten Erlöses von 4.900,60 € verlangt. Das Landgericht hat die Klage zum überwiegenden Teil abgewiesen und die Widerklage der Beklagten zu 2 als unzulässig verworfen. Die Klägerin hat ihre Berufung gegen dieses Urteil während des Berufungsverfahrens zurückgenommen. Auf die allein im Verhältnis zur Klägerin eingelegte Berufung der Beklagten zu 2 hat das Berufungsgericht die Klägerin gemäß den Anträgen der Widerklage verurteilt. Mit der vom Senat nur hinsichtlich der Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 4.900,60 € nebst Zinsen zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Abweisung der Widerklage in diesem Umfang.
Die Revision führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, ausgeführt: Der Anspruch der Beklagten zu 2 auf Schadensersatz in Höhe von 4.900,60 € ergebe sich aus § 280 Abs. 1 BGB, § 148 InsO sowie aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Die im Oktober 2006 versteigerten Gegenstände seien Bestandteil der Insolvenzmasse gewesen, auch wenn die Mutter der Klägerin Sicherungseigentum an den im Besitz der Klägerin befindlichen Gegenständen erlangt habe und deshalb zur abgesonderten Befriedigung berechtigt gewesen sei. Indem die Klägerin diese Gegenstände dem Auktionshaus zur Versteigerung überlassen habe, habe sie ihre Pflicht zur Herausgabe dieser Gegenstände aus § 148 InsO verletzt und Vermögen im Sinne von § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB beiseite geschafft. Mit der Weggabe der Antiquitäten zur Versteigerung sei ein Gesamtschaden der Insolvenzgläubiger im Sinne von § 92 Satz 1 InsO in Höhe des vollen Werts der Gegenstände entstanden, der mindestens mit dem Versteigerungserlös anzusetzen sei. Auch insoweit könne dahinstehen, ob die Behauptung der Klägerin zum Sicherungseigentum ihrer Mutter zutreffe. Denn auch im Falle des Beiseiteschaffens von Sicherungseigentum entstehe der Masse ein Schaden in Höhe des Werts der beiseite geschafften Gegenstände. Der Sicherungseigentümer habe nur einen Anspruch auf abgesonderte Befriedigung, und dies auch nur, wenn er sein Sicherungseigentum nachweise. Dem Wertzuwachs der Masse stehe daher lediglich ein denkbarer Anspruch des Sicherungsgläubigers gegen die Masse gegenüber.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht angenommen hat, es komme für die Höhe des entstandenen Schadens nicht darauf an, ob die von der Klägerin an das Auktionshaus übergebenen und im Herbst 2006 versteigerten Gegenstände zur Sicherheit an die Mutter der Klägerin übereignet waren.
1. Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Die Klägerin ist den Insolvenzgläubigern zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der ihnen dadurch entstanden ist, dass die Klägerin die in Rede stehenden Antiquitäten zur Versteigerung gebracht und sie dadurch der Verwertung zum Zwecke der Nachtragsverteilung entzogen hat. Der Anspruch ergibt sich aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Die Strafnorm des Bankrotts zählt zu den in § 823 Abs. 2 BGB angesprochenen Schutzgesetzen (OLG Celle, ZVI 2009, 297, 299; LG Duisburg, NZI 2011, 69, 71; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 3. Aufl., vor §§ 129 bis 147 Rn. 87; zu § 288 StGB vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 1991 - VI ZR 259/90, BGHZ 114, 305, 308). Richtet sich der Schadensersatzanspruch gegen einen möglichen Anfechtungsgegner, setzt er unter dem Gesichtspunkt der Gesetzeskonkurrenz besondere, erschwerende Umstände voraus; dies gilt jedoch nicht, wenn - wie hier - der Insolvenzschuldner in Anspruch genommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1993 - IX ZR 151/92, WM 1993, 1106, 1107; vom 13. Juli 1995 - IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314, 330; MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO). Strafbar nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft. Die Strafnorm erfasst auch Handlungen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BGH, Urteil vom 8. Mai 1951 - 1 StR 171/51, BGHSt 1, 186, 191; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., vor § 283 Rn. 96 mwN). Die streitgegenständlichen Antiquitäten gehörten zum Vermögen der Klägerin und damit zur Insolvenzmasse im Sinne von § 35 Abs. 1 InsO, auch wenn sie zur Sicherheit an die Mutter der Klägerin übereignet gewesen sein sollten und dieser deshalb ein Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 1, § 50 Abs. 1 InsO zustand (Jaeger/Henckel, InsO, § 35 Rn. 81; Schmidt/Thole, InsO, 18. Aufl., § 51 Rn. 2). Indem die Klägerin die Gegenstände zur Versteigerung weggab, schaffte sie diese vorsätzlich beiseite.
2. Die Beklagte zu 2 ist befugt, den Schaden geltend zu machen, der den Insolvenzgläubigern durch das Verhalten der Klägerin entstanden ist. Sie wurde als frühere Insolvenzverwalterin vom Insolvenzgericht mit dem Vollzug der Nachtragsverteilung nach § 203 InsO beauftragt. Dies verlieh ihr nicht nur die Befugnis, nachträglich ermittelte und noch vorhandene Gegenstände der Masse zu verwerten und den Erlös an die Insolvenzgläubiger zu verteilen (§ 205 InsO), sondern auch die Befugnis, gemäß § 92 InsO Schadensersatzansprüche der Insolvenzgläubiger geltend zu machen, die dadurch entstanden, dass der Nachtragsverteilung unterliegende Gegenstände beiseite geschafft und dadurch der Insolvenzmasse entzogen wurden. Ein solcher Fall steht hier in Rede. Denn die Nachtragsverteilung erstreckte sich nach dem klarstellenden Beschluss des Insolvenzgerichts vom 28. Mai 2009 auf die dem Auktionshaus zur Versteigerung überlassenen Gegenstände.
3. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen jedoch nicht seine Beurteilung, der zu ersetzende Schaden belaufe sich auf 4.900,60 €. Der (Gesamt-)Schaden der Insolvenzgläubiger, der durch das Beiseiteschaffen der Antiquitäten verursacht worden ist, bemisst sich nach dem Betrag, um den sich die Befriedigungsmöglichkeit der Gesamtheit der Gläubiger verschlechtert hat. Er entspricht der Summe der Quotenschäden der einzelnen Gläubiger (vgl. Schmidt, InsO, aaO, § 92 Rn. 6; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 92 Rn. 8; MünchKomm-InsO/Brandes/Gehrlein, aaO, § 92 Rn. 18 ff). Ist der vom Schuldner beiseite geschaffte Gegenstand zur Sicherheit an einen Dritten übereignet, kann dies bei der Beurteilung des Gesamtschadens nicht außer Betracht bleiben.
a) Sicherungseigentum an beweglichen Sachen begründet im Insolvenzverfahren ein Absonderungsrecht (§ 51 Nr. 1, § 50 Abs. 1 InsO). Hat der Insolvenzverwalter eine zur Sicherheit übereignete Sache im Besitz, darf er sie verwerten (§ 166 Abs. 1 InsO). Aus dem Erlös darf er die Kosten der Feststellung und der Verwertung vorweg für die Insolvenzmasse entnehmen; aus dem verbleibenden Betrag ist der absonderungsberechtigte Gläubiger zu befriedigen (§ 170 Abs. 1, § 171 InsO). Verbleibt danach ein Übererlös, fällt dieser in die Insolvenzmasse und steht zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung.
b) Wird ein der abgesonderten Befriedigung unterliegender Gegenstand der Masse beschädigt und fällt deshalb der an den gesicherten Gläubiger auszukehrende Teil des vom Verwalter erzielten Verwertungserlöses geringer aus, liegt darin ein Einzelschaden dieses Gläubigers. Zu einem Gesamtschaden der Insolvenzgläubiger kommt es insoweit, als infolge des geringeren Verwertungserlöses ein geringerer oder gar kein Übererlös erzielt wird und die Kostenbeiträge nach §§ 170, 171 InsO geringer ausfallen (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2011 - IX ZR 210/10, WM 2011, 1483 Rn. 9; MünchKomm-InsO/Brandes/Gehrlein, aaO Rn. 12; HK-InsO/Kayser, 7. Aufl., § 92 Rn. 19; Jaeger/Müller, InsO, § 92 Rn. 11).
c) Ähnlich verhält es sich, wenn ein der abgesonderten Befriedigung unterliegender Gegenstand zerstört oder beiseite geschafft wird. Der Gesamtschaden der Insolvenzgläubiger liegt auch in diesem Fall zunächst im Verlust eines Übererlöses. Darüber hinaus kann ein Schaden in Höhe entgangener Kostenbeiträge vorliegen, allerdings nur insoweit, als tatsächlich Aufwendungen für die Feststellung und Verwertung des Gegenstands getätigt wurden (vgl. die Begründung zu §§ 195, 196 RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443 S. 180 f; Piekenbrock in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 92 Rn. 10). Denn sowohl der Kostenbeitrag für die Feststellung wie auch derjenige für die Verwertung soll die tatsächlich entstandenen Kosten abgelten. Dies zeigt die Formulierung des Gesetzes in § 171 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 InsO. Fällt kein Aufwand an, bedarf es keines Schadensausgleichs. Dementsprechend begründet im Anfechtungsrecht das bloße Entfallen von Kostenbeiträgen gemäß §§ 170, 171 InsO keine objektive Gläubigerbenachteiligung, weil die Kostenbeiträge lediglich die Mehrkosten ausgleichen sollen, die durch die Bearbeitung von Absonderungsrechten innerhalb des Insolvenzverfahrens anfallen (BGH, Urteil vom 26. April 2012 - IX ZR 67/09, WM 2012, 1200 Rn. 28 mwN).
d) Im Streitfall hat die Schuldnerin einen Gegenstand, an dem nach ihrer Behauptung ein Absonderungsrecht bestand, der Verwertung durch den Insolvenzverwalter entzogen und - mittelbar - dem Absonderungsberechtigten zur Verwertung zur Verfügung gestellt. In diesem Fall entfällt der Einzelschaden des Absonderungsberechtigten. Der Gesamtschaden der Insolvenzgläubiger wird durch einen Übererlös, den der Insolvenzverwalter bei einer Verwertung möglicherweise hätte erzielen können, und durch die Kosten der Feststellung des Gegenstands und der an diesem bestehenden Rechte durch den Verwalter bestimmt (§ 171 Abs. 1 InsO). Der entgangene Beitrag für Verwertungskosten stellt hingegen keinen erstattungsfähigen Schaden dar, weil solche Kosten mangels einer Verwertung durch den Verwalter nicht bei der Masse, sondern bei dem zur Absonderung berechtigten Gläubiger angefallen sind.
III.
Das Berufungsurteil kann danach insoweit nicht bestehen bleiben, als die Klägerin verurteilt worden ist, an die Beklagte zu 2 Schadensersatz in Höhe von 4.900,60 € nebst Zinsen zu zahlen. Das Berufungsgericht wird sich in neuer Verhandlung (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) mit der Behauptung der Klägerin befassen müssen, die fraglichen Antiquitäten seien sicherungsübereignet gewesen. Hinsichtlich der Einzelheiten der behaupteten Sicherungsübereignungsverträge trifft die Klägerin eine sekundäre Darlegungslast (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/09, WM 2012, 1401 Rn. 17 mwN). Genügt der Vortrag der Klägerin ihrer Pflicht zur substantiierten Darlegung, obliegt es der für den Umfang des eingetretenen Schadens beweispflichtigen Beklagten zu 2, die behauptete Sicherungsübereignung zu widerlegen. Gelingt ihr
dies nicht, wird der den Insolvenzgläubigern entstandene Schaden nach den dargelegten Maßstäben neu zu bemessen sein.
Kayser Gehrlein Fischer
Grupp Möhring