Entscheidungsdatum: 23.10.2013
1. Der Verzehr nusshaltiger Schokolade, in dessen Folge ein an einer schweren Nussallergie leidendes Kind verstirbt, stellt einen versicherten Unfall dar.
2. Zur möglichen Mitwirkung einer außergewöhnlichen Nahrungsmittelallergie an den Unfallfolgen im Sinne von Nr. 3 GUB 99 (Nr. 3 AUB 2008).
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts München - 14. Zivilsenat - vom 1. März 2012 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin fordert aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemannes die Zahlung der Versicherungssumme von 27.000 € aus einer bei der Beklagten gehaltenen Unfallversicherung, welcher Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen (GUB 99) zugrunde liegen. Nach Nr. 2.6 GUB 99 ist der Versicherer verpflichtet, im Falle des Todes einer versicherten Person deren gesetzlichen Erben die Versicherungssumme zu zahlen.
Die Klägerin und ihr Ehemann sind die Eltern und gesetzlichen Erben der mitversicherten, am 24. Dezember 2009 im Alter von 15 Jahren verstorbenen K. J. . Das Kind litt an einer angeborenen schweren Entwicklungsstörung (Trisomie 18, Edwards Syndrom), ferner an Asthma und diversen Allergien, wobei die Allergie gegen Nüsse am stärksten ausgeprägt war.
Am 24. Dezember 2009 erlitt K. infolge einer heftigen allergischen Reaktion auf ein Nahrungsmittel zunächst eine starke Verschwellung der Atemwege und sodann einen tödlichen Kreislaufzusammenbruch. Sie hatte mehrere zur Dekoration des Weihnachtstisches verwendete Stücke möglicherweise nusshaltiger Schokolade gegessen.
Die Beklagte hält sich für leistungsfrei, weil K. keinen bedingungsgemäßen Unfall erlitten habe. Jedenfalls sei die Versicherungsleistung nach Nr. 3 GUB 99 zu kürzen, weil die vorgenannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen maßgeblich zum Eintritt des Todes beigetragen hätten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, hilfsweise eine Kürzung der vom Oberlandesgericht zuerkannten Versicherungsleistung um mindestens 75%.
Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht; dieses muss darüber befinden, ob und zu welchem Anteil die Nahrungsmittelallergie des mitversicherten Kindes an dessen Tod mitgewirkt hat.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts war der versehentliche Verzehr von Nahrungsmitteln mit Allergenen ein bedingungsgemäßer Unfall. Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Tod des Kindes infolge einer allergischen Reaktion auf Nahrungsmittel eingetreten sei. Zwar habe gutachtlich nicht geklärt werden können, welches Nahrungsmittel der Auslöser gewesen sei; dies sei aber auch nicht entscheidungserheblich. Aufgrund der Schilderungen der Klägerin gehe der Senat davon aus, das Kind habe unbemerkt möglicherweise nusshaltige Schokoladetäfelchen vom gedeckten Weihnachtstisch gegessen.
Dieses Geschehen erfülle die Merkmale eines Unfalles i.S. von § 178 Abs. 2 VVG. Das Auftreffen nusshaltiger Schokolade auf die Mundschleimhaut des Mädchens stelle eine Einwirkung von außen dar. Die weitere Wirkungskette im Körperinneren sei danach für den Unfallbegriff nicht mehr erheblich. Die Einwirkung sei plötzlich, d.h. innerhalb eines kurzen Zeitraums geschehen. Auch Unfreiwilligkeit sei gegeben, wobei insoweit nicht die Einwirkung von außen, sondern die dadurch bewirkte Gesundheitsbeschädigung in den Blick zu nehmen sei. Liege somit bereits ein Unfallgeschehen vor, komme es auf die Frage der gesonderten Versicherung von Vergiftungen bei Kindern bis 14 Jahren nicht mehr an.
Die Leistungspflicht der Beklagten vermindere sich nicht nach Nr. 3 GUB 99 wegen der Mitwirkung bereits vorhandener Krankheiten und Gebrechen bei den Unfallfolgen. Die allergische Reaktionsbereitschaft sei für sich genommen keine Krankheit. Solange allergene Stoffe vermieden würden, könne ein Allergiker uneingeschränkt und ohne ärztliche Behandlung leben. Die lediglich erhöhte Empfänglichkeit für Krankheiten infolge individueller Körperdispositionen stelle auch kein Gebrechen dar. Eine Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen beim Unfallereignis selbst bleibe ohnehin außer Betracht.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nur insoweit nicht stand, als das Berufungsgericht die Anwendbarkeit von Nr. 3 GUB 99 verneint hat.
1. Zutreffend hat es das zum Tode des mitversicherten Kindes führende Geschehen als bedingungsgemäßen Unfall eingestuft.
Gleichlautend definieren sowohl § 178 Abs. 2 Satz 1 VVG als auch Nr. 1.3 GUB 99, dass ein Unfall vorliegt, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsbeschädigung erleidet.
Diese Voraussetzungen sieht das Berufungsgericht hier zu Recht als erfüllt an.
a) Gegen seine Annahme, ursächlich für die allergische Reaktion des Kindes sei der Verzehr nusshaltiger Schokoladetäfelchen gewesen, erhebt die Revision keine Einwände. Davon ausgehend liegt ein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis darin, dass diese Schokolade im Mund in Kontakt mit der Mundschleimhaut kam.
aa) Die Revisionsrüge, nicht bereits dieser Kontakt, sondern erst die dadurch ausgelöste allergische Reaktion, die aus einer - von der gerichtlich bestellten Sachverständigen im Einzelnen beschriebenen - Kette körperinterner Vorgänge im Immunsystem bestehe, sei das maßgebliche unmittelbare Unfallereignis, geht fehl. Ein Unmittelbarkeitserfordernis, demzufolge bei einem zum Tode oder sonstigen Schäden führenden Geschehen lediglich auf die zuletzt innerhalb des Körpers des Unfallopfers unmittelbar wirkende Ursache abzustellen wäre, enthält die oben genannte Definition des Unfallbegriffs nicht (vgl. schon BGH, Urteil vom 15. Februar 1962 - II ZR 95/60, NJW 1962, 914 zu § 2 AUB). Deshalb ist auf das Ereignis abzustellen, welches von außen auf den Körper einwirkt und damit eine Kausalkette körperinterner Vorgänge in Lauf setzt, die zur Schädigung der versicherten Person führt. Aus dem Senatsurteil vom 6. Juli 2011 (IV ZR 29/09, VersR 2011, 1135 Rn. 12-14) ergibt sich nichts anderes. Der Senat hat dort lediglich ausgesprochen, dass es für die Einwirkung "von außen" auf das Ereignis ankommt, bei dem der Körper des Versicherten mit der Außenwelt in Kontakt kommt und welches nachfolgend die körperliche Schädigung verursacht. Nicht entscheidend sind demgegenüber diejenigen Umstände und Ursachen, die diesem Ereignis vorausgehen. Nur mit Blick darauf hat der Senat davon gesprochen, dass mit der Einwirkung von außen das Ereignis gemeint sei, welches die körperliche Schädigung "unmittelbar" herbeiführe. Das schließt indes Kausalverläufe wie den vorliegenden nicht aus.
Die Unfallversicherung bezweckt - für den Versicherungsnehmer erkennbar - keinen allgemeinen Schutz vor Krankheitsfolgen. Mit der Unfallvoraussetzung eines von außen auf den Körper des Versicherten wirkenden Ereignisses sollen Schädigungen infolge rein körperinnerer Vorgänge, wie Erkrankungen oder Verschleiß, selbst für den Fall vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, dass sie - wie etwa bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall - plötzlich eintreten (MünchKomm-VVG/Dörner, § 178 Rn. 55). Andererseits kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnis es insoweit ankommt, der Regelung über die Mitwirkung bereits vorhandener Krankheiten und Gebrechen an den Unfallfolgen (hier Nr. 3 GUB 99) entnehmen, dass es für den Unfallbegriff ohne Belang ist, wenn nach einem von außen auf den Körper wirkenden Ereignis bereits vorhandene Gesundheitsschäden des Versicherten die weitere Schadenentwicklung mitbestimmen. Dass die Zuführung der die allergische Reaktion auslösenden Nahrung hier zu einer Kette von körperinneren Ereignissen im Immunsystem des Kindes führte, steht der Annahme eines Unfalles mithin nicht entgegen.
bb) Ebenso wenig verfängt der Vergleich der Revision mit Schäden infolge willensgesteuerter Eigenbewegungen des Versicherten (vgl. dazu Senatsurteile vom 23. November 1988 - IVa ZR 38/88, VersR 1989, 73 unter 1 b; vom 28. Januar 2009 - IV ZR 6/08, VersR 2009, 492 Rn. 11 m.w.N.; MünchKomm-VVG/Dörner, § 178 Rn. 69). Das die schadenstiftende Kausalkette auslösende Ereignis bestand hier nicht lediglich in einer Körperbewegung, sondern in der Einwirkung von außen zugeführter, körperfremder Gegenstände auf den Körper des Kindes. Beschränkt sich der schädigende Vorgang schon deshalb nicht auf eine bloße Eigenbewegung, kommt es im Weiteren für die Frage einer Einwirkung von außen nicht mehr darauf an, ob - wie die Revision geltend macht - die Versicherte bewusst und willentlich handelte, als sie die Schokolade zu sich nahm.
b) Das schädigende Ereignis geschah nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts plötzlich. Der Kontakt des Allergens mit der Mundschleimhaut dauerte nur kurze Zeit. Die allergische Reaktion trat nicht allmählich, sondern im unmittelbaren Anschluss an die Zuführung des Allergens ein. Allein dieser objektiv kurze Zeitablauf reicht nach der Senatsrechtsprechung aus, um die zeitliche Komponente des Unfallbegriffs zu erfüllen. Darauf, ob das Geschehen für die Geschädigte unerwartet, überraschend und unentrinnbar (vgl. dazu BT-Drucks. 16/3945, S. 107) eintrat, kommt es danach nicht mehr an (Senatsurteile vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 390/12, zur Veröffentlichung vorgesehen, unter II 2 b bb m.w.N.; vom 12. Dezember 1984 - IVa ZR 88/83, VersR 1985, 177 unter II 1; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 1 AUB 94 Rn. 14).
c) Die Feststellung des Berufungsgerichts, das Kind habe die tödliche Schädigung unfreiwillig erlitten, ist frei von Rechtsfehlern. Das Merkmal der Unfreiwilligkeit bezieht sich nach dem klaren Wortlaut sowohl des § 178 Abs. 2 Satz 1 VVG als auch der Nr. 1.3 GUB 99 nicht auf das von außen wirkende Unfallereignis als solches, sondern lediglich auf die daraus folgende Gesundheitsschädigung. Unfreiwilligkeit wird gemäß § 178 Abs. 2 Satz 2 VVG bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, d.h. der Versicherer muss den Beweis für eine behauptete freiwillige Gesundheitsschädigung führen. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Beklagte diesen Beweis angetreten oder gar erbracht hätte. Soweit sie darlegt, das Kind sei in der Lage gewesen, einen natürlichen Willen zu bilden, und habe somit bewusst die Schokolade gegessen, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass diese eine allergische Reaktion hervorrufen könne, belegt dies allenfalls den Vorwurf einer fahrlässigen Selbstschädigung, nicht aber die freiwillige Herbeiführung der tödlichen allergischen Reaktion.
d) Anders als die Revision meint, entfällt die Leistungspflicht der Beklagten auch nicht deshalb, weil das in Rede stehende Unfallereignis nicht adäquat kausal für den Tod des Kindes gewesen oder das gesamte Geschehen nicht vom Schutzzweck des Versicherungsvertrages erfasst wäre.
aa) Nach Nr. 2.6.1 GUB 99 setzt die Todesfallleistung voraus, dass die versicherte Person infolge eines Unfalles innerhalb eines Jahres gestorben ist. Mithin muss der Unfall ursächlich für den Tod sein. Bildet - wie hier - eine kausale Verknüpfung zwischen einem Ereignis und einem Erfolg die Voraussetzung für einen Anspruch, soll das Adäquanzerfordernis den Verpflichteten davor schützen, für Geschehen eintreten zu müssen, die lediglich unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet sind, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen (vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 - X ZR 163/02, NJW 2005, 1420 unter 2 b m.w.N.). Ein derart außergewöhnlicher Geschehensablauf steht hier nicht in Rede. Es ist in Anbetracht der weiten Verbreitung von Allergien in der Bevölkerung weder ungewöhnlich, dass auch versicherte Personen einer Unfallversicherung an Nahrungsmittelallergien leiden können, noch liegt es außerhalb der Lebenserfahrung, dass die Aufnahme allergener Stoffe bei Vorliegen einer Nahrungsmittelallergie zu schwersten bis tödlichen allergischen Reaktionen führen kann. Ebenso wenig erscheint es ungewöhnlich, dass Kinder sich unbedacht über Verhaltensmaßregeln hinwegsetzen, selbst wenn diese Regeln - wie etwa auch im Straßenverkehr - den Schutz vor tödlichen Gefahren bezwecken.
bb) Soweit die Revision geltend macht, der Schutzzweckgedanke schließe eine Haftung der Beklagten für allgemeine Lebensrisiken aus, lassen sich die vom Bundesgerichtshof für die deliktische und vertragliche Schadensersatzverpflichtung aufgestellten Grundsätze (vgl. BGH aaO unter 2 c) auf Versicherungsverträge nicht übertragen. Der Schutzzweckgedanke schließt im Haftungsrecht eine Eintrittspflicht dort aus, wo der Zweck einer Haftungsregelung die eingetretene Schadenfolge nicht erfasst, letztere mithin nicht dem Gefahrenbereich entspringt, zu dessen Abwehr die Haftungsnorm erlassen oder eine vertragliche Verpflichtung begründet worden ist (vgl. dazu BGH aaO unter 2 c). Für die Bestimmung des Schutzzwecks eines Versicherungsvertrages kommt es demgegenüber allein auf die vertraglichen Vereinbarungen und deren Verständnis nach den Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers an. Daneben bleibt für eine Anwendung des für die Auslegung haftungsrechtlicher Bestimmungen entwickelten allgemeinen Schutzzweckgedankens kein Raum.
Den Parteien eines Versicherungsvertrages steht es - wie insbesondere Allgefahrenversicherungen zeigen - frei, gegen Prämie Deckungsschutz auch für Ereignisse anzubieten, die dem allgemeinen Lebensrisiko der Versicherten zuzurechnen sind. Welchem Risikoschutz ein Versicherungsvertrag dient, kann deshalb nur den vertraglichen Vereinbarungen und insbesondere den vereinbarten Versicherungsbedingungen entnommen werden. Allein darin wird - einerseits durch die Beschreibung des Versicherungsfalles, andererseits durch Leistungsbegrenzungen und Risikoausschlüsse - der Umfang des Versicherungsschutzes festgelegt.
Die hier in Rede stehende Unfallversicherung bezweckt - für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar - den Schutz der Versicherten vor allgemeinen Lebensrisiken. Soweit die Revision meint, sie diene nicht dem Schutz vor Gesundheitsbeschädigungen, die nahezu ausschließlich durch die gesundheitliche Verfassung eines Versicherten geprägt seien, findet dies in den Bedingungen keine Stütze. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird vielmehr gerade der Regelung über die Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen an der durch den Unfall verursachten Gesundheitsbeschädigung (Nr. 3 GUB 99) entnehmen, dass er im Grundsatz auch dann Versicherungsschutz genießt, wenn Unfallfolgen durch eine bereits vor dem Unfall vorhandene besondere gesundheitliche Disposition verschlimmert werden.
2. Soweit das Berufungsgericht eine Kürzung der Versicherungsleistung nach Nr. 3 GUB 99 nicht vorgenommen hat, kann das Berufungsurteil mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.
Nach dieser Klausel mindert sich unter anderem die Todesfallleistung entsprechend dem Mitwirkungsanteil von Krankheiten oder Gebrechen, die an der durch ein Unfallereignis verursachten Gesundheitsbeschädigung und ihren Folgen mitgewirkt haben.
Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, die Nahrungsmittelallergie des verunglückten Kindes sei weder Krankheit noch Gebrechen im Sinne der Klausel, weil ein Lebensmittelallergiker problemlos und uneingeschränkt leben könne und keiner ärztlichen Behandlung bedürfe, solange allergene Stoffe gemieden würden. Hierbei kann offenbleiben, ob die Nahrungsmittelallergie eine Krankheit im Sinne der Mitwirkungsklausel darstellt, denn jedenfalls hätte das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen ein bedingungsgemäßes Gebrechen nicht verneinen dürfen.
Ein Gebrechen ist ein dauernder abnormer Gesundheitszustand, der eine einwandfreie Ausübung normaler Körperfunktionen nicht mehr zulässt (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juli 2009 - IV ZR 216/07, VersR 2009, 1525 Rn. 14 m.w.N.; OLG Braunschweig VersR 1995, 823, 824). Allerdings wird eine lediglich erhöhte Empfänglichkeit für Krankheiten infolge individueller Körperdisposition solange nicht als Gebrechen bewertet, wie sie noch als innerhalb der medizinischen Norm liegend angesehen werden kann (Senatsbeschluss vom 8. Juli 2009 aaO). Es ist nur dann gerechtfertigt, den Versicherer teilweise von der Leistungspflicht zu befreien oder seine Leistungspflicht dementsprechend einzuschränken, wenn eine außergewöhnliche, individuell geprägte Mitverursachung vorliegt.
Im Streitfall ist diese Voraussetzung nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen erfüllt. Dabei gibt der zur Entscheidung stehende Sachverhalt keine Veranlassung, allgemein die Grenzen der medizinischen Norm zu bestimmen oder festzulegen, ob und in welchem Umfang Allergien im Allgemeinen als Abweichungen von dieser medizinischen Norm angesehen werden müssen, denn die Nahrungsmittel- und insbesondere Nussallergie des verunglückten Kindes lag aufgrund ihrer außergewöhnlichen individuellen Ausprägung in jedem Falle außerhalb jeder medizinischen Norm.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts litt das Kind an einer Veränderung des Immunsystems, in deren Folge bereits geringste Mengen an sich unschädlicher und verträglicher Nahrungsbestandteile, vor allem Nüsse, zu einer letztlich tödlichen anaphylaktischen Reaktion führen konnten und bei dem Unfallereignis auch führten. Nicht nur die Schwere der drohenden Symptome, sondern auch die besonders leichte Auslösbarkeit allergischer Reaktionen, etwa - wie das Berufungsgericht festgestellt hat - durch bloßen Hautkontakt mit geringsten Nussbestandteilen, welche bei anderen Personen nach dem Verzehr von Nüssen noch an deren Haut hafteten, belegen, dass die Allergie des versicherten Kindes ungewöhnlich gefährlich war und deshalb unter keinen Umständen als noch innerhalb der medizinischen Norm liegend angesehen werden kann.
III. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das Berufungsgericht wird nach Nr. 3 GUB 99 neu darüber zu befinden und dazu möglicherweise ergänzende Feststellungen zu treffen haben, ob und gegebenenfalls zu welchem Anteil die Nahrungsmittelallergie des versicherten Kindes an dessen Tod mitgewirkt hat.
Mayen Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski