Entscheidungsdatum: 23.04.2015
Zu den Auswirkungen der Aufhebung des Insolvenzverfahrens auf den Wert des Beschwerdegegenstands eines Berufungsverfahrens, dem die Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle zugrunde lag.
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 20. Juni 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 10.061,28 € festgesetzt.
I.
Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen eines Fahrradunfalls. Seine ursprünglich gegen den angeblichen Schädiger persönlich erhobene Klage auf Leistung und Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden hat das Landgericht abgewiesen und den Streitwert auf 12.301,60 € festgesetzt. Während der laufenden Berufungsfrist ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schädigers eröffnet und der Beklagte zum Verwalter bestellt worden. Sodann hat der Kläger Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt. Nachdem der Beklagte die zur Insolvenztabelle angemeldeten Schadensersatzforderungen bestritten hatte, hat der Kläger das Berufungsverfahren aufgenommen und seine Klage nunmehr gegen den Beklagten auf Feststellung des Bestehens einer Insolvenzforderung gerichtet. Am 10. Januar 2012 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schädigers aufgehoben worden. Mit Beschluss vom 20. Juni 2012 hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Sie ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands von mehr als 600 € werde nicht erreicht. Der Streitwert einer gegen den Verwalter gerichteten Insolvenzfeststellungsklage bestimme sich gemäß § 182 InsO nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die streitige Forderung zu erwarten sei. Ob die Forderung durch sonstige Rechte gesichert sei oder ein Absonderungsrecht bestehe, bleibe außer Betracht. Könne mit einer Insolvenzquote nicht gerechnet werden, sei der Streitwert auf den Wert der niedrigsten Gebührenstufe festzusetzen. Für den Wert des Beschwerdegegenstands, der sich nach dem Interesse des Berufungsklägers an der Abänderung des angefochtenen Urteils bestimme, gelte Entsprechendes. Der Kläger habe schon zum maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungseinlegung die Auszahlung einer Quote nicht erwarten können.
2. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass es durch die Aufhebung des Insolvenzverfahrens zu einem gesetzlichen Parteiwechsel vom Beklagten auf den Schädiger gekommen ist.
a) Mit der rechtskräftigen Beendigung des Insolvenzverfahrens, gleich ob sie auf einer Aufhebung (§§ 200, 258 InsO) oder Einstellung (§ 215 InsO) beruht, geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters grundsätzlich unter (BGH, Urteil vom 10. Februar 1982 - VIII ZR 158/80, BGHZ 83, 102; vom 10. Dezember 2009 - IX ZR 206/08, NZI 2010, 99 Rn. 7). Neben der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis entfällt auch die Prozessführungsbefugnis (BGH, Urteil vom 15. Juni 1992 - II ZR 88/91, ZIP 1992, 1152 f; vom 10. Dezember 2009, aaO).
Mit Blick auf einzelne Bestandteile des Schuldnervermögens können Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und demzufolge auch die Prozessführungsbefugnis des Verwalters die Verfahrensbeendigung ausnahmsweise überdauern. Geht es wie hier um eine streitige Insolvenzforderung, kommt der Fortbestand des Insolvenzbeschlags in Betracht für einen nach § 189 Abs. 2 InsO zurückbehaltenen und schließlich gemäß § 198 InsO hinterlegten Betrag. Der Grund dafür ist, dass der hinterlegte Betrag grundsätzlich einer Nachtragsverteilung nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 InsO zuzuführen ist, wenn feststeht, dass er nicht zur Befriedigung des Insolvenzgläubigers benötigt wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 1973 - VI ZR 165/71, NJW 1973, 1198, 1199; vom 10. Februar 1982, aaO S. 103; vom 15. Juni 1992, aaO S. 1153). Ob der Insolvenzbeschlag ohne weiteres fortbesteht (so Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 200 Rn. 14; HmbKomm-InsO/Preß, 5. Aufl., § 200 Rn. 13; Schmidt/Jungmann, InsO, 18. Aufl., § 200 Rn. 5), die Nachtragsverteilung vorzubehalten (so Bork, ZIP 2009, 2077, 2081; vgl. auch MünchKomm-InsO/Hintzen, 3. Aufl., § 200 Rn. 40) oder besonders anzuordnen ist (so Jaeger/Meller-Hannich, InsO, § 200 Rn. 16), muss nicht entschieden werden. Eine Hinterlegung gemäß § 198 InsO ist im Streitfall mangels Masse nicht erfolgt.
