Entscheidungsdatum: 19.07.2012
Gegen die Anordnung des Insolvenzgerichts, ein Sachverständigengutachten darüber zu erheben, in welchem Staat sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners befindet, ist in der Regel die sofortige Beschwerde nicht statthaft.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 28. Dezember 2011 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
I.
Die weitere Beteiligte (fortan: Gläubigerin) hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners beim Amtsgericht beantragt und hierzu ausgeführt, der Schuldner halte sich weiterhin im Gerichtsbezirk auf. Der Schuldner ist dem Antrag entgegengetreten und hat geltend gemacht, er habe den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen bereits seit Jahren nicht in Deutschland, sondern in Nordirland.
Durch Beschluss vom 26. August 2011 in der Fassung des Beschlusses vom 2. September 2011 hat das Insolvenzgericht zur Aufklärung des Sachverhaltes die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage angeordnet, in welchem Land sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners befindet und ob in einem anderen Mitgliedstaat bereits ein Hauptinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wurde. Dabei hat es den Sachverständigen ermächtigt, Auskünfte über die [schuldnerischen Vermögens]Verhältnisse, die für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit von Bedeutung sind, bei Dritten einzuholen. Weiter hat es dem Schuldner aufgegeben, dem Sachverständigen Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten und sie ihm bei Verlangen bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens herauszugeben sowie alle Auskünfte zu erteilen, die zur Aufklärung der schuldnerischen Einkommens- und Vermögensverhältnisse erforderlich sind, soweit diese für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit von Bedeutung sind.
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht als unzulässig verworfen, die Rechtsbeschwerde aber wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt der Schuldner die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg, weil sie bereits nicht statthaft ist.
1. Gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft, wenn sie durch das Beschwerdegericht zugelassen worden ist. Dies gilt aber nur, wenn die angefochtene Entscheidung grundsätzlich der Anfechtung unterliegt; ist die Entscheidung unanfechtbar, ändert sich hieran durch die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht nichts (BGH, Beschluss vom 16. März 2000 - IX ZB 2/00, BGHZ 144, 78, 81 ff; vom 28. Oktober 2008 - V ZB 109/08, NJW-RR 2009, 209 Rn. 3; vom 25. Juni 2009 - IX ZB 161/08, NJW 2009, 3653 Rn. 5). Eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung kann nicht mit Hilfe einer Zulassung der Anfechtung unterworfen werden (Hk-ZPO/Kayser, 4. Aufl., § 574 Rn. 11).
2. Die Beschwerde des Schuldners war nicht statthaft. Denn gemäß § 6 Abs. 1 InsO unterliegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde vorsieht. Das Rechtsmittel des Schuldners richtet sich gegen die Bestellung des Sachverständigen sowie die ihm eingeräumten Befugnisse und damit gegen Maßnahmen des Insolvenzgerichts im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach § 5 InsO. Für die Entscheidung über den Insolvenzantrag lediglich vorbereitende richterliche Anordnungen sieht die Insolvenzordnung kein Rechtsmittel vor; sie sind im allgemeinen nicht beschwerdefähig (BGH, Beschluss vom 4. März 2004 - IX ZB 133/03, BGHZ 158, 212, 214; vom 14. Juli 2011 - IX ZB 207/10, ZInsO 2011, 1499 Rn. 7).
3. Der erkennende Senat hat allerdings entschieden, dass eine sofortige Beschwerde analog § 21 Abs. 1 Satz 2 InsO statthaft sein kann, wenn das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren eine Maßnahme anordnet, die von vornherein außerhalb seiner gesetzlichen Befugnisse liegt und in den grundrechtlich geschützten Bereich des Schuldners eingreift (BGH, Beschluss vom 4. März 2004, aaO S. 214 ff; vom 24. September 2009 - IX ZB 38/08, ZIP 2009, 2068 Rn. 9; vom 14. Juli 2011, aaO). Die Voraussetzungen einer solchen Ausnahme liegen im Streitfall jedoch nicht vor.
a) Die Anordnung eines Sachverständigengutachtens im Eröffnungsverfahren zur Beurteilung der Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung liegt nicht generell außerhalb der Befugnisse des Insolvenzgerichts. Soweit der Auftrag allgemein gehalten ist und den Sachverständigen nicht zu Maßnahmen ermächtigt, die in Grundrechte des Schuldners eingreifen, gilt dies auch dann, wenn die Pflicht zur Amtsermittlung des § 5 InsO noch nicht eingreift, weil kein zulässiger Eröffnungsantrag vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2011, aaO).
