Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 18.12.2013


BGH 18.12.2013 - IV ZR 207/13

Familiengerichtliche Genehmigung: Abgrenzung von Schiedsvereinbarung und Schiedsgutachtenvereinbarung; Notwendigkeit der Genehmigung bei Abschluss einer Schiedsgutachtervereinbarung durch einen Vormund oder Nachlasspfleger


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
18.12.2013
Aktenzeichen:
IV ZR 207/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend KG Berlin, 22. Mai 2013, Az: 25 U 41/12vorgehend LG Berlin, 30. Oktober 2012, Az: 27 O 514/12
Zitierte Gesetze

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 25. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 22. Mai 2013 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Innerhalb derselben Frist möge zum Streitwert des Verfahrens auf der Grundlage von § 182 InsO vorgetragen werden.

Gründe

1

I. Die Kläger machen gegen den Beklagten einen Kostenerstattungsanspruch aus einer Schiedsgutachtenvereinbarung geltend. Die Klägerinnen zu 1 und 2 sowie ihre 2011 verstorbene Mutter Magdolna S   . waren zusammen mit dem am 18. Mai 2003 verstorbenen Georg S.   Erben zu je 1/4 des 1977 verstorbenen Alexander S.   . Erben der Magdolna S.   sind zu je 1/4 die Kläger.

2

Am 19. April 2000 trafen die Mitglieder der Erbengemeinschaft nach Alexander S.    eine schriftliche Vereinbarung, nach welcher Georg S.    gegen Zahlung einer Abfindung von 6 Mio. DM sowie eines bis zu seinem Tode zu leistenden monatlichen Betrags von 10.000 DM aus der Erbengemeinschaft ausschied. Über die Wirksamkeit dieser Vereinbarung kam es vor dem Landgericht Berlin zum Aktenzeichen 36 O 402/02 zu einem Rechtsstreit zwischen Georg S.    und den übrigen Mitgliedern der Erbengemeinschaft. In diesem Verfahren machte Georg S.    geltend, die Vereinbarung vom 19. April 2000 sei wegen einer sittenwidrig zu gering bemessenen Abfindung gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Nach dem Tod des Georg S.    und noch während des laufenden Rechtsstreits schloss der für die unbekannten Erben des Georg S.    bestellte Nachlasspfleger am 22. Dezember 2009 mit den Klägerinnen zu 1 und 2 sowie deren Mutter außergerichtlich eine als "Schiedsgutachtervereinbarung/Vergleich" überschriebene Vereinbarung. Hiernach sollten im Einzelnen bezeichnete Bestandteile des Immobiliar- und Mobiliarvermögens des Alexander S.    durch namentlich bezeichnete Schiedsgutachter bewertet werden. Unter B V 2 wurde vereinbart, dass die Erbengemeinschaft die erforderlichen Vorschüsse an die Schiedsgut-achter verauslagt, die Parteien sich jedoch darüber einig sind, dass die Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung i.S. des § 91 Abs. 1 ZPO notwendig sind und an dem Kostenausgleich in dem Verfahren 36 O 402/02 vor dem Landgericht Berlin entsprechend dem dortigen Obsiegen und Unterliegen teilnehmen. Unter "C. Bindungswirkung" heißt es ferner:

"I. Die Entscheidungen der Schiedsgutachter sind für die Beteiligten für die bereits rechtshängigen und gegebenenfalls noch anhängig werdenden Verfahren und Streitigkeiten abschließend und bindend. Die Bestimmung ist für die Vertragsschließenden nur dann nicht verbindlich, wenn sie i. S. d. § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB offenbar unbillig ist.

II. Die Beteiligten vereinbaren insoweit eine Bindung an die Gutachten bis zum gesetzlich höchst zulässigen Maß. ...

III. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass die einzuholenden gutachterlichen Feststellungen lediglich der Beseitigung tatsächlicher Unsicherheiten und Unwägbarkeiten im Hinblick auf den Wert des Nachlasses dienen. Rechtlich verbindliche Aussagen, etwa über die Erben-/Gesellschafterstellung der Beteiligten oder deren Anteile, die Wirksamkeit wechselseitiger Erklärungen oder sonstige Rechtsfragen, hierdurch jedoch nicht getroffen werden sollen."

3

Die Erbengemeinschaft nach Alexander S.    leistete Zahlungen von insgesamt 134.097,53 € an die Gutachter. Am 29. April 2011 wurde das Verfahren 36 O 402/02 vor dem Landgericht Berlin durch Rücknahme von Klage und Widerklage beendet. Mit Beschluss vom 1. August 2011 legte das Landgericht Berlin den vom Nachlasspfleger vertretenen unbekannten Erben des Georg S.    einen Anteil von 93% und den Klägerinnen zu 1 und 2 sowie ihrer Mutter einen Anteil von 7% der Kosten des Rechtsstreits auf. Die Kläger nehmen den Beklagten, der während des Rechtsstreits zum Insolvenzverwalter über den Nachlass des Georg S.    bestellt worden ist, auf anteilige Zahlung der Kosten in Höhe von 124.710,70 € nebst Zinsen in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass den Klägern gegen die vom Beklagten verwaltete Insolvenzmasse eine Masseforderung in Höhe von 124.710,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Oktober 2011 zusteht. Mit der Revision erstrebt der Beklagte weiter die Abweisung der Klage.

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II. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

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1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Dies ist nur der Fall, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2003 - IV ZR 319/02, VersR 2004, 225 unter 2 a). Daran fehlt es. Die vom Berufungsgericht für grundsätzlich erachtete Frage, ob eine Schiedsgutachtenvereinbarung einer Genehmigung nach § 1822 Nr. 12 BGB bedarf, ist in Rechtsprechung und Schrifttum nicht umstritten.

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a) Gemäß § 1822 Nr. 12 BGB bedarf der Vormund der Genehmigung des Familiengerichts zu einem Vergleich oder einem Schiedsvertrag, es sei denn, dass der Gegenstand des Streits oder der Ungewissheit in Geld schätzbar ist und den Wert von 3.000 € nicht übersteigt oder der Vergleich einem schriftlichen oder protokollierten gerichtlichen Vergleichsvorschlag entspricht. Diese Regelung findet entsprechend auf die Nachlassverwaltung gemäß §§ 1960, 1962, 1915 BGB Anwendung. Unter den Begriff des Schiedsvertrages i.S. von § 1822 Nr. 12 BGB fällt nach allgemeiner und zutreffender Auffassung lediglich die Schiedsvereinbarung nach § 1029 ZPO, nicht dagegen die Schiedsgutachtenvereinbarung (Staudinger/Engler, BGB [2004] § 1822 Rn. 155; BGB-RGRK/Dickescheid, 12. Aufl. § 1822 Rn. 54 a.E.; Erman/Saar, BGB 13. Aufl. § 1822 Rn. 32; vgl. ferner MünchKomm-BGB/Wagenitz, 6. Aufl. § 1822 Rn. 70). Der Wortlaut von § 1822 Nr. 12 BGB erfasst lediglich den Schiedsvertrag. Dieser Begriff entspricht demjenigen, der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3224) in § 1025 ZPO a.F. verwendet wurde. Auch wenn § 1029 ZPO nunmehr den Begriff der Schiedsvereinbarung verwendet, ist allgemein anerkannt, dass unter § 1822 Nr. 12 BGB lediglich schiedsrichterliche Verfahren nach §§ 1025 ff. ZPO fallen (MünchKomm-BGB/Wagenitz; Staudinger/Engler aaO Rn. 154). Anhaltspunkte dafür, dass sich durch die Änderung der Begrifflichkeiten in §§ 1025 ff. ZPO a.F., § 1029 ZPO Änderungen im Anwendungsbereich des § 1822 Nr. 12 BGB ergeben haben, bestehen nicht.

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b) Die Einbeziehung einer Schiedsgutachtenvereinbarung in den Anwendungsbereich von § 1822 Nr. 12 BGB scheidet ferner mit Rücksicht auf Sinn und Zweck der Vorschrift aus. Mit dem Erfordernis der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zum Abschluss eines Schiedsvertrages verhindert das Gesetz, dass der Vormund (hier der Nachlasspfleger) unkontrolliert den Rechtsschutz, den der Mündel (hier die unbekannten Erben) bei den staatlichen Gerichten erwarten kann, mit dem möglicherweise riskanteren Verfahren vor dem Schiedsgericht, das nicht an die strengen Vorschriften der Zivilprozessordnung gebunden ist, vertauscht (Staudinger aaO). Hierbei liegt dem Katalog der genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäfte nach § 1822 BGB die Überlegung des Gesetzgebers zugrunde, dass diese tendenziell riskant oder nachteilig sein können (MünchKomm-BGB/Wagenitz aaO Rn. 1). Im Interesse der Rechtssicherheit ist der Kreis der nach §§ 1821, 1822 BGB genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäfte allerdings formal und nicht nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles zu bestimmen (BGH, Urteile vom 22. September 1969 - II ZR 144/68, BGHZ 52, 316, 319; vom 20. September 1962 - II ZR 209/61, BGHZ 38, 26, 28 f.).

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Eine Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 1822 Nr. 12 BGB auch auf Schiedsgutachtenvereinbarungen kommt hiernach wegen des grundsätzlichen Unterschieds zwischen einem Schiedsvertrag gemäß § 1025 ZPO a.F. und einer Schiedsgutachtenvereinbarung nicht in Betracht. Der Schiedsvertrag hat die Entscheidung des Rechtsstreits durch außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit stehende Schiedsrichter zum Ziel, während die Schiedsgutachtenabrede lediglich auf die Feststellung einzelner Tatbestandselemente oder gutachterliche Leistungsbestimmungen gerichtet ist (BGH, Urteile vom 26. April 1991 - V ZR 61/90, NJW 1991, 2761 unter I 1; vom 17. Mai 1967 - VIII ZR 58/66, BGHZ 48, 25, 27 f.; vom 25. Juni 1952 - II ZR 104/51, BGHZ 6, 335, 338 f.). Durch den Schiedsvertrag wird dem Schiedsrichter eine Tätigkeit übertragen, die im ordentlichen Rechtsweg sonst der staatlich bestellte Richter durch Fällung eines Urteils vornimmt. Schiedsgutachten, auf die die §§ 317 ff. BGB Anwendung finden, dienen demgegenüber vor allem dazu, den von den Parteien zwar objektiv bestimmten, aber nur mit einer gewissen Sachkunde feststellbaren Vertragsinhalt zu ermitteln. Es handelt sich insbesondere um privatrechtlich vereinbarte Sachverständigengutachten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, die der Klärung oder Feststellung von Tatsachen dienen, etwa zum Wert eines Vermögensgegenstands. Dabei erkennen die Parteien die durch das Gutachten zu treffende Bestimmung bis an die Grenze offenbarer Unrichtigkeit als verbindlich an (BGH, Urteil vom 17. Januar 2013 - III ZR 10/12, NJW 2013, 1296 Rn. 13).

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Entgegen der Ansicht der Revision ist die Schutzbedürftigkeit eines Mündels im Rahmen eines Schiedsverfahrens nach §§ 1025 ff. ZPO nicht mit derjenigen in einem Schiedsgutachtenverfahren vergleichbar. Zwar mag es vergleichbare Risiken bei der Auswahl der Schiedsrichter, dem einzuhaltenden Verfahren und den Verfahrenskosten geben. Der maßgebliche Unterschied besteht aber darin, dass die staatlichen Gerichte an einen im Verfahren nach §§ 1025 ff. ZPO ergangenen Schiedsspruch grundsätzlich gebunden sind. Eine Aufhebung kann nur unter den Voraussetzungen von § 1059 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO beantragt werden. Hierbei geht es im Wesentlichen um gravierende Verfahrensmängel oder einen Widerspruch zur öffentlichen Ordnung (ordre public). Eine Überprüfung der sachlichen Richtigkeit des Schiedsspruchs durch staatliche Gerichte findet nicht statt (Zöller/Geimer, ZPO 30. Aufl. § 1059 Rn. 47). Demgegenüber ersetzt eine Schiedsgutachtenvereinbarung eine Entscheidung des Rechtsstreits durch ein staatliches Gericht nicht. Bindungswirkung kann lediglich im Rahmen der Feststellung einzelner Tatsachen eintreten, wobei die Feststellungen des Inhalts des Gutachtens dann nicht verbindlich sind, wenn sie offenbar unrichtig sind (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2013 - III ZR 10/12, NJW 2013, 1296 Rn. 13). Im Falle einer Schiedsgutachtenvereinbarung sind staatliche Eingriffs- und Kontrollrechte zugunsten des Mündels mithin in wesentlich stärkerem Umfang gegeben als bei einem gemäß §§ 1025 ff. ZPO ergangenen Schiedsspruch.

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2. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

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a) Zutreffend ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen, dass es sich bei der Vereinbarung vom 22. Dezember 2009 um eine Schiedsgutachtenvereinbarung handelt. Ziel der dort getroffenen Regelung war es, den Verkehrswert für einzelne aufgeführte Grundstücke sowie den Marktpreis für bestimmte Gesellschaftsanteile durch einen Sachverständigen zu bestimmen. In C III der Vereinbarung ist ausdrücklich geregelt, dass die gutachterlichen Feststellungen lediglich der Beseitigung tatsächlicher Unsicherheiten im Hinblick auf den Wert des Nachlasses dienen. Rechtlich verbindliche Aussagen sollten durch die Gutachten demgegenüber nicht getroffen werden. Ferner haben die Vertragsparteien in C I vereinbart, dass die Feststellungen für die Rechtsstreitigkeiten abschließend und bindend sein sollen unter dem Vorbehalt offenbarer Unbilligkeit gemäß § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB. Insoweit ist die Vereinbarung ausdrücklich an die Bindungswirkung für Schiedsgutachten angelehnt.

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b) Ohne Erfolg macht die Revision ferner geltend, die Vereinbarung vom 22. Dezember 2009 stelle einen Vergleich i.S. von § 1822 Nr. 12 BGB dar. Das Revisionsgericht überprüft die Auslegung derartiger Individualvereinbarungen nur daraufhin, ob Verstöße gegen anerkannte Auslegungsregeln, Verfahrensvorschriften, anerkannte Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen und ob der Tatrichter sich mit dem Verfahrensstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat (BGH, Urteil vom 30. Oktober 2012 - XI ZR 324/11, NJW 2013, 59 Rn. 12). Derartige Rechtsfehler liegen nicht vor und werden von der Revision nicht aufgezeigt.

Mayen                          Harsdorf-Gebhardt                                    Dr. Karczewski

               Lehmann                                      Dr. Brockmöller

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.