b) Endet mit der rechtskräftigen Verfahrensbeendigung der Insolvenzbeschlag, erlangt der Schuldner sowohl Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis als auch die Prozessführungsbefugnis zurück. In einem zu diesem Zeitpunkt anhängigen Rechtsstreit, an dem der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes mit Wirkung für und gegen die Masse beteiligt ist, kommt es zu einem gesetzlichen Parteiwechsel von dem Insolvenzverwalter auf den Schuldner (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1966 - VIII ZR 110/64, BGHZ 46, 249, 250; Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 11/10, WM 2011, 989 Rn. 6; Uhlenbruck, aaO Rn. 17; MünchKomm-InsO/Hintzen, aaO Rn. 37; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 239 Rn. 14), wenn nicht ein untrennbar mit dem Amt des Verwalters verbundenes Recht Prozessgegenstand ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1982, aaO S. 104 ff). Der Insolvenzverwalter kann den Rechtsstreit nur noch in gewillkürter Prozessstandschaft führen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2008 - II ZR 26/07, WM 2008, 1615).
Nicht einheitlich wird beantwortet, ob der gesetzliche Parteiwechsel den Rechtsstreit unterbricht und gegebenenfalls nach welcher Vorschrift (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2011, aaO Rn. 7 mwN). Eine Unterbrechung wird teils auf eine analoge Anwendung des § 239 ZPO gestützt, teils wird eine Anwendung von § 241 ZPO für richtig gehalten (vgl. MünchKomm-ZPO/Gehrlein, aaO mwN). Der Senat braucht diese Frage nicht zu entscheiden. § 246 Abs. 1 ZPO gilt sowohl für § 239 ZPO als auch für § 241 ZPO. Zu einer Unterbrechung des Rechtsstreits kann es im Streitfall schon deshalb nicht gekommen sein, weil der Beklagte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war; ein Aussetzungsantrag ist nicht gestellt. Ist kein Aussetzungsantrag gestellt, wird der Rechtsstreit wie bisher fortgesetzt. Partei ist der Schuldner persönlich, auch wenn der Prozess noch auf den Namen des Insolvenzverwalters geführt wird (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1993 - II ZR 62/92, BGHZ 121, 263, 265 f; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 246 Rn. 2b; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 12. Aufl., § 246 Rn. 5).
c) Prozesspartei ist demnach seit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr der Beklagte, sondern der angebliche Schädiger. In diesem Prozessrechtsverhältnis gelangt § 182 InsO nicht zur Anwendung. Der Wert des Beschwerdegegenstands ist nach den allgemeinen Vorschriften zu bestimmen (§ 2 iVm §§ 3 ff ZPO). Unter Berücksichtigung des gesetzlichen Parteiwechsels ist der Antrag des Klägers nicht mehr als Tabellenfeststellungsklage gemäß §§ 179, 180 InsO zu verstehen, sondern als allgemeines Feststellungsbegehren. Seine abweichende Formulierung ist als unschädliche Falschbezeichnung anzusehen. Der Wert des Beschwerdegegenstands ist daher mit dem üblichen Abschlag in Höhe von 20 v.H. zu bemessen und liegt mit 10.061,28 € oberhalb der Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
III.
Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird zunächst auf eine Berichtigung des Rubrums hinsichtlich des Beklagten hinzuwirken und dem Kläger Gelegenheit zu geben haben, seinen Berufungsantrag unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs der Leistungsklage zu überprüfen.
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer