Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 18.10.2012


BGH 18.10.2012 - IX ZR 10/10

Insolvenzverfahren: Umfang der Verwertungsermächtigung des Insolvenzverwalters im Hinblick auf sicherungshalber abgetretene Forderungen des Schuldners


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
18.10.2012
Aktenzeichen:
IX ZR 10/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Stuttgart, 15. Dezember 2009, Az: 12 U 90/09vorgehend LG Stuttgart, 21. April 2009, Az: 9 O 109/08
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Die gesetzliche Ermächtigung des Insolvenzverwalters zur Verwertung sicherungshalber abgetretener Forderungen des Schuldners schließt die Möglichkeit ein, Dritten eine Einziehungsermächtigung zu erteilen.

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15. Dezember 2009 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 71.842,47 € festgesetzt.

Gründe

1

Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2, § 544 ZPO) besteht nicht. Die entscheidungserhebliche Vorfrage, ob der Insolvenzverwalter aufgrund seiner gesetzlichen Ermächtigung zur Verwertung sicherungshalber abgetretener Forderungen (§ 166 Abs. 2 InsO) Dritten eine Einziehungsermächtigung erteilen kann, verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Diese Rechtsfrage ist mit dem Berufungsgericht zu bejahen. Sein Gesetzesverständnis ist auch eindeutig.

2

Das Gesetz selbst bringt im Wortlaut des § 166 Abs. 2 InsO klar zum Ausdruck, dass der Insolvenzverwalter Forderungen, die der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hat, auch in anderer Weise verwerten kann als sie selbst einzuziehen. Nach § 168 Abs. 1 InsO darf der Insolvenzverwalter unter den dort bezeichneten Voraussetzungen sicherungshalber abgetretene Forderungen unter anderem verkaufen (ebenso Lwowski/Tetzlaff in MünchKomm-InsO, 2. Aufl., § 166 Rn. 47 aE; Uhlenbruck, InsO 13. Aufl., § 166 Rn. 13; HK-InsO/Landfermann, 6. Aufl., § 166 Rn. 32 Fn. 60; Flöther in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2008, § 166 Rn. 23). Denn unter diese Vorschrift fallen nicht nur körperliche Gegenstände (vgl. § 90 BGB), sondern im Einklang mit dem allgemeinen juristischen Gegenstandsbegriff auch Forderungen, nämlich alle Sachen und Rechte, zu deren Verwertung der Insolvenzverwalter nach § 166 InsO berechtigt ist. Die Vorschrift des § 168 Abs. 1 InsO lässt demnach keinen Zweifel daran, dass die Verwertungsermächtigung des Insolvenzverwalters nach § 166 Abs. 2 InsO deutlich weiter geht als eine rechtsgeschäftliche Einziehungsermächtigung, die nach ihrem Zweck einen Forderungsverkauf oder eine Übertragung der Ermächtigung üblicherweise zwar ausschließt, die aber auch rechtsgeschäftlich über die üblichen Grenzen hinaus erweitert werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1981 - VIII ZR 269/80, BGHZ 82, 283, 288 ff unter III. 1. und 2.; vom 12. Februar 1998 - I ZR 5/96, NJW 1998, 3205, 3206 unter II. 1. c) aE). Zudem lässt § 168 Abs. 3 Satz 1 InsO erkennen, dass eine andere Verwertungsmöglichkeit als der Selbsteinzug, zu welcher der Insolvenzverwalter ermächtigt ist, nicht allein in der Überlassung des Gegenstandes an den absonderungsberechtigten Gläubiger besteht. Die Vorschrift des § 168 Abs. 3 Satz 2 InsO zeigt ferner, dass für die Auswahl unter mehreren Verwertungsmöglichkeiten der Gesichtspunkt der Kosteneinsparung von Belang sein kann. Muss eine sicherungsabgetretene Forderung - wie hier - im Prozess gegen den Drittschuldner durchgesetzt werden, kann der Insolvenzverwalter sowohl an einem Forderungsverkauf als auch an der Erteilung einer rechtsgeschäftlichen Einziehungsermächtigung Interesse haben, um den Aufwand an Zeit und Kosten für die Durchführung des Rechtsstreits dem Zessionar der Forderung oder dem Drittermächtigten zu überbürden.

3

Der Regelungszusammenhang des Gesetzes gibt so gesehen keinerlei Anhaltspunkt dafür, die Verwertungsermächtigung des § 166 Abs. 2 InsO könne so eng gezogen sein, dass der Insolvenzverwalter mit der rechtsgeschäftlichen Erteilung einer Einziehungsermächtigung an Dritte seine Rechtsmacht überschreitet. Grund dafür, dass diese Frage im Schrifttum nicht behandelt wird, ist infolgedessen allein die Selbstverständlichkeit dieser Lösung. Irgendwelche ernsthaften Zweifel an ihrer Richtigkeit vermag auch die Beschwerde nicht aufzuzeigen.

Kayser                                                  Raebel                                                Pape

                            Grupp                                                 Möhring