Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 09.02.2012


BGH 09.02.2012 - IX ZB 248/11

Insolvenzeröffnungsverfahren: Beschwerde des Schuldners gegen die auf Grund Eigen- und Drittantrags erfolgte Verfahrenseröffnung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
09.02.2012
Aktenzeichen:
IX ZB 248/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Essen, 10. August 2011, Az: 7 T 353/11vorgehend AG Essen, 1. Juni 2011, Az: 160 IN 76/11
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Eine Beschwerde des Schuldners gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist mangels einer formellen Beschwer auch dann unzulässig, wenn neben dem Schuldner ein Gläubiger einen Insolvenzantrag gestellt hat.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 10. August 2011 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Eine Krankenkasse stellte gegen den Schuldner, einen Rechtsanwalt, wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 4.700 € am 8. März 2011 einen Insolvenzantrag. Der Schuldner beantragte am 31. März 2011 verbunden mit Anträgen auf Restschuldbefreiung und Verfahrenskostenstundung ebenfalls die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Das Amtsgericht eröffnete durch Beschluss vom 1. Juni 2011 das Insolvenzverfahren. Nach der am 3. Juni 2011 erfolgten Begleichung der Beitragsrückstände nahmen die Krankenkasse und der Schuldner jeweils durch Schriftsätze am 3. Juni 2011 die Eröffnungsanträge zurück. Die von dem Schuldner gegen die Eröffnung eingelegte Beschwerde hat das Landgericht als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner sein Begehren weiter.

II.

2

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, 34 Abs. 2 InsO, Art. 103f EGInsO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil kein Zulässigkeitsgrund (§ 574 Abs. 2 ZPO) eingreift. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) sind nicht - wie geboten - näher ausgeführt. Davon abgesehen steht die angefochtene Entscheidung in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

3

1. Die Zulässigkeit der von dem Schuldner gegen den Eröffnungsbeschluss eingelegten sofortigen Beschwerde scheitert bereits an dem Erfordernis einer formellen Beschwer.

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a) Wird das Insolvenzverfahren auf Antrag des Schuldners eröffnet, steht ihm gegen diese Entscheidung grundsätzlich kein Beschwerderecht zu. Diese rechtliche Würdigung beruht auf der Erwägung, dass der Schuldner durch die seinem Antrag entsprechende Verfahrenseröffnung keine formelle Beschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Einlegung eines Rechtsmittels erleidet. Daran anknüpfend hat der Senat einem Schuldner, der die auf seinem Antrag beruhende Verfahrenseröffnung unter dem Gesichtspunkt einer die Kosten des Verfahrens nicht deckenden Masse (§ 26 InsO) beanstandet hat, die Beschwer abgesprochen (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2008 - IX ZB 225/07, WM 2008, 1752 Rn. 4 mwN).

5

b) Diese Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn - wie hier - neben dem Schuldner ein Gläubiger einen Eröffnungsantrag gestellt hat.

6

Über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners kann, wenn mehrere Anträge gestellt werden, nur einheitlich entschieden werden. Mehrere gleichzeitig anhängige Insolvenzanträge sind deshalb - wie vorliegend geschehen - spätestens mit der Verfahrenseröffnung miteinander zu verbinden (BGH, Beschluss vom 11. März 2010 - IX ZB 110/09, WM 2010, 898 Rn. 8). Infolge der Verfahrensverbindung beruht die Eröffnung auch auf dem Antrag des Schuldners. Dies hat das Insolvenzgericht auch ausdrücklich so ausgesprochen. Bei dieser Sachlage fehlt es an einer formellen Beschwer. Ein bloßer Sinneswandel des Schuldners nach Antragstellung, der nicht zur Rücknahme des Insolvenzantrags vor der Verfahrenseröffnung geführt hat, begründet keine Beschwer (BGH, Beschluss vom 18. Januar 2007 - IX ZB 170/06, WM 2007, 553 Rn. 14).

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2. In vorliegender Sache kann nicht ausnahmsweise auf eine formelle Beschwer des Schuldners verzichtet werden.

