Entscheidungsdatum: 26.10.2011
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 18. März 2011 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Gegenstandswert: 100.000 €
I. Das Landgericht hat die auf Rückzahlung eines Darlehens über 100.000 € gerichtete Klage abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt. Der Berufungsschriftsatz ist unterzeichnet durch den im Briefkopf allein aufgeführten Rechtsanwalt L. L. . Die innerhalb verlängerter Frist eingegangene Berufungsbegründung enthält auf der letzten Seite über dem maschinenschriftlichen Zusatz "Rechtsanwalt" eine nicht leserliche Unterschrift, die augenscheinlich von den Unterschriften abweicht, mit denen Rechtsanwalt L. seine bisherigen Schriftsätze unterschrieben hat.
Auf den Hinweis des Berufungsgerichts, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestünden, hat die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 2. März 2011 erklärt, die Berufungsbegründung sei in Untervollmacht durch Frau Rechtsanwältin Y. G. unterzeichnet worden. Rechtsanwalt L. sei wegen einer plötzlichen Erkrankung an einer Unterschrift verhindert gewesen. Ferner hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Mit weiterem Schriftsatz vom 9. März 2011 hat die Klägerin zwei eidesstattliche Versicherungen von Rechtsanwalt L. und Rechtsanwältin G. eingereicht. Aus der eidesstattlichen Versicherung von Rechtsanwältin G. ergibt sich, dass sie seit dem 10. Januar 2011 in der Kanzlei L. als Rechtsanwältin angestellt ist und seit Juli 2010 ihre Zulassung besitzt. Wegen der akuten Erkrankung des Kanzleiinhabers habe sie die Berufungsbegründungsschrift mit ihrem Namen unterzeichnet. Hiergegen habe sie keine Bedenken gehabt, weil sie die Berufungsbegründungsschrift im Wesentlichen selbst erstellt habe.
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und zugleich die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht.
1. Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen, ohne damit Verfahrensgrundrechte der Klägerin zu verletzen.
a) Die hier maßgeblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich bereits geklärt. Gemäß § 130 Nr. 6 ZPO i.V.m. § 520 Abs. 5 ZPO muss die Berufungsbegründung von einem zur Vertretung bei dem Berufungsgericht berechtigten Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben sein. Die Unterschrift soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Zugleich soll sichergestellt werden, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet wird (BGH, Beschluss vom 22. November 2005 VI ZB 75/04, VersR 2006, 387 Rn. 5; Urteil vom 10. Mai 2005 XI ZR 128/04, VersR 2006, 427 unter B II 1 a; Beschlüsse vom 15. Juni 2004 VI ZB 9/04, VersR 2005, 136 unter 1; vom 28. August 2003 I ZB 1/03, MDR 2004, 349, 350; Urteil vom 31. März 2003 II ZR 192/02, VersR 2004, 487 unter II 1). Die Berufungsbegründung muss hierbei von einem dazu bevollmächtigten und bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfasst, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein (BGH, Beschlüsse vom 23. Juni 2005 V ZB 45/04, NJW 2005, 2709 unter III 2 a bb; vom 31. März 2003 aaO). Nur in Ausnahmefällen kann auf eine Unterschrift verzichtet werden, wenn sich aus den sonstigen Umständen zweifelsfrei ergibt, dass der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelschrift übernommen hat (BGH, Beschlüsse vom 22. November 2005 und 15. Juni 2004, jeweils aaO). Zu berücksichtigen sind hierbei nur dem Berufungsgericht spätestens bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist bekannt gewordene Umstände (BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 aaO unter B II 1 d cc).
b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es hat auch im konkreten Fall die Anforderungen an eine wirksame Unterschrift nicht in einer Art und Weise überspannt, die das Verfahrensgrundrecht der Klägerin auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2009 XI ZB 6/09, NJW-RR 2010, 358 Rn. 13).
aa) Für das Berufungsgericht war schon nicht erkennbar, ob die Berufungsbegründung von einem beim Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet worden ist, weil sich dies weder dem Schriftzug unter der Berufungsbegründung noch anderen Umständen entnehmen ließ (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 22. November 2005 aaO Rn. 7). Unter der handschriftlichen Unterschrift findet sich maschinenschriftlich lediglich der Zusatz "Rechtsanwalt", ohne dass durch weitere Erläuterung klargestellt war, um welche Rechtsanwältin oder welchen Rechtsanwalt es sich handeln soll. Die über der Bezeichnung "Rechtsanwalt" befindliche handschriftliche Unterschrift ist nicht geeignet, einen bestimmten Aussteller zu identifizieren. Aus einem Vergleich mit den bisher durch Rechtsanwalt L. unterzeichneten Schriftsätzen wird im Gegenteil deutlich, dass es sich nicht um seine Unterschrift handelt. Eine konkrete Bezugnahme auf einen anderen Rechtsanwalt ist durch die Berufungsbegründung auch sonst nicht möglich, da diese auf der ersten Seite lediglich Rechtsanwalt L. L. ausweist.
Aus den verwendeten Diktatzeichen kann entgegen der Annahme der Beschwerde ebenfalls nicht geschlossen werden, dass die Berufungsbegründung durch einen dazu berechtigten Rechtsanwalt unterzeichnet worden ist. Abgesehen davon, dass die Berufungsbegründung kein reines Diktat-, sondern eher ein Aktenzeichen enthält, konnte das Berufungsgericht aus dem Kürzel "00236/10 YG/rp" nicht erkennen, dass sich hinter dem Kürzel "YG" ein postulationsfähiger Rechtsanwalt befindet. Das Berufungsgericht war ohnehin nicht verpflichtet, das hier verwendete Aktenzeichen mit den in früheren Schriftsätzen enthaltenen Aktenzeichen zu vergleichen, um hieraus irgendwelche Schlüsse auf den unterzeichnenden Rechtsanwalt zu ziehen. Hinzu kommt, dass auch in den früheren durch Rechtsanwalt L. unterschriebenen Schriftsätzen keinesfalls durchgängig ein einheitliches Diktat-/Aktenzeichen verwendet wurde (vgl. Berufungsschrift vom 29. November 2010 sowie Fristverlängerungsanträge vom 20. Dezember 2010 und 31. Januar 2011).
Soweit die Klägerin geltend macht, Rechtsanwältin G. habe in Untervollmacht für Rechtsanwalt L. gehandelt, lässt sich das dem Schriftsatz und der Unterschrift nicht entnehmen. Der in derartigen Fällen übliche Zusatz "für Rechtsanwalt …" fehlt hier (vgl. zur Unterschriftsleistung durch einen Unterbevollmächtigten BGH, Urteile vom 11. Oktober 2005 XI ZR 398/04, NJW 2005, 3773 unter II 2 b; vom 31. März 2003 aaO unter II 2). Es kann gerade nicht ausgeschlossen werden, dass die Unterzeichnung durch einen sonstigen Mitarbeiter erfolgt ist. Im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist war es mithin nicht möglich, die Unterschrift konkret einem beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt zuzuordnen. Erst wenn überhaupt eine Art von Identifizierung der die Unterschrift leistenden Person möglich ist, kann eine Überprüfung der Postulationsfähigkeit des Unterzeichnenden erfolgen. Durch die nachträgliche Vorlage der Untervollmacht, der eidesstattlichen Versicherungen sowie der Zulassungsurkunde von Rechtsanwältin G. kann dieser Mangel nicht mehr beseitigt werden, da es sich um Umstände handelt, die dem Berufungsgericht erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zur Kenntnis gebracht wurden.
bb) Soweit die Rechtsprechung das Fehlen einer Unterschrift bei Vorliegen besonderer Umstände ausnahmsweise als unschädlich angesehen hat, folgt daraus nicht, dass bei der hier von einer Rechtsanwältin unterschriebenen Berufungsbegründung die erforderliche Form erst recht als gewahrt angesehen werden müsse. Die Unterzeichnung ist nur dann als entbehrlich anzusehen, wenn sich aus den sonstigen Umständen zweifelsfrei ergibt, dass der Rechtsanwalt die Verantwortung für den Inhalt eines fristwahrenden Schriftsatzes übernommen hat. Dies ist etwa anzunehmen, wenn der Mangel der Unterschrift in dem als Urschrift der Berufung gedachten Schriftsatz durch die gleichzeitig eingereichte beglaubigte Abschrift dieses Schriftsatzes behoben wird (BGH, Beschluss vom 3. Mai 1957 VIII ZB 7/57, BGHZ 24, 179, 180). Ebenso liegt es, wenn die nicht unterschriebene Rechtsmittelbegründungsschrift durch den Rechtsanwalt mit einem von ihm unterzeichneten und mit der Rechtsmittelbegründung fest verbundenen Begleitschreiben eingereicht wird (BGH, Beschlüsse vom 20. März 1986 VII ZB 21/85, BGHZ 97, 251, 254; ferner vom 28. August 2003 aaO für eine per Computerfax eingelegte Beschwerde). Hier stand es dagegen bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist mangels Vorliegens sonstiger Umstände gerade nicht fest, dass die Berufungsbegründung zweifelsfrei durch einen beim Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet worden war.
2. Auch hinsichtlich der Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages ist die Rechtsbeschwerde nicht zulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Namentlich erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht.
a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dient in besonderer Weise dazu, die Rechtsschutzgarantie und das rechtliche Gehör zu gewährleisten. Die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gebieten es, den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 12. Januar 2011 IV ZB 14/10, juris Rn. 5; BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002 V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 227 f.).
b) Gegen diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht verstoßen.
Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist einer Partei zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann danach nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen die Möglichkeit offen bleibt, dass die Fristversäumung von der Partei bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldet war (BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 aaO unter II 2).
aa) Für das eigene Verschulden von Rechtsanwalt L. als Prozessbevollmächtigtem der Klägerin kommt es nicht darauf an, ob er am 7. Februar 2011 wegen einer plötzlichen und schmerzhaften Erkrankung nicht mehr in der Lage war, noch irgendwelche Handlungen vorzunehmen. Vielmehr hat ein Rechtsanwalt allgemeine Vorkehrungen dafür zu treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt. Er muss seinem Personal die notwendigen allgemeinen Anweisungen für einen solchen Fall geben (BGH, Beschluss vom 18. September 2008 V ZB 32/08, VersR 2009, 1684 Rn. 9). Hier fehlt es an jedem Vortrag der Klägerin dazu, welche Vorkehrungen ihr Prozessbevollmächtigter für den Fall getroffen hat, dass er unvorhergesehen ausfällt und an der Unterzeichnung eines fristwahrenden Schriftsatzes gehindert ist. Es ist nicht ersichtlich, welche Maßnahmen er getroffen hat, um sicherzustellen, dass fristwahrende Schriftsätze durch Rechtsanwältin G. in einer Weise unterzeichnet werden, die sie als beim Berufungsgericht zugelassene Rechtsanwältin ausweisen.
bb) Schließlich muss die Klägerin sich auch das Verschulden von Rechtsanwältin G. zurechnen lassen. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin und der eidesstattlichen Versicherung von Rechtsanwältin G. ist letztere als Unterbevollmächtigte für den Prozessbevollmächtigten der Klägerin tätig geworden. Bedient sich der Prozessbevollmächtigte einer Partei bei der Bearbeitung eines Rechtsstreits eines angestellten Rechtsanwalts, so muss die Partei sich dessen Verschulden wie eigenes zurechnen lassen, wenn ihm der Rechtsstreit von dem Prozessbevollmächtigten zur selbständigen Bearbeitung übergeben worden ist (BGH, Beschlüsse vom 9. Juni 2004 VIII ZR 86/04, VersR 2005, 810, 811; vom 1. April 1992 XII ZB 21/92, VersR 1992, 1421 unter 1). Denn in diesem Fall gilt der angestellte Rechtsanwalt als Vertreter des Prozessbevollmächtigten und der Partei selbst. Hier hat Rechtsanwältin G. nicht nur untergeordnete Tätigkeiten vorgenommen, sondern den Inhalt der Berufungsbegründung im Wesentlichen selbst erstellt. Sie hat bei der Unterzeichnung der Berufungsbegründung schuldhaft gehandelt, da sie nicht dafür gesorgt hat, dass aus dem Schriftsatz die Unterzeichnung durch eine dazu bevollmächtigte und beim Berufungsgericht zugelassene Rechtsanwältin ersichtlich wird.
Wendt Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller