Entscheidungsdatum: 27.09.2012
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden der Beschluss des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 13. Januar 2012 und der Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 22. Juli 2011 aufgehoben.
Der beschrittene Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten (Landgericht Potsdam) ist zulässig.
Der Streitwert wird auf 2.258,04 € festgesetzt.
I.
Der Kläger ist Verwalter in dem am 23. Oktober 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der F. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin).
Die Schuldnerin war im Jahre 2006 Alleingesellschafterin der G. GmbH (nachfolgend: G. ), die am 14. Mai 2007 Insolvenzantrag stellte, welcher am 7. September 2007 mangels Masse zurückgewiesen wurde.
Der Beklagte war ab dem 1. Mai 2006 Arbeitnehmer der G. . Die Schuldnerin überwies in dem Zeitraum zwischen 25. Januar 2007 und 22. März 2007 insgesamt 6.774,12 € auf rückständige Gehaltsforderungen des Beklagten gegen die G. . Diesen Betrag fordert der Kläger im Wege der Insolvenzanfechtung gemäß § 134 Abs. 1 InsO zurück.
Das Landgericht hat sich für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit nach Anhörung der Parteien an das Arbeitsgericht Potsdam verwiesen. Die dagegen vom Kläger erhobene sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Kläger die Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen.
II.
Die kraft Zulassung durch das Beschwerdegericht gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 und 6 GVG statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. In der Sache erweist sie sich als begründet, weil es sich vorliegend um eine bürgerlich rechtliche Streitigkeit (§ 13 GVG) handelt, die vor die ordentlichen Gerichte gehört.
1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei eröffnet, weil eine Streitigkeit nach §§ 2 ff ArbGG vorliege. Die Rückgewähr des Arbeitsentgelts sei auf die Rückabwicklung einer arbeitsrechtlichen Leistungsbeziehung gerichtet. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte sei nach § 3 ArbGG iVm § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG auch dann begründet, wenn ein Rechtsnachfolger des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers den Rechtsstreit führe. Der Insolvenzverwalter sei für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis für die Dauer des Insolvenzverfahrens in diesem Sinne Arbeitgeber. Zwar sei der Kläger hier nicht Insolvenzverwalter des Arbeitgebers sondern dessen alleiniger Gesellschafter. Der Begriff der Rechtsnachfolge im Sinne des § 3ArbGG sei jedoch weit auszulegen. Entscheidend sei nicht die Rechtsstellung als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, sondern die durch das Arbeitsverhältnis begründete Rechts- und Pflichtenzuständigkeit. Deshalb sei nicht erforderlich, dass der Rechtsnachfolger an die Stelle des ursprünglichen Schuldners getreten sei. Vielmehr genüge die Erhebung oder Abwehr einer Forderung anstelle des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers. Deshalb werde unter dem Begriff der Rechtsnachfolge im Sinne des § 3 ArbGG auch die Haftung für arbeitsrechtliche Ansprüche aus eigenständigen Rechtsgründen subsumiert.
Es handele sich jedenfalls materiell um einen Anspruch auf Rückzahlung von Arbeitsentgelt. Der Kläger müsse sich in doppelter Rechtsnachfolge im Sinne des § 3 ArbGG - als Rechtsnachfolger der Schuldnerin und diese als Rechtsnachfolgerin der G. - als Arbeitgeber im Sinne des § 2 Abs. 3 ArbGG behandeln lassen.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Wie der Senat zwischenzeitlich an einem Parallelfall, der einen anderen Arbeitnehmer der G. betraf, entschieden hat, ist in der hier vorliegenden Konstellation der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012 - IX ZB 27/12, ZIP 2012, 1681).
a) Eine Zuständigkeit des Arbeitsgerichts nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG scheidet auf der Grundlage des Beschlusses des Gemeinsamen Senats vom 27. September 2010 (GmS-OGB 1/09, BGHZ 187, 105) aus, weil der Kläger durch die Übernahme des Amts des Insolvenzverwalters bei der Schuldnerin im Verhältnis zu dem bei der G. beschäftigten Beklagten nicht in die Funktion des Arbeitgebers eingerückt ist und der Rechtsstreit darum nicht die Rückforderung von Arbeitsentgelt durch den Arbeitgeber gegenüber einem seiner Arbeitnehmer zum Gegenstand hat.
aa) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis begründet § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen.
(1) Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis sind solche, die einem Arbeitsverhältnis entspringen. Dabei ist es ohne Bedeutung, auf welche materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage der Klageanspruch gestützt wird. Die Rückgewähr verdienten Arbeitsentgelts nach § 143 Abs. 1 InsO, das der Arbeitnehmer aufgrund seines Arbeitsverhältnisses und in Erfüllung der sich daraus ergebenden beiderseitigen Hauptleistungspflichten erhalten hat, ist auf die Rückabwicklung einer arbeitsrechtlichen Leistungsbeziehung gerichtet (Gemeinsamer Senat, aaO Rn. 11 f).
(2) Arbeitgeber ist derjenige, der zumindest einen Arbeitnehmer oder eine arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 ArbGG beschäftigt (Gemeinsamer Senat, aaO Rn. 17). Der Insolvenzverwalter wird nach der vorgenannten Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats für die Dauer des Insolvenzverfahrens faktisch Arbeitgeber. § 108 Abs. 1 InsO stellt klar, dass Dauerschuldverhältnisse, zu denen auch ausdrücklich Dienstverhältnisse gezählt werden, mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbestehen. Damit kann der Vertragsarbeitgeber die aus der Arbeitgeberstellung fließenden Rechte und Pflichten nicht mehr ausüben; sie fallen dem Insolvenzverwalter zu. Dieser tritt in die Arbeitgeberstellung des Schuldners ein und übt für die Dauer des Insolvenzverfahrens statt des Vertragsarbeitgebers die Funktion des Arbeitgebers aus (Gemeinsamer Senat, aaO Rn. 18).
bb) Diese Rechtsgrundsätze können auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragen werden. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten nicht die Funktion des Arbeitgebers übernommen und verlangt daher nicht im Wege der Insolvenzanfechtung Erstattung einer von ihm gezahlten Arbeitsvergütung.
Die Schuldnerin war dem Beklagten mangels eines zwischen beiden bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht zur Zahlung von Arbeitslohn verpflichtet, sondern hat die Überweisungen als Dritte erbracht (§ 267 Abs. 1 BGB). Demgemäß war die Schuldnerin nicht die Arbeitgeberin des Beklagten (vgl. Gemeinsamer Senat, aaO Rn. 17). Als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin kann der Kläger nur im Verhältnis zu deren Arbeitnehmern in die Rechtsstellung des Arbeitgebers eingerückt sein. Da der Beklagte bei der rechtlich selbständigen G. angestellt war, hat der Kläger durch die Ernennung zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin nicht die Rechtsstellung des Arbeitgebers gegenüber dem Beklagten erworben. Wegen der fehlenden Arbeitgeberfunktion sowohl der Schuldnerin als auch darauf aufbauend des Klägers im Verhältnis zu dem Beklagten geht es hier nicht um die "Rückgewähr verdienten Arbeitsentgelts", das der Beklagte "aufgrund seines Arbeitsverhältnisses" (vgl. Gemeinsamer Senat, aaO Rn. 12) von der Schuldnerin erlangt hat. Gegenstand der Klage bildet vielmehr die Rückgewähr seitens der Schuldnerin freiwillig erbrachter, rechtlich nicht geschuldeter Zahlungen. Die freiwillige Drittleistung durch die Schuldnerin findet in dem Arbeitsverhältnis, das nur zwischen dem Beklagten und der G. bestand, gerade keine Grundlage. Darum betrifft die Klage nicht - wie § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG voraussetzt - die Rückforderung von Arbeitsentgelt in der Beziehung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
b) Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte folgt auch nicht aus § 3 ArbGG, nach dessen Inhalt die durch §§ 2, 2a ArbGG begründete Zuständigkeit auch im Verhältnis zu einem Rechtsnachfolger besteht.
aa) Der Begriff des Rechtsnachfolgers ist in einem weiten Sinn zu verstehen. Darum werden unter dieses Tatbestandsmerkmal auch die Haftung für arbeitsrechtliche Ansprüche aus eigenständigen Rechtsgründen wie § 826 BGB (Durchgriffshaftung im Konzern), die Bürgschaft (§ 765 ff BGB), das Handeln des Vertreters ohne Vertretungsmacht (§ 179 BGB), die Firmenfortführung (§§ 25, 28 HGB), der Schuldbeitritt und die Haftung des Insolvenzverwalters nach § 61 InsO subsumiert (BAG, Beschluss vom 31. März 2009 - 5 AZB 98/08, ZIP 2009, 831 Rn. 7). Damit wird die Rechtsnachfolge auf solche Fälle erstreckt, in denen eine andere Person als der ursprüngliche Schuldner für die Verbindlichkeit haftet.
bb) Diese Grundsätze greifen jedoch nicht ein, wenn es sich um eine freiwillige Drittzahlung nach § 267 Abs. 1 BGB handelt. Ist nur die konzernrechtliche Durchgriffshaftung als Rechtsnachfolge zu verstehen (BAG, aaO), kann die hier gegebene freiwillige Zahlung durch die Muttergesellschaft nicht § 3 ArbGG zugeordnet werden. In einem solchen Fall ist eine Haftung des Leistenden für die von ihm freiwillig erfüllte Verbindlichkeit nicht gegeben.
cc) Zu Unrecht meint der Beklagte, eine Haftung der Schuldnerin folge aus einem von ihr erklärten Schuldbeitritt. Er vermochte nicht darzulegen, in welcher Weise sich die Schuldnerin und der Beklagte über einen Schuldbeitritt geeinigt haben sollen. Soweit der Beklagte darüber hinaus eine Patronatserklärung vermutet, hat er auch deren Zustandekommen und Inhalt nicht darzulegen vermocht. Aus der Zahlung allein sind derartige Schlüsse nicht abzuleiten.
Kayser Gehrlein Vill
Fischer Grupp