b) Auch die weitergehenden Ermächtigungen des Sachverständigen liegen nicht von vornherein außerhalb der gesetzlichen Befugnisse des Insolvenzgerichts, das im Wege der Amtsermittlung tätig geworden ist.
aa) Maßnahmen der Amtsermittlung gehören wegen § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO zu den Befugnissen des angegangenen Gerichts zur Klärung seiner internationalen Zuständigkeit. Da Art. 3 EuInsVO nur die internationale Zuständigkeit für ein Hauptinsolvenzverfahren festlegt und nicht das Verfahrensrecht des angerufenen Gerichts regelt, bestimmt sich das Verfahrensrecht nach dem Recht des angerufenen Gerichts (BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2011 - IX ZB 232/10, WM 2012, 142 Rn. 10; Kemper, in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2010, Art. 3 EuInsVO Rn. 17). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO hat das deutsche Gericht alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind, wobei diese Ermittlungspflicht von Amts wegen erst einsetzt, wenn der Verfahrensstand Anlass hierzu bietet (BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2011, aaO Rn. 11; HK-InsO/Kirchhof, 6. Aufl., § 5 Rn. 8). Hierbei besteht ein gewisser Beurteilungsspielraum des Gerichts; es muss aufgrund gerichtsbekannter Umstände oder der Angaben der Verfahrensbeteiligten zu Ermittlungen veranlasst werden (BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2011, aaO Rn. 11). Aus diesem Grund muss ein Antragsteller, um die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nach § 3 InsO zu ermöglichen und somit seinen Antrag zulässig zu machen, alle die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründenden Tatsachen angeben; erst dann ermittelt das Gericht, sofern erforderlich, nach § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO die seine Zuständigkeit begründenden Umstände von Amts wegen (BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2011, aaO Rn. 12). Entsprechendes gilt für die internationale Zuständigkeit (BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2011, aaO). Ob das angegangene Gericht sich aufgrund der Bewertung der Umstände des Einzelfalls nach den vorgenannten Grundsätzen zu Maßnahmen der Amtsermittlung und damit zu einem Übergang vom Zulassungs- in das Eröffnungsverfahren veranlasst sehen durfte, unterliegt bereits im Allgemeinen keinem Rechtsmittel (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2004, aaO S. 214) und ist für die Frage, ob diese Maßnahmen von vornherein außerhalb seiner gesetzlichen Befugnisse liegen, ohne Belang.
bb) Auch die hinsichtlich des Sachverständigen im Übrigen getroffenen Anordnungen liegen nicht von vornherein außerhalb der gesetzlichen Befugnisse des angegangenen Gerichts. Denn gemäß § 20 Abs. 1 InsO hat der Schuldner dem Insolvenzgericht die Auskünfte zu erteilen, die zur Entscheidung über den Antrag erforderlich sind, und es insoweit auch zu unterstützen, wobei § 97, § 98, § 101 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 InsO entsprechend gelten. Die Auskunftspflicht umfasst auch die Vorlage von Belegen und sonstigen Unterlagen (BGH, Beschluss vom 17. Februar 2005 - IX ZB 62/04, BGHZ 162, 187, 198; vom 19. Januar 2006 - IX ZB 14/03, ZInsO 2006, 264 f). Das Insolvenzgericht kann dem Schuldner aufgeben, diese Pflichten unmittelbar gegenüber dem Sachverständigen zu erfüllen (Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 20 Rn. 19; MünchKomm-InsO/Schmahl, aaO § 20 Rn. 58; HK-InsO/Kirchhof, aaO § 5 Rn. 13 und § 20 Rn. 4; HmbKomm-InsO/Schröder, 4. Aufl., § 20 Rn. 7). Der Sachverständige hat in diesem Fall keine Befugnisse, die über die gemäß § 4 InsO iVm §§ 402 ff ZPO normierten Befugnisse hinausgehen (vgl. Beschluss vom 4. März 2004, aaO S. 217). Auch die dem Sachverständigen eingeräumte Berechtigung, Auskünfte über die Verhältnisse, die für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit von Bedeutung sind, bei Dritten einzuholen, ist durch die gemäß § 4 InsO in Verbindung mit §§ 402 ff ZPO normierten Befugnisse grundsätzlich gedeckt.
Kayser Gehrlein Vill
Fischer Grupp