8

a) Der Senat hat offengelassen, ob der Schuldner auch nach Stellung eines Eigenantrags eine sofortige Beschwerde mit der Begründung einlegen kann, der Eröffnungsbeschluss sei unrechtmäßig ergangen, weil sich seine Vermögenslage nach Antragstellung verbessert habe und der Eröffnungsgrund zum maßgeblichen Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfallen sei (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 2007, aaO).

9

b) Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Das Beschwerdegericht hat ausdrücklich festgestellt, es sei nicht ersichtlich, dass der Schuldner mit seinem Vorbringen das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit durch eine Veränderung der Umstände zwischen Stellung des Eigenantrags und der Verfahrenseröffnung in Frage stellen wolle. Gegen diese Würdigung wird ein durchgreifender Zulassungsgrund nicht geltend gemacht.

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c) Das Beschwerdegericht hat zwar vor Erlass des Eröffnungsbeschlusses das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) des Schuldners verletzt. Ein entscheidungserheblicher Gehörsverstoß liegt jedoch nicht vor.

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aa) Das Insolvenzgericht hat das Verfahren allerdings eröffnet, ohne dem Schuldner - wie Art. 103 Abs. 1 GG es gebietet - Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Gutachten des Sachverständigen zu eröffnen. Da Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO ohne vorherige Anhörung des Schuldners ergehen können (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2011 - IX ZB 57/11, ZIP 2011, 1875 Rn. 13), geben Beschleunigungsgründe wegen der Möglichkeit des Erlasses derartiger Maßnahmen entgegen der Würdigung des Beschwerdegerichts keine Rechtfertigung dafür, von einer Bekanntmachung des Gutachtens an den Schuldner vor Erlass des Eröffnungsbeschlusses abzusehen.

12

bb) Dieser Verfahrensverstoß ist jedoch nicht entscheidungserheblich.

13

(1) Da der Schuldner selbst einen Eröffnungsantrag gestellt hat, kann er sich allenfalls auf einen späteren Wegfall des Eröffnungsgrundes berufen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 2007, aaO). Er kann aber nicht mit dem Vorbringen gehört werden, es habe von Anfang an kein Eröffnungsgrund vorgelegen. Die Insolvenzordnung sieht auch nicht vor, dass dem Schuldner vor der Verfahrenseröffnung Gelegenheit gegeben werden muss, die Forderung des antragstellenden Gläubigers zu befriedigen.

14

(2) Das als übergangen gerügte Vorbringen des Schuldners, es hätten vor der Eröffnung des Verfahrens verbindliche Zusagen Dritter vorgelegen, die Begleichung der offenen Verbindlichkeit der Krankenkasse sicherzustellen, ist nicht entscheidungserheblich. Sind die Eröffnungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung gegeben, kann diese nicht durch den nachträglichen Ausgleich der Forderung des Gläubigers zu Fall gebracht werden (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2010 - IX ZB 121/10, WM 2011, 135 Rn. 3).

15

(3) Ohne Erfolg macht der Schuldner schließlich geltend, aufgrund der Zahlungszusagen Dritter sei der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit noch vor dem Eröffnungsbeschluss ausgeräumt worden. Tatsächlich hat der Schuldner selbst vorgetragen, der Ausgleich der Sozialversicherungsabgaben sei durch Dritte erfolgt, weil er über kein eigenes Vermögen verfügt habe. Darum kann schon nach seiner eigenen Darstellung nicht davon ausgegangen werden, dass sich eine durchgreifende Besserung seiner Liquiditätslage abgezeichnet habe. Vielmehr bestand mit Rücksicht auf die weiteren offenen Forderungen die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners fort. Folgerichtig hat auch das Beschwerdegericht angenommen, dass der Schuldner mit der Beschwerde nicht geltend gemacht habe, er sei in der Lage, die fälligen Zahlungsverpflichtungen im Wesentlichen zu erfüllen.

Kayser                                                Gehrlein                                             Vill

                          Lohmann                                                 Fischer