Entscheidungsdatum: 16.05.2013
Wird eine Rechtsanwaltsgesellschaft gemeinsam mit den beruflich zusammengeschlossenen Rechtsanwälten wegen eines anwaltlichen Beratungsfehlers auf Schadensersatz verklagt, kann sie sich im Prozess von einem anderen Anwalt als dem der mitverklagten Rechtsanwälte vertreten lassen und im Falle ihres Obsiegens von ihrem Prozessgegner grundsätzlich die Erstattung der entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen verlangen.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. März 2011 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 150.983,40 € festgesetzt.
I.
Die Klägerin nahm eine Haftungsklage gegen die sie bei einem Unternehmenskauf beratenden Rechtsanwälte - die deutsche Niederlassung einer amerikanischen limited liability partnership (LLP; Beklagte zu 1) und die sie beratenden Partner der deutschen Niederlassung (die Beklagten zu 2 bis 4) - und eine Steuerberatergesellschaft (Beklagte zu 5) zurück. Der Streitwert dieses Klageverfahrens betrug 30 Millionen €. Die Beklagte zu 1, die Beklagten zu 2 bis 4 gemeinsam und die Beklagte zu 5 hatten sich im Haftungsprozess jeweils durch einen eigenen Rechtsanwalt vertreten lassen. Durch Beschlüsse vom 9. Juli 2008 und vom 3. September 2008 erlegte das Landgericht der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auf.
Der Rechtspfleger des Landgerichts hat durch Beschluss vom 24. November 2010 von den beantragten außergerichtlichen Kosten zugunsten der Beklagten zu 1 gegen die Klägerin 228.760 € (1,3 Verfahrensgebühr; 1,2 Terminsgebühr; Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 RVG VV) nebst Zinsen festgesetzt. Die Festsetzung weiter geltend gemachter Auslagen in Höhe von 233.327,03 € hat er abgelehnt. Hiergegen haben sowohl die Klägerin als auch die Beklagte zu 1 form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht hat - nach Übertragung der Sache auf den Senat - durch Beschluss vom 8. März 2011 beide Beschwerden zurückgewiesen und hinsichtlich der Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Klägerin die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit der Rechtsbeschwerde will die Klägerin erreichen, dass ihr gegenüber nur Kosten zugunsten der Beklagten zu 1 in Höhe von 77.776,60 € festgesetzt werden. Sie meint, die Beklagten zu 1 bis 4 müssten sich kostenrechtlich so behandeln lassen, als hätten sie nur einen Anwalt mit ihrer Vertretung beauftragt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 575 ZPO), sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt: Ein Verstoß der Beklagten zu 1 gegen das Gebot der Kostengeringhaltung sei nicht ersichtlich. Selbst wenn man die Auffassung vertreten würde, den Beklagten zu 1 bis 4 habe es wegen einer gleichgelagerten Interessenlage unter kostenrechtlichen Gesichtspunkten oblegen, für eine gemeinsame Prozessvertretung Sorge zu tragen, fehle es jedenfalls an einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten der Beklagten zu 1. Denn es wäre nicht ihre Aufgabe gewesen, sich mit den Beklagten zu 2 bis 4 auf einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten zu einigen. Vielmehr sei sie befugt gewesen, einen die gemeinsame Vertretung übernehmenden Rechtsanwalt auszuwählen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 2. Mai 2007 - XII ZB 156/06, NJW 2007, 2257 Rn. 21) obliege es den einen Prozess als Streitgenossen führenden Mitgliedern einer Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts im Falle einer entsprechenden Interessenlage, die Gesellschaft zu mandatieren. Nichts anderes könne gelten, wenn die Rechtsanwaltsgesellschaft eine LLP sei. In diesem Fall sei der Gesellschaft aus kostenrechtlicher Sicht die Entscheidung über die gemeinsame Prozessvertretung zu überlassen. Dass die Beklagte zu 1 sich durch einen externen Rechtsanwalt habe vertreten lassen, sei kostenrechtlich ohne Belang.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Wenn die Beklagten zu 1 bis 4 aus kostenrechtlichen Gründen wegen gleichgelagerter Interessen gemeinsam einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung im Haftungsprozess hätten beauftragen müssen, wie das Oberlandesgericht in der angefochtenen Entscheidung - anders als dies die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint - offengelassen hat, kann ein in der Beauftragung eines weiteren Rechtsanwalts liegendes rechtsmissbräuchliches Handeln der Beklagten zu 1 entgegen der angefochtenen Entscheidung nicht unter Hinweis auf den zitierten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 2. Mai 2007 (aaO) verneint werden. Dort ist nicht angenommen worden, dass die Anwaltsgesellschaft den Prozessbevollmächtigten auch für die Gesellschafter bestimmen kann, wenn sie gemeinsam verklagt werden, sondern vielmehr wird den Gesellschaftern einer Anwaltssozietät nahegelegt, wie üblich die Sozietät zu mandatieren und nicht eines ihrer Mitglieder; dann würde keiner der Sozien bevorteilt oder benachteiligt.
Entschieden ist allerdings, dass regelmäßig nur der Kfz-Haftpflichtversicherer, nicht aber der Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten hat, wenn Versicherer und Versicherungsnehmer im Verkehrsunfallprozess jeweils einen Prozessbevollmächtigten beauftragen. Die Mehrkosten, die durch die Beauftragung eines eigenen Rechtsanwalts durch den Versicherungsnehmer entstehen, sind nicht erstattungsfähig. Im Haftpflichtprozess gilt im Innenverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer die Versicherungsbedingung E. 2.4 AKB. Danach hat der Versicherungsnehmer im Falle eines Rechtsstreits dessen Führung dem Versicherer zu überlassen und dem Rechtsanwalt, den der Versicherer bestellt, Vollmacht zu erteilen. Daraus ist zu folgern, dass für den Versicherungsnehmer grundsätzlich kein Anlass besteht, einen eigenen Prozessbevollmächtigten zu bestellen (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2004 - VI ZB 76/03, VersR 2004, 622, 623).
An einer entsprechenden Regelung fehlt es aber im Verhältnis zwischen der Rechtsanwaltsgesellschaft und ihren Gesellschaftern. Dass sich die Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag vorbehalten hätte, im Haftungsprozess einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen, ist weder festgestellt noch behauptet worden. Eine entsprechende Berechtigung ergibt sich auch nicht, wie die Beklagte zu 1 meint, aus Nr. 1008 RVG VV. Dort ist nur geregelt, dass einem Anwalt, der von mehreren Auftraggebern beauftragt wird, eine Erhöhungsgebühr zusteht. Hieraus ergibt sich weder, welcher der Auftraggeber ihn beauftragen darf, noch, wer von den Auftraggebern in welcher Höhe das Honorar zu begleichen hat und wem der Erstattungsanspruch gegenüber dem Prozessgegner zusteht. Im Verhältnis zwischen beauftragtem Anwalt und Auftraggeber lassen sich die Zahlungspflichten der Streitgenossen aus § 7 RVG ableiten. Soweit sich die Vergütungsansprüche des Anwalts gegen die Streitgenossen überschneiden, besteht eine gesamtschuldnerische Haftung (§ 426 BGB). Im Verhältnis zum Prozessgegner sind die Streitgenossen hinsichtlich der auf ihrer Seite insgesamt anfallenden Anwaltskosten Anteilsgläubiger (§ 420 BGB; vgl. MünchKomm-ZPO/Schulz, 4. Aufl., § 100 Rn. 29). Für welchen Prozessbevollmächtigten sich ein Rechtsanwalt im Haftungsprozess entscheidet, liegt in seinem Ermessen. Grundsätzlich muss er sich von der Rechtsanwaltsgesellschaft nicht vorschreiben lassen, durch wen er sich vertreten lässt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Dezember 2009 - 24 W 61/09, juris Rn. 13). Es hat nur kostenrechtliche Folgen, wenn sich die gemeinsam verklagten Rechtsanwälte und die Rechtsanwaltsgesellschaft rechtsmissbräuchlich durch unterschiedliche Prozessbevollmächtigte vertreten lassen.
3. Jedoch ist die Entscheidung aus anderen Gründen richtig (§ 577 Abs. 3 ZPO). Die Beklagten zu 1 bis 4 müssen sich kostenrechtlich nicht so behandeln lassen, als hätten sie zur Abwehr der Klage nur einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten beauftragt. Vielmehr können sowohl die Beklagte zu 1 auf der einen als auch die Beklagten zu 2 bis 4 auf der anderen Seite von der Klägerin nach § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO Erstattung der ihnen entstanden Anwaltskosten in Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen verlangen.
a) Grundsätzlich steht es den einfachen Streitgenossen (§§ 59, 60, 61 ZPO) wie den Beklagten zu 1 bis 4 frei, sich von einem eigenen Anwalt vertreten zu lassen, wenn sie gemeinsam verklagt werden. Dies hat kostenrechtlich zur Folge, dass im Falle des Obsiegens ihr Prozessgegner die jedem Streitgenossen entstandenen Anwaltskosten nach § 91 ZPO erstatten muss. Von diesem Grundsatz sind je nach den Umständen des Einzelfalles aber dann Ausnahmen zu machen, wenn feststeht, dass ein eigener Prozessbevollmächtigter für eine interessengerechte Prozessführung nicht erforderlich sein wird. In einem solchen Fall ist es rechtsmissbräuchlich, ohne besonderen sachlichen Grund einen eigenen Anwalt einzuschalten, so dass die doppelt geltend gemachten Kosten nicht als notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO anzusehen und damit auch nicht erstattungsfähig sind. Dies folgt aus dem zwischen den Parteien bestehenden Prozessrechtsverhältnis, aus dem jede Partei nach Treu und Glauben verpflichtet ist, die Kosten ihrer Prozessführung niedrig zu halten (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2004 - VI ZB 76/03, VersR 2004, 622 f; vom 2. Mai 2007 - XII ZB 156/06, NJW 2007, 2257 Rn. 12 f; vom 3. Februar 2009 - VIII ZB 114/07, AGS 2009, 306 f; vom 11. September 2012 - VI ZB 60/11, AnwBl. 2012, 1008 Rn. 9 f; BVerfG, NJW 1990, 2124).
Ein solcher sachlicher Grund ist in der Rechtsprechung verneint worden, wenn sich die Mitglieder einer noch bestehenden Rechtsanwaltssozietät vertreten (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Mai 2007, aaO Rn. 7 ff; OLG Düsseldorf, JurBüro 1992, 816 f; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31. August 1994 - 11 W 86/94, juris Rn. 9; OLG Naumburg, Beschluss vom 16. Oktober 2001 - 13 W 187/01, juris Rn. 3; RPfleger 2005, 482 f; vom 11. August 2005 - 12 W 74/05, juris Rn. 3; OLG Köln, JurBüro 2010, 535 f; SchlhOLG, JurBüro 1988, 1030) oder sie sich jeweils durch einen externen Rechtsanwalt vertreten lassen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31. August 1994 - 11 W 86/94, juris Rn. 9; OLG Köln, aaO S. 535). Dies gilt jedenfalls regelmäßig dann, wenn sie auf Erfüllung von der Sozietät eingegangener Verträge - etwa auf Zahlung der Mieten für die Büroräume der Sozietät (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Mai 2007, aaO) - verklagt werden und es nicht um die Haftung für berufliche Fehler geht.
Auf der anderen Seite ist ein sachlicher Grund für eine getrennte Prozessführung in der Rechtsprechung angenommen worden, wenn nur einer der verklagten Rechtsanwälte ein Mandat betreut hat und der andere nach Beendigung des Mandats aus der gemeinsamen Sozietät ausgeschieden ist (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31. August 1994 - 11 W 86/94, juris Rn. 11; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Dezember 2009 - 24 W 61/09, juris Rn. 11; OLG Köln, JurBüro 2010, 535) oder die Sozietät zwischenzeitlich aufgelöst ist (OLG Hamburg, MDR 1989, 824 f). Entsprechendes kann gelten, wenn ein Regress zwischen den Gesellschaftern droht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Dezember 2009 - 24 W 61/09, juris Rn. 12; OLG Köln, aaO). Auch wird ein die getrennte Beauftragung von Rechtsanwälten rechtfertigender Interessenwiderstreit angenommen, wenn Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass im Innenverhältnis der verklagten Rechtsanwälte eine vom Grundsatz des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB abweichende Ausgleichungspflicht in Betracht kommt (vgl. OLG Naumburg, RPfleger 2005, 482, 483).
b) Wenn beruflich zusammengeschlossene Rechtsanwälte gegebenenfalls auch neben der Gesellschaft wegen eines anwaltlichen Beratungsfehlers von der Mandantschaft als Streitgenossen auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, besteht regelmäßig ein sachlicher Grund zur getrennten Prozessführung, der den Rechtsmissbrauch ausschließt. Denn in den Fällen der Haftung eines Rechtsanwalts für Beratungsfehler kann im Grundsatz nicht davon ausgegangen werden, dass die Interessen der gemeinsam verklagten Rechtsanwälte gleichgerichtet sind und ihnen eine gemeinsame Prozessführung zugemutet werden kann.
Das Haftungsrisiko kann bei unterschiedlichen Versicherern versichert sein, die ihrerseits auf der Beauftragung bestimmter, unterschiedlicher Prozessbevollmächtigter bestehen. Aus dem Gesellschaftsvertrag oder aus § 426 BGB können sich im Innenverhältnis unterschiedliche Haftungsquoten ergeben. Auch kann die Stellung der verklagten Rechtsanwälte innerhalb der Rechtsanwaltsgesellschaft so unterschiedlich sein, dass sie sich für eine getrennte Prozessführung entschließen, ohne dass hierin ein Rechtsmissbrauch gesehen werden kann. Es liegt auf der Hand, dass die Interessen von Sozien und mithaftenden Scheinsozien, von Seniorpartnern, Vollpartnern, Juniorpartnern und angestellten Partnern divergieren. Dies gilt insbesondere für die gegebenenfalls international tätigen Großkanzleien mit einer Vielzahl im Briefkopf angegebener Partner.
Gerade der Streitfall zeigt dies deutlich: Die Beklagte zu 1 ist eine weltweit agierende LLP amerikanischen Rechts, die Beklagten zu 2 bis 4 sind bei ihr Partner und haben in der deutschen Niederlassung als Rechtsanwälte die Klägerin beraten. Ob und wie die in Deutschland beratend für eine LLP auftretenden Rechtsanwälte im Regressfall gegenüber dem Mandanten haften, ob gesellschaftsrechtlich, vertraglich, aus Rechtsschein- oder Sachwalterhaftung oder aus Delikt (vgl. Rinkler in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 464; Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1105 ff), ist bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch war wegen seiner Höhe potentiell existenzgefährdend. Dies alles lässt es als nicht rechtsmissbräuchlich erscheinen, dass sich die Beklagte zu 1 auf der einen Seite und die Beklagten zu 2 bis 4 auf der anderen Seite für eine getrennte Prozessführung entschieden haben.
Kayser Raebel Fischer
Grupp Möhring