Entscheidungsdatum: 27.09.2018
Der Antrag des Schuldners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 27. Februar 2018 wird abgelehnt.
I.
Auf Eigenantrag des in Deutschland wohnhaften Schuldners eröffnete das Insolvenzgericht am 22. November 2016 das Insolvenzverfahren und bestellte den weiteren Beteiligten zum Insolvenzverwalter. Der Schuldner arbeitet als Stromableser in Teilzeit in der Schweiz und bezieht Arbeitslohn in wechselnder Höhe, teilweise unter und teilweise über den deutschen Pfändungsfreigrenzen. Er verpflichtete sich gegenüber dem Insolvenzverwalter, ihm monatlich die Lohnabrechnungen vorzulegen und die pfändbaren Beträge an die Masse abzuführen. In der Zeit von Dezember 2016 bis Dezember 2017 hätte er nach dieser Vereinbarung unter Beachtung der in § 850c Abs. 1 ZPO festgelegten Pfändungsfreigrenzen in drei Monaten insgesamt 1.237,90 € an die Masse abführen müssen.
Der Schuldner hat am 11. Oktober 2017 beantragt, seine Einkünfte im Rahmen der Ermittlung seines pfändbaren Einkommens für den Zeitraum Dezember 2016 bis Dezember 2017 zusammenzurechnen und daraus für die Berechnung der Pfändungsbeträge ein monatliches Durchschnittseinkommen zu errechnen. Das Insolvenzgericht hat diesen Antrag abgelehnt. Das Beschwerdegericht hat - nach Übernahme der Sache durch die Kammer - die fristgemäß eingelegte Beschwerde des Schuldners zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Der Schuldner hat form- und fristgerecht einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens gestellt, mit dem er sein Begehren weiterverfolgen will.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die Voraussetzungen des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, auch wenn die beabsichtigte Rechtsbeschwerde nach Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft wäre (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
1. Allerdings hätte die Kammer in der Sache nicht in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung entscheiden dürfen.
a) Gemäß § 568 Satz 1 ZPO entscheidet das Beschwerdegericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Hier hat über den Antrag des Schuldners in erster Instanz der Rechtspfleger entschieden. In einem solchen Fall ist auch in der Beschwerdeinstanz der Einzelrichter zur Entscheidung berufen. Die Kammer kann in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung nur entscheiden, wenn der Einzelrichter das Verfahren nach § 568 Satz 2 ZPO auf die Kammer überträgt. Dies setzt einen entsprechenden Beschluss des Einzelrichters voraus. Die Kammer ist - abgesehen von Fällen, in denen die Zuständigkeit des Einzelrichters zweifelhaft ist (§ 348 Abs. 2 ZPO, vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2003 - X ARZ 175/03, BGHZ 156, 147, 152) - nicht befugt, selbst über die Übertragung eines in die originäre Zuständigkeit des Einzelrichters fallenden Beschwerdeverfahrens zu entscheiden. Es ist unerheblich, ob der Einzelrichter an einem solchen Kammerbeschluss mitwirkt, weil es nach § 568 Satz 2 ZPO alleinige Entscheidungskompetenz des Einzelrichters ist, ob die Voraussetzungen für eine Übertragung auf die Kammer vorliegen (BGH, Beschluss vom 21. September 2017 - IX ZB 84/16, NZI 2017, 991 Rn. 11).
Vorliegend fehlt es an einem solchen Übertragungsbeschluss durch den Einzelrichter, vielmehr hat die Kammer durch einen gesonderten Beschluss die Sache "übernommen". Dies ist verfahrensfehlerhaft. § 568 Satz 3 ZPO stünde einer von der Rechtsbeschwerdebegründung erhobenen Besetzungsrüge nicht entgegen. Streit besteht nicht darüber, ob der Einzelrichter das Verfahren zu Recht nach § 568 Satz 2 ZPO dem Beschwerdegericht übertragen hat. Insoweit hat der Einzelrichter keine Entscheidung getroffen. Dieser Fall wird von § 568 Satz 3 ZPO nicht erfasst (BGH, Beschluss vom 21. September 2017, aaO Rn. 12).
b) Auch wenn das Beschwerdegericht deswegen nicht vorschriftsmäßig besetzt war (§ 576 Abs. 3, § 547 Nr. 1 ZPO) und angesichts dieses absoluten Rechtsbeschwerdegrundes der fehlerhaft ergangene Beschluss in einer Hauptsacheentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an den zuständigen Einzelrichter zurückzuverweisen wäre, kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht. Prozesskostenhilfe für ein Rechtsmittel ist nämlich nicht zu bewilligen, wenn dieses zwar zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz führen würde, zugleich aber abzusehen ist, dass eine erneute Sachentscheidung der Vorinstanz dasselbe Ergebnis wie die angefochtene Entscheidung haben wird (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2003 - IXa ZB 21/03, WM 2003, 1879, 1880; Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., § 119 Rn. 54).
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist im Ergebnis richtig; jedoch war der Antrag auf Berechnung der pfändbaren Beträge aus einem Durchschnittseinkommen, welches aus den Arbeitsentgelten der Monate Dezember 2016 bis Dezember 2017 errechnet wird, vor dem Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht bereits unzulässig. Das Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht war nicht befugt, über den Antrag des Schuldners sachlich zu entscheiden. Auf seine sofortige Beschwerde wäre sein Antrag als unzulässig abzulehnen gewesen.
Die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nach § 36 Abs. 4 InsO folgt nicht aus der Anwendung der in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO genannten vollstreckungsrechtlichen Beurteilungsnormen. Der Streit zwischen Insolvenzverwalter und Schuldner über die Massezugehörigkeit von Lohnbestandteilen kann nur im Wege des Rechtsstreits vor dem Prozessgericht entschieden werden, wenn er - wie vorliegend - keine Vollstreckungshandlung und keine Anordnung des Vollstreckungsgerichts betrifft. Ob das Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht gemäß § 36 Abs. 4 InsO oder das Prozessgericht in einem Rechtsstreit entscheidet, hängt davon ab, ob die Auseinandersetzung zwischen Insolvenzverwalter und Schuldner um die Massezugehörigkeit als solche geführt wird - dann gehört der Rechtsstreit vor das Prozessgericht - oder ob über die Zulässigkeit der Vollstreckung gestritten wird - dann entscheidet das Insolvenzgericht im Rahmen des § 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 InsO als Vollstreckungsgericht (BGH, Beschluss vom 5. Juni 2012 - IX ZB 31/10, NZI 2012, 672 Rn. 6 mwN).
Allerdings bestimmt vielfach das als Vollstreckungsgericht handelnde Insolvenzgericht den Pfändungsfreibetrag nach §§ 765a, 850f Abs. 1 ZPO, § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, wenn der Arbeitgeber des Schuldners seinen Sitz in Deutschland hat. Dann ergeht die Anordnung des Insolvenzgerichts regelmäßig im Rahmen der Vollstreckung. Anders liegt es jedoch, wenn die Einzelvollstreckung im Ausland erforderlich wird, weil der Schuldner und sein Arbeitgeber sich im Ausland befinden. Das deutsche Vollstreckungsgericht ist dann für die im Ausland erforderlich werdende Einzelzwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses international nicht zuständig (BGH, Beschluss vom 5. Juni 2012, aaO Rn. 7).
Vorliegend geht es nicht um Vollstreckungshandlungen im Ausland, vielmehr hat der Insolvenzverwalter sich mit dem Schuldner dahingehend geeinigt, dass der Schuldner selbst das Arbeitsentgelt vollständig entgegennimmt, dem Insolvenzverwalter die monatlichen Lohnabrechnungen überlässt und pfändbare Beträge an die Masse auskehrt. Mithin streiten die Verfahrensbeteiligten allein darüber, wie diese - vom Schuldner an die Masse aufgrund der Vereinbarung auszukehrenden - pfändbaren Beträge zu berechnen sind. Es geht ihnen allein um die Zugehörigkeit der Lohnbestandteile zur Masse als solcher, nicht um die Zulässigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen, zumal nach dem Vortrag des Schuldners diese Geldbeträge gar nicht mehr vorhanden sind. Der Schuldner hätte deshalb den Insolvenzverwalter vor dem Prozessgericht (§ 19a ZPO) auf Feststellung verklagen können, dass er aus der zwischen ihm und dem Insolvenzverwalter getroffenen Vereinbarung für die Zeit von Dezember 2016 bis Dezember 2017 keine pfändbaren Beträge schulde und aus den Arbeitsentgelten für die Monate Februar, April und August 2017 keine Lohnbestandteile massezugehörig gewesen seien. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse wäre gegeben. Das Prozessgericht hätte dann für Insolvenzverwalter und Schuldner verbindlich über die Zugehörigkeit des Arbeitseinkommens zur Insolvenzmasse zu befinden gehabt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2012, aaO Rn. 8).
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