Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 23.09.2015


BGH 23.09.2015 - IV ZB 14/15

Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist: Anforderungen an die Darlegung und Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgrundes


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
23.09.2015
Aktenzeichen:
IV ZB 14/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend KG Berlin, 26. März 2015, Az: 4 U 164/14vorgehend LG Berlin, 8. September 2014, Az: 67 O 9/13
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des Kammergerichts vom 26. März 2015 wird auf seine Kosten verworfen.

Streitwert: 34.447,68 €

Gründe

1

I. Das Landgericht hat mit Urteil vom 8. September 2014 sein den Beklagten zur Rückzahlung eines Darlehens verurteilendes Versäumnisurteil aufrechterhalten.

2

Der Beklagte legte gegen dieses ihm am 10. September 2014 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 22. September 2014 Berufung ein. Eine Berufungsbegründung ging innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nicht ein. Hierauf wies das Berufungsgericht den Beklagten mit Verfügung vom 14. November 2014 hin.

3

Daraufhin beantragte der Beklagte mit am 1. Dezember 2014 eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist und reichte zugleich die Berufungsbegründung ein. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags führte er aus, dass die Berufungsbegründung von seinem Prozessbevollmächtigten vor Fristablauf persönlich über den Postweg an das Kammergericht verschickt worden sei. Es könne die Möglichkeit bestehen, dass die Schriftstücke auf dem Postweg verloren gegangen oder versehentlich in eine falsche Akte gelangt seien.

4

Mit Verfügung vom 4. Dezember 2014 wies das Berufungsgericht den Beklagten darauf hin, dass es an einem ordnungsgemäßen Wiedereinsetzungsantrag fehlen dürfe; ein solcher Antrag verlange eine geschlossene und aus sich heraus verständliche Schilderung der tatsächlichen Abläufe, auf Grund derer es zur Fristversäumung gekommen sei. Daran fehle es.

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Mit Schriftsatz vom 12. Januar 2015 trug der Beklagte vor, sein Prozessbevollmächtigter habe "am Tage des Schriftsatzes" diesen ausgedruckt, persönlich unterzeichnet, persönlich in eine A4-Verandtasche gesteckt, ordnungsgemäß frankiert und persönlich gegen 18.30 Uhr in den gegenüber der Kanzlei liegenden Briefkasten eingeworfen. Die Adressierung sei korrekt und durch einen Fensterumschlag klar erkennbar gewesen.

6

Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten verworfen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde.

7

II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft, jedoch unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind; die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert sie eine Entscheidung des Senats zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

8

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist sei verschuldet. Der Beklagte habe innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO entgegen § 236 Abs. 2 ZPO keine aus sich heraus verständliche und geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe vorgelegt. Vortrag nach Ablauf der Frist sei nicht zu berücksichtigen. Der Schriftsatz vom 12. Januar 2015 erläutere oder ergänze nicht etwa lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben. Vielmehr enthalte dieser Schriftsatz erstmals die notwendigen tatsächlichen Angaben über die Postaufgabe der Berufungsschrift.

9

2. Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass ein Zulässigkeitsgrund besteht. Insbesondere verletzt der angefochtene Beschluss nicht das Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip).

10

Die Anforderungen an eine ausreichende Darlegung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen sind geklärt. Ebenfalls geklärt ist, unter welchen Voraussetzungen Ergänzungen des Tatsachenvortrags nach Ablauf der Antragsfrist zulässig sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss eine Partei im Rahmen ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gemäß § 236 Abs. 2 ZPO die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen durch eine geschlossene und aus sich heraus verständliche Schilderung der tatsächlichen Abläufe darlegen und glaubhaft machen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 3. Juli 2008 - IX ZB 169/07, NJW 2008, 3501 Rn. 15 m.w.N.). Jedoch darf die Partei erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, noch nach Fristablauf erläutern und vervollständigen (BGH, Beschlüsse vom 25. September 2013 - XII ZB 200/13, NJW 2014, 77 Rn. 9; vom 9. Februar 2010 - XI ZB 34/09, FamRZ 2010, 636 Rn. 9; vom 3. April 2008 - I ZB 73/07, WRP 2008, 1112 Rn. 12; vom 13. Juni 2007 - XII ZB 232/06, FamRZ 2007, 1458 Rn. 8). Hingegen ist das Gericht nicht verpflichtet, eine Partei nach § 139 ZPO darauf hinzuweisen, dass die Umstände, die zur Fristversäumung geführt haben, vollständig vorgetragen werden müssen (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2013 - I ZB 76/11, AnwBl. 2013, 233 Rn. 8).

11

Das Berufungsgericht geht von diesen Grundsätzen aus. Es hat sodann in Anwendung dieser Grundsätze rechtsfehlerfrei entschieden, dass der Vortrag des Beklagten nicht etwa unvollständig oder unklar gewesen ist, sondern dass es bis zum Ablauf der Antragsfrist an einer aus sich heraus verständlichen und nachvollziehbaren Darstellung fehlte. Diese Würdigung enthält keinen Rechtsfehler, der die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO erfüllt. Zu Unrecht macht die Rechtsbeschwerde geltend, der Streitfall gleiche dem Sachverhalt, der dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 9. Februar 2010 (XI ZB 34/09, FamRZ 2010, 636) zugrunde lag. In jenem Fall war eine aus sich heraus verständliche und nachvollziehbare Darstellung vorhanden, bei der es lediglich am Vortrag zur konkreten Person und zur genauen Uhrzeit des Briefeinwurfs fehlte. Im Streitfall hat sich der Beklagte in seinem Wiedereinsetzungsgesuch hinsichtlich des tatsächlichen Geschehens auf den Satz beschränkt, dass die Berufungsbegründung vom Unterzeichner vor Fristablauf persönlich über den Postweg an das Kammergericht verschickt worden sei. Diese Darstellung hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei als offensichtlich unzureichend bewertet. Da der vom Beklagten ursprünglich mitgeteilte Sachverhalt einer ausreichenden Individualisierung sowie praktisch aller notwendigen Angaben (wie etwa zur ordnungsgemäßen Fertigstellung der Berufungsbegründung, zur Adressierung und Frankierung sowie zum Zeitpunkt und konkreten Ort der Versendung) entbehrte, ist die Würdigung des Berufungsgerichts, dass die erforderlichen Angaben erstmals im Schriftsatz vom 12. Januar 2015 enthalten und damit nach Ablauf der Antragsfrist vorgebracht waren, nicht zu beanstanden.

Mayen                                 Felsch                                      Harsdorf-Gebhardt

               Dr. Karczewski                      Dr. Schoppmeyer