Entscheidungsdatum: 17.02.2010
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 5. Oktober 2007 aufgehoben, soweit darin zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 13. April 2007 insgesamt zurückgewiesen.
Die Revision des Klägers gegen das vorgenannte Urteil des Landgerichts wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Streitwert: 6.747 €
Von Rechts wegen
1. Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom 22. November 2002 (BAnz. Nr. 1 vom 3. Januar 2003) hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstellungsstichtag) umgestellt. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom 1. März 2002 (ATV) vereinbart. Damit wurde das frühere - auf dem Versorgungstarifvertrag vom 4. November 1966 (Versorgungs-TV) beruhende - endgehaltsbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt.
Die neue Satzung der Beklagten (VBLS) enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten der Versicherten übertragen. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Rentennah ist nur, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr vollendet hatte und im Tarifgebiet West beschäftigt war bzw. dem Umlagesatz des Abrechnungsverbandes West unterfiel oder Pflichtversicherungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem 1. Januar 1997 vorweisen kann. Die Anwartschaften der ca. 200.000 rentennahen Versicherten werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertragen. Die Anwartschaften der übrigen ca. 1,7 Millionen rentenfernen Versicherten berechnen sich demgegenüber nach den §§ 32 Abs. 1 und 4, 33 Abs. 1 Satz 1 ATV, 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit § 18 Abs. 2 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG). Unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einem rentennahen oder einem rentenfernen Jahrgang erhalten Beschäftigte, die am 1. Januar 2002 mindestens 20 Jahre pflichtversichert waren, als Startgutschrift für jedes volle Kalenderjahr der Pflichtversicherung bis zum 31. Dezember 2001 mindestens 1,84 Versorgungspunkte (VP), bei Teilzeitbeschäftigung gemindert durch Multiplikation mit dem am 31. Dezember 2001 maßgebenden Gesamtbeschäftigungsquotienten (§§ 9 Abs. 3 ATV, 37 Abs. 3 VBLS).
2. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Systemumstellung, die Wirksamkeit der Übergangsregelung für rentennahe Versicherte, die Frage der Anrechnung von Vordienstzeiten, die Zulässigkeit der Festschreibung von Berechnungselementen (insbesondere der Einkünfte) zum Umstellungsstichtag, die Höhe der dem Kläger erteilten Startgutschrift von 199,96 Versorgungspunkten (das entspricht einem Wert von monatlich 799,84 €) und die Höhe der dem Kläger mittlerweile gezahlten Betriebsrente.
Der am 23. Februar 1943 geborene und somit einem rentennahen Jahrgang zugehörige Kläger hat als Beschäftigter im öffentlichen Dienst bis zum Umstellungsstichtag (31. Dezember 2001) 368 Umlagemonate und bis zum Rentenbeginn am 1. April 2006 weitere 51 Umlagemonate bei der Beklagten zurückgelegt. In der gesetzlichen Rentenversicherung hat er darüber hinaus weitere 88 Umlagemonate vorzuweisen, während derer er nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt war (so genannte Vordienstzeiten). Er nimmt seit 1. April 2006 Rentenleistungen in Anspruch. Dabei bezieht er seither vom Träger der gesetzlichen Rentenversicherung eine monatliche Altersrente und von der Beklagten eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 678,22 € netto (vgl. Rentenmitteilung der Beklagten vom 30. März 2006).Deren Höhe wurde auf der Grundlage der neuen Satzung der Beklagten in der Weise errechnet, dass zunächst nach den vorgenannten Übergangsbestimmungen für rentennahe Versicherte die Startgutschrift (199,96 Versorgungspunkte) für den 31. Dezember 2001 ermittelt und sodann die seit dem 1. Januar 2002 bis zum Rentenbeginn nach dem neuen Punktemodell erworbenen Versorgungspunkte (17,89 Versorgungspunkte) hinzugerechnet wurden. In der Rentenberechnung ist die so genannte Mindestgesamtversorgung (§ 79 Abs. 2 VBLS i.V. mit § 40 Abs. 4 VBLS a.F.) mit berücksichtigt, zur Hälfte berücksichtigt sind die Vordienstzeiten des Klägers.
3. Der Kläger wendet sich insbesondere gegen die Nichtberücksichtigung seines Endgehalts vor Renteneintritt bei der Ermittlung des gesamtversorgungsfähigen Entgelts und ist der Auffassung, seine Betriebsrente müsse auch insoweit nach den früheren, vor der Systemumstellung gültigen Satzungsbestimmungen ermittelt werden. Weiter meint er, die nunmehr in § 39 VBLS vorgesehene jährliche Dynamisierung der Betriebsrente um 1% könne die Anpassungsbestimmung des § 56 VBLS a.F. nicht in zulässiger Weise ersetzen. In verschiedenen Klageanträgen hat der Kläger sein Begehren, die Bestimmungen der alten Satzung seiner Betriebsrentenermittlung zugrunde zu legen, näher konkretisiert. Er beanstandet erstmals im Revisionsverfahren, dass die Beklagte seine Vordienstzeiten nicht in vollem Umfang berücksichtigt habe. Schließlich wendet er sich im Revisionsverfahren auch dagegen, dass die grundsätzlich bruttobezogene Gesamtversorgung auf einen nettobezogenen Betrag begrenzt werde, bei dem etwa Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge vom gesamtversorgungsfähigen Entgelt in Abzug gebracht würden. Die mit der 19. Satzungsänderung am 1. Januar 1985 in Kraft getretene Nettobegrenzung möge zwar seinerzeit dem Abbau einer Überversorgung gedient haben, doch könne davon angesichts der inzwischen eingetretenen Rentenkürzungen keine Rede mehr sein.
4. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen hat das Landgericht auf einen hilfsweise gestellten Antrag des Klägers festgestellt, die Beklagte sei verpflichtet,
dem Kläger bei Eintritt des Versicherungsfalles mindestens eine Betriebsrente zu gewähren, die dem geringeren Betrag aus der Berechnung der Zusatzrente nach ihrer früheren Satzung (in der Fassung der 41. Satzungsänderung) zum Umstellungsstichtag (31. Dezember 2001) oder zum Eintritt des Versicherungsfalles entspricht.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie erstrebt die Wiederherstellung des klageabweisenden amtsgerichtlichen Urteils. Der Kläger verfolgt mit seiner Revision seine bisherigen Anträge vollen Umfangs weiter und erhebt die oben dargelegten weiteren Beanstandungen.
Nur die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
I. 1. Die Übergangsregelungen für rentennahe Versicherte sind wirksam. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 14. November 2007 (IV ZR 74/06 - BGHZ 174, 127 Tz. 25 ff.) entschieden, dass die Satzung der Beklagten auch ohne Zustimmung der Versicherten und im Wege einer umfassenden Systemumstellung geändert werden konnte. Mit Urteil vom 24. September 2008 (IV ZR 134/07 - BGHZ 178, 101) hat er dies bestätigt und die Berechnung der bis zum Zeitpunkt der Systemumstellung von den rentennahen Versicherten erworbenen Rentenanwartschaften sowie deren Übertragung in das neu geschaffene Betriebsrentensystem gebilligt. Die von den Tarifvertragsparteien im Rahmen ihres weiten Gestaltungsspielraums getroffene Regelung ist jedenfalls vertretbar und schon aus diesem Grunde verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das gilt insbesondere auch für Zugrundelegung der fiktiven, sich bei Vollendung des 63. Lebensjahres ergebenden Versorgungsrente (BGHZ 178, 101 Tz. 39-45) und die Festschreibung der Rechengrößen, wie etwa des Entgelts, des Familienstandes und der Steuerklasse, zum Umstellungsstichtag (BGHZ aaO Tz. 46 ff.). Der Kläger hat im Übrigen nicht geltend gemacht, dass sich bei ihm persönlich zwischen dem Umstellungsstichtag und dem Renteneintritt Änderungen der Steuerklasse (III/0) oder des Familienstandes ergeben hätten.
Weiter begegnet es keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass den rentennahen Versicherten lediglich im Rahmen einer Besitzstandsregelung die Vorteile aus der Halbanrechnung von Vordienstzeiten belassen werden, eine Vollanrechnung aber nicht stattfindet (BGHZ aaO Tz. 54-59). Es kann insoweit offen bleiben, ob der Kläger mit dem erstmals in der Revision erhobenen Einwand gehört werden kann. Entsprechende Klaganträge hatte er in den Vorinstanzen ausweislich des Berufungsurteils nicht gestellt.
Im Übrigen wird ergänzend auf die Ausführungen in den genannten Senatsurteilen, die sich auch zu den weiteren Revisionsangriffen des Klägers verhalten, verwiesen.
2. Es liegt keine unzulässige Rückwirkung darin, dass die am 3. Januar 2003 im Bundesanzeiger veröffentlichte neue Satzung der Beklagten die Systemumstellung bereits mit Wirkung zum Ablauf des 31. Dezember 2001 vorgenommen hat. Denn die Tarifvertragsparteien hatten sich schon vor dem Umstellungsstichtag am 13. November 2001 im so genannten Altersvorsorgeplan auf die Systemumstellung geeinigt und dies auch ausreichend öffentlich gemacht. Insofern war ein schutzwürdiges Vertrauen der Versicherten darauf, dass die Regeln der alten Satzung über den 31. Dezember 2001 hinaus Bestand hätten, nicht mehr begründet.
3. Anders als die Revision meint, verstoßen die Übergangsregelungen für rentennahe Versicherte in der neuen Satzung der Beklagten auch nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Prinzip der Normenklarheit oder das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 22. März 2000 (1 BvR 1136/96 - VersR 2000, 835 unter II 2 c, cc [juris Tz. 38]) angemerkt, dass das frühere Satzungswerk der Beklagten eine Komplexität erreicht habe, die es dem einzelnen Versicherten kaum mehr ermögliche, zu überschauen, welche Leistungen er zu erwarten habe und wie sich berufliche Veränderungen im Rahmen des Erwerbslebens auf die Höhe der Leistungen auswirkten. Eine weitere Zunahme dieser Komplexität könne an verfassungsrechtliche Grenzen stoßen, sei es weil die Arbeitnehmer dadurch in der freien Wahl ihres Arbeitsplatzes (Art. 12 Abs. 1 GG) in unzumutbarer Weise behindert würden, sei es weil sich die sachliche Rechtfertigung für Ausdifferenzierungen im Normengeflecht nicht mehr nachvollziehen lasse und somit die Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht mehr gewährleistet werden könne. Das Bundesverfassungsgericht hat die alte Satzung der Beklagten aber trotz dieser Bedenken als gerade noch rechtlich hinnehmbar bewertet. Soweit die Übergangsregelungen der §§ 78 und 79 VBLS darauf zurückgreifen, kann insoweit nichts anderes gelten. Im Übrigen ist das seit der Systemumstellung gültige Punktesystem dadurch gekennzeichnet, dass es die Rentenentwicklung im Gegensatz zum früheren Gesamtversorgungssystem weitgehend von externen Faktoren abgekoppelt und damit eine insgesamt überschaubarere Regelung getroffen hat. Dass die Übergangsvorschriften für rentennahe Versicherte dennoch auf die komplizierten Bestimmungen der früheren Satzung der Beklagten zurückgreifen, dient allein dem Ziel, dieser Gruppe von Versicherten einen weitergehenden Besitzstandsschutz zu gewähren als der Gruppe der rentenfernen Versicherten.
4. Wegen der Angriffe des Klägers auf die mit der 19. Satzungsänderung vom 10. November 1983 (BAnz. Nr. 53 vom 15. März 1984) ab dem 1. Januar 1985 eingeführte Nettobegrenzung der Versorgungsrente nach § 41 Abs. 2c lit. a-e VBLS a.F. und die insoweit zu berücksichtigenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge verweist der Senat auf seine Entscheidung BGHZ 103, 370, 383 ff. und das Senatsurteil vom 10. Dezember 2003 (IV ZR 217/02 - VersR 2004, 319 unter II 2 b, bb).
II. Auf die Revision der Beklagten waren das Berufungsurteil aufzuheben, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist, und die Klageabweisung durch das Amtsgericht unter Zurückweisung der Berufung des Klägers zu bestätigen. Insoweit wird auf die obenstehenden Ausführungen verwiesen.Zu recht weist die Beklagte in ihrer Revisionsbegründung darauf hin, dass es dem Berufungsgericht nicht nachvollziehbar gelungen ist, eine greifbare Renteneinbuße festzustellen, nachdem insbesondere der vom Berufungsgericht in anderen Fällen regelmäßig gewählte Vergleich der tatsächlich gezahlten Zusatzrente mit dem von der vierten Fiktivberechnung ausgewiesenen Wert hier eine Besserstellung des Klägers ergibt. Schon insoweit ist nicht ersichtlich, worin im Falle des Klägers der Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen liegen soll.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch