Entscheidungsdatum: 24.03.2011
Der Grundsatz, dass ein Schuldner auch dann unter die Vorschriften des Regelinsolvenzverfahrens fällt, wenn er neben einer abhängigen Beschäftigung einer wirtschaftlich selbstständigen Nebentätigkeit nachgeht, gilt nur dann, wenn die Nebentätigkeit einen nennenswerten Umfang erreicht und sich organisatorisch verfestigt hat; eine nur gelegentlich ausgeübte Tätigkeit, die sich nicht zu einer einheitlichen Organisation verdichtet hat, ist keine selbstständige Erwerbstätigkeit .
Der Antrag des Rechtsbeschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 4. Februar 2011 wird abgelehnt.
I.
Die bei einer Vermögensverwaltungsgesellschaft mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 1.360 € vollzeitbeschäftigte Schuldnerin beantragte zunächst das Verbraucherinsolvenzverfahren nebst Restschuldbefreiung. Am 28. Januar 2008 meldete sie ein Gewerbe für Schreibarbeiten an, mit dem sie 2009 einen Umsatz von 840 € erzielte. Am 28. März 2008 nahm ihr Verfahrensbevollmächtigter den Insolvenzantrag mit der Begründung zurück, dass es nicht gelungen sei, den ursprünglich vom hiesigen Versagungsantragsteller (fortan: auch Gläubiger) in Aussicht gestellten Verzicht auf die Qualifikation seiner Forderung als unerlaubte Handlung umzusetzen. Aufgrund eines im November 2009 gestellten Insolvenzantrags mit Antrag auf Restschuldbefreiung, mit dem sie zugleich einen Insolvenzplan vorlegte, eröffnete das Insolvenzgericht am 18. Februar 2010 das Regelinsolvenzverfahren. Der Plan sieht vor, dass die Schuldnerin gegen Zahlung eines Betrages von 20.000 € von dritter Seite, der nach Abzug der Kosten des Verfahrens an die Gläubiger verteilt werden soll, die Restschuldbefreiung erlangt. Im Abstimmungstermin am 10. November 2010 nahm die Mehrheit der Gläubiger gegen den Widerstand des Versagungsantragstellers den Plan an.
Auf Antrag des Gläubigers hat das Insolvenzgericht die Bestätigung des Insolvenzplans mit Beschluss vom 25. November 2010 versagt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Schuldnerin hat Erfolg gehabt. Das Beschwerdegericht hat die Entscheidung des Insolvenzgerichts aufgehoben und die Planbestätigung erteilt, weil der Gläubiger eine wirtschaftliche Schlechterstellung durch den Plan nicht glaubhaft gemacht habe. Mit seiner Rechtsbeschwerde, für deren Durchführung er Prozesskostenhilfe beantragt, möchte der Gläubiger die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts und Versagung der Planbestätigung erreichen.
II.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, die Rechtsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 4 InsO, § 114 ZPO).
Die vom Gläubiger zu 1 zunächst ohne weitere Begründung eingelegte Rechtsbeschwerde (§§ 6, 7 Abs. 1, § 253 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) ist unzulässig, weil kein Zulassungsgrund erkennbar ist (§ 574 Abs. 2 ZPO).
1. Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, der Schuldnerin hätte die Bestätigung des Insolvenzplans versagt werden müssen, weil sie den Weg des Regelinsolvenzverfahrens mit Vorlage eines Insolvenzplans rechtsmissbräuchlich gewählt habe, um die im Verbraucherinsolvenz- und Schuldenbereinigungsverfahren aufgrund seines Widerstands nicht durchsetzbare Befreiung von seiner Forderung im Regelinsolvenzverfahren zu erlangen. Die Aufnahme der wirtschaftlich bedeutungslosen selbständigen Tätigkeit habe ausschließlich dazu gedient, in das Regelinsolvenzverfahren mit der dort möglichen Durchführung eines Insolvenzplans zu gelangen.
a) Nach Auffassung des Beschwerdegerichts drängt sich zwar auf, dass die Schuldnerin die selbständige Tätigkeit mit äußerst geringen Umsätzen nur aufgenommen habe, um die Voraussetzungen eines Regelinsolvenzverfahrens zu schaffen. Dies könne aber nicht zur Versagung der Planbestätigung ohne Glaubhaftmachung einer wirtschaftlichen Schlechterstellung des Gläubigers führen, weil es letztlich eine autonome Entscheidung der Gläubigermehrheit sei, ob sie den Insolvenzplan annehme. Rechtsmissbrauch sei in der Ausnutzung eines im Gesetz vorgesehenen Verfahrens nicht zu sehen.
b) Diese Ausführungen sind im Ergebnis nicht angreifbar. Grundsatzfragen, die nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden könnten, stellen sich nicht. Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, dass vorliegend erhebliche Bedenken gegen die Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahrens bestehen. Zwar entspricht es nahezu einhellig vertretener Auffassung, dass ein Schuldner auch dann unter die Vorschriften des Regelinsolvenzverfahrens fällt, wenn er neben einer abhängigen Beschäftigung einer selbständigen Nebentätigkeit nachgeht (vgl. AG Hamburg, ZInsO 2004, 1375; HK-InsO/Landfermann, 5. Aufl. § 304 Rn. 6; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, 2. Aufl. § 304 Rn. 52; Uhlenbruck/Vallender, InsO 13. Aufl. § 304 Rn. 9; Wenzel in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 304 Rn. 14; Pape/Sietz in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl. § 16 Rn. 16). Einschränkend ist aber nach zutreffender Auffassung eine wirtschaftlich selbständige Tätigkeit, welche die Anwendung des Regelinsolvenzverfahrens rechtfertigt, erst dann gegeben, wenn die Nebentätigkeit einen nennenswerten Umfang erreicht und sich organisatorisch verfestigt hat (FK-InsO/Kohte, 6. Aufl. § 304 Rn. 9; Graf-Schlicker/Sabel, InsO 2. Aufl. § 304 Rn. 8; HK-InsO/Landfermann, aaO; Uhlenbruck/Vallender, aaO). Erreichen die Einkünfte aus der Tätigkeit nicht einmal die Bagatellgrenze des § 3 Nr. 26 EStG (derzeit 2.100 €), spricht vieles für das Fehlen einer verfestigten organisatorischen Einheit (vgl. Graf-Schlicker/Sabel, aaO). Die Schuldnerin hat 2009 mit ihrer selbständigen Tätigkeit nur einen Umsatz von 840 € erzielt. Die Schwelle zur Erheblichkeit der Tätigkeit war folglich bei weitem nicht überschritten.
c) Der damit möglicherweise vorliegende Verstoß gegen die Zuordnung der Schuldnerin zum Regelinsolvenzverfahren kann aber nicht zur Versagung der Planbestätigung führen. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass die Rechtskraft des Beschlusses über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens für sämtliche Beteiligten bindende Wirkung hat und auch dann hinzunehmen ist, wenn er verfahrensfehlerhaft ergangen ist, sofern nicht ausnahmsweise ein Mangel vorliegt, der zur Nichtigkeit des Eröffnungsbeschlusses führt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - IX ZR 99/97, BGHZ 138, 40, 44; BGH, Urteil vom 7. Juli 2008 - II ZR 37/07, ZInsO 2008, 973 Rn. 13; HK-InsO/Kirchhof, aaO § 27 Rn. 35; Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 27 Rn. 35; Uhlenbruck, aaO § 27 Rn. 19). Hier ist ein Mangel, der zur Nichtigkeit des Eröffnungsbeschlusses führen könnte, nicht ersichtlich. Die Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens ist ungeachtet der Bedenken am Vorliegen einer wirtschaftlich selbständigen Tätigkeit der Schuldnerin wirksam. Damit konnte diese einen Insolvenzplan vorlegen, für den die §§ 217 ff InsO gelten.
2. Nach § 251 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist die Bestätigung des Insolvenzplans auf Antrag eines Gläubigers dann zu versagen, wenn dieser Gläubiger durch den Insolvenzplan schlechter gestellt würde, als er ohne den Plan stünde. Zu vergleichen ist die Position des Gläubigers bei Abwicklung des Insolvenzverfahrens nach den Vorschriften der Insolvenzordnung und bei Ausführung des Insolvenzplans. Bringt der Plan für den widersprechenden Gläubiger wirtschaftliche Nachteile, hat der Widerspruch Erfolg. Zulässig ist der Antrag, die Bestätigung des Insolvenzplans zu versagen, nur, wenn der Gläubiger die Verletzung seines wirtschaftlichen Interesses glaubhaft macht. Dazu muss er Tatsachen vortragen und glaubhaft machen, aus denen sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit seiner Schlechterstellung durch den Insolvenzplan ergibt. Die Prüfung des Insolvenzgerichts ist auf die vom Gläubiger vorgebrachten und glaubhaft gemachten Tatsachen und Schlussfolgerungen beschränkt (BGH, Beschluss vom 29. März 2007 - IX ZB 204/05, ZInsO 2007, 491 Rn. 10; vom 19. Mai 2009 - IX ZB 236/07, ZInsO 2009, 1252, Rn. 12 f).
Entsprechend diesen Grundsätzen hat das Beschwerdegericht den Antrag des Rechtsbeschwerdeführers, der eine konkrete wirtschaftliche Schlechterstellung bei Durchführung des Insolvenzplanverfahrens weder dargelegt noch glaubhaft gemacht hat, als unzulässig verworfen. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich auch hierbei nicht. Die in Betracht kommenden Rechtsfragen sind im Sinne der Entscheidung des Beschwerdegerichts geklärt.
3. Soweit der Rechtsbeschwerdeführer eine gleichheitswidrige Benachteiligung von Gläubigern natürlicher Personen durch das Insolvenzplanverfahren gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren rügen könnte, weil Forderungen, die aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners herrühren (vgl. § 174 Abs. 2 InsO), von der Schuldbefreiung durch den erfüllten Insolvenzplan nur ausgenommen sind, wenn der Plan dies ausdrücklich bestimmt, steht dies mit dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck des Insolvenzplanverfahrens in Einklang. Das Insolvenzplanverfahren ist nur dann handhabbar und kann nur dann zu der im Interesse der Gläubigergesamtheit gewünschten zeitnahen Schuldenregulierung führen, wenn die Prüfung der behaupteten Schlechterstellung im Verfahrensabschnitt der gerichtlichen Bestätigung des Insolvenzplans (§ 247 Abs. 2, §§ 248 bis 251 InsO) an die Glaubhaftmachung durch den widersprechenden Gläubiger geknüpft wird. Dieses Erfordernis wird sonach durch die Besonderheiten dieser Verfahrensart gerechtfertigt; es erscheint sogar zwingend erforderlich (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2009 - IX ZB 32/08, Rn. 3).
Kayser Vill Lohmann
Fischer Pape