Entscheidungsdatum: 05.11.2014
Kommen für eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte mehrere Orte als Ort der Geschäftsleitung in Betracht, ist grundsätzlich eine Gewichtung der Tätigkeiten vorzunehmen und danach der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung zu bestimmen. Nehmen mehrere Personen gleichwertige Geschäftsführungsaufgaben von verschiedenen Orten aus wahr, ist eine Gewichtung nicht möglich; in diesem Fall bestehen mehrere Geschäftsleitungsbetriebsstätten.
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG. Sie wurde am 6. November 1991 errichtet. Sitz der Klägerin war zunächst F. Als Unternehmensgegenstand der Klägerin wurden der Erwerb und die Verwaltung von Vermögensgegenständen, Beteiligungen oder Anteilen an Unternehmen insbesondere aus dem Finanzdienstleistungsbereich und die Abstimmung der Geschäftspolitik dieser Unternehmen in grundsätzlichen Fragen festgelegt. Weiter wurde die Vermittlung von Finanzdienstleistungen als Unternehmensgegenstand vereinbart.
Komplementärin der Klägerin ist die B-GmbH (nachfolgend: Komplementär-GmbH). Diese besorgt auch die Geschäftsführung der Klägerin. Die Komplementär-GmbH ist nicht am Kapital der Klägerin beteiligt. Zu Geschäftsführern der Komplementär-GmbH wurden die Herren K, R und T bestellt.
Die Vergütung der Komplementär-GmbH regelte der Gesellschaftsvertrag wie folgt: |
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"§ 6 Vergütung der Komplementärin |
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(1) Solange die Komplementärin ausschließlich für die Gesellschaft tätig ist, werden ihr von dieser sämtliche Ausgaben und Aufwendungen für die Geschäftsführung erstattet, sobald sie entstehen. |
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(2) Die Komplementärin erhält ferner eine jährlich, jeweils zum Ende eines jeden Geschäftsjahres zu bezahlende Vorabvergütung in Höhe von 5 % ihres eingezahlten Stammkapitals, das zu Beginn des Geschäftsjahres in ihrer Bilanz ausgewiesen ist. |
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(3) Der Ausgaben- und Aufwendungsersatz nach Abs. 1 und die Vorabvergütung nach Abs. 2 sind im Verhältnis der Gesellschafter zueinander als Aufwand zu behandeln." |
Kommanditisten der Klägerin sind die G-AG, die W-GmbH und die D-AG.
T war Angestellter bei der G-AG und geschäftsansässig in F. Er wohnte in A. K war Angestellter bei der W-GmbH und hierbei geschäftsansässig in H. Er wohnte in M. R war Angestellter bei der D-AG und hierbei geschäftsansässig in W. Er wohnte auch in W. T, K und R waren in den verschiedenen Unternehmen jeweils in leitender Stellung tätig. Die drei Geschäftsführer T, K und R nahmen ihre Tätigkeit für die Komplementär-GmbH am 6. November 1991 auf.
Mit Gesellschafterbeschluss vom 26. Februar 1992 wurde der Sitz der Klägerin von F in die Gemeinde N verlegt. Dort mietete die Klägerin ab dem 1. März 1992 einen Büroraum an. Ab März 1992 bezogen die Geschäftsführer T, K und R von der Komplementär-GmbH jeweils ein Monatsgehalt von 5.000 DM. Die Klägerin beschäftigte vom 1. Mai 1992 an eine Sachbearbeiterin in N, die ein monatliches Bruttogehalt von 500 DM bezog. Weitere Arbeitnehmer hatte die Klägerin nicht.
Die Gründung der Klägerin war Teil der Bemühungen zur Sanierung der A-AG. Diese Gesellschaft, an der die Kommanditisten der Klägerin G-AG zu 50 %, die W-GmbH und die D-AG zu je 25 % beteiligt waren, war in eine finanzielle Schieflage geraten. Die Klägerin, die alleine durch die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH K, R und T handelte, war im Jahr 1991 maßgeblich mit der Umsetzung des Sanierungskonzepts beschäftigt.
Im Januar und Februar 1992 waren K, R und T nur in sehr begrenztem Umfang für die Klägerin tätig. Sie beschäftigten sich im Wesentlichen damit, einen dauerhaften Verwaltungssitz für die Klägerin in Schleswig-Holstein zu suchen. K ließ sich hierzu mit Schreiben vom 14. Januar 1992 über mögliche Standorte informieren. In einem weiteren Schreiben vom 21. Januar 1992 beschäftigte er sich mit einem in N einzurichtenden Telefonanschluss. Mit Schreiben vom 22. Januar 1992 wurde K von der A-AG über bestimmte Immobilien informiert. Diese Schreiben waren an den Arbeitsort des K bei der W Holding GmbH in H gerichtet. Zusammenkünfte der Herren K, R und T fanden selten statt. Sie kamen in der W-Geschäftsstelle in ..., einmal an einer Autobahnraststätte in der Nähe von ... und einmal in ... zusammen. Im Rahmen der Standortsuche besuchten sie schließlich dreimal die Gegend um N.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 20. November 2002 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nach Durchführung einer im Jahr 1996 begonnenen Außenprüfung bei der Klägerin den Gewerbesteuermessbetrag 1992 auf ... DM fest.
Mit weiterem Bescheid vom 25. November 2002 wurde der Gewerbesteuermessbetrag für 1992 zerlegt. Er wurde F in Höhe von ... DM und N in Höhe von ... DM zugewiesen. Die Zerlegung war auf Grundlage einer Zuweisung von Arbeitslöhnen von 8.333 DM an F und von 45.667 DM an N erfolgt. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 19. Dezember 2002 Einspruch ein.
Das FA änderte den Zerlegungsbescheid am 21. Februar 2003 dahingehend, dass der Zerlegung nur die auf volle 1.000 DM abgerundeten Arbeitslöhne zugrunde gelegt wurden. So gelangte es zu einem Anteil von 8.000 DM/53.000 DM für F und 45.000 DM/53.000 DM für N. Der Gewerbesteuermessbetrag wurde so F in Höhe von ... DM und N in Höhe von ... DM zugewiesen.
Einspruch und Klage gegen den Zerlegungsbescheid blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) lud F mit Beschluss vom 29. Oktober 2010 zu dem Klageverfahren bei.
Mit Urteil vom 30. Juni 2011 wies das FG die Klage als unbegründet ab. Wegen der Begründung des Urteils wird auf die Veröffentlichung in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 1911 Bezug genommen.
Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin in erster Linie die vollständige Zuweisung des Gewerbesteuermessbetrags an N.
Zu ihren Hilfsanträgen trägt die Klägerin vor, dass sie in den Monaten Januar und Februar 1992 allenfalls Geschäftsleitungsbetriebsstätten an den Wohnorten der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH in A, W und M gehabt habe.
Die Klägerin beantragt, |
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1. das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 30. Juni 2011 1 K 73/06 wird aufgehoben. Der Bescheid über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags für 1992 vom 25. November 2002, geändert am 21. Februar 2003 sowie die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2006 werden dahingehend geändert, dass der nicht auf die Gemeinde N entfallende Zerlegungsanteil auf 0 DM festgesetzt und der gesamte Gewerbesteuermessbetrag der Gemeinde N zugewiesen wird. |
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2. Erster Hilfsantrag: Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 30. Juni 2011 1 K 73/06 wird aufgehoben. Der Bescheid über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags für 1992 vom 25. November 2002, geändert am 21. Februar 2003, sowie die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2006 werden dahingehend geändert, dass bei der Berechnung der Zerlegungsanteile die ab 1. März 1992 tatsächlich gezahlten (Geschäftsführer-)Vergütungen von monatlich insgesamt 15.000 DM berücksichtigt und die Zerlegungsanteile entsprechend festgesetzt werden; ferner werden die nicht auf die Gemeinde N entfallenden Zerlegungsanteile nicht F, sondern je zu 1/3 der Stadt W, der Stadt M und der Stadt A zugewiesen. |
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3. Zweiter Hilfsantrag: Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 30. Juni 2011 1 K 73/06 wird aufgehoben. Der Bescheid über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags für 1992 vom 25. November 2002, geändert am 21. Februar 2003, sowie die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2006 werden dahingehend geändert, dass bei der Berechnung der Zerlegungsanteile die ab 1. März 1992 tatsächlich gezahlten (Geschäftsführer-)Vergütungen von monatlich insgesamt 15.000 DM berücksichtigt und die Zerlegungsanteile entsprechend festgesetzt werden; ferner werden die nicht auf die Gemeinde N entfallenden Zerlegungsanteile nicht ausschließlich F, sondern zu 2/6 der Stadt W und zu je 1/6 F, der Stadt H, der Stadt M und der Stadt A zugewiesen. |
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4. Dritter Hilfsantrag: Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 30. Juni 2011 1 K 73/06 wird aufgehoben. Der Bescheid über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags für 1992 vom 25. November 2002, geändert am 21. Februar 2003, sowie die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2006 werden dahingehend geändert, dass bei der Berechnung der Zerlegungsanteile die ab 1. März 1992 tatsächlich gezahlten (Geschäftsführer-)Vergütungen von monatlich insgesamt 15.000 DM berücksichtigt und die Zerlegungsanteile entsprechend festgesetzt werden, wobei der nicht auf die Gemeinde N entfallende Zerlegungsanteil F zugewiesen wird. |
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Senat hat N mit Beschluss vom 10. Juni 2014 notwendig zu dem Verfahren beigeladen.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin einen Schriftsatz vom 31. Oktober 2014 eingereicht. Darin macht sie geltend, § 189 der Abgabenordnung (AO) sei nur als Korrekturnorm, nicht aber im Rahmen des vorliegenden Rechtsschutzverfahrens anwendbar. Weil nach dieser Norm nur Gemeinden, nicht auch Steuerpflichtige antragsbefugt seien, könne sie dem Steuerpflichtigen nicht entgegengehalten werden. Soweit die Klägerin im Erhebungszeitraum Januar und Februar 1992 eine andere Betriebsstätte als in N gehabt habe, sei diese jedenfalls nicht in F belegen gewesen. Dieser Gemeinde dürfe deshalb kein Anteil am Gewerbesteuermessbetrag zugeteilt werden; der Anteil sei dann keiner Gemeinde zuzuteilen. Allenfalls käme eine Zuteilung an die Gemeinden W, H, M und A in Betracht, die dann aber vorher zum Verfahren hätten beigeladen werden müssen.
II. Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass bei der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung eines Unternehmens immer nur an einem Ort bestehen kann (dazu unter 1.). Aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG kann der Senat nicht entscheiden, an welchen Orten die Klägerin in dem streitigen Erhebungszeitraum eine Betriebsstätte unterhalten hat (dazu unter 2.).
1. Nach § 28 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes in der in 1992 (Streitjahr) geltenden Fassung (GewStG) ist der einheitliche Steuermessbetrag in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile (Zerlegungsanteile) zu zerlegen, wenn im Erhebungszeitraum Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten werden.
a) Der Erhebungszeitraum entsprach im Streitfall dem Kalenderjahr.
Dass die Gewerbesteuerpflicht der Klägerin im gesamten Streitjahr bestanden hat, folgt bereits aus dem Gewerbesteuermessbescheid vom 20. November 2002. Der Gewerbesteuermessbescheid ist gemäß § 184 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO für den Zerlegungsbescheid bindend, soweit die im Gewerbesteuermessbescheid getroffenen Feststellungen für den Zerlegungsbescheid von Bedeutung sind. Gegenstand der Entscheidung im Gewerbesteuermessbescheid ist gemäß § 14 GewStG auch die Bestimmung des Erhebungszeitraums, auf welchen sich die Steuerpflicht erstreckt. Diese Entscheidung ist für den Zerlegungsbescheid i.S. des § 182 Abs. 1 Satz 1 AO von Bedeutung. Denn eine Zerlegung knüpft gemäß § 28 Abs. 1 GewStG daran an, ob im Erhebungszeitraum mehrere Betriebsstätten unterhalten worden sind.
Mit dem gegenüber der Klägerin ergangenen Gewerbesteuermessbescheid 1992 vom 20. November 2002 ist das gesamte Kalenderjahr als Erhebungszeitraum festgestellt worden. Dies folgt bereits daraus, dass der Gewerbesteuermessbescheid keine Feststellung eines abgekürzten Erhebungszeitraums gemäß § 14 Satz 3 GewStG enthält. Dass der Erhebungszeitraum schon zum Anfang des Kalenderjahres und nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnt, folgt im Übrigen auch aus der Bezugnahme in dem Gewerbesteuermessbescheid auf den Einheitswert für den gewerblichen Betrieb auf den 1. Januar 1992.
b) Für die Bestimmung des Begriffs der Betriebsstätte in § 28 Abs. 1 GewStG gilt die Definition in § 12 AO (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. September 2000 X R 174/96, BFHE 194, 222, BStBl II 2001, 734; vom 12. Februar 2004 IV R 29/02, BFHE 205, 295, BStBl II 2004, 602, und vom 16. Dezember 2009 I R 56/08, BFHE 228, 356, BStBl II 2010, 492). Gemäß § 12 Satz 1 AO ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Die Stätte der Geschäftsleitung gehört nach § 12 Satz 2 Nr. 1 AO zu den Orten, die insbesondere als Betriebsstätte anzusehen sind. Gemäß § 10 AO ist die Geschäftsleitung der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung.
aa) Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung i.S. von § 10 AO ist dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebliche Wille gebildet wird. Es kommt hierbei darauf an, an welchem Ort die für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einigem Gewicht angeordnet werden. Regelmäßig ist das der Ort, an dem die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende laufende Geschäftsführertätigkeit entfalten, d.h. an dem sie die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen vornehmen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt (sog. Tagesgeschäfte). Für Personengesellschaften bedeutet dies, dass sich der Mittelpunkt der Geschäftsleitung regelmäßig dort befindet, wo die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende Geschäftsführertätigkeit entfalten. Für die Komplementär-GmbH einer KG ist deshalb entscheidend, an welchem Ort die für die GmbH handelnde Geschäftsführung die Geschäfte, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt, tatsächlich wahrnimmt. Mit den Tagesgeschäften sind diejenigen Geschäfte gemeint, die in die alleinige Zuständigkeit des Komplementärs fallen und keines Gesellschafterbeschlusses bedürfen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 205, 295, BStBl II 2004, 602).
bb) Nach § 12 Satz 1 AO setzt die Annahme einer Betriebsstätte eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (BFH-Urteile vom 3. Februar 1993 I R 80-81/91, BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462, und in BFHE 228, 356, BStBl II 2010, 492). Unschädlich für die Annahme einer Betriebsstätte ist es, wenn das betreffende Gebäude oder einzelne Räume auch von anderen Personen mitgenutzt werden. Die für die Annahme einer Geschäftseinrichtung erforderliche nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die betreffende Einrichtung verlangt eine Rechtsposition, die ohne Mitwirkung des Betreffenden nicht ohne Weiteres beseitigt oder verändert werden kann. Diese Rechtsposition muss jedoch weder ausdrücklich vereinbart noch auf einen bestimmten Raum oder Arbeitsplatz bezogen sein. Es genügt, wenn aus tatsächlichen Gründen anzunehmen ist, dass dem Unternehmer irgendein für seine Tätigkeit geeigneter Raum zur Verfügung gestellt wird. Ausreichend ist es etwa, wenn der Besitzer der Einrichtung gegenüber dem Nutzer vertraglich verpflichtet ist, ihm eine Nutzungsmöglichkeit auf seinem Gelände einzuräumen, auch wenn damit keine Zuweisung eines für längere Zeit unentziehbaren Anspruchs auf einen bestimmten Arbeitsplatz verbunden ist. Unzureichend ausgeprägt ist die Verfügungsgewalt für die Annahme einer Betriebsstätte allerdings dann, wenn nur eine bloße Möglichkeit zur Mitnutzung von Einrichtungen eines Dritten besteht (BFH-Urteile in BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462; vom 14. Juli 2004 I R 106/03, BFH/NV 2005, 154).
c) Kommen nach den vorgenannten Kriterien mehrere Orte als Ort der Geschäftsleitung in Betracht, so ist grundsätzlich eine Gewichtung der Tätigkeiten an den verschiedenen Orten vorzunehmen. Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung nach § 10 AO ist dort anzunehmen, wo sich die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht bedeutsamste Stelle befindet (vgl. BFH-Urteile vom 21. September 1989 V R 55/84, BFH/NV 1990, 353; vom 23. Januar 1991 I R 22/90, BFHE 164, 164, BStBl II 1991, 554; vom 7. Dezember 1994 I K 1/93, BFHE 176, 253, BStBl II 1995, 175, und vom 3. Juli 1997 IV R 58/95, BFHE 184, 185, BStBl II 1998, 86).
In seltenen Fällen ist eine Gewichtung im vorstehenden Sinn allerdings nicht möglich mit der Folge, dass mehrere Geschäftsleitungsbetriebsstätten bestehen (vgl. BFH-Urteile vom 15. Oktober 1997 I R 76/95, BFH/NV 1998, 434; vom 30. Januar 2002 I R 12/01, BFH/NV 2002, 1128; vom 16. Dezember 1998 I R 138/97, BFHE 188, 251, BStBl II 1999, 437; gleicher Ansicht Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 10 AO Rz 41; Gosch, Die steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 1998, 106, 107 f.; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 10 AO Rz 9; ähnlich Kempermann, Finanz-Rundschau 1999, 758; anderer Ansicht Koenig/Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 10 Rz 7, sowie Klein/Gersch, AO, 12. Aufl., § 10 Rz 3). Dies gilt insbesondere dann, wenn mehrere Personen, die mit gleichwertigen Geschäftsführungsaufgaben betraut sind, diese nicht von einem gemeinsamen Ort, sondern von unterschiedlichen Orten aus wahrnehmen.
d) Da das FG davon ausgegangen ist, dass zur gleichen Zeit nur eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte bestehen kann, ist das Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Ob eine Gewichtung der verschiedenen Tätigkeiten im Streitfall die Annahme eines Mittelpunktes erlaubt, kann der erkennende Senat anhand der bisher getroffenen Feststellungen nicht selbst prüfen, weshalb es an der Spruchreife nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO fehlt.
2. Der Senat weist ohne Bindungswirkung für den zweiten Rechtsgang darauf hin, dass --entsprechend der Rechtsansicht des FG-- bei der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags ein fiktiver Arbeitslohn (sog. Unternehmerlohn) der Mitunternehmer der Klägerin gemäß § 31 Abs. 5 GewStG anzusetzen ist (a). Die von der Komplementär-GmbH an deren Geschäftsführer gezahlten und von der Klägerin erstatteten Löhne sind der Klägerin auch nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zuzuordnen (b). Eine Zuteilung eines Anteils am Gewerbesteuermessbetrag kommt nur an F und N in Betracht, da nur diese Gemeinden an dem hier streitigen Zerlegungsverfahren gemäß § 186 Nr. 2, § 188 AO beteiligt sind und wegen des zwischenzeitlichen Ablaufs der Frist gemäß § 189 Satz 3 AO eine Änderung oder Nachholung der Zerlegung unter nachträglicher Beteiligung einer anderen Gemeinde nicht mehr möglich ist (Zerlegungssperre).
a) Bei der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags ist ein fiktiver Arbeitslohn (sog. Unternehmerlohn) für die im Betrieb der Klägerin tätigen Mitunternehmer gemäß § 31 Abs. 5 GewStG anzusetzen.
aa) Nach § 28 Abs. 1 GewStG ist der Gewerbesteuermessbetrag in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile zu zerlegen, wenn im Erhebungszeitraum Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten worden sind. Maßstab der Zerlegung ist gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG das Verhältnis der Summe der in allen Betriebsstätten gezahlten Arbeitslöhne zu den Arbeitslöhnen, die in den Betriebsstätten der einzelnen Gemeinden gezahlt werden. Als Arbeitslöhne bestimmt § 31 Abs. 1 GewStG grundsätzlich die Vergütungen im Sinne der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Gemeinden, in denen Betriebsstätten unterhalten werden, sollen durch die Zerlegung einen finanziellen Ausgleich für diejenigen Lasten erhalten, die ihnen durch die Betriebsstätten erwachsen. Da sich die tatsächliche Höhe dieser Lasten --wenn überhaupt-- nur mit sehr großem Aufwand und auch dann nur ungenau ermitteln ließe, hat sich der Gesetzgeber mit der Regelung über die Zerlegung in § 29 Abs. 1 GewStG bewusst für einen indirekten und groben Zerlegungsmaßstab entschieden (BFH-Urteile vom 24. Mai 2006 I R 102/04, BFH/NV 2007, 270, und vom 5. Juni 2007 I R 49/06, BFH/NV 2007, 2346).
bb) § 31 Abs. 5 GewStG schreibt für Unternehmen, die nicht von einer juristischen Person betrieben werden, den Ansatz von (im Streitjahr 1992) jährlich 50.000 DM als Arbeitslohn für die im Betrieb tätigen Unternehmer (Mitunternehmer) vor.
(1) Das Gesetz fingiert für Zwecke der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags den Ansatz eines Lohns für den Unternehmer, um Nachteile auszugleichen, die sich bei einer alleine an Fremdarbeitslöhnen orientierten Zerlegung ergäben. So würde sich kein Zerlegungsanteil für die Gemeinde ergeben, wenn in der dort belegenen Betriebsstätte der Unternehmer alleine tätig wäre, während in Betriebsstätten in anderen Gemeinden nur Angestellte tätig wären (vgl. BTDrucks 10/1636, S. 70; in der Rechtsprechung schon Urteil des Reichsfinanzhofs vom 22. März 1939 VI B 1/39, RFHE 46, 262, RStBl 1939, 730; BFH-Urteil vom 5. November 1987 IV R 153/84, BFHE 151, 484, BStBl II 1988, 191).
Es dient der Vereinfachung, den Unternehmerlohn mit einem fiktiven Betrag und nicht nach den individuellen Verhältnissen anzusetzen. Diese pauschalierende, auf Praktikabilität ausgerichtete Handhabung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil die Mitarbeit eines Unternehmers in seinem Unternehmen kaum jemals genau bewertet werden könnte (BFH-Urteil in BFHE 151, 484, BStBl II 1988, 191).
(2) Der fiktive Unternehmerlohn ist dann anzusetzen, wenn das Unternehmen nicht von einer juristischen Person betrieben wird. Der Ansatz des fiktiven Unternehmerlohns ist ebenso vorzunehmen, wenn das Unternehmen von einer Mitunternehmerschaft betrieben wird, deren Mitunternehmer juristische Personen sind (so schon BFH-Urteil in BFHE 205, 295, BStBl II 2004, 602).
§ 31 Abs. 5 GewStG ist unternehmensbezogen auszulegen. Das Ausschlusskriterium für den Ansatz des fiktiven Unternehmerlohns --das Vorliegen einer juristischen Person-- bezieht sich auf die Rechtsnatur des Unternehmens, nicht auf die Rechtsnatur der daran beteiligten Gesellschafter. Denn die an einer Mitunternehmerschaft beteiligte Kapitalgesellschaft erbringt --ebenso wie eine natürliche Person oder eine weitere Personengesellschaft-- als Mitunternehmerin Leistungen an die Mitunternehmerschaft, für die deshalb ein fiktiver Unternehmerlohn bei der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags anzusetzen ist. Das Gehalt, das die Komplementär-GmbH ihren Geschäftsführern bezahlt, ist deshalb nicht der Mitunternehmerschaft, sondern der Komplementär-GmbH zuzurechnen und dort ggf. für Zwecke der Zerlegung zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 205, 295, BStBl II 2004, 602; ebenso Bichel, StBp 1978, 185; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 8. Aufl., § 31 Rz 9; Blümich/Hofmeister, § 31 GewStG Rz 10, und Sarrazin in Lenski/ Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 31 Rz 58).
Das Argument der Klägerin, bei Vorhandensein einer juristischen Person als Mitunternehmerin könne auf die von dieser gezahlten Löhne abgestellt werden, vermischt in unzulässiger Weise die Rechtskreise der Mitunternehmerschaft und ihrer Mitunternehmer.
(3) Entgegen der Ansicht der Klägerin widerspricht diese Rechtsprechung auch nicht dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. Mai 1993 GrS 3/92 (BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616). Jene Entscheidung betrifft die Frage, inwieweit gewerbesteuerlich Verluste einer Personengesellschaft mit späteren Gewinnen verrechnet werden können, wenn zwischenzeitlich ein Gesellschafterwechsel stattgefunden hat. Der Große Senat gelangte zu der Auffassung, dass Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10a GewStG Unternehmeridentität sei und dass sich darauf auch Gesellschafterwechsel bei einer Personengesellschaft auswirken. Grundlage dafür war die Auslegung von § 2 Abs. 1 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Andere Regelungen des GewStG bestätigten nach Ansicht des Großen Senats das gefundene Ergebnis, u.a. auch § 31 Abs. 5 GewStG, der die Unternehmerstellung des Gesellschafters "verdeutliche". Der Regelung liege offensichtlich die Vorstellung zugrunde, dass die Tätigkeit des Gesellschafters im Betrieb der Gesellschaft die Tätigkeit eines Unternehmers (Mitunternehmers) der Gesellschaft sei. Dem Beschluss des Großen Senats kann darüber hinaus keine Aussage dazu entnommen werden, ob und inwieweit der Ansatz eines fiktiven Unternehmerlohns von der Rechtsform des Mitunternehmers abhängt.
b) Bei der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags sind die Arbeitnehmer der Komplementär-GmbH der Klägerin nicht etwa nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zuzuordnen. Der fiktive Unternehmerlohn für die Mitunternehmer wird deshalb nicht durch die Löhne der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH überlagert.
aa) Bei der Bestimmung des Maßstabs für die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG auf die Löhne der an den Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen. Werden Arbeitnehmer bei einem anderen Unternehmer angestellt als bei dem Unternehmer, bei dem sie zum Einsatz kommen, so kann unter bestimmten Umständen eine von der lohnsteuerrechtlichen Zuordnung abweichende wirtschaftliche Zuordnung vorzunehmen sein (BFH-Beschluss vom 11. Februar 1958 I B 23/57 U, BFHE 66, 469, BStBl III 1958, 182; BFH-Urteil vom 25. März 2004 IV R 42/03, BFH/NV 2004, 1291). Arbeitnehmer sind dann dem Beschäftigungs- und nicht dem Anstellungsunternehmen zuzurechnen, wenn --kumulativ-- |
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der vertragliche und tatsächliche Tätigkeitsbereich der Arbeitnehmer ausschließlich im Bereich des Betriebs des Beschäftigungsunternehmens liegt, |
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die Arbeitnehmer in den geschäftlichen Organismus des Beschäftigungsunternehmens eingegliedert sind und dessen Weisungen zu befolgen haben und |
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das Anstellungsunternehmen von dem Beschäftigungsunternehmen lediglich die Lohnaufwendungen erstattet erhält, ohne Verwaltungskosten oder einen Gewinnaufschlag zu berechnen (BFH-Urteile in BFHE 205, 295, BStBl II 2004, 602, und in BFH/NV 2004, 1291). |
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG die an die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH gezahlten Geschäftsführergehälter im Ergebnis zu Recht nicht der Klägerin zugeordnet.
Denn bereits Sinn und Zweck des fingierten Unternehmerlohns in § 31 Abs. 5 GewStG stehen einer zusätzlichen wirtschaftlichen Zurechnung der Arbeitslöhne von Geschäftsführern entgegen. Es käme anderenfalls zu einer doppelten Erfassung von Geschäftsführungsaufwand. Der stark vereinfachte, fingierte Unternehmerlohn gilt die Leistungen des Unternehmers ab, ohne die aufwändige oder gar unmögliche Prüfung eines angemessenen Unternehmerlohns zu verlangen. Würde man nun im Wege der wirtschaftlichen Zurechnung neben dem Unternehmerlohn auch Löhne berücksichtigen, die für Geschäftsführer gezahlt wurden, welche bei anderen Unternehmen angestellt sind, so würde die Geschäftsführungsleistung im Ergebnis mehrfach angesetzt.
c) Eine Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags kommt nur zwischen den beiden am Verfahren beteiligten Beigeladenen, den Gemeinden F und N, in Betracht.
Für den Fall, dass das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass die Klägerin ab dem 1. März 1992 die Stätte der Geschäftsleitung nicht in N oder jedenfalls nicht ausschließlich dort unterhalten hat und deshalb ein geringerer Anteil des Unternehmerlohns auf die Gemeinde N und ein höherer Anteil der Arbeitslöhne auf F entfällt, weist der Senat vorsorglich auf das Verböserungsverbot hin. Das FG wird zu beachten haben, dass eine Zuteilung eines Anteils am Steuermessbetrag nur an die am Verfahren beteiligten Gemeinden in Betracht kommt und dies auch nur insoweit, als die Klägerin in den beteiligten Gemeinden --hier N und F-- eine Betriebsstätte unterhalten hat. Auch wenn das FG im zweiten Rechtsgang feststellen sollte, dass nur eine Gemeinde --etwa F-- Empfänger der Zerlegungsanteile sein sollte, wäre der Zerlegungsbescheid nicht aufzuheben, sondern nur dahin zu ändern, dass --unter Beachtung des Verböserungsverbots-- der Gewerbesteuermessbetrag nur F zuzuteilen wäre.
3. Die mündliche Verhandlung war nach dem Eingang des Schriftsatzes des Klägervertreters vom 31. Oktober 2014 nicht wiederzueröffnen.
Nach § 121 Satz 1, § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob eine bereits geschlossene mündliche Verhandlung wiedereröffnet wird. Das Ermessen ist allerdings auf null reduziert, wenn durch die Ablehnung der Wiedereröffnung wesentliche Prozessgrundsätze verletzt würden, z.B. weil anderenfalls der Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzt oder die Sachaufklärung unzureichend ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. Juli 2006 IV B 94/05, BFH/NV 2006, 2266; vom 15. Oktober 2008 X B 106/08, BFH/NV 2009, 40, sowie BFH-Urteil vom 8. Oktober 1998 VIII R 67/96, BFH/NV 1999, 497, für den Fall der notwendigen Beiladung nach mündlicher Verhandlung ohne Teilnahmeverzicht des Beigeladenen).
Zu einer solchen Entscheidung gibt der nach Schließung der mündlichen Verhandlung am 31. Oktober 2014 bei dem BFH eingereichte Schriftsatz der Klägerin keine Veranlassung. Der Senat kommt auch unter Berücksichtigung der darin enthaltenen Ausführungen zu keinem anderen Entscheidungsergebnis. Die von der Klägerin beantragten Beiladungen hat der Senat nicht vorgenommen, da die von der Klägerin benannten Gemeinden nicht am Verfahren beteiligt waren (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Dezember 2002 I R 12/02, BFH/NV 2003, 636).