Entscheidungsdatum: 01.12.2010
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, betrieb seit 1997 ein Lotto-Dienstleistungsunternehmen. Komplementärin war im Streitjahr (1999) zunächst die im gleichen Jahr ausgeschiedene "X B.V." mit Sitz in den Niederlanden, die im Jahr 2006 als Kommanditistin wieder in die Gesellschaft eingetreten ist. Komplementärin ab 25. Juni 1999 war die "Y B.V.", ebenfalls mit Sitz in den Niederlanden, die im Jahr 2001 ausgeschieden und im Jahr 2004 als Komplementärin wieder eingetreten ist. Alleinvertretungsberechtigter Direktor der Komplementärinnen war Herr S. Zu den Kommanditisten der Klägerin zählten im Streitjahr u.a. die beigeladene "Z GmbH & Co. KG" (vormals "A GmbH & Co. KG"; ausgeschieden im Jahr 2006) sowie die "B KG" (ausgeschieden im Jahr 2000).
Die Klägerin organisierte unter der Bezeichnung "…" Spielgemeinschaften zur Teilnahme an wöchentlichen Ausspielungen des Deutschen Lotto- und Totoblocks mit von ihr entwickelten Systemreihen (Zahlenkombinationen), die für die in Spielgemeinschaften verbundenen Mitspieler einzusetzen sind. Die Mitspieler erteilten der Klägerin gemäß Ziff. 7 der Teilnahmebedingungen (Allgemeine Geschäftsbedingungen) unter Befreiung von § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) Vollmacht, im Namen der Mitspieler Gesellschaftsverträge zur Gründung von BGB-Spielgemeinschaften, einen Treuhandvertrag für die Spieler/die Spielgemeinschaften mit einem Treuhänder und einen Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem Spieler/den Spielgemeinschaften und sich selbst abzuschließen.
Das Vertragsverhältnis mit dem Spieler wurde mit der Einzahlung des Spielbetrags auf ein Einzahlungskonto der Klägerin begründet. Nach § 2 Nr. 2 des Geschäftsbesorgungsvertrags hatte die Klägerin die auf dem Einzahlungskonto eingehenden Beträge wie folgt zu verwenden:
- 44,8 % zur Vertragserfüllung an die Treuhandgesellschaft,
- 36,0 % für die Spielvermittlung an die Klägerin,
- 19,2 % für Serviceleistung und Konzeption der Spielmöglichkeit an die Klägerin.
Gemäß Ziff. 8 der Teilnahmebedingungen beauftragten die Mitspieler einen von der Klägerin bestellten Treuhänder, im eigenen Namen, aber für Rechnung der Spielgemeinschaft den Spielvertrag mit den Lottogesellschaften über deren Annahmestellen abzuschließen, die Lottoscheine in Verwahrung zu nehmen, etwaige Gewinne für die Spielgemeinschaft gegenüber der Lottogesellschaft geltend zu machen, die Gewinne entgegenzunehmen und einem Treuhandkonto zuzuführen sowie die Gewinne schließlich an die Mitspieler auszuzahlen. Nach Ziff. 3 der Teilnahmebedingungen hatte die Klägerin das Recht, sich selbst an einer Spielgemeinschaft zu beteiligen, wenn sich in einer Spielgemeinschaft nicht genügend Spieler zusammenfinden.
Treuhänder war nach dem Treuhandvertrag vom 8. Dezember 1997 die X B.V., die bei Vertragsabschluss von S vertreten wurde.
Eine bei der Klägerin durchgeführte Steuerfahndungsprüfung gelangte zu der Feststellung, dass die Klägerin in ihren Gewinnermittlungen für das Streitjahr von den Mitspielbeträgen lediglich die Anteile für Spielvermittlung (36 %) und für Serviceleistung und Konzeption (19,2 %), nicht aber den an den Treuhänder abzuführenden Spieleinsatz-Anteil in Höhe von 44,8 % als Betriebseinnahmen erfasst hatte. Außerdem traf der Prüfer die Feststellung, dass nur in geringem Umfang tatsächlich Lottoscheine erworben wurden. Er vertrat die Auffassung, die bisher erklärten Einnahmen seien um die auf den Spieleinsatz-Anteil entfallenden Einnahmen zu erhöhen. Die Höhe der Gesamteinnahmen (Service- und Spieleinsatz-Anteil) ermittelten der Prüfer und die Klägerin nach einem Vermerk vom 19. Februar 2002 übereinstimmend mit … DM. Diese verminderten sie um einen Abschlag für tatsächlich gespielte Lottoscheine in Höhe von … DM. Bei der Gewinnermittlung berücksichtigte der Prüfer aufgrund der Annahme, die Klägerin sei Veranstalter einer inländischen Lotterie und es bestehe daher eine Lotteriesteuerpflicht, eine Lotteriesteuer-Rückstellung.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) legte den vom Prüfer ermittelten Gewinn dem gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1999 vom 4. Februar 2003 zu Grunde. Feststellungsbeteiligte waren die X B.V., die Y B.V., deren Gewinnanteil 0 DM betrug, sowie die Beigeladenen.
Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, der Spieleinsatz-Anteil von 44,8 % sei nicht zu den Betriebseinnahmen zu zählen. Die auf dem Treuhandkonto verwalteten Gelder seien immer im Vermögen der Spieler (Treugeber) geblieben, unabhängig davon, ob die Gelder als Spieleinsatz an eine nationale Lotteriegesellschaft weitergeleitet und entsprechend vom Treuhandkonto abgebucht worden seien, oder ob sie, weil z.B. eine Spielgemeinschaft wegen einer zu geringen Teilnehmerzahl nicht zustande gekommen sei, auf dem Treuhandkonto verblieben seien.
Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück; weil die Klägerin trotz einer entsprechenden Aufforderung bezüglich der Behandlung des Spieleinsatz-Anteils die Treuhandkonten nicht näher bezeichnet und Unterlagen nicht vorgelegt habe, könnten die der Klägerin zugerechneten Spieleinsätze nicht als Fremdgelder behandelt werden.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Es entschied, dass der Gewinn (1999) der Klägerin um den Spieleinsatz-Anteil von 44,8 % abzüglich der Abschläge für tatsächlich gespielte Lottoscheine von … € (= … DM) zu mindern sei. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, es könne dahinstehen, ob --was im Hinblick auf die Rückübertragungsverpflichtungen des Treuhänders zweifelhaft sei-- der Spieleinsatz-Anteil steuerlich als Treuhandgeld anzusehen sei. Der Spieleinsatz-Anteil von 44,8 % des Gesamtentgelts der Mitspieler abzüglich der genannten Abschläge habe bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) jedenfalls deshalb keine steuerlichen Auswirkungen, weil es sich bei den an den Treuhänder abgeführten Geldern um Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs. 4 EStG gehandelt habe. Die Klägerin sei sowohl nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag zur Abführung des Spieleinsatz-Anteils an den Treuhänder als auch den Mitspielern gegenüber zur Weiterleitung der entsprechenden Gelder verpflichtet gewesen. Die zivilrechtliche Wirksamkeit des vertraglichen Regelungskonzepts der Klägerin sei gemäß § 41 Abs. 1 AO ohne Bedeutung. Auch die Besteuerung beim Empfänger (hier Treuhänder) sei für die steuerliche Behandlung beim Geber ohne Belang. Die betriebliche Veranlassung werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass im Regelfall keine Lottoscheine durch den Treuhänder erworben worden seien. Denn in diesen Fällen erhielten die Mitspieler in anderer Weise Ersatz; nach Maßgabe der im Rahmen der staatlichen Lotterie gezogenen Zahlen ermittelte Gewinnansprüche seien aus dem Treuhandgeld zu erfüllen. Die Mitspieler hätten bei Ziehung der amtlichen Lottozahlen aufgrund der ihnen übermittelten Informationen den Gewinn der Spielgemeinschaft und die auf die Mitspieler entfallende Quote ermitteln können. Anhaltspunkte, dass die Klägerin lediglich vorgetäuscht habe, das amtliche Lottosystem nachzubilden, lägen nicht vor. Auch bestünden keine Zweifel an der tatsächlichen Weiterleitung der Spieleinsätze (44,8 % des Gesamtentgelts) an den Treuhänder, selbst soweit dieser keine Lottoscheine erworben habe. Anhaltspunkte für ein Scheingeschäft (§ 41 Abs. 2 AO) zwischen Klägerin und Treuhänder seien gleichfalls nicht ersichtlich.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das FA trägt im Wesentlichen vor, die Klägerin habe den streitbefangenen Spieleinsatz-Anteil von 44,8 % der Spielerentgelte nicht in vollem Umfang zum Erwerb von Lottoscheinen des nationalen Lottoblocks verwendet. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung seien weniger als 2 % der gesamten eingenommenen Entgelte für den Lottoscheinerwerb verwendet worden. Soweit keine Lottoscheine erworben worden seien, habe sich die Klägerin lediglich an die staatliche Lotterie "angehängt" und sei damit selbst Lotterieveranstalter und lotteriesteuerpflichtig. Die Klägerin habe ihr eigenes Vertragswerk verletzt, indem sie den dort geregelten Ausnahmefall zum Regelfall gemacht habe. Der Treuhandvertrag laufe insoweit leer, er werde tatsächlich nicht durchgeführt. Eine betriebliche Veranlassung der Weiterleitung der Gelder an den Treuhänder sei insoweit nicht erkennbar. Auch sei ein Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige davon Kenntnis habe, dass der Zahlungsempfänger vom Betriebszweck abweiche; der S habe als Geschäftsführer der Klägerin von der Nichteinhaltung des Vertragswerks durch den Treuhänder gewusst. Nur hinsichtlich der tatsächlich erworbenen und gespielten Lottoscheine seien deshalb Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Auch das Treuhandverhältnis sei nicht anzuerkennen, denn die Mitspieler hätten dem sog. Treuhänder keine Weisungen erteilen können und die vertragliche Abwicklung nicht beherrscht. Ein Handeln des Treuhänders im fremden Namen sei nicht erkennbar. Im Übrigen seien die Teilnahmebedingungen in wesentlichen Teilen wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot nichtig.
Das FA beantragt, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor, das Vertragswerk sei nicht nichtig, denn die Teilnahmebedingungen sähen Ersatzansprüche der Mitspieler vor, wenn es nicht zur Abgabe eines Spielscheins komme. Auch wenn das FG die Frage der Anerkennung des Treuhandverhältnisses nicht für entscheidungserheblich gehalten habe, so bestehe kein Grund, dem Treuhandverhältnis die steuerrechtliche Anerkennung zu versagen. Bei einer bloßen Verwaltungstreuhand müsse das Treugut nicht jederzeit zurückgefordert werden können. Auch scheide ein Betriebsausgabenabzug nicht wegen einer Mittelfehlverwendung aus, denn diese geschehe nicht auf der Ebene der Klägerin, sondern auf der Ebene des Treuhänders.
II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil der Vorinstanz ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der erkennende Senat auf seine Entscheidung vom 1. Dezember 2010 in der Rechtssache IV R 68/07 Bezug. Die dortigen Ausführungen gelten entsprechend auch für das hier vorliegende Streitjahr (1999). Soweit der erkennende Senat unter II.1.b jenes Urteils hinsichtlich der streitbefangenen, an den sog. Treuhänder weitergeleiteten Spieleinsatz-Anteile von Entnahmen der Komplementärin ausgegangen ist, gilt dies jedenfalls für die Zeit bis zum Ausscheiden der X B.V. als Komplementärin, die nach dem Treuhandvertrag vom 8. Dezember 1997 zugleich Treuhänder gewesen ist. Weitere Treuhandverträge hat das FG nicht festgestellt. Für die ab dem 25. Juni 1999 als Komplementärin der Klägerin eingetretene Y B.V. gelten die Ausführungen jedoch entsprechend, soweit nach dem Vortrag der Klägerin ihre Komplementärin jedenfalls tatsächlich als sog. Treuhänder fungiert hat.