Entscheidungsdatum: 17.04.2013
Der Widerspruch des Schuldners gegen die Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung darf nicht zurückgewiesen werden, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und noch andauert, selbst wenn die Eröffnung erst nach Erhebung des Widerspruchs erfolgt ist.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 31. Oktober 2011 wird auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.732,88 € festgesetzt.
I.
Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung. Die Schuldnerin gab im August 2010 durch den im Handelsregister nicht mehr eingetragenen Geschäftsführer die eidesstattliche Versicherung ab. Im November 2010 beantragte die Gläubigerin, die Schuldnerin möge durch ihren im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer die eidesstattliche Versicherung abgeben. Im Termin am 4. Januar 2011 bestritt die Schuldnerin ihre Verpflichtung zur erneuten Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Der Gerichtsvollzieher legte deswegen die Akte dem zuständigen Vollstreckungsgericht zur Entscheidung vor. Am 7. Februar 2011 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet.
Durch Beschluss vom 9. März 2011 hat das Vollstreckungsgericht ohne Kenntnis von der Insolvenzeröffnung den Widerspruch der Schuldnerin für berechtigt erklärt. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt sie die Zurückweisung des Widerspruchs der Schuldnerin gegen die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht im vollstreckungsrechtlichen Rechtszug nach § 567 Abs. 1, § 793 ZPO entschieden und die Rechtsbeschwerde zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Das Amtsgericht habe dem Widerspruch der Schuldnerin gegen die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Zwar sei der Geschäftsführer der Schuldnerin am 4. Januar 2011 gemäß § 807 Abs. 1 Nr. 1, § 900 ZPO zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet gewesen. Doch könne die Gläubigerin als Insolvenzgläubigerin nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht mehr verlangen. Das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO erfasse auch diesen Fall und sei von Amts wegen zu beachten. Entscheidungserheblicher Zeitpunkt sei insoweit der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Das Verfahren war durch die Insolvenzeröffnung nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. März 2007 - VII ZB 25/05, BGHZ 172, 16 Rn. 8 ff; vom 24. Mai 2012 - IX ZB 275/10, WM 2012, 1307 Rn. 5 ff).
b) Zutreffend hat das Beschwerdegericht die Begründetheit des Widerspruchs der Schuldnerin gegen die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bezogen auf den Zeitpunkt seiner neu zu treffenden Entscheidung geprüft, denn die Beschwerdeinstanz ist eine vollwertige zweite Tatsacheninstanz (BGH, Beschluss vom 27. Juli 2006 - IX ZB 204/04, BGHZ 169, 17 Rn. 19; vom 10. Dezember 2009 - I ZB 36/09, NJW 2010, 1002 Rn. 9). Auf dieser tatsächlichen Grundlage hat das Beschwerdegericht den Widerspruch der Schuldnerin gegen ihre Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung nach §§ 807, 899 ff ZPO mit Recht als begründet erachtet. Denn seit der nach Erhebung des Widerspruchs erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin ist gemäß § 89 Abs. 1 InsO die Zwangsvollstreckung für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens unzulässig, weil das vorgenannte Verbot von Zwangsvollstreckungen auch für das Verfahren der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung gilt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2012, aaO Rn. 10 ff). Rechtlich unerheblich ist es, ob der Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor oder nach Insolvenzeröffnung gestellt worden ist und wann der Schuldner der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung widersprochen hat.
c) Die Gläubigerin kann sich nicht darauf berufen, ihre Beschwerde habe nicht die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zum Gegenstand gehabt, sondern allein die Frage, ob die Schuldnerin am 4. Januar 2011 die eidesstattliche Versicherung hätte verweigern dürfen, was nicht der Fall war. Bei dem Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO handelt es sich um ein erst nach dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung entstandenes Vollstreckungshindernis (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - IX ZB 217/08, WM 2011, 841 Rn. 9; Jaeger/Eckardt, InsO, § 89 Rn. 70; Musielak/Voit, ZPO, 9. Aufl., § 900 Rn. 7), das als solches im Vollstreckungsverfahren von Amts wegen zu beachten ist (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 900 Rn. 7). Dies gilt in gleicher Weise für das Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht wie für das Beschwerdeverfahren (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, aaO Rn. 50; Prütting/Gehrlein/Olzen, ZPO, 4. Aufl., § 900 Rn. 64).
Kayser Gehrlein Fischer
Grupp Möhring