Entscheidungsdatum: 10.11.2011
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 bis 3 wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 14. Juli 2010 (4 T 204/10) aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
I.
Mit Beschluss vom 23. April 2007 ordnete das Insolvenzgericht im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin Sicherungsmaßnahmen an. Mit Beschluss vom 8. Mai 2007 setzte das Insolvenzgericht einen vorläufigen Gläubigerausschuss ein und bestellte die weiteren Beteiligten zu 4 bis 9 zu dessen Mitgliedern. Am 1. Juli 2007 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren.
Das Insolvenzgericht hat die Vergütung der Mitglieder des im Eröffnungsverfahren gebildeten vorläufigen Gläubigerausschusses mit Beschluss vom 8. Juli 2008 festgesetzt. Diese Entscheidung hat das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 17. Juli 2008 aufgehoben und neu gefasst. Den Beschluss vom 17. Juli 2008 hat das Insolvenzgericht dem Insolvenzverwalter, der Schuldnerin sowie den Mitgliedern des vorläufigen Gläubigerausschusses zugestellt und am 18. Juli 2007 auf der Internetseite www.insolvenzbekanntmachungen.de wie folgt bekanntgemacht:
"9 IN 143/07: In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH (...) wird der Beschluss des Insolvenzgerichts vom 08.07.2008 über die Vergütung und Auslagen der vorläufigen Gläubigerausschussmitglieder aufgrund einer offenbaren Unrichtigkeit hinsichtlich der Umsatzsteuerpflicht der Gläubigerausschussmitglieder (...) aufgehoben. Die Vergütung und Auslagen der vorläufigen Gläubigerausschussmitglieder sind erneut durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 17.07.2008 festgesetzt worden. Der vollständige Beschluss kann von den Beteiligten in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts eingesehen werden.
Amtsgericht Aurich, 17.07.2008"
Mit am 25. Mai 2010 beim Insolvenzgericht eingegangenem Schriftsatz haben die weiteren Beteiligten zu 1 bis 3 als Insolvenzgläubiger sofortige Beschwerde gegen die Festsetzung der Vergütung für die Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses eingelegt. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgen die weiteren Beteiligten zu 1 bis 3 ihren Antrag auf Herabsetzung der Vergütung der Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses weiter.
II.
Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die sofortige Beschwerde sei unzulässig, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO) eingelegt worden sei. Nach der Regelung der §§ 9, 73 in Verbindung mit § 64 Abs. 2 InsO habe die Beschwerdefrist am dritten Tag nach der Bekanntmachung im Internet am 18. Juli 2008, mithin am 21. Juli 2008, zu laufen begonnen. Zwar sei die Veröffentlichung unrichtig gewesen, weil tatsächlich nicht die Vergütung und die Auslagen der vorläufigen Gläubigerausschussmitglieder festgesetzt worden seien, sondern diejenigen der Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses. Dieser Fehler hindere den Lauf der Beschwerdefrist jedoch nicht, weil es für die Wahrung der Verfahrensrechte der Beteiligten entscheidend auf deren Kenntnis ankomme, dass eine Vergütungsfestsetzung für Mitglieder des Gläubigerausschusses erfolgt sei. Ohne Bedeutung sei, ob es sich hierbei um die Festsetzung der Vergütung und der Auslagen der Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses, der vorläufigen Gläubigerausschussmitglieder oder der Mitglieder des Gläubigerausschusses handele. Zumindest habe die Bekanntmachung im Internet eine fünfmonatige Anfechtungsfrist entsprechend § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO in Lauf gesetzt, welche die Beschwerdeführer ebenfalls nicht gewahrt haben.
Demgegenüber rügt die Rechtsbeschwerde, wegen des Verfahrensgrundrechts auf effektiven Rechtsschutz dürfe eine Rechtsmittelfrist durch die öffentliche Bekanntmachung einer Entscheidung nur in Lauf gesetzt werden, wenn auch der Entscheidungsausspruch öffentlich bekannt gemacht worden sei. Unterbleibe hingegen nach der Vorschrift des § 73 Abs. 2 in Verbindung mit § 64 Abs. 2 Satz 2 InsO die Veröffentlichung des Betrags, welcher als Vergütung der Mitglieder des (vorläufigen) Gläubigerausschusses festgesetzt worden sei, so könnten die Beteiligten aus der Veröffentlichung nicht ersehen, inwieweit sie durch die Entscheidung betroffen würden. Ungeachtet dessen sei vorliegend die Rechtsmittelfrist durch die Bekanntmachung im Internet jedenfalls deshalb nicht in Gang gesetzt worden, weil diese Bekanntgabe sich nicht auf die tatsächlich getroffene Entscheidung - die Festsetzung der Vergütung und der Auslagen für die Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses - bezogen habe. Aus diesem Grunde sei die Bekanntgabe auch nicht geeignet gewesen, eine fünfmonatige Einlegungsfrist in Gang zu setzen.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist nach den Vorschriften der §§ 6, 7, 64 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 73 Abs. 2 InsO statthaft, wobei es für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht darauf ankommt, dass das Beschwerdegericht die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen hat (BGH, Beschluss vom 30. März 2006 - IX ZB 171/04, WM 2006, 1409 Rn. 5; vom 22. September 2010 - IX ZB 195/09, WM 2010, 2122 Rn. 6). Die auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 4 InsO, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ist begründet, die Sache aber nicht zur Endentscheidung reif.
1. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 bis 3 fristgemäß eingelegt worden.
a) Die zweiwöchige Frist zur Erhebung der sofortigen Beschwerde gegen die Festsetzung der Vergütung für die Mitglieder eines Gläubigerausschusses (§§ 4, 64 Abs. 3 Satz 1, § 73 Abs. 2 InsO, § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO) knüpft, weil der Festsetzungsbeschluss des Insolvenzgerichts nicht verkündet worden ist, an die Zustellung dieser Entscheidung an (§ 6 Abs. 2 InsO). Nach der Regelung der § 9 Abs. 3, § 64 Abs. 2 in Verbindung mit § 73 Abs. 2 InsO genügt zum Nachweis der Zustellung die öffentliche Bekanntmachung der Vergütungsfestsetzung, wobei die Mitteilung der festgesetzten Beträge unterbleibt. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt gemäß § 9 Abs. 1 InsO seit dem 1. Juli 2007 (§ 103c Abs. 1 Satz 1 EGInsO) zentral und länderübergreifend durch Veröffentlichung auf der Internetseite www.insolvenzbekanntmachungen.de.
b) Der öffentlichen Bekanntmachung kommt die Wirkung einer Zustellung gemäß § 9 Abs. 3 InsO jedoch nur dann zu, wenn die getroffene Entscheidung in der Veröffentlichung zutreffend bezeichnet ist. Eine Veröffentlichung, welche die getroffene Entscheidung fehlerhaft bezeichnet, begründet auch dann keine Zustellungswirkung, wenn mit dem Insolvenzverfahren vertraute Kreise aus dem Inhalt der Bekanntmachung hätten erschließen können, welche Entscheidung das Insolvenzgericht mutmaßlich getroffen habe. Fehlt es an einer wirksamen öffentlichen Bekanntgabe, so löst der bloße Erlass der Entscheidung des Insolvenzgerichts auch keine fünfmonatige Anfechtungsfrist analog § 569 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 ZPO zum Nachteil solcher Verfahrensbeteiligter aus, denen der Beschluss nicht individuell bekannt gegeben worden ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10. November 2011 - IX ZB 165/10 unter III. 1. c).
c) Die Vergütungsfestsetzung des Insolvenzgerichts vom 8. Juli 2008 ist gemäß den Feststellungen des Beschwerdegerichts offenbar überhaupt nicht öffentlich bekannt gemacht worden. Die öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses über die Neufestsetzung vom 17. Juli 2008 ist unrichtig gewesen, weil hierin eine tatsächlich nicht getroffene Entscheidung über die Vergütung vorläufiger Mitglieder des Gläubigerausschusses mitgeteilt worden ist. Aus dieser Veröffentlichung war nicht zu ersehen, dass sich die Vergütungsentscheidung auf den bereits im Eröffnungsverfahren gebildeten vorläufigen Gläubigerausschuss bezog. Wegen dieser wesentlichen Unrichtigkeit vermochte die öffentliche Bekanntmachung keine Beschwerdefrist gegen die Festsetzung vom 17. Juli 2008 auszulösen, die sofortige Beschwerde war daher fristgerecht.
2. Auf die weitere von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob die gesetzliche Regelung, nach der die zweiwöchige Frist zur sofortigen Beschwerde gegen die Festsetzung der Vergütung der Mitglieder eines Gläubigerausschusses an die öffentliche Bekanntmachung dieser Entscheidung ohne Mitteilung der festgesetzten Beträge anknüpft, den verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch eines Insolvenzgläubigers auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, kommt es danach nicht an.
3. Wegen des Rechtsfehlers des Beschwerdegerichts ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil das Beschwerdegericht die angefochtene Vergütungsfestsetzung bislang nicht in der Sache überprüft und hierzu keine Feststellungen getroffen hat (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Dabei kann dahinstehen, ob die Bildung des vorläufigen Gläubigerausschusses durch das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren nach gegenwärtiger Gesetzeslage zulässig gewesen ist (zum Meinungsstand Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 67 Rn. 4 f; vgl. nun auch § 21 Abs. 2, § 22a InsO in der Fassung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, BT-Drucks. 17/5712 S. 7, 24 f). Wegen der materiellen Rechtskraft des Beschlusses des Insolvenzgerichts vom 8. Mai 2007, durch welchen im Eröffnungsverfahren ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt worden ist, unterliegt die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung im Verfahren über die Vergütung der Mitglieder dieses Ausschusses nicht der Nachprüfung (vgl. zur materiellen Rechtskraft von Entscheidungen des Insolvenzgerichts BGH, Beschluss vom 7. April 2011 - IX ZB 170/10, WM 2011, 949 Rn. 9). Auch wenn die Rechtmäßigkeit der Einrichtung eines vorläufigen Gläubigerausschusses im Eröffnungsverfahren nach bisheriger Rechtslage fraglich ist, bedeutet eine solche Anordnung des Insolvenzgerichts jedenfalls keinen so schwerwiegenden Verstoß gegen die gesetzlichen Regelungen, dass die Entscheidung als nichtig anzusehen wäre (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - IX ZR 206/08, WM 2010, 136 Rn. 13 f).
Kayser Gehrlein Fischer
Grupp Möhring