Entscheidungsdatum: 23.07.2014
Auf die Rechtsmittel des Beklagten wird das Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 21. August 2013 aufgehoben, das Urteil des Amtsgerichts Bergheim vom 14. Februar 2013 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und insgesamt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 155,97 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Januar 2012 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 70,20 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 91% und der Beklagte 9%.
Von Rechts wegen
Die Klägerin, ein liechtensteinischer Lebensversicherer, fordert von dem Beklagten Zahlung aus einer Kostenausgleichsvereinbarung. Der Beklagte stellte am 22. Juni 2010 einen "Antrag auf Fondsgebundene Rentenversicherung/Antrag auf Kostenausgleichsvereinbarung". In dem Abschnitt C betreffend die Kostenausgleichsvereinbarung ist bestimmt, dass die Tilgung der Abschluss- und Einrichtungskosten separat vom Versicherungsvertrag und nicht in Form einer Verrechnung der Kosten mit den Versicherungsbeiträgen erfolgt. Ferner befindet sich dort der fettgedruckte Hinweis:
"Wichtig: Die Auflösung des Versicherungsvertrages führt grundsätzlich nicht zur Beendigung dieser Kostenausgleichsvereinbarung."
Die Abschluss- und Einrichtungskosten sind mit einem Barzahlungspreis von 2.016 € sowie einem Teilzahlungspreis von 2.495,52 € bei 48 Monatsraten in Höhe von jeweils 51,99 € sowie einem Jahreszins von 12% angegeben. Der monatliche Beitrag für die Rentenversicherung beträgt 60 € und wird in den ersten 48 Monaten um die monatliche Teilzahlung der Abschluss- und Einrichtungskosten vermindert, beträgt jedoch mindestens 10 €.
In Abschnitt E zur Beratungsdokumentation heißt es ferner unter anderem:
"Ich habe verstanden, dass die Abschluss- und Einrichtungskosten separat vom Versicherungsvertrag getilgt werden. Diese Kosten sind auch im Falle einer Beitragsfreistellung oder Kündigung des Versicherungsvertrages zu tilgen."
Unmittelbar über dem Unterschriftsfeld für die Kostenausgleichsvereinbarung findet sich die vorformulierte Erklärung:
"Ich beantrage die unkündbare Kostenausgleichsvereinbarung gemäß dieses Antrages. ... Ich habe die Sicherungsabtretung meiner Leistungsansprüche an die P. zur Kenntnis genommen.
Mir ist ebenfalls bekannt, dass ich die Kostenausgleichsvereinbarung nicht kündigen kann."
(letzter Satz im Original fettgedruckt)
Die dem Vertrag zugrunde liegenden Bedingungen für die Kostenausgleichsvereinbarung der Klägerin bestimmen unter anderem:
"§ 1 Gegenstand der Kostenausgleichsvereinbarung
(...)
(2) Das Zustandekommen des vorliegenden Vertrages ist abhängig vom Zustandekommen des genannten Versicherungsvertrages. Ein Versicherungsvertrag kommt grundsätzlich mit der Annahme des Versicherungsantrags durch den Versicherer und mit dem Verstreichen der dem Versicherungsnehmer gesetzlich eingeräumten Widerrufsfrist von 30 Tagen zustande.
(3) Die Auflösung des betreffenden Versicherungsvertrages führt grundsätzlich nicht zur Beendigung dieses Vertragsverhältnisses.
…
§ 6 Vertragsbeendigung
(1) Dieser Vertrag endet mit dem vertraglich vereinbarten Ablauf des betreffenden Versicherungsvertrages, soweit der Zahlungsplan die Ablaufzeit des Versicherungsvertrages angemessen berücksichtigt hat.
