Entscheidungsdatum: 20.06.2012
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 9. September 2011 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 15.019,11 €
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückzahlung geleisteter Versicherungsprämien für zwei fondsgebundene Lebensversicherungsverträge nach Widerspruchserklärung gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts hat die Klägerin rechtzeitig Berufung eingelegt. Innerhalb der bis zum 12. Mai 2011 verlängerten Berufungsbegründungsfrist ging beim Oberlandesgericht am 26. April 2011 per Telefax und am 27. April 2011 per Post ein als Berufungsbegründung bezeichneter Schriftsatz ein, der handschriftlich mit "i.A. J. U. " unterzeichnet ist. Die Unterschrift stammt von der in der Rechtsanwaltskanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin damals angestellten Rechtsanwältin J. U. . Darunter ist maschinenschriftlich vermerkt: "C. S. Rechtsanwalt".
Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründung nicht von den beauftragten Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterschrieben sei. Zwar sei die Unterzeichnung einer Rechtsmittelschrift durch einen Vertreter zulässig. Dieser müsse jedoch die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernehmen. Dafür reiche eine Unterschrift "i.A." ("im Auftrag") nicht aus, weil der Unterzeichnende zu erkennen gebe, dass er dem Gericht gegenüber nur als Erklärungsbote auftrete. Etwas anderes gelte, wenn aus weiteren Umständen ersichtlich sei, dass der Unterzeichner in Wahrnehmung eines auch ihm erteilten Mandats tätig geworden sei. Dies könne angenommen werden, wenn der Unterzeichner im Briefkopf des Schriftsatzes als Sozietätsmitglied aufgeführt sei. Das sei hier nicht der Fall, weil Rechtsanwältin U. in der Sozietät der Prozessbevollmächtigten der Klägerin angestellt und kein Sozietätsmitglied gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach den §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft, jedoch nicht im Übrigen zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht. Das Berufungsgericht hat nicht die Verfahrensgrundrechte der Klägerin auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem es ihre Berufung mit der Begründung, die Berufungsbegründungsschrift sei nicht ordnungsgemäß unterschrieben, verworfen hat.
1. Die Unterzeichnung der Berufungsbegründung mit "i.A. J. U. " hat das Berufungsgericht zutreffend als unzureichend gewertet.
a) Die Berufungsbegründungsschrift muss als bestimmender Schriftsatz im Anwaltsprozess grundsätzlich von einem beim Berufungsgericht postulationsfähigen Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben sein (§§ 130 Nr. 6, 519 Abs. 4 ZPO). Mit diesem Erfordernis soll sichergestellt werden, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist. Insbesondere soll die Unterschrift die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen (Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 - IV ZB 9/11, juris Rn. 6; BGH, Beschlüsse vom 26. April 2012 - VII ZB 36/10, juris Rn. 7; vom 26. April 2012 - VII ZB 83/10, juris Rn. 7; vom 22. November 2005 - VI ZB 75/04, VersR 2006, 387 Rn. 5; Urteil vom 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04, VersR 2006, 427 unter B II 1 a; jeweils m.w.N.).
b) Die Unterschriftsleistung ist unter bestimmten Voraussetzungen auch durch einen Vertreter zulässig. Dieser muss jedoch die volle Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelschrift übernehmen, was er etwa mit einer Unterzeichnung "i.V." oder "für Rechtsanwalt …" zum Ausdruck bringen kann. Die Verwendung des Zusatzes "i.A." ("im Auftrag") reicht für die Übernahme der Verantwortung in diesem Sinne grundsätzlich nicht aus, weil der Unterzeichnende damit zu erkennen gibt, dass er dem Gericht gegenüber nur als Erklärungsbote auftritt (BGH, Beschluss vom 19. Juni 2007 - VI ZB 81/05, FamRZ 2007, 1638 unter II; Urteil vom 31. März 2003 - II ZR 192/02, VersR 2004, 487 unter II 2; Beschlüsse vom 27. Mai 1993 - III ZB 9/93, VersR 1994, 368 unter 1; vom 5. November 1987 - V ZR 139/87, VersR 1988, 497).
Die Unterzeichnung einer Rechtsmittelschrift mit dem Zusatz "i.A." ist nur dann unschädlich, wenn der unterzeichnende Rechtsanwalt als Sozietätsmitglied zum Kreis der beim Berufungsgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers zählt und damit unmittelbar in Ausführung des auch ihm selbst erteilten Mandats tätig geworden ist (BGH, Beschlüsse vom 19. Juni 2007 aaO; vom 27. Mai 1993 aaO unter 2).
Darauf kann sich die Klägerin - wie das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat - nicht stützen. Rechtsanwältin U. war, wie die Klägerin vorträgt und aus dem Briefkopf der Berufungsbegründungsschrift ersichtlich ist, zur Zeit der Unterzeichnung der Berufungsbegründung in der Sozietät der Prozessbevollmächtigten der Klägerin angestellt und kein Sozietätsmitglied. Dieses Anstellungsverhältnis wollte Rechtsanwältin U. , wie sie in ihrer eidesstattlichen Versicherung angegeben hat, durch den Zusatz "i.A." (= "in Anstellung") auch zum Ausdruck bringen.
Aus dieser eidesstattlichen Versicherung kann die Klägerin auch im Übrigen nichts zu ihren Gunsten herleiten. Dies folgt schon daraus, dass die Berufungsbegründungsfrist bei Eingang der eidesstattlichen Versicherung am 6. September 2011 längst abgelaufen und eine Heilung des die wirksame Begründung eines Rechtsmittels betreffenden Mangels nach Ablauf der Begründungsfrist nicht mehr möglich war (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 1987 aaO m.w.N.).
2. Das Berufungsgericht hat das Recht der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht dadurch verletzt, dass es ihren Vortrag in ihrem Schriftsatz vom 31. August 2011 und die beigefügte eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwältin U. nicht berücksichtigt hat. Es musste nicht, wie die Beschwerde meint, in der Zeit zwischen dem Eingang der Berufungsbegründung und dem Ablauf der bis zum 12. Mai 2011 verlängerten Berufungsbegründungsfrist die Klägerin auf die Bedenken hinsichtlich der Unterschrift hinweisen.
Im Interesse der Funktionsfähigkeit der Justiz sind der gerichtlichen Fürsorgepflicht enge Grenzen gesetzt. Nur unter besonderen Umständen kann ein Gericht gehalten sein, einer drohenden Fristversäumnis seitens der Partei entgegenzuwirken. So darf es nicht sehenden Auges zuwarten, bis die Partei Rechtsnachteile erleidet (BGH, Beschluss vom 15. Juni 2004 - VI ZB 9/04, VersR 2005, 136 unter 2 a m.w.N.). So liegt der Fall hier nicht. Das Berufungsgericht hatte vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nicht bemerkt, dass die Berufungsbegründung nicht ordnungsgemäß unterzeichnet war, und somit nicht sehenden Auges die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist in Kauf genommen. Indem das Berufungsgericht am 28. April 2011 der Beklagten eine Frist zur Erwiderung auf die Berufungsbegründung gesetzt und die Prozessbevollmächtigten der Parteien darüber informiert hatte, dass am 24. Juni 2011 über die Sache beraten werde, hat es der Klägerin nicht das Vertrauen vermittelt, zumindest die Prozessvoraussetzungen seien in Ordnung.
Im Hinblick auf den übrigen Geschäftsanfall ist es nicht zu beanstanden, wenn der Richter erst bei Bearbeitung des Falles und damit nach Ablauf der Fristen die Zulässigkeit der Berufung und dabei auch die Einhaltung der Form überprüft (BGH, Beschluss vom 15. Juni 2004 aaO). Allerdings gebietet es die gerichtliche Fürsorgepflicht, die Partei auf einen leicht erkennbaren Formmangel - wie das vollständige Fehlen einer zur Fristwahrung erforderlichen Unterschrift - hinzuweisen und ihr gegebenenfalls Gelegenheit zu geben, den Fehler fristgerecht zu beheben (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2008 - VI ZB 37/08, VersR 2009, 699 Rn. 10; BVerfG VersR 2004, 1585). Ein offensichtlicher formaler Mangel war die hier in Rede stehende Unterzeichnung "i.A." nicht, weil sie anders als eine gänzlich fehlende Unterschrift nicht sogleich auffallen musste und zudem weitere Gesichtspunkte - wie die Zugehörigkeit des Unterzeichners zur Sozietät - zu prüfen waren.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller