Entscheidungsdatum: 19.09.2013
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. März 2011 - unter Verwerfung der Rechtsbeschwerde als unzulässig im Übrigen - aufgehoben. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17. Dezember 2010 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 2. März 2011 wird zurückgewiesen.
Von den Kosten der Rechtsmittelverfahren haben der Kläger 68,79 v.H. und die Beklagte 31,21 v.H. zu tragen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 13.933,60 € festgesetzt.
I.
Der Kläger legte fristgerecht Berufung gegen das am 19. August 2010 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt/Main ein. Nachdem er die Berufung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nicht begründet hatte, nahm er sie nach einem richterlichen Hinweis zurück. Schon zuvor hatten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Vertretung gegenüber dem Berufungsgericht angezeigt.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat das Landgericht durch Beschluss vom 17. Dezember 2010 zu Gunsten der Beklagten gegen den Kläger zu erstattende Kosten auf Grundlage einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr nach VV RVG Nr. 3200 in Höhe von 13.933,60 € nebst Zinsen festgesetzt. Der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde des Klägers hat das Landgericht teilweise abgeholfen und den zu erstattenden Betrag auf Grundlage einer 1,1-fachen Verfahrensgebühr nach VV RVG Nr. 3200, 3201 auf 9.585,60 € festgesetzt. Das Oberlandesgericht hat auf die weitergehende Beschwerde des Klägers die Kostenfestsetzung insgesamt aufgehoben und den Festsetzungsantrag zurückgewiesen. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Beklagte die Festsetzung der zu erstattenden Kosten auf Grundlage einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr erreichen.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie die Wiederherstellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses in seiner ursprünglichen Fassung und damit die Festsetzung eines Erstattungsanspruches von mehr als 9.585,60 € nebst Zinsen erstrebt. Das Landgericht hatte der sofortigen Beschwerde des Klägers in Höhe von 4.348 € abgeholfen. Die hiermit verbundene Teilablehnung des Festsetzungsantrags der Beklagten ist rechtskräftig, nachdem die Beklagte gegen diese erstmals im Abhilfeverfahren eingetretene Beschwer kein Rechtsmittel eingelegt hatte (vgl. OLG München, Rpfleger 1989, 55; MünchKomm-ZPO/Schulz, 4. Aufl., § 104 Rn. 100 f; Prütting/Gehrlein/Schmidt, ZPO, 5. Aufl., § 104 Rn. 36).
III.
Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde zulässig und begründet.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die Kosten eines vom Berufungsbeklagten beauftragten Rechtsanwalts seien nur dann notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wenn der Berufungsbeklagte anwaltlichen Rat in einer als risikohaft empfundenen Situation für erforderlich halten dürfe. Wenn die Partei selbst Rechtsanwalt sei oder ihr Rechtsanwälte angehörten, stelle sich die Prozesssituation für sie als Berufungsbeklagte erst dann als riskant dar, wenn eine Berufungsbegründung vorliege. Werde die Berufung schon während der laufenden Berufungsbegründungsfrist zurückgenommen oder verstreiche diese ungenutzt, müsse eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung hingegen nicht befürchtet werden.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Solange noch unsicher ist, ob die Berufung durchgeführt werden wird, ist die Beauftragung eines Rechtsanwalts für die Berufungsinstanz zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung objektiv nicht erforderlich (BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - IX ZB 223/06, NJW 2008, 1087 Rn. 10). Die Kosten eines gleichwohl beauftragten Rechtsanwalts werden von der Rechtsprechung alleine deshalb als erstattungsfähig anerkannt, weil der Rechtsmittelgegner anwaltlichen Rat in einer von ihm als risikohaft empfundenen Situation für erforderlich halten darf (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2002 - X ZB 9/02, NJW 2003, 756, 757; vom 3. Juli 2007 - VI ZB 21/06, AGS 2007, 537, 538; vom 6. Dezember 2007, aaO).
b) Hiernach durfte die hier beklagte Rechtsanwaltsgesellschaft die Einschaltung eines Rechtsanwaltes als notwendig erachten, obwohl im Zeitpunkt der Bestellung noch unsicher war, ob die Berufung durchgeführt werden würde. Für die Frage, ob eine Partei die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes als erforderlich ansehen darf, kommt es nicht darauf an, ob sie rechtskundig ist oder über eine eigene Rechtsabteilung verfügt (vgl. MünchKomm-ZPO/Schulz, 4. Aufl., § 91 Rn. 57). Maßgeblich ist die Sicht einer verständigen Prozesspartei (BAG, NJW 2008, 1340 Rn. 12). Soweit der Senat erkannt hat, dass der sich selbst vertretende Anwalt die Situation nicht in gleicher Weise als risikobehaftet empfindet und deshalb keines Rates bedarf (BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2007, aaO), folgt hieraus keine Abkehr von vorgenannten allgemeinen Grund-sätzen. Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem sich der sich selbst vertretende Rechtsanwalt im Rechtsmittelverfahren noch nicht bestellt hatte. In einem solchen Fall besteht kein Anlass dafür, vor Eingang einer Rechtsmittelbegründung Information und Beratung als anwaltliche Tätigkeit zu fingieren (BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2007, aaO). Demgegenüber hatten sich die Bevollmächtigten der Beklagten im Berufungsverfahren bereits vor dem gerichtlichen Hinweis auf die Unzulässigkeit der Berufung (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 - III ZB 63/05, NJW 2006, 2260 Rn. 20) bestellt und hierdurch eine anwaltliche Tätigkeit entfaltet (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 2007 - VI ZB 21/06, AGS 2007, 537, 538 mwN). Dass die frühzeitige Anwaltsbestellung in erkennbarer Schädigungsabsicht erfolgt ist (vgl. MünchKomm-ZPO/Schulz, 4. Aufl., § 91 Rn. 57), ist weder dargetan noch ersichtlich.
IV.
Die Entscheidung des Beschwerdegerichts kann daher keinen Bestand haben. Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, sondern der Sachverhalt zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden. Die Beklagte kann von dem Kläger die Erstattung einer 1,1-Gebühr nach VV RVG Nr. 3200, Nr. 3201 nebst einer Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG in einer Gesamthöhe von 9.585,60 € verlangen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 2007 - VI ZB 21/06, AGS 2007, 537, 538 mwN; Mayer/Kroiß/Maué, RVG, 5. Aufl., RVG Nrn. 3200-3205 VV Rn. 6 f). Dies entspricht der Festsetzung des Landgerichts in der Fassung seines Beschlusses vom 2. März 2011. Dieser ist wiederherzustellen.
Kayser Gehrlein Pape
Grupp Möhring