Entscheidungsdatum: 09.11.2011
Unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wird auf die Beschwerde der Klägerin die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 6. Zivilsenat, vom 19. November 2009 zugelassen, soweit der Hilfsantrag auf Schadensersatz aus den §§ 280 Abs. 1, 826 BGB abgewiesen worden ist.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Hälfte.
Gemäß § 544 Abs. 7 ZPO wird das vorbezeichnete Urteil im Umfang der Revisionszulassung aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Rechtsmittelkosten, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: bis 1.100.000 €.
I. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht einen primären vertraglichen Leistungsanspruch der Klägerin aus dem Versicherungsvertrag zwischen Unternehmen der HEROS-Gruppe und der Beklagten verneint hat.
1. Die von ihr insoweit aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen zur Reichweite des Versicherungsschutzes und der damit in Zusammenhang stehenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast sind durch das Senatsurteil vom 25. Mai 2011 (IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 "HEROS I"), dem derselbe Versicherungsvertrag zugrunde lag, geklärt.
Danach ist nur Bargeld - nicht hingegen Buch- oder Giralgeld - gegen typische Transportrisiken bei und während des Werttransports bis zu dessen Abschluss versichert. Eingeschlossen werden zwar Verluste und Schäden, die aus einer Unterschlagung i.S. von § 246 Abs. 1 StGB oder einer Veruntreuung i.S. von § 246 Abs. 2 StGB (veruntreuende Unterschlagung) folgen. Nicht versichert sind dagegen Schäden, die lediglich aus einer Untreue nach § 266 StGB resultieren. Ebenso wenig ist die vertragliche Haftung für den gesamten Transportbetrieb der Versicherungsnehmerin im Sinne einer Haftpflichtversicherung vom Versicherungsschutz umfasst (Senatsurteil vom 25. Mai 2011 aaO Rn. 31 ff., 35 ff.). Das vorliegende Verfahren gibt insofern keinen Anlass für Abweichungen oder Ergänzungen.
2. Da die Revision im Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde mit Blick auf die vom Senat erst danach geklärten Rechtsfragen noch hätte zugelassen werden müssen, waren die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Revision auch im Übrigen zu prüfen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 27. Oktober 2004 - IV ZR 386/02, VersR 2005, 809 unter II 2 m.w.N.). Sie sind jedoch nicht gegeben, weil das angefochtene Berufungsurteil - soweit es einen vertraglichen Leistungsanspruch der Klägerin verneint - keinen Rechtsfehler zu ihren Lasten enthält.
Einen Bargeldverlust im versicherten Zeitraum (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011 aaO Rn. 50) hat die Klägerin nicht nachgewiesen.
a) Der Behauptung der Beklagten, das transportierte Bargeld sei auftragsgemäß bei einer Filiale der Deutschen Bundesbank abgeliefert und dort auf ein für die Versicherungsnehmerin geführtes Konto eingezahlt worden, hat die Klägerin - wie im Berufungsurteil zutreffend dargelegt ist - nicht hinreichend substantiiert widersprochen. Die Auffassung des Berufungsgerichts, weder mit dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten noch mit Hilfe der durch Wirtschaftsprüfer erstellten Tabellen lasse sich der Nachweis führen, dass die Versicherungsnehmerin Bargeld, welches ihr von der Klägerin zum Transport anvertraut war, nicht bei einer Bundesbankfiliale abgeliefert habe, ist frei von Rechtsfehlern. Damit hat die Klägerin ihrer Darlegungslast nicht genügt.
b) Ein den Versicherungsfall begründender Verlust des Transportguts lässt sich auch im Übrigen nicht feststellen.
Ebenso wie in der durch das Senatsurteil vom 25. Mai 2011 entschiedenen Sache ergibt auch die vom Berufungsgericht ohne Rechtsfehler vorgenommene Auslegung der hier maßgeblichen Bedingungen des Transportvertrages zwischen der Klägerin und der Versicherungsnehmerin, dass es Letzterer nicht untersagt war, transportiertes Geld im so genannten kontogebundenen Überweisungsverfahren (Pooling-Verfahren) zunächst auf ein für sie bei der Deutschen Bundesbank eingerichtetes Konto verbuchen zu lassen. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Nichtzulassungsbeschwerde versuchen lediglich in revisionsrechtlich unbehelflicher Weise, die Auslegung des Berufungsgerichts durch eigene, vermeintlich bessere Erwägungen zu ersetzen.
Der von der Klägerin behauptete Verlust ist erst dadurch eingetreten, dass nachfolgend anstehende Überweisungen auf ihr Konto pflichtwidrig unterblieben sind. Darin liegt aber kein stofflicher Zugriff auf transportiertes Bargeld, sondern lediglich ein treuwidriger Umgang mit - nach Ende des Versicherungsschutzes nicht mehr versichertem - Buchgeld.
c) Ob ein Versicherungsfall auch deshalb zu verneinen gewesen wäre, weil nach der Behauptung der Beklagten das von der Versicherungsnehmerin praktizierte Pooling-Verfahren von der Klägerin über eine längere Zeit hingenommen wurde, kann offen bleiben. Ebenso wenig kommt es auf die von der Beklagten erklärte Arglistanfechtung an.
II. Keinen Bestand kann das Berufungsurteil allerdings haben, soweit das Berufungsgericht auch den Hilfsantrag der Klägerin auf Schadensersatz wegen Verletzung einer vertraglichen Auskunfts- oder Aufklärungspflicht und vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung abgewiesen hat. Insoweit hat der Senat die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen und das Berufungsurteil gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben, weil das Berufungsgericht das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat.
1. Unter anderem mit Schriftsätzen vom 2. Februar 2009 und 23. Juni 2009 hat die Klägerin ihren Antrag, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil erster Instanz zurückzuweisen, damit begründet, dass sie den Klaganspruch auch auf eine Schadensersatzpflicht der Beklagten nach § 280 Abs. 1 BGB und § 826 BGB stütze. Der Sache nach liegt insoweit ein prozessual selbständiger, hilfsweise - für den Fall der Verneinung des primär erhobenen vertraglichen Leistungsanspruchs - gestellter Antrag vor, über den im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gesondert entschieden werden kann.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision unter der Voraussetzung beschränkt werden, dass die Beschränkung sich auf einen Teil des Streitstoffes bezieht, über den in einem besonderen Verfahrensabschnitt durch Teil- oder Zwischenurteil entschieden werden kann (Senatsurteil vom 8. März 2006 - IV ZR 263/04, NJW-RR 2006, 877 Rn. 12; BGH, Urteil vom 7. Juli 1983 - III ZR 119/82, NJW 1984, 615 unter I [insoweit nicht abgedruckt bei BGHZ 88, 85], jeweils m.w.N.). Grundsätzlich ist die Zulassungsbeschränkung deshalb auch auf einen von mehreren prozessual selbständigen Klageansprüchen möglich (BGH, Urteil vom 29. Juni 1967 - VII ZR 266/64, BGHZ 48, 134, 136), sofern nicht die Entscheidung über diesen Anspruch von der über den anderen ebenfalls vom Berufungsgericht entschiedenen Anspruch abhängt (Senatsurteil vom 8. März 2006 aaO Rn. 14; vgl. auch BGH, Beschluss vom 21. Mai 1968 - VI ZR 27/68, NJW 1968, 1476 unter II 1) und sich bei abgetrennter Entscheidung nicht die Gefahr ergibt, dass sich die restliche Entscheidung dazu in Widerspruch setzt.
b) Nach diesen Maßstäben kann die Zulassung der Revision hier auf den hilfsweise erhobenen Schadensersatzanspruch beschränkt werden. Er steht nicht lediglich in Anspruchskonkurrenz (vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. Juli 1983 aaO) zu dem mit dem Hauptantrag verfolgten vertraglichen Leistungsanspruch, sondern stützt sich auf einen eigenständigen Sachverhalt und stellt deshalb einen selbständigen Streitgegenstand dar. Die Klägerin trägt insoweit vor, die Beklagte habe sich schadensersatzpflichtig gemacht, weil sie zum einen schon bei Übermittlung der Versicherungsbestätigung Kenntnis von Veruntreuungen durch die HEROS-Gruppe und ihrer drohenden Insolvenz gehabt und zum anderen die Klägerin unzureichend über die begrenzte Reichweite des gewährten Versicherungsschutzes informiert habe.
Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht jedenfalls hier nicht. Die Entscheidung über den geltend gemachten Schadensersatzanspruch hängt auch nicht von der Entscheidung über den Hauptantrag der Klägerin ab. Zwar ist der Schadensersatzanspruch nur hilfsweise erhoben worden; mit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich des vom Berufungsgericht abgewiesenen Hauptantrages steht indes rechtskräftig fest, dass ein Leistungsanspruch der Klägerin aus dem Versicherungsvertrag nicht besteht, so dass nunmehr nur noch über den Hilfsantrag zu entscheiden ist.
2. Das Berufungsgericht hat das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass sich das Berufungsurteil mit ihrem Hilfsbegehren an keiner Stelle auseinandersetzt.
a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das soll sicherstellen, dass die Entscheidung frei von solchen Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme oder Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Geht das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht ein, die für die Entscheidung von zentraler Bedeutung ist, so lässt das auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BGH, Urteil vom 16. März 2011 - VIII ZR 338/09, WuM 2011, 300 Rn. 3 m.w.N.; Beschluss vom 6. April 2009 - II ZR 117/08, NJW 2009, 2139 Rn. 2, 5 f.; BVerfGE 86, 133, 145 f.).
b) Das Berufungsurteil geht auf den von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch mit keinem Wort ein und lässt deshalb nicht erkennen, aus welchem Grunde das Berufungsgericht die Klage auch insoweit abgewiesen hat. Das lässt besorgen, es habe den entsprechenden Vortrag der Klägerin übersehen oder aus sonstigen Gründen nicht zur Kenntnis genommen.
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Berufungsurteil auf dem Gehörsverstoß beruht. Zwar hat er in anderen Rechtsmittelverfahren aus dem so genannten HEROS-Komplex bereits mehrfach ausgesprochen, dass weder die Versicherungsbestätigung noch der Versicherungsvertrag - ungeschriebene - Mitteilungspflichten oder Pflichten des Versicherers, ein Fehlverhalten der Verantwortlichen der HEROS-Gruppe zu unterbinden oder die Versicherten vor einem drohenden Schaden zu warnen, enthalten (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2011, - IV ZR 38/09, unter II 1 d - "HEROS II") und den Versicherten aus der Versicherungsbestätigung keine selbständigen, über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag hinausgehende Ansprüche erwachsen (vgl. nur Senatsurteil vom 25. Mai 2011 aaO Rn. 68). Allein mit diesen rechtlichen Erwägungen lässt sich der hier erhobene Schadensersatzanspruch aber nicht abweisen, weil die Klägerin unter anderem behauptet, die Beklagte habe bereits bei Erteilung der Versicherungsbestätigung über ihren Mitarbeiter S. Kenntnis davon gehabt, dass die HEROS-Gruppe Kundengelder verschiebe und ihren Unternehmen die Insolvenz drohe. Damit wird sich das Berufungsgericht in der neuen Verhandlung befassen müssen.
3. Auf die Frage, ob der aufgezeigte Begründungsmangel des Berufungsurteils einen absoluten Revisionsgrund (§ 547 Nr. 6 ZPO) darstellt und schon dies die Zulassung der Revision gebietet, kommt es nach allem nicht mehr an.
III. Der Streitwert beträgt bis zu 1.100.000 €.
Lässt man die mit der Anschlussberufung geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten (39.372 €) wegen § 5 Abs. 1 ZPO außer Betracht, erstrebt die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, in welchem die Beklagte zur Zahlung von 1.035.937,35 € verurteilt und die Erledigung der Hauptsache in Höhe von 9.559.617,77 € festgestellt worden ist, mit der Maßgabe, dass nunmehr auch die Erledigung in Höhe weiterer 118.930,85 € bei entsprechender Reduzierung der Hauptforderung auf 917.006,50 € festgestellt wird. Bei einseitiger Erledigungserklärung richtet sich der Streitwert des erledigten Teils für die Revisionsinstanz regelmäßig nach den in den Vorinstanzen für den erledigten Teil entstandenen Kosten, die durch eine Differenzrechnung zu ermitteln sind. Diese zielt darauf ab, diejenigen Gerichts- und Rechtsanwaltskosten einander gegenüberzustellen, die mit und ohne den teilerledigten Teil der Hauptsache entstanden wären (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 1996 - VII ZR 143/94, NJW-RR 1996, 1210 unter II m.w.N.). Hier hat sich der Rechtsstreit in den Vorinstanzen durch die Geltendmachung der mittlerweile für erledigt erklärten Forderungsteile um 178.680,32 € verteuert. Dieser Betrag ist der jetzt noch im Streit befindlichen Hauptforderung von 917.006,50 € hinzuzurechnen.
IV. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, soweit es ohne Erfolg geblieben ist. Das führt hier dazu, ihr die Hälfte der Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde aufzuerlegen.
Eine Unterscheidung zwischen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten nach Maßgabe des Beschlusses des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 2003 (V ZR 343/02, NJW 2004, 1048) ist hier ausnahmsweise nicht erforderlich, weil jene Entscheidung allein auf der Erwägung beruht, dem Beschwerdeführer für den abgewiesenen Teil seines Rechtsmittels die in der Tabelle zum Gerichtskostengesetz angelegten Vorteile der Gebührendegression bei höherem Streitwert nicht zu beschneiden (BGH aaO unter 2). Dieses Schutzes bedarf die Klägerin aber nicht, weil sich der Streitwert durch den abgewiesenen Teil der Nichtzulassungsbeschwerde nicht erhöht hat. Zwar sind mit der Klage auf primäre Leistung aus dem Versicherungsvertrag (Hauptantrag) und dem hilfsweise erhobenen Schadensersatzanspruch zwei prozessual selbständige Anträge gestellt, deren Werte nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG grundsätzlich zusammengerechnet werden müssten, nachdem auch der Hilfsantrag vom Berufungsgericht abgewiesen worden ist. Die Verdoppelung des Streitwertes unterbleibt hier aber nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG, weil beide Anträge auf die von der Klägerin allenfalls einmal zu beanspruchende Entschädigung für die von HEROS-Mitarbeitern verursachten Einbußen zielen. Umgekehrt verringert sich der Streitwert nicht dadurch, dass die Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich des Hauptantrages zurückgewiesen und dessen Abweisung damit rechtskräftig wird. Die Gebührendegression für höhere Streitwerte wird mithin nicht berührt, wenn die Klägerin die gesamten Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde zur Hälfte trägt.
Dr. Kessal-Wulf Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Brockmöller