Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 08.06.2010


BGH 08.06.2010 - IX ZB 156/08

Verfahrenskostenstundung im Insolvenzverfahren: Berücksichtigung von Steuererstattungsansprüchen bei der Beurteilung einer Kostendeckung durch Schuldnervermögen


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
08.06.2010
Aktenzeichen:
IX ZB 156/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Koblenz, 4. Juni 2008, Az: 2 T 368/08, Beschlussvorgehend AG Mayen, 5. Mai 2008, Az: 7 IK 46/08
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Bei der Beurteilung, ob das Schuldnervermögen zur Kostendeckung ausreicht, können auch Steuererstattungsansprüche von Bedeutung sein .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 4. Juni 2008 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Schuldner beantragte am 31. März 2008 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die Erteilung der Restschuldbefreiung sowie die Stundung der Verfahrenskosten. Im Ergänzungsblatt 5 C zum Vermögensverzeichnis machte der Schuldner unter Punkt 1.3. Steuererstattungsansprüche keine Angaben. Auf die Aufforderung des Amtsgerichts, den Steuerbescheid zur letzten Steuererklärung vorzulegen, reichte der Schuldner einen Lohnsteuerausdruck seines Arbeitgebers zur Akte und teilte auf erneute Anfrage mit, in den letzten drei Jahren keine Einkommensteuererklärung vorgenommen zu haben.

2

Mit Beschluss vom 5. Mai 2008 hat das Amtsgericht den Stundungsantrag mit der Begründung abgewiesen, die Stundung sei ausgeschlossen, weil der Schuldner nicht nachgewiesen habe, dass sein Vermögen zur Deckung der Verfahrenskosten voraussichtlich nicht ausreiche. Ein Lohnsteuerjahresausgleich sei nicht von vornherein aussichtslos; dem Schuldner sei zuzumuten, ein entsprechendes Erstattungsverfahren durchzuführen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Schuldners ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner weiter die Stundung der Verfahrenskosten.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 4d Abs. 1, §§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). In der Sache hat sie keinen Erfolg.

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1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, der Schuldner habe zu einem möglichen Steuererstattungsanspruch keine Angaben gemacht. Er habe in der Beschwerdebegründung eingeräumt, dass ihm für die vergangenen Jahre Erstattungsansprüche gegen das zuständige Finanzamt zustünden. Er habe aber deren Höhe nicht dargetan. Die pauschale Behauptung, mit dem Erstattungsanspruch für das Jahr 2007 ließe sich die Kostentragung nicht gewährleisten, reiche nicht aus. Der Schuldner habe damit seiner Obliegenheit zur umfassenden Darstellung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht genügt. Da weder an der Werthaltigkeit des Erstattungsanspruches gegen das Finanzamt noch an dessen zeitnaher, zumutbarer Realisierbarkeit Zweifel bestünden und der Schuldner allein im Jahre 2007 Lohnsteuer in Höhe von über 7.000 € gezahlt habe, müsse er sich so behandeln lassen, als gehöre ein zumindest in der Höhe der Verfahrenskosten zügig realisierbarer Steuererstattungsanspruch zur Insolvenzmasse.

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2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

6

a) Ein Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten nach § 4a InsO kann nur dann Erfolg haben, wenn der Schuldner dem Insolvenzgericht sämtliche Angaben macht, die dieses zur Beurteilung benötigt, ob das Schuldnervermögen zur Kostendeckung nicht ausreichen wird (BGHZ 156, 92, 93 f; BGH, Beschl. v. 22. April 2004 - IX ZB 64/03, ZVI 2004, 281; v. 4. November 2004 - IX ZB 70/03, ZInsO 2004, 1307, 1308; v. 3. Februar 2005 - IX ZB 37/04, ZVI 2005, 119 f). Die Fragestellung, über die das Gericht zu entscheiden hat, entspricht derjenigen des § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO (BGH, Beschl. v. 4. November 2004 - IX ZB 70/03, aaO). Aus § 20 Abs. 1 Satz 1 InsO folgt, dass der Schuldner dem Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren umfassende Auskünfte über seine Vermögensverhältnisse zu erteilen, insbesondere ein Verzeichnis seiner Gläubiger und Schuldner vorzulegen und eine geordnete Übersicht seiner Vermögensgegenstände einzureichen hat. Die Anforderungen an die Begründung eines Stundungsantrags sind an diesem Maßstab auszurichten (BGHZ 156, 92, 93 f). Der Schuldner muss daher nachvollziehbar darlegen, dass sein Vermögen voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die anfallenden Kosten zu decken (HK-InsO/Kirchhof, 5. Aufl. § 4a Rn. 17).

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Im vorliegenden Fall hat der Schuldner eingeräumt, dass ihm bei Abgabe von Einkommensteuererklärungen Steuererstattungsansprüche zustünden, ohne sich zu deren Höhe näher einzulassen. Damit hat er nicht dargetan, dass sein Vermögen voraussichtlich nicht ausreichen wird, die Kosten des Verfahrens zu decken.

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b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde sind bei der Prüfung der Frage, ob das Schuldnervermögen zur Kostendeckung ausreicht, auch die dem Schuldner zustehenden Steuererstattungsansprüche von Bedeutung.

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aa) Zwar ist nach den vom Senat zu § 4a Abs. 1 Satz 1 InsO aufgestellten Grundsätzen der Schuldner grundsätzlich nicht verpflichtet, Rücklagen für die zu erwartenden Kosten eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen zu bilden (BGH, Beschl. v. 21. September 2006 - IX ZB 24/06, ZVI 2006, 511, 512 Rn. 11; v. 25. Oktober 2007 - IX ZB 14/07, ZVI 2007, 609, 610 Rn. 7). Hierauf vermag sich der Schuldner aber nicht zu berufen. Hat der Schuldner seine Einkünfte verbraucht, ohne Rücklagen zu bilden, so ist sein gegenwärtiges Vermögen nicht mehr ausreichend, um die Verfahrenskosten zu decken. Der Verbrauch kann nur unter dem Gesichtspunkt der Verschwendung Bedeutung gewinnen (§ 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO, vgl. BGH, Beschl. v. 5. März 2009 - IX ZB 141/08, ZVI 2009, 307, 308 Rn. 10). Vorliegend geht es aber nicht um die Frage der vorsorglichen Bildung von Rücklagen, sondern um das gegenwärtige Vermögen des Schuldners, zu dem die Erstattungsansprüche schon jetzt gehören. Auch nach dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde waren die Erstattungsansprüche bereits vor dem Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden.

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bb) Der Umstand, dass die Erstattungsansprüche mangels Festsetzung noch nicht fällig werden konnten (vgl. § 122 Abs. 2 Nr. 1, § 124 Abs. 1 Satz 1, § 218 Abs. 1 AO, s. ferner BFH ZIP 2007, 1514; ZVI 2007, 369 f), steht einer Berücksichtigung dieser Ansprüche im Rahmen der Prüfung des Schuldnervermögens nicht entgegen.

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Hinsichtlich der Beurteilung des Vermögens des Schuldners ist anerkannt, dass dieser gehalten sein kann, kurzfristige Möglichkeiten zur Verbesserung der Vermögenslage auszunutzen. So kann er etwa darauf verwiesen werden, durch den Wechsel der Steuerklasse sein liquides Vermögen zu erhöhen (AG Kaiserlautern ZVI 2002, 378, 380; Jaeger/Eckardt, InsO § 4a Rn. 23, 26; HK-InsO/Kirchhof, aaO Rn. 17; Prütting/Wenzel in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 4a Rn. 33a; zu § 4c Nr. 5 InsO vgl. BGH, Beschl. v. 5. März 2009 - IX ZB 2/07, ZVI 2009, 264). Ferner können in die gerichtliche Prüfung auch Ansprüche des Schuldners gegen Dritte einbezogen werden, wenn diese kurzfristig zu realisieren sind (BGH, Beschl. v. 25. Oktober 2007, aaO Rn. 8; HK-InsO/Kirchhof, aaO Rn. 17; Graf-Schlicker/Kexel, InsO 2. Aufl. § 4a Rn. 26; Uhlenbruck/Mock, InsO 13. Aufl. § 4a Rn. 8). Im Regelfall ist hierbei auf die Fälligkeit des Anspruchs abzustellen (vgl. BGH, Beschl. v. 25. Oktober 2007 aaO Rn. 8). Dies gilt aber dann nicht, wenn der Schuldner, wie vorliegend gegeben, davon absieht, die lediglich von seinem Handeln abhängige Fälligkeit herbeizuführen (§ 162 BGB). Daher kann dem Schuldner im Rahmen der Vermögensprüfung entgegen gehalten werden, bislang die ihm zustehenden Steuererstattungsansprüche nicht geltend gemacht zu haben.

Ganter                                  Kayser                            Gehrlein

                    Fischer                               Grupp