Entscheidungsdatum: 24.11.2016
Die Ablehnung des Antrags auf Berichtigung der Insolvenztabelle ist nur mit der befristeten Rechtspflegererinnerung und nicht mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 18. Dezember 2014 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.770 € festgesetzt.
I.
Am 17. August 2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Rechtzeitig meldete die weitere Beteiligte zu 1 eine Forderung über 3.770 € zur Tabelle an und führte aus, die Forderung sei eine aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung. Die Forderung war durch ein der Anmeldung beigefügtes Versäumnisurteil tituliert, in dem weiterhin festgestellt war, dass die Forderung der Klägerin auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhe. Der Insolvenzverwalter trug die Forderung in die Tabelle ein, übersah jedoch die rechtliche Qualifizierung. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Ablauf der Wohlverhaltensperiode wurde dem Schuldner mit Beschluss vom 18. September 2013 rechtskräftig die Restschuldbefreiung erteilt.
Mit Schriftsatz vom 7. April 2014 wandte sich die weitere Beteiligte zu 1 an das Insolvenzgericht und wies darauf hin, dass ihr entgegen der Auffassung des Schuldners eine Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zustehe, die nicht von der Restschuldbefreiung erfasst werde. Zugleich beantragte sie vorsorglich die Berichtigung der Insolvenztabelle. Diesen Antrag hat die Rechtspflegerin des Insolvenzgerichts mit Beschluss vom 29. Juli 2014 zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 hat das Landgericht die Entscheidung des Insolvenzgerichts geändert und die Insolvenztabelle dahingehend berichtigt, dass die Forderung der Beschwerdeführerin auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhe. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts und die Zurückweisung des Berichtigungsantrags der Gläubigerin.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Tabellenberichtigung unstatthaft war.
1. Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde ist im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - IX ZB 369/02, ZInsO 2004, 89; vom 21. Dezember 2006 - IX ZB 81/06, ZInsO 2007, 86 Rn. 6; vom 3. Juli 2014 - IX ZB 2/14, ZInsO 2014, 1961 Rn. 4 mwN). War die sofortige Beschwerde unstatthaft, so fehlt es an einem gültigen und rechtswirksamen Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003, aaO; vom 6. Mai 2004 - IX ZB 104/04, NZI 2004, 447; vom 3. Juli 2014, aaO). So liegt der Fall hier.
a) Rechtsgrundlage für die sofortige Beschwerde der Gläubigerin bildet im Streitfall nicht § 6 Abs. 1 InsO. Die von dieser Norm in Bezug genommenen Vorschriften sehen kein Rechtsmittel bei nachträglicher Berichtigung der Tabelle vor (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - IX ZA 74/11, ZInsO 2011, 2278 Rn. 6). Eine sofortige Beschwerde gegen die Berichtigung könnte in entsprechender Anwendung (§ 4 InsO) des § 319 Abs. 1 ZPO gemäß § 319 Abs. 3 Alt. 2 ZPO nur statthaft sein, wenn das Insolvenzgericht auf Antrag eine Berichtigung ausgesprochen hätte. Im Streitfall hat die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 29. Juli 2014 den Antrag auf Berichtigung der Insolvenztabelle jedoch zurückgewiesen. Eine sofortige Beschwerde gegen diese Entscheidung kam somit nicht in Betracht.
b) Der Bundesgerichtshof hat allerdings entschieden, dass eine Rechtsbeschwerde statthaft ist, wenn das Beschwerdegericht im Fall einer nach dem Gesetz nicht anfechtbaren Entscheidung eine für den Beschwerdeführer unanfechtbare Entscheidung auf dessen sofortige Beschwerde hin gleichwohl geändert und die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, sofern für den Rechtsbeschwerdeführer gegen eine entsprechende erstinstanzliche Entscheidung die sofortige Beschwerde statthaft gewesen wäre (BGH, Beschluss vom 21. Januar 2016 - IX ZB 24/15, ZInsO 2016, 542 Rn. 7). Auch diese Ausnahme ist vorliegend nicht gegeben.
aa) Eine Berichtigung der Insolvenztabelle erfolgt nicht nach § 319 ZPO, sondern in entsprechender Anwendung (§ 4 InsO) des § 164 ZPO. Nach dieser Vorschrift scheidet eine sofortige Beschwerde in jedem Fall aus (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2004 - XII ZB 268/03, MDR 2005, 46). Ob eine Berichtigung erfolgt oder abgelehnt wird, ist unerheblich. Als Rechtsbehelf gegen die Ablehnung des Antrags auf Berichtigung der Insolvenztabelle kommt nur die sofortige Erinnerung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 RpflG in Betracht, über welche der Richter nach Vorlage durch den Rechtspfleger abschließend entscheidet (vgl. Jaeger/Gerhardt, InsO, 2010, § 178 Rn. 99; Becker in Nerlich/Römermann, InsO, 2016, § 178 Rn. 17; Pape/Schaltke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2010, § 178 Rn. 30; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 14. Aufl., § 178 Rn. 50).
