Entscheidungsdatum: 08.05.2014
Wird die bewilligte Verfahrenskostenstundung während des Verfahrensabschnitts aufgehoben, besteht die Subsidiärhaftung der Staatskasse nur so lange fort, bis der Insolvenzverwalter oder Treuhänder von der Aufhebung Kenntnis erlangt.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 21. März 2013 wird auf Kosten des Treuhänders zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 238 € festgesetzt.
I.
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin ist dieser mit Beschluss vom 29. Mai 2009 die Restschuldbefreiung angekündigt und mitgeteilt worden, dass der weitere Beteiligte zu 1 als bisheriger Treuhänder auch die Aufgaben des Treuhänders in der Wohlverhaltensperiode wahrnimmt, welche planmäßig am 7. Oktober 2014 enden sollte. Mit Beschluss vom 22. Juni 2011 wurde die der Schuldnerin am 29. Mai 2005 gewährte Verfahrenskostenstundung für das Restschuldbefreiungsverfahren aufgehoben. Auf Antrag des Treuhänders vom 19. September 2012 wurde ihr mit Beschluss vom 19. Oktober 2012 die Restschuldbefreiung wegen fehlender Deckung der Mindestvergütung versagt.
Für das erste (31. August 2009 bis 30. August 2010) und zweite (31. August 2010 bis 30. August 2011) Jahr der Wohlverhaltensperiode wurde zugunsten des Treuhänders mit Beschlüssen vom 13. Juni 2010 und 14. September 2011 ein Vorschuss auf die Vergütung von jeweils 100 € zuzüglich Umsatzsteuer, zusammen 119 € festgesetzt. Die Bezahlung erfolgte aufgrund einer Anordnung des Rechtspflegers jeweils aus der Staatskasse.
Mit Beschluss vom 6. November 2012 wurde die Vergütung für die gesamte Dauer der Wohlverhaltensperiode antragsgemäß auf 400 € zuzüglich 19 v.H. Umsatzsteuer festgesetzt, zusammen 476 €. Zugleich wurde angeordnet, dass hierauf die Vorschüsse von 238 € anzurechnen seien. Der Restbetrag sei wegen der Aufhebung der Verfahrenskostenstundung bei der Schuldnerin anzufordern.
Mit der hiergegen erhobenen sofortigen Beschwerde begehrte der Treuhänder die Abänderung des Beschlusses dahin, dass die Vergütung auch für das dritte und vierte Jahr der Restschuldbefreiungsphase aus der Landeskasse zu erstatten sei. Die sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Treuhänder sein Festsetzungsbegehren zu Lasten der Landeskasse fort.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 6, 7, 63 Abs. 2, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO entsprechend, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2, § 575 ZPO). In der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.
1. Das Landgericht hat gemeint, dem Treuhänder stehe zumindest in entsprechender Anwendung des § 63 Abs. 2 InsO ein Anspruch in Höhe der Mindestvergütung gegen die Staatskasse zu, soweit - wie hier - die Insolvenzmasse hierfür nicht ausreiche. Der Fall, dass zunächst Verfahrenskostenstundung gewährt, die Stundung später aber aufgehoben worden sei, habe der Gesetzgeber nicht bedacht, so dass eine planwidrige Regelungslücke vorliege. Für den Zeitraum, für den die Verfahrenskostenstundung bestanden habe, könne der Vergütungsanspruch weiter gegen die Staatskasse geltend gemacht werden. Eine weitergehende Subsidiärhaftung der Staatskasse sei dagegen abzulehnen, weil § 63 Abs. 2 InsO eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift sei.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.
a) Der Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode erhält seine Vergütung gemäß § 14 Abs. 2 InsVV aus den aufgrund der Abtretung nach § 287 Abs. 2 InsO eingehenden Beträgen. Reichen diese nicht aus, um die Mindestvergütung zu decken, obliegt es gemäß § 298 Abs. 1 InsO dem Schuldner, hierfür aufzukommen. Dies gilt gemäß § 298 Abs. 1 Satz 2 InsO nur dann nicht, wenn die Kosten des Verfahrens nach § 4a InsO gestundet wurden; in diesem Fall steht dem Treuhänder gemäß § 293 Abs. 2, § 63 Abs. 2 InsO ein Anspruch gegen die Staatskasse zu (BGH, Beschluss vom 7. Februar 2013 - IX ZB 75/12, WM 2013, 519 Rn. 11).
b) § 63 Abs. 2 InsO gewährt dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder einen Anspruch gegen die Staatskasse nur, wenn die Kosten des Verfahrens (-abschnitts) nach § 4a InsO gestundet wurden. Außerhalb des Stundungsfalles kommt eine Subsidiärhaftung der Staatskasse grundsätzlich nicht in Betracht. § 63 Abs. 2 InsO ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Erhält der Schuldner keine Kostenstundung, liegt das Kostenerstattungsrisiko beim Insolvenzverwalter oder Treuhänder. Wenn der Gesetzgeber dies anders gewollt hätte, hätte er § 63 Abs. 2 InsO nicht auf den Fall der tatsächlich erteilten Kostenstundung beschränkt (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2004 - IX ZB 123/03, BGHZ 157, 370, 372 ff; vom 7. Februar 2013 - IX ZB 245/11, WM 2013, 515 Rn. 14; vom 7. Februar 2013 - IX ZB 75/12, aaO Rn. 14).
c) Der Senat hält jedoch eine Analogie für geboten, wenn dem Schuldner die Verfahrenskostenstundung tatsächlich gewährt, diese jedoch später wieder entzogen wurde. Der Gesetzgeber hat diesen Fall nicht bedacht. Insoweit besteht eine planwidrige Regelungslücke. Der Insolvenzverwalter oder Treuhänder kann und soll sich auf die gewährte Stundung verlassen können, weil der Gesetzgeber seine Mitwirkung auch in massearmen oder masselosen Verfahren sicherstellen will. Allerdings besteht dieser Vertrauensschutz nur, soweit eine Vergütung eingefordert wird für Tätigkeiten, die vor der Aufhebung der Stundung erbracht wurden (BGH, Beschluss vom 15. November 2007 - IX ZB 74/07, ZInsO 2008, 111 Rn. 11 ff, 17; vom 3. Dezember 2009 - IX ZA 36/09, nv Rn. 3; vom 7. Februar 2013 - IX ZB 75/12, aaO Rn. 15).
Da es sich hierbei um eine subsidiäre Haftung der Staatskasse aus Gründen des Vertrauensschutzes handelt, setzt sie voraus, dass der Insolvenzverwalter oder Treuhänder von der gewährten Stundung Kenntnis erhalten hat. Sie dauert umgekehrt so lange an, bis ihm die Aufhebung der Stundung mitgeteilt oder sonst bekannt geworden ist.
Hier war dem Treuhänder die Verfahrenskostenstundung für die Wohlverhaltensperiode, die mit Beschluss vom 29. Mai 2009 erteilt worden war, mit Schreiben vom 29. Mai 2009 mitgeteilt worden. Umgekehrt war ihm die mit Beschluss vom 22. Juni 2011 erfolgte Aufhebung der Verfahrenskostenstundung für die Wohlverhaltensperiode vom Insolvenzgericht mit E-Mail vom 28. Juni 2011 zur Kenntnis gebracht worden. Ab diesem Zeitpunkt war ihm die Aufhebung der Verfahrenskostenstundung bekannt. Er konnte auf sie nicht weiter vertrauen.
d) Da sich die Mindestvergütung des Treuhänders nach § 293 InsO gemäß § 14 Abs. 3 InsVV nach vollen Jahren bemisst, hat das Insolvenzgericht dem Treuhänder für das im Zeitpunkt der Aufhebung der Verfahrenskostenstundung am 22. Juni 2011 laufende zweite Jahr der Wohlverhaltensperiode (31. August 2010 bis 30. August 2011) die Vergütung insgesamt aus der Staatskasse bewilligt.
Für die beiden Folgejahre ist dagegen ein Anspruch gegen die Staatskasse aus Gründen des Vertrauensschutzes zutreffend abgelehnt worden. Zwar erfolgt die Verfahrenskostenstundung gemäß § 4a Abs. 3 Satz 2 InsO jeweils für den Verfahrensabschnitt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2013 - IX ZB 245/11, aaO Rn. 16), also für den Abschnitt der Wohlverhaltensperiode insgesamt. Auch wird die Vergütung für den gesamten Zeitraum der Wohlverhaltensperiode gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 InsVV bei Beendigung des Amtes einheitlich fällig und festgesetzt (vgl. Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl., § 293 Rn. 3, 7). Ein geschütztes Vertrauen des Treuhänders darauf, dass die Verfahrenskostenstundung über den gesamten Bewilligungszeitraum fortbesteht, ergibt sich daraus aber nicht. Nach § 4c InsO kann eine Aufhebung der gewährten Stundung jederzeit, nicht nur am Ende des jeweiligen Verfahrensabschnitts erfolgen.
Nach Mitteilung der Aufhebung der Stundung wusste der Treuhänder, dass für die Zukunft die Voraussetzungen des § 63 Abs. 2 InsO nicht mehr vorlagen. Die Situation war ab diesem Zeitpunkt nicht anders, als wenn ihm das Amt des Treuhänders neu übertragen worden wäre, ohne dass Verfahrenskostenstundung bewilligt war.
Ebenso wie bei vorzeitiger Beendigung des Amtes die Vergütung nicht für den gesamten Verfahrensabschnitt an den vormaligen Verwalter oder Treuhänder gezahlt werden muss (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2, § 10 InsVV; BGH, Beschluss vom 10. November 2005 - IX ZB 168/04, ZIP 2006, 93), muss auch die Sicherstellung durch die Staatskasse nach § 63 Abs. 2 InsO nicht für den gesamten Verfahrensabschnitt fortbestehen. Die Staatskasse ist vielmehr nur zeitlich anteilig zum Eintritt verpflichtet.
Kayser Vill Pape
Grupp Möhring