Entscheidungsdatum: 12.10.2011
Der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 14. April 2010 durch Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen
eines Monats.
I. Die Klägerin macht einen Leistungsanspruch aus einer Lebensversicherung geltend. Die Parteien streiten im Kern um die Frage, ob die Pfändung der Ansprüche aus der Versicherung durch die Streithelferin der Beklagten und die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an die Beklagte als Drittschuldnerin einen konkludenten Widerruf der Bezugsberechtigung beinhaltet.
Der Ehemann der Klägerin war Versicherungsnehmer einer bei der Beklagten abgeschlossenen Kapitallebensversicherung mit einer Laufzeit bis 1. Januar 2008. Das widerrufliche Bezugsrecht hatte er im Jahre 2004 seinen beiden Kindern A. und C. zu gleichen Teilen eingeräumt.
Die Streithelferin der Beklagten erwirkte am 29. November 2007 wegen einer Hauptforderung von 179.000 € gegen den Versicherungsnehmer mittels eines hauseigenen Antragsvordrucks einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, der der Beklagten am 10. Dezember 2007 zugestellt wurde. In einer dem Antrag und dem Beschluss beigefügten Anlage heißt es unter anderem:
"Gepfändet sind, solange bis der Gläubigeranspruch gedeckt ist, die Ansprüche und Forderungen des Schuldners gegen die Drittschuldnerin
- auf Auszahlung der Versicherungssumme, …
- auf Widerruf der Bezugsberechtigung oder zur Benennung eines anderen Bezugsberechtigten anstelle des bisherigen Bezugsberechtigten,
- auf Kündigung des oder der Versicherungsverträge, …"
Ferner enthält der Beschluss den Satz:
"Gepfändete Beträge sind an den Gläubiger auf folgendes Konto zu überweisen: …"
In ihrer Drittschuldnererklärung machte die Beklagte keine Angabe zu bestehenden Bezugsrechten. Die hierfür in ihrem Formular vorgesehenen Kästchen waren nicht angekreuzt. Im April 2008 zahlte sie die Versicherungsleistung in Höhe von 154.618,10 € an die Streithelferin aus.
Die Klägerin begehrt aufgrund einer entsprechenden Ermächtigung ihrer Kinder zur Geltendmachung der Ansprüche die erneute Auszahlung an diese.
Die Vorinstanzen haben der Klage bis auf eine Einschränkung beim Zinsanspruch stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.
II. Die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Revision nach § 552a ZPO sind erfüllt, weil das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat, es jedoch auf die Rechtsfrage, auf deren Beantwortung es tragend abgestellt und derentwegen es die Revision zugelassen hat, für die Entscheidung nicht ankommt, so dass eine Grundsatzbedeutung der Rechtssache i.S. von § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO mangels Entscheidungserheblichkeit dieser Frage zu verneinen ist.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass allein die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eine Änderung des widerruflichen Bezugsrechts der Kinder des Versicherungsnehmers nicht bewirkt habe. Der Beschluss enthalte einen solchen Widerruf nicht. Er stelle einen staatlichen Hoheitsakt dar, für dessen Auslegung allein der objektive Beschlussinhalt maßgeblich sei. Auf die besondere Interessenlage des Erklärenden komme es anders als bei der Auslegung von rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen nicht an. Eine darüber hinausgehende rechtsgeschäftliche Erklärung der Streithelferin könne dem Beschluss nicht beigegeben werden. Mit dem Hoheitsakt seien dieser lediglich die Rechte und Möglichkeiten aus dem Versicherungsvertrag übertragen worden. Sie habe mithin in einer gesonderten Willenserklärung gegenüber der Beklagten deutlich machen müssen, wie sie mit den von der Pfändung umfassten Nebenrechten wie der Bestimmung des Bezugsrechts verfahren wolle. Das habe sie bis zum Ablaufdatum nicht getan.
2. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil - wie es insoweit richtig sieht - die Frage, ob in der Pfändung und Überweisung der Ansprüche aus einer Lebensversicherung zugleich der Widerruf des Bezugsrechts eines Dritten enthalten ist oder ob dieser vom Gläubiger gesondert erklärt werden muss, umstritten ist.
Für die Annahme, dass insoweit schon der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ausreichend ist, sprechen sich aus: OLG Köln VersR 2002, 1544 (für Einziehungsverfügung des Finanzamts), Reiff/Schneider in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 13 ALB 86 Rn. 14; Kollhosser in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 13 ALB 86 Rn. 14 [anders noch die Vorauflage]; Brömmelmeyer in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 2. Aufl. § 42 Rn. 230; wohl auch Heilmann, VersR 1992, 997, 1000.
Gegenteiliger Auffassung (gesonderte Erklärung erforderlich) sind außer dem Berufungsgericht: RGZ 127, 269, 271; OLG Dresden OLGR 2007, 773; Benkel/Hirschberg, Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung 2. Aufl. § 13 ALB 2008 Rn. 58; Teslau/Prang in van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht § 14 Rn. 574; Hasse, VersR 2005, 15, 29; Brehm in Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 829 Rn. 14; Zöller/Stöber, ZPO 28. Aufl. § 829 Rn. 33 Stichwort Lebensversicherung; Bohn in Festschrift Schiedermair 1976, 34, 37; wohl auch Musielak/Becker, ZPO 8. Aufl. § 829 Rn. 33, 35.
Eine Auslegung im Einzelfall befürworten Schwintowski (in Berliner Kommentar zum VVG § 166 Rn. 36) und Ortmann (in Schwintowski/Brömmelmeyer, PK-VVG § 159 Rn. 68).
3. Diese Frage ist aber im Streitfall nicht entscheidungserheblich, weil auch ein etwaiger konkludent erklärter Widerruf jedenfalls nicht mehr vor Eintritt des Versicherungsfalls wirksam geworden ist, wie sich aus der Regelung in § 177 VVG a.F. (jetzt § 170 VVG) ergibt.
Nach dieser Vorschrift besteht zugunsten eines namentlich bezeichneten Bezugsberechtigten, ersatzweise zugunsten des Ehegatten und der Kinder des Versicherungsnehmers im Falle der Insolvenz des Versicherungsnehmers oder der Zwangsvollstreckung in den Versicherungsanspruch ein gesetzliches Eintrittsrecht in den Versicherungsvertrag. Dieses Recht ist nach § 177 Abs. 3 VVG a.F. innerhalb eines Monats, gerechnet ab Kenntnis von der Pfändung oder der Insolvenzeröffnung auszuüben.
Es entspricht einhelliger Auffassung, dass in dem Falle, dass das Eintrittsrecht - wie hier - einem namentlich bezeichneten Bezugsberechtigten zusteht, dieses Recht nicht dadurch unterlaufen werden kann, dass die Bezugsberechtigung bereits vor Ablauf der Monatsfrist vom Gläubiger widerrufen wird. Streitig ist lediglich, ob in diesen Fällen ein vorher erklärter Widerruf von vornherein unwirksam ist (so BK-VVG/Schwintowski, § 177 Rn. 6; Kollhosser in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 177 Rn. 8; Peters in Looschelders/Pohlmann, VVG § 170 Rn. 6) oder ob er erst mit Ablauf der Frist wirksam wird (so Reiff/Schneider in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 170 Rn. 19; Bruck/Möller/Winter, VVG 8. Aufl. Bd. V/2 Anm. H 198; Hasse aaO S. 34 f.).
Somit ist, ohne dass dieser Streit entschieden zu werden braucht, das Bezugsrecht nicht mehr vor Eintritt des Versicherungsfalles widerrufen worden mit der Folge, dass der Anspruch auf die Versicherungsleistung zugunsten der Bezugsberechtigten entstanden ist. Zwar hat das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen, wann die Berechtigten von der Pfändung Kenntnis erlangt haben, womit die Frist für die Ausübung des Eintrittsrechts zu laufen begann. Der Fristbeginn kann aber wegen § 829 Abs. 3 ZPO nicht vor der Zustellung an den Drittschuldner liegen. Das war hier der 10. Dezember 2007 und damit weniger als ein Monat vor dem Ablaufdatum der Versicherung.
Das Recht des Versicherungsnehmers auf Erteilung oder Verweigerung der nach § 177 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erforderlichen Zustimmung ist vorliegend nicht mit gepfändet worden, so dass auch ein vorzeitiges Ende der Frist nicht in Betracht kommt.
III. Darüber hinaus ist der Senat der Auffassung, dass insbesondere im Hinblick auf dieses Eintrittsrecht der Bezugsberechtigten die Annahme eines allein durch die Pfändung und Überweisung oder die Zustellung des Beschlusses an den Drittschuldner konkludent erklärten Widerrufs der Bezugsberechtigung nicht in Betracht kommt, so dass sich die angefochtene Entscheidung auch unter diesem Gesichtspunkt als richtig erweist.
1. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss selbst, der als staatlicher Hoheitsakt uneingeschränkt der eigenständigen Auslegung durch den Senat unterliegt (vgl. Senatsurteil vom 12. Dezember 2001 - IV ZR 47/01, VersR 2002, 334 unter II 3 a; BGH, Urteil vom 14. Januar 2000 - V ZR 269/98, NJW 2000, 1268), enthält keine Erklärung des Widerrufs der Bezugsberechtigung.
Bei diesem Widerruf handelt es sich um eine vom Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer abzugebende empfangsbedürftige Willenserklärung (Senatsurteil vom 14. Februar 2007 - IV ZR 150/05, VersR 2007, 784 Rn. 9); sie kann schon deshalb nicht im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss als einem vom Gericht vorgenommenen Hoheitsakt enthalten sein. Das Gericht nimmt selbst keine Ausübung derjenigen Gestaltungsrechte vor, die es pfändet und an den Gläubiger überweist. Weder gibt es Willenserklärungen für den Gläubiger ab noch übermittelt es mit seinem Beschluss im Pfändungsantrag enthaltene Willenserklärungen des Antragstellers als Bote, sondern es trifft eigenständige Anordnungen. Dabei bezieht sich die im Beschluss enthaltene Anordnung zur Überweisung gepfändeter Beträge auf ein bestimmtes Konto nur auf von der Pfändung erfasste Forderungen und betrifft ihrem Inhalt nach nicht die Ausübung sonstiger von der Pfändung erfasster und überwiesener Nebenrechte. Der dem Beschluss zugrunde liegende Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wiederum ist an das Gericht und nicht an den Versicherer gerichtet.
Soweit das Oberlandesgericht Köln aaO demgegenüber in einer Einziehungsverfügung des Finanzamts zugleich dessen konkludent geäußerte Willenserklärung gesehen hat, die Bezugsberechtigung zu widerrufen, kann an dieser Stelle dahinstehen, ob das zutrifft. Denn bei der Einziehungsverfügung des Finanzamts handelt es sich um eine eigene Vollstreckungsmaßnahme des Gläubigers, was auf den gerichtlichen Pfändungsbeschluss, der lediglich auf einen Antrag des Gläubigers zurückgeht, nicht zutrifft.
Ein anderes Auslegungsergebnis ist entgegen der Ansicht der Revision nicht aufgrund des Umstands geboten, dass sich der Schutz des Art. 14 GG auf das Befriedigungsrecht des Gläubigers erstreckt (BGH, Beschluss vom 11. November 2010 VII ZB 87/09, VersR 2011, 371 Rn. 11). Durch die Pfändung und Überweisung des Nebenrechts auf Änderung der Bezugsberechtigung ist dem Schutzinteresse des Gläubigers genügt. Ihm wird hierdurch die Möglichkeit eröffnet, sich den Leistungsanspruch zu verschaffen. Der Schutz des Art. 14 GG befreit ihn nicht davon, das sonst noch Notwendige zur Durchsetzung seines Befriedigungsrechts zu tun.
Schließlich gebietet auch die Möglichkeit der Arrestpfändung (§ 930 ZPO) keine andere Betrachtung. Denn es liegt im Wesen des Arrestes, dass es sich hierbei um eine vorläufige Sicherungsmaßnahme handelt, die nicht der Befriedigung des Gläubigers dient (BGH, Urteil vom 17. November 1983 - III ZR 194/82, BGHZ 89, 82, 86); ein auf eine Arrestpfändung gestützter Überweisungsbeschluss ist nichtig (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - IX ZR 226/91, BGHZ 121, 98, 101). Dementsprechend gehen auch das Oberlandesgericht Köln und Heilmann (jeweils aaO) davon aus, dass eine bloße Arrestpfändung für die Annahme eines Widerrufs nicht genügt.
2. Es trifft aber auch nicht zu, dass der Gläubiger zumindest mit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner stets zugleich schlüssig den Widerruf eines bestehenden Bezugsrechts erklärt, weil er sich offensichtlich aus der gepfändeten Forderung befriedigen will.
Der Gläubiger hat bei der Pfändung einer Lebensversicherung nicht nur die Wahl, ob er den Vertrag kündigen und den Rückkaufswert einziehen oder abwarten und später die volle Versicherungssumme geltend machen will, sondern es sind jedenfalls auch Fälle denkbar, in denen der Bezugsberechtigte gegebenenfalls zur Vermeidung einer Kündigung zur Befriedigung des Gläubigers bereit ist (so zutreffend OLG Dresden aaO).
Vor allem aber ist der sofortige Widerruf der Bezugsberechtigung deshalb nicht die einzig sinnvolle Maßnahme des Gläubigers, weil er im Hinblick auf das gesetzliche Eintrittsrecht in den Vertrag - wie dargestellt - ohnehin frühestens einen Monat nach der Pfändung wirksam werden kann. Diesen Zeitraum kann der Gläubiger nutzen, indem er sich durch das Verlangen nach einer Drittschuldnererklärung des Versicherers gemäß § 840 ZPO - wie auch hier gefordert - zunächst einmal Klarheit darüber verschafft, ob der Versicherer zahlungsbereit ist oder ob und gegebenenfalls welche Bezugsberechtigungen dem entgegenstehen, und sich daraufhin mit etwaigen Bezugsberechtigten in Verbindung setzen, um anschließend zu entscheiden, auf welche Weise er die Ansprüche aus dem Vertrag verwerten will. Es besteht zwar keine Verpflichtung des Gläubigers, den oder die Bezugsberechtigten von der erfolgten Pfändung zu informieren, es liegt aber in seinem eigenen Interesse, da die Frist für das Eintrittsrecht gemäß § 177 Abs. 3 Satz 2 VVG a.F. erst mit deren Kenntnis von der Pfändung zu laufen beginnt.
All dies entzieht der Annahme einer konkludenten Erklärung des Widerrufs schon durch die Zustellung des Pfändungsbeschlusses den Boden. Sie kann auch im Streitfall nicht auf die konkreten Umstände des Einzelfalles, insbesondere das kurz bevorstehende Ablaufdatum des Vertrages, gestützt werden. Dieser Umstand führt vielmehr dazu, dass eine Widerrufserklärung wegen des Eintrittsrechts der Bezugsberechtigten ohnehin nicht mehr rechtzeitig wirksam werden konnte.
Schließlich spricht der Inhalt des Pfändungsantrages der Streithelferin noch zusätzlich dafür, dass kein konkludenter Widerruf erklärt war. Die ebenfalls ausdrücklich beantragte Pfändung des Rechts auf Benennung eines anderen Bezugsberechtigten macht gerade nicht zweifelsfrei deutlich, bestehende Berechtigungen in jedem Falle ersatzlos widerrufen zu wollen.
Dr. Kessal-Wulf Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.