(1) Unrichtige Eintragungen in die Insolvenztabelle, die etwa darauf beruhen, dass das Gericht versehentlich eine bestrittene Forderung als unbestritten eingetragen hat, einen Widerspruch nicht vermerkt hat oder bei einer im Prüfungsverfahren erörterten und unstreitig gebliebenen Forderung den Feststellungsvermerk vergessen hat, können sowohl von Amts wegen als auch auf Antrag berichtigt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - IX ZA 74/11, ZInsO 2011, 2278; AG Köln, NZI 2005, 171; Becker in Nerlich/Römermann, aaO Rn. 17; Jaeger/Gerhardt, InsO, 2010, § 178 Rn. 93 ff; MünchKomm-InsO/Schumacher, 3. Aufl., § 178 Rn. 51 f; Pape/Schaltke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2010, § 178 Rn. 26 ff; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 14. Aufl., § 178 Rn. 43 ff). Die Berichtigung kann entgegen teilweise vertretener Auffassung (vgl. LG Göttingen, ZInsO 2003, 815; AG Köln, NZI 2005, 171; HK-InsO/Depré, 8. Aufl., § 178 Rn. 12; Schmidt/Jungmann, InsO, § 178 Rn. 29, offengelassen in BGH, Beschluss vom 29. September 2011, aaO Rn. 6) nicht auf § 4 InsO, § 319 ZPO gestützt werden, denn § 319 ZPO setzt eine gerichtliche Entscheidung voraus, die im Fall der Eintragung in die Insolvenztabelle ungeachtet der Rechtskraftwirkung des § 178 Abs. 3 InsO nicht ergeht. Das Insolvenzgericht beurkundet lediglich Erklärungen des Verwalters, der Insolvenzgläubiger und des Schuldners, ohne hierzu eine Entscheidung zu fällen. Die Berichtigung der Insolvenztabelle muss deshalb in entsprechender Anwendung (§ 4 InsO) des § 164 Abs. 1 ZPO erfolgen (vgl. Becker in Nerlich/Römermann, aaO Rn. 17; Jaeger/Gerhardt, aaO Rn. 94; Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 178 Rn. 10; MünchKomm-InsO/Schumacher, 3. Aufl., § 178 Rn. 51; Pape/Schaltke, aaO Rn. 27; Uhlenbruck/Sinz, aaO, Rn. 43).
(2) Wird die Berichtigung auf § 164 ZPO gestützt, scheidet eine sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Berichtigung der Insolvenztabelle aus (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2004 - XII ZB 268/03, NJW-RR 2005, 214 f mwN; BeckOK-ZPO/Wendtland, 2016, § 164 Rn. 15; MünchKomm-ZPO/Fritsche, 5. Aufl., § 164 Rn. 11; Musielak/Stadler, ZPO, 13. Aufl., § 164 Rn. 8; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 164 Rn. 11). Dabei ist es entgegen einer Entscheidung des Oberlandesgericht Frankfurt (NJW-RR 2013, 574) unerheblich, ob sich die Unrichtigkeit aus den Akten ergibt oder nur durch eine Anhörung der Beteiligten rekonstruiert werden kann (zutreffend dagegen MünchKomm-ZPO/Fritsche, aaO). Es fehlt die gesetzliche Kompetenz des Beschwerdegerichts, ein Protokoll der unteren Instanz zu berichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2004, aaO). Soweit die Zulässigkeit einer sofortigen Beschwerde bei Verwerfung eines Berichtigungsantrags als unzulässig erwogen wird (vgl. BeckOK-ZPO/Wendtland, 2016, aaO; Musielak/Stadler, aaO), liegt ein solcher Fall hier nicht vor. Die Rechtspflegerin hat den Antrag auf Protokollberichtigung sachlich beschieden.
bb) Gegen den Beschluss der Rechtspflegerin fand mithin nur die Erinnerung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG statt (vgl. MünchKomm-InsO/Schumacher, aaO; Pape/Schaltke, aaO, § 178 Rn. 30; Uhlenbruck/Sinz, aaO, § 178 Rn. 50). Nachdem die Rechtspflegerin der Erinnerung nicht abgeholfen hat, hätte sie diese gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 RPflG dem Insolvenzrichter vorlegen müssen. Das Beschwerdegericht hätte deshalb nicht in der Sache entscheiden dürfen, sondern die ausdrücklich auch als Erinnerung oder sonst zulässiges Rechtsmittel bezeichnete Beschwerde der Gläubigerin an das Amtsgericht zur Entscheidung im Erinnerungsverfahren zurückgeben müssen. Dieser Verfahrensfehler kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht korrigiert werden (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2007 - III ZB 35/07, AGS 2007, 589 Rn. 4; vom 3. Juli 2014 - IX ZB 2/14, ZInsO 2014, 1961 Rn. 8).
2. An die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landgericht ist das Rechtsbeschwerdegericht nicht gemäß § 574 Abs. 3 Satz 3 ZPO gebunden. Durch die Zulassung wird dem Beschwerdeführer die Rechtsbeschwerde in den Fällen nicht eröffnet, in denen - wie hier - schon das Rechtsmittel zum Beschwerdegericht nicht statthaft war (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2004 - XII ZB 279/03, BGHZ 159, 14, 15; vom 7. Februar 2013 - VII ZB 58/12, NJW-RR 2013, 1081 Rn. 8; vom 3. Juli 2014, aaO Rn. 9).
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