Entscheidungsdatum: 18.01.2012
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 23. Juni 2011 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 8. Oktober 2010 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Kiel wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Invaliditätsleistung aus einem Unfallversicherungsvertrag in Anspruch. Versicherte Person ist der Zeuge H. . Am 9. April 2006 hielt er sich in Polen auf. Dort sägte er sich an einer Tischkreissäge den rechten Daumen ab. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich um einen Unfall oder eine freiwillige Selbstverstümmelung handelt. Die Beklagte lehnte Leistungen mit Schreiben vom 7. September 2006 gegenüber der Klägerin ab. Am 19. Oktober 2006 trat die Klägerin ihre Ansprüche aus der Unfallversicherung an das Dienstleistungszentrum N. ab (Arbeitsgemeinschaft Stadt N. und Agentur für Arbeit) zur Sicherung der diesem zustehenden Rückzahlungsansprüche im Hinblick auf die als Beihilfe gewährte Sozialleistung. Mit Schreiben vom 7. November 2006 unterrichtete das Dienstleistungszentrum die Beklagte von der Darlehensgewährung an die Klägerin sowie der Abtretung und bat darum, dies im Falle der Auszahlung zu beachten.
Mit am 12. März 2007 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz stellte die Klägerin Antrag auf Prozesskostenhilfe und reichte einen unterschriebenen Klageentwurf ein, mit dem sie den Antrag ankündigte, die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 100.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe am 11. April 2007 stellte das Landgericht mit Verfügung vom selben Tag den Prozesskostenhilfe-Beschluss sowie eine Abschrift des Klageentwurfes der Beklagten zu. Am 18. Juni 2007 wurde der Beklagten erneut eine beglaubigte Abschrift des Klageentwurfs zugestellt. In der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2008 stellte die Klägerin den Klageantrag dahin um, dass Zahlung an das Dienstleistungszentrum N. , hilfsweise an sie selbst beantragt wird. Im Hinblick auf das laufende Gerichtsverfahren erklärte das Dienstleistungszentrum gegenüber der Beklagten am 11. März 2011, Leistungen seien in Höhe der gegenüber der Klägerin bestehenden Ansprüche an es zu erbringen.
Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung von Zeugen sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr ohne Wiederholung der Beweisaufnahme stattgegeben.
Die Revision hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte sei der Klägerin aus dem Unfallversicherungsvertrag zur Leistung verpflichtet. Das Abtrennen des rechten Daumens des Zeugen H. durch die Kreissäge stelle einen Unfall dar. Entgegen der Ansicht des Landgerichts habe die Beklagte nicht den ihr obliegenden Beweis, dass der Verlust des rechten Daumens des Zeugen H. auf einer freiwilligen Gesundheitsbeschädigung beruht habe, geführt (§ 180a VVG a.F.). Die Indizien seien weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit geeignet, den Schluss auf eine Selbstverstümmelung zu erlauben.
Die Klägerin könne den Anspruch aus der Unfallversicherung in gewillkürter Prozessstandschaft, wie zuletzt beantragt, für das Dienstleistungszentrum N. geltend machen. Zwar sei dieses durch die Abtretung Anspruchsinhaber geworden. Es habe jedoch, wie sich aus seinem Schreiben vom 11. März 2011 an die Beklagte ergebe, die Rechtsverfolgung durch die Klägerin mit der Maßgabe gebilligt, dass die Zahlung dorthin erfolge. Die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. sei gleichfalls nicht abgelaufen. Insoweit hat das Berufungsgericht auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen, welches ausgeführt hat, die Frist sei durch die Einreichung des Antrags auf Prozesskostenhilfe vom 11. März 2007 gewahrt worden. Die Klage sei nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe "demnächst" i.S. des § 167 ZPO zugestellt worden, weil das Gericht den bereits durch einen Rechtsanwalt unterzeichneten Klageentwurf als Klage gewertet und der Beklagten sodann förmlich zugestellt habe.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Es kann offen bleiben, ob die Beklagte auf der Grundlage der vorliegenden Indizien sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme den Beweis dafür geführt hat, dass der Zeuge H. sich den rechten Daumen mit der Kreissäge freiwillig abgeschnitten hat (§ 180a Abs. 1 VVG a.F. = § 178 Abs. 2 Satz 2 VVG n.F.). Namentlich muss nicht entschieden werden, ob das Berufungsgericht, welches zu einem anderen Ergebnis als das Landgericht gekommen ist, verpflichtet war, die erstinstanzlich vernommenen Zeugen erneut zu hören (hierzu Senatsurteil vom 10. November 2010 - IV ZR 122/09, VersR 2011, 369 Rn. 6).
2. Die Beklagte ist bereits deshalb von der Verpflichtung zur Leistung frei, weil die Klägerin den Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht hat (§ 12 Abs. 3 Satz 1 VVG a.F.). Zutreffend ist das Landgericht, dem das Berufungsgericht gefolgt ist, zwar davon ausgegangen, dass zur Wahrung der Klagefrist eine vom Gericht nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe veranlasste Zustellung eines vollständig ausformulierten und bereits unterschriebenen Klageentwurfs mit der Bezeichnung der Parteien als Klägerin und Beklagte ausreichend gewesen ist.
a) Gleichwohl ist die Klagefrist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG a.F. versäumt. Die Klägerin hat in dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie der zunächst zugestellten Klageschrift Zahlung der Versicherungssumme von 100.000 € an sich beansprucht. Zu diesem Zeitpunkt war sie nicht mehr Inhaberin der Forderung, da sie diese am 19. Oktober 2006 an das Dienstleistungszentrum N. abgetreten hatte. Die Abtretung war wirksam. Nach Ziff. 12.3 AUB 2000 können Versicherungsansprüche zwar ohne Zustimmung des Versicherers vor Fälligkeit nicht übertragen oder verpfändet werden. Fälligkeit trat jedoch spätestens mit der Leistungsablehnung durch die Beklagte gemäß Schreiben vom 7. September 2006 ein. Die Abtretung erfolgte erst danach. Da die Klägerin im Zeitpunkt der Ablehnung noch Inhaberin des Anspruchs war und diesen erhoben hatte, hatte die Leistungsablehnung des Versicherers ihr gegenüber zu erfolgen (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1986 - IVa ZR 108/85, VersR 1987, 39 unter 4).
Infolge dieser Abtretung fehlte der Klägerin im Zeitpunkt der Klageerhebung die Befugnis, Leistung an sich selbst zu verlangen. Sie hat zunächst nicht ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend gemacht, sondern eine eigene Forderung. Die Klage ist erst in der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2008 dahin umgestellt worden, dass in erster Linie Zahlung an das Dienstleistungszentrum und nur hilfsweise an die Klägerin selbst beantragt wird. Die Ermächtigungserklärung des Dienstleistungszentrums für die gewillkürte Prozessstandschaft hat das Berufungsgericht erst dem Schreiben vom 11. März 2011 entnommen. Sie kann - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht bereits konkludent im Schreiben des Dienstleistungszentrums vom 7. November 2006 an die Beklagte gesehen werden, da dieses lediglich die Mitteilung über die erfolgte Abtretung des Anspruchs und die Bitte, diese bei Auszahlung zu beachten, enthält. Eine Befugnis der Klägerin, den abgetretenen Anspruch gegebenenfalls gerichtlich im eigenen Namen gegen die Beklagte durchzusetzen, lässt sich weder diesem Schreiben noch der beigefügten Abtretungserklärung vom 19. Oktober 2006 an irgendeiner Stelle entnehmen. Soweit die Klägerin nunmehr auf ein Schreiben des Dienstleistungszentrums vom 3. Januar 2012 verweist, wonach eine Einziehungsermächtigung für die Klägerin mit der Abtretungserklärung verbunden sein sollte, geht das auch aus dieser nicht hervor. Für die Beklagte, die innerhalb der Frist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. Kenntnis davon erhalten soll, ob sie vom Berechtigten auf Leistung in Anspruch genommen wird, war eine derartige Ermächtigung der Abtretungserklärung nicht zu entnehmen.
Sowohl im Zeitpunkt der Umstellung der Klage als auch der Ermächtigungserklärung war die Frist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. somit bereits abgelaufen. Eine erst später erteilte Ermächtigung zur Prozessführung wirkt nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurück, wenn der Versicherungsnehmer zunächst nur Leistung an sich beantragt hatte (Senatsurteil vom 3. März 1993 - IV ZR 267/91, VersR 1993, 553 unter 3 d; OLG Koblenz VersR 2001, 445 f.; OLG Stuttgart VersR 1998, 750, 751; Prölss/Martin/Prölss, VVG 27. Aufl. § 12 Rn. 55; Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 12 Rn. 65).
b) Selbst bei einer - unterstellten - dem Schreiben des Dienstleistungszentrums vom 7. November 2006 oder der Abtretung vom 19. Oktober 2006 zu entnehmenden Ermächtigung der Klägerin, den dem Dienstleistungszentrum zur Sicherheit abgetretenen Anspruch gerichtlich oder außergerichtlich geltend zu machen, wäre die Frist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. nicht gewahrt. Die Klägerin hätte auch dann kein Recht gehabt, Klage auf Leistung an sich selbst zu erheben (vgl. OLG Koblenz aaO). Im Fall der - hier vorliegenden - offenen Abtretung kann der Zedent nicht Zahlung an sich selbst, sondern nur an den Abtretungsempfänger verlangen (BGH, Urteile vom 11. Februar 1960 - VII ZR 206/58, BGHZ 32, 67, 71; vom 23. März 1999 - VI ZR 101/98, NJW 1999, 2110 unter II 1 b aa; vom 22. Dezember 1988 - VII ZR 129/88, NJW 1989, 1932 unter 1). Diesen umgestellten Klageantrag hat die Klägerin erst in der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2008 und damit verspätet gestellt. Hinzu kommt, dass sich aus der Mitteilung des Dienstleistungszentrums vom 3. Januar 2012 ohnehin lediglich ergibt, dass der Klägerin eine Einziehungsermächtigung habe erteilt werden sollen. Eine Befugnis, die Forderung nicht nur im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen, sondern zugleich Leistung an sich selbst zu verlangen, ist dem Schreiben nicht zu entnehmen.
Wendt Felsch Harsdorf-Gebhardt
Dr. Karczewski Dr. Brockmöller