(2) Andere Aufhebungsgründe des Versicherungsvertrages führen - bis auf den Widerruf des Versicherungsvertrages -grundsätzlich nicht automatisch zur Beendigung dieses Vertrages; ... "
Der Beklagte zahlte die Raten auf die Kostenausgleichsvereinbarung ab 1. Juli 2010 für zwölf Monate. Ab Juli 2011 stellte er die Zahlungen ein. Mit Schreiben vom 21. September 2011 erklärte der Beklagte gegenüber der Klägerin unter anderem:
"... hiermit kündige ich die o.a. Versicherung form- und fristgerecht zum nächstmöglichen Ablauf.
Bezüglich der Kostenausgleichsvereinbarung verweise ich auf das Urteil vom Amtsgericht Lichtenberg vom 05.04.2011 (AZ 102 C 283/10).
Da die Kostenausgleichsvereinbarung zudem gegen § 169 Abs. 5 VVG verstößt, kann dies zusammen mit dem Versicherungsvertrag gekündigt werden.
Bitte senden sie mir eine schriftliche Bestätigung."
Die Klägerin forderte den Beklagten mit Schreiben vom 11. November 2011 zur Zahlung des rückständigen Betrages der Kostenausgleichsvereinbarung in Höhe von 259,95 € zuzüglich Mahnkosten auf. Da keine Zahlungen erfolgten, stellte sie ihre Restforderung mit Schreiben vom 14. Dezember 2011 unter Fristsetzung zum 13. Januar 2012 fällig. Diese berechnet sie wie folgt:
Abschluss- und Einrichtungskosten |
2.016,00 € |
zuzüglich Zinsen vom 1. Juli 2010 bis |
309,20 € |
abzüglich Rückkaufswert |
22,45 € |
abzüglich Teilzahlungen |
633,88 € |
zuzüglich Mahnkosten |
30,00 € |
gesamt |
1.698,87 € |
Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 1.698,87 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Dezember 2011 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 192,90 € zu zahlen. Die Berufung des Beklagten ist - bis auf die Abänderung des Zinsbeginns auf den 14. Januar 2012 - erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich seine Revision.
Die Revision ist überwiegend begründet.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist eine gesonderte Kostenausgleichsvereinbarung zulässig und wirksam. Insbesondere verstoße sie nicht gegen § 169 Abs. 5 VVG und stelle keine unzulässige Umgehung dar. Ferner sei die Regelung klar und deutlich, so dass von einer mangelnden Transparenz nicht ausgegangen werden könne. Die Kostenausgleichsvereinbarung sei von dem Beklagten auch nicht wirksam widerrufen worden. Sein Schreiben vom 21. September 2011 sei nicht als Widerrufserklärung auszulegen. Es enthalte lediglich eine Kündigung des Versicherungsvertrages und der Kostenausgleichsvereinbarung. Insbesondere durch den Zusatz "fristgerecht zum nächstmöglichen Ablauf" bringe der Beklagte zum Ausdruck, dass er die Versicherung nicht ex tunc, sondern nur ex nunc beendet wissen wolle. Ein Widerruf sei in der Folgezeit auch nicht schriftsätzlich erklärt worden.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
1. Wie der Senat bereits in seinen - vergleichbare Sachverhalte betreffenden - Urteilen vom 12. März 2014 entschieden und im Einzelnen begründet hat, verstößt die Kostenausgleichsvereinbarung nicht gegen § 169 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 2, § 171 Satz 1 VVG (IV ZR 295/13, VersR 2014, 567 Rn. 14-22; IV ZR 255/13, juris Rn. 12-20). Auch eine Unwirksamkeit wegen fehlender Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kommt nicht in Betracht. Dem Versicherungsnehmer wird unmissverständlich vor Augen geführt, dass er die Kostenausgleichsvereinbarung nicht kündigen kann und nur der Widerruf seiner Vertragserklärung zu deren Beendigung führt, nicht dagegen eine Kündigung des Versicherungsvertrages oder der Kostenausgleichsvereinbarung selbst (vgl. Senatsurteil vom 12. März 2014 - IV ZR 295/13 aaO Rn. 23-25).
2. Dem Beklagten stand allerdings das Recht zu, die Kostenausgleichsvereinbarung zu kündigen, da die in § 1 Abs. 3 und § 6 Abs. 2 der Bedingungen für die Kostenausgleichsvereinbarung festgelegte Unabhängigkeit der Kostenausgleichsvereinbarung von einer Auflösung oder Aufhebung des Versicherungsvertrages sowie der ausdrückliche Ausschluss des Kündigungsrechts in der vorgedruckten Formulierung im Antragsformular wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam sind (Senatsurteile vom 12. März 2014 - IV ZR 295/13 aaO Rn. 26-35; IV ZR 255/13, juris Rn. 21-30). Hieraus folgt, dass der Beklagte die Kostenausgleichsvereinbarung mit dem Schreiben vom 21. September 2011 wirksam gekündigt hat. Die Klägerin kann daher nur bis Ende September Zahlung verlangen, so dass sich ein restlicher Anspruch der Klägerin von 155,97 € ergibt (3 x 51,99 €).
3. Das weitergehende Rechtsmittel des Beklagten ist demgegenüber unbegründet. Das Berufungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass das Schreiben des Beklagten vom 21. September 2011 keine Widerrufserklärung enthält. Soweit sich die Revision hiergegen wendet und meint, der Beklagte habe mit seinem Schreiben auch seine auf Abschluss der Kostenausgleichsvereinbarung gerichtete Willenserklärung widerrufen, setzt sie lediglich ihre Auslegung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts. Die Auslegung von Willenserklärungen obliegt in erster Linie dem Tatrichter. Seine Auslegung kann mit der Revision nur erfolgreich angegriffen werden, wenn gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt, wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen oder in Betracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in Erwägung gezogen werden (Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2013 - IV ZR 207/13, juris Rn. 12; Senatsurteile vom 10. Juli 2013 - IV ZR 224/12, ZEV 2013, 495 Rn. 12; vom 24. Februar 1993 - IV ZR 239/91, BGHZ 121, 357, 363). Derartige Rechtsfehler liegen hier nicht vor. Das Berufungsgericht hat sich im Einzelnen mit der Frage befasst, ob das Schreiben des Beklagten vom 21. September 2011 auch eine Widerrufserklärung enthält, und dies verneint. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Für die Auslegung des Berufungsgerichts spricht schon, dass der Beklagte selbst in dem Schreiben an zwei Stellen ausdrücklich von einer Kündigung gesprochen hat. Zwar kommt es bei der Auslegung - gerade bei juristischen Laien - nicht in erster Linie auf den gewählten Wortlaut an. Der Wille des Beklagten, den Vertrag lediglich für die Zukunft zum Erlöschen zu bri n-gen, kommt aber unzweifelhaft durch den Zusatz zum Ausdruck, dass die Versicherung "form- und fristgerecht zum nächstmöglichen Ablauf" gekündigt wird. Dies zeigt, dass der Beklagte seine Willenserklärung nicht mit Wirkung ex tunc widerrufen wollte.
Aus dem bloßen Hinweis des Beklagten auf die Entscheidung des Amtsgerichts Lichtenberg (Urteil vom 5. April 2011 - 102 C 283/10, juris) musste das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision, ebenfalls nicht zwingend schließen, dass der Beklagte zugleich einen Widerruf erklären wollte. Dies folgt schon daraus, dass sich dieses Urteil nicht ausschließlich mit der Frage des Widerrufs befasst. Es hat zwei unterschiedliche Versicherungsverträge zum Gegenstand und enthält sowohl Ausführungen zum Widerruf (aaO Rn. 19-21) als auch zur Unwirksamkeit des Ausschlusses des Kündigungsrechts (aaO Rn. 23-28). Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte schließlich seine auf Abschluss der Kostenausgleichsvereinbarung gerichtete Willenserklärung auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt widerrufen.
Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 155,97 € aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller