Entscheidungsdatum: 23.02.2012
1. Ob Schuldzinsen i.S. des § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungskosten oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vorliegen, bestimmt sich ausschließlich nach der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel .
2. Es wird unwiderlegbar vermutet, dass auf ein Kontokorrentkonto ausgezahlte Darlehensmittel zur Finanzierung solcher Anschaffungskosten oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens verwendet wurden, die innerhalb von 30 Tagen vor oder nach Auszahlung der Darlehensmittel tatsächlich über das entsprechende Kontokorrentkonto finanziert wurden. Beträgt der Zeitraum mehr als 30 Tage, muss der Steuerpflichtige den erforderlichen Finanzierungszusammenhang zwischen Auszahlung der Darlehensmittel und Bezahlung der Wirtschaftsgüter nachweisen .
3. Die Finanzierung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens durch Belastung des Kontokorrentkontos reicht aus, um die dadurch veranlassten Schuldzinsen von der Überentnahmeregelung auszunehmen (entgegen Tz. 27 des BMF-Schreibens vom 17. November 2005, BStBl I 2005, 1019) .
A. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG. Ihr Gewinn im Streitjahr 2002 wurde zunächst mit Bescheid vom 7. August 2003 gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgestellt.
Im Rahmen einer für die Jahre 2000 bis 2002 durchgeführten Außenprüfung stellte der Prüfer u.a. fest, dass die Klägerin am 12. November 2001, am 22. Februar 2002 und am 16. April 2002 bei der Sparkasse D drei Darlehen über insgesamt 355.000 € aus KfW-Mittelstandsprogrammen aufgenommen hatte. Die für die Darlehen im Streitjahr aufgewendeten Schuldzinsen waren als Betriebsausgaben verbucht worden. Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass die Darlehen nicht als nach § 4 Abs. 4a Satz 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigte Investitionsdarlehen zu behandeln seien, da der in Tz. 27 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22. Mai 2000 IV C 2 -S 2144- 60/00 (BStBl I 2000, 588) i.d.F. des BMF-Schreibens vom 28. März 2001 IV A 6 -S 2144- 34/01 (BStBl I 2001, 245) geforderte enge zeitliche und betragsmäßige Zusammenhang mit Investitionen in Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nicht festgestellt werden könne. Die Darlehensmittel seien auf das Kontokorrentkonto bei der Sparkasse D ausgezahlt und für laufende Betriebsmittel verbraucht worden. Die nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen ermittelte der Prüfer unter Berücksichtigung aller Über- und Unterentnahmen in den Jahren 1999 bis 2002 für das Streitjahr 2002 mit 12.903 € und rechnete sie nach § 4 Abs. 4a EStG dem Gewinn hinzu, so dass sich für das Streitjahr 2002 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 259.779,02 € ergaben.
Den Feststellungen der Betriebsprüfung folgend erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) unter dem 30. November 2004 auch für das Streitjahr 2002 einen geänderten Feststellungsbescheid. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies er durch Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 2005 als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Klägerin mit Urteil vom 2. April 2008 als unbegründet ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2008, 1270).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG und führt zur Begründung im Wesentlichen aus:
Bei den KfW-Darlehen handele es sich um zweckgebundene Darlehen. Sie seien zur Schaffung von Voll- und Teilzeitarbeitsplätzen sowie für die Anschaffung diverser Maschinen und Geräte gewährt worden. Für die Schaffung von Arbeitsplätzen zwangsläufig erforderliche Investitionen könnten nicht innerhalb der von der Verwaltung in Tz. 27 des BMF-Schreibens vom 17. November 2005 IV B 2 -S 2144- 50/05 (BStBl I 2005, 1019) vorgegebenen 30-Tage-Frist erfolgen. Dem FG sei exemplarisch die Investitionsplanung der Klägerin für das Jahr 2002 vorgelegt worden. Aus dieser ergäben sich für jenes Jahr geplante Investitionen in Höhe von 290.000 €. Den handschriftlichen Ergänzungen sei zu entnehmen, dass verschiedene dieser Investitionen in der Zeit vom 18. Februar bis zum 3. September 2002 getätigt worden seien. Zudem seien auch andere als die ursprünglich geplanten Investitionen und ebenso nicht dem Anlagevermögen zuzuordnende Investitionen getätigt worden.
Wie sich aus der der Revisionsbegründung beigefügten Investitionszusammenstellung der Jahre 2001 und 2002 ergebe, könnten selbst unter Berücksichtigung des 30-Tage-Zeitraums Darlehensmittel aus den KfW-Darlehen in Höhe von 71.290,23 € begünstigten Investitionen i.S. des § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG zugeordnet werden. Berücksichtige man die in der Praxis übliche Vorlaufzeit von 90 Tagen und eine Nachlaufzeit von 30 Tagen, ergebe sich sogar ein Betrag von 161.389,20 €.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
B. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die bisherigen Feststellungen des FG ermöglichen keine Prüfung, ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin entstandene Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG privilegiert sind.
I. Schuldzinsen sind als Betriebsausgaben nur abziehbar, wenn sie betrieblich veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG) und ihr Abzug nicht im Hinblick auf Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG eingeschränkt ist. Die steuerliche Abziehbarkeit von Schuldzinsen ist danach zweistufig zu prüfen. In einem ersten Schritt ist zu klären, ob und inwieweit Schuldzinsen überhaupt zu den betrieblich veranlassten Aufwendungen gehören. Danach ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Betriebsausgabenabzug im Hinblick auf Überentnahmen durch § 4 Abs. 4a EStG eingeschränkt ist (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. September 2005 X R 46/04, BFHE 211, 238, BStBl II 2006, 125, und vom 3. März 2011 IV R 53/07, BFHE 233, 127, BStBl II 2011, 688). Eine Ausnahme von der Abzugsbeschränkung sieht der Gesetzgeber lediglich in § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG vor. Nach dieser Vorschrift bleibt der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens unberührt. Ihr Abzug ist also unbeschränkt möglich.
1. Ob Schuldzinsen i.S. des § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vorliegen, bestimmt sich ausschließlich nach der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel. Auf die Mittelverwendungsabsicht des Darlehensnehmers oder eine der Darlehensvereinbarung zu Grunde liegende Zweckbindung des Darlehens kommt es demgegenüber nicht an.
a) Mit § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG privilegiert der Gesetzgeber Aufwendungen für betriebliche Investitionen in Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Solche Investitionen sollen durch die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 4a EStG nicht behindert werden (vgl. BFH-Urteil vom 23. März 2011 X R 28/09, BFHE 233, 404, BStBl II 2011, 753). Privilegiert wird damit nicht die Aufnahme des --ggf. auch zweckgebundenen-- Darlehens, sondern erst die tatsächliche Verwendung der Darlehensmittel für die begünstigte Investition, d.h. für die Anschaffung bzw. Herstellung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Der erforderliche Zurechnungszusammenhang zwischen dem finanzierten Wirtschaftsgut und der Kreditaufnahme wird also --ebenso wie bei der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zur Erwerbs- oder zur Privatsphäre (vgl. hierzu z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817)-- nicht bereits durch eine entsprechende willentliche Zuordnung durch den Steuerpflichtigen, sondern erst durch die tatsächliche Verwendung der Darlehensmittel zur Finanzierung des Wirtschaftsguts hergestellt. Das steuerrechtliche Schicksal von Schuldzinsen hängt allein von der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel ab; nur diese ist der Besteuerung zu Grunde zu legen (vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, und BFH-Urteil vom 25. Mai 2011 IX R 22/10, BFH/NV 2012, 14).
b) Die Feststellung, wofür ein Darlehen im Einzelfall tatsächlich verwendet wurde, obliegt dem FG als Tatsacheninstanz. Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen des erforderlichen Zurechnungszusammenhangs als Voraussetzung für die steuermindernde Berücksichtigung der geltend gemachten Schuldzinsen trifft den Steuerpflichtigen (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 2012, 14, und vom 17. Dezember 2003 XI R 19/01, BFH/NV 2004, 1277).
2. Im vorliegenden Fall wurden die Darlehensmittel aus den drei KfW-Darlehen nicht auf ein gesondertes Konto, auf das bis zu ihrem vollständigen Verbrauch keine weiteren Zahlungseingänge erfolgt sind, sondern auf das Kontokorrentkonto der Klägerin bei der Sparkasse D überwiesen.
a) Werden Darlehensmittel zunächst auf ein betriebliches Kontokorrentkonto überwiesen, von dem sodann die Anlagegüter bezahlt werden, oder wird zunächst das Kontokorrentkonto belastet und anschließend eine Umschuldung in ein langfristiges Darlehen vorgenommen, kann nach Auffassung der Finanzverwaltung ein Finanzierungszusammenhang zur Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nur angenommen werden, wenn ein enger zeitlicher und betragsmäßiger Zusammenhang zwischen der Belastung auf dem Kontokorrentkonto und der Darlehensaufnahme besteht. Einen engen zeitlichen Zusammenhang nimmt die Finanzverwaltung dabei nur an, wenn zwischen der Überweisung der Darlehensmittel auf das Konto und der Abbuchung zur Bezahlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten ein Zeitraum von nicht mehr als 30 Tagen liegt. Der Nachweis hierfür ist vom Steuerpflichtigen zu erbringen (Tz. 27 des BMF-Schreibens in BStBl I 2005, 1019, das nach seiner Tz. 39 an die Stelle der BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 588, und in BStBl I 2001, 245 tritt).
Dem schließt sich der Senat insoweit an, als danach eine unwiderlegbare Vermutung dafür besteht, dass auf ein Kontokorrentkonto ausgezahlte Darlehensmittel zur Finanzierung solcher Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens verwendet wurden, die innerhalb von 30 Tagen vor oder nach Auszahlung der Darlehensmittel tatsächlich über das entsprechende Kontokorrentkonto finanziert wurden. Beträgt der entsprechende Zeitraum mehr als 30 Tage, bleibt dem Steuerpflichtigen nach Ansicht des Senats jedoch die Möglichkeit, den erforderlichen Finanzierungszusammenhang zwischen Auszahlung der Darlehensmittel auf ein Kontokorrentkonto und Bezahlung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens im Einzelfall nachzuweisen. Dieser Nachweis wird allerdings umso schwieriger zu führen sein, je größer die Anzahl und der Umfang der Zahlungsvorgänge auf dem Kontokorrentkonto ist. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass Darlehensmittel nicht zur Finanzierung solcher Investitionen verwendet worden sein können, die bei Auszahlung der Darlehensmittel bereits abschließend finanziert waren (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 2012, 14, und vom 9. Februar 2010 VIII R 21/07, BFHE 229, 108, BStBl II 2011, 257). Da es in einem solchen Fall an einer (Vor-)Finanzierung durch ein anderes Darlehen fehlt, kann die Aufnahme eines (weiteren) Darlehens auch keine Umschuldung darstellen.
b) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Der Senat kann mangels Spruchreife jedoch nicht in der Sache selbst entscheiden. Denn das FG hat, ausgehend von seiner materiellen Sicht, bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob und ggf. in welcher Höhe die Klägerin innerhalb der Frist von 30 Tagen vor bzw. nach Auszahlung der jeweiligen Darlehensmittel aus den streitigen KfW-Darlehen auf das Kontokorrentkonto bei der Sparkasse D von diesem Konto Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bezahlt hat. Soweit entsprechende Belastungen des Kontokorrentkontos gegeben sind, gelten die Darlehensmittel nach den oben unter B.I.2.a genannten Grundsätzen als tatsächlich zur Finanzierung dieser Kosten verwendet. In entsprechendem Umfang sind die auf die KfW-Darlehen entfallenden Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG von der Abzugsbeschränkung ausgenommen.
II. Im zweiten Rechtsgang muss das FG darüber hinaus ermitteln, ob und ggf. in welchem Umfang durch die Finanzierung von Anlagevermögen über Kontokorrentkonten Kontokorrentzinsen entstanden sind, die unbeschränkt nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG abgezogen werden können.
1. Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin auch im Streitjahr 2002 Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens über Kontokorrentkonten bezahlt. Ist durch die entsprechende Belastung des Kontokorrentkontos dessen Saldo negativ geworden oder hat sich dadurch ein bereits vorhandener negativer Saldo erhöht, sind die insoweit entstandenen Kontokorrentzinsen nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG unbeschränkt abzugsfähig.
a) Nach Ansicht des erkennenden Senats setzt der unbegrenzte Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG nicht voraus, dass ein gesondertes Darlehen aufgenommen wird. Die Vorschrift findet vielmehr ebenso Anwendung, wenn die Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens über ein Kontokorrentkonto finanziert wird und dadurch auf diesem ein negativer Saldo entsteht oder sich erhöht (entgegen Tz. 27 des BMF-Schreibens in BStBl I 2005, 1019).
Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich auch bei einer Kontokorrentverbindlichkeit um ein Darlehen. Entsteht eine solche Verbindlichkeit durch betrieblich veranlasste Auszahlungen oder Überweisungen, dürfen die darauf entfallenden Schuldzinsen als Betriebsausgaben abgezogen werden (z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817). Diese Grundsätze finden auch im Rahmen des § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG Anwendung.
aa) Dem Wortlaut des § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG lässt sich die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung, die Belastung eines Kontokorrentkontos zur Finanzierung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens reiche nicht aus, um die darauf entfallenden Kontokorrentzinsen von der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 4a EStG auszunehmen, nicht entnehmen. Die Norm setzt lediglich Schuldzinsen für ein "Darlehen" voraus. Wie dargelegt, handelt es sich auch bei einer Kontokorrentverbindlichkeit um ein Darlehen und bei den darauf entfallenden Kontokorrentzinsen um Schuldzinsen.
bb) Auch Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4a EStG erfordern keine einschränkende Auslegung des Begriffs des Darlehens i.S. des § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG.
§ 4 Abs. 4a EStG begrenzt den Schuldzinsenabzug. Ohne nachteilige Folgen für den betrieblichen Schuldzinsenabzug soll der Unternehmer nicht mehr die gesamten Betriebseinnahmen, sondern lediglich den im Unternehmen erwirtschafteten Gewinn sowie die geleisteten Einlagen entnehmen können (z.B. BFH-Urteil in BFHE 233, 127, BStBl II 2011, 688). Von diesem Grundsatz sieht der Gesetzgeber nur in § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG eine Ausnahme vor und nimmt Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens von der Abzugsbeschränkung aus. Anstehende betriebliche Investitionen in das Anlagevermögen sollen durch die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs nicht erschwert werden (BFH-Urteil in BFHE 233, 404, BStBl II 2011, 753). Im Hinblick auf diesen Gesetzeszweck macht es aber keinen Unterschied, ob die nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG privilegierten Schuldzinsen für die Aufnahme eines gesonderten Darlehens zur Finanzierung von Anlagevermögen anfallen oder aber --in Form von Kontokorrentzinsen-- für die Finanzierung von Anlagevermögen durch Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits (z.B. Paus, Finanz-Rundschau --FR-- 2000, 957, 969, und Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2001, 548; Kanzler, Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 2000, 513, 516 f.; Wendt, FR 2006, 282, 283; Korn in Korn, § 4 EStG Rz 853.1; Schallmoser in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 1076; Deussen in Bordewin/Brandt, § 4 EStG Rz 2115).
b) Fällt demnach auch die Finanzierung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens über ein Kontokorrentkonto in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG, bleibt zu klären, nach welchen Grundsätzen die für ein solches Konto anfallenden betrieblichen Kontokorrentzinsen auf die Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens einerseits und auf die Finanzierung von sonstigem betrieblichem Aufwand andererseits aufzuteilen sind. Insofern handelt es sich um ein vergleichbares Zuordnungsproblem wie bei der Aufteilung der für ein gemischtes Kontokorrentkonto entrichteten Schuldzinsen in einen betrieblichen und einen privat veranlassten Teil. In beiden Fällen geht es um die Zuordnung von Schuldzinsen zu den Verbindlichkeiten, durch die sie veranlasst wurden. Dies spricht dafür, die für die Zuordnung von Zinsen zur Erwerbs- bzw. Privatsphäre entwickelten Grundsätze auch auf die Aufteilung der betrieblichen Schuldzinsen in solche, die durch die Finanzierung von Anlagevermögen und solche, die durch die Finanzierung von sonstigen betrieblichen Aufwendungen veranlasst sind, zu übertragen. Die Aufteilung ist deshalb auch insoweit nach der Zinszahlenstaffelmethode bzw. ggf. durch Schätzung vorzunehmen (vgl. hierzu z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C.II.5.).
Ist Anlagevermögen über ein gemischtes Kontokorrentkonto finanziert worden, ist für die Berechnung der darauf entfallenden Schuldzinsen das Kontokorrentkonto daher entsprechend den privat veranlassten, den durch die Finanzierung von Anlagevermögen veranlassten und den durch die Finanzierung sonstiger betrieblicher Aufwendungen veranlassten Sollbuchungen rechnerisch in drei Unterkonten aufzuteilen; diesen sind die entsprechenden Sollbuchungen zuzuordnen (vgl. Paus, DStZ 2001, 548, 549). Dem Erfahrungssatz entsprechend, dass ein Steuerpflichtiger im Zweifel die für ihn steuerlich günstigste Gestaltung wählen wird (vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, und BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 1277), kann dabei --soweit der Steuerpflichtige keine andere Zuordnungsentscheidung trifft-- unterstellt werden, dass durch eingehende Betriebseinnahmen und Einlagen vorrangig die privaten Schuldenteile, und soweit solche nicht oder nicht mehr vorhanden sind, in zweiter Linie die durch sonstige betriebliche Aufwendungen entstandenen Schuldenteile und erst zuletzt die durch die Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens entstandenen Schuldenteile getilgt werden (vgl. Paus, DStZ 2001, 548 und FR 2000, 957, 969).
2. Die auf diese Weise ermittelten, auf die Finanzierung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens entfallenden Kontokorrentzinsen bleiben nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG von der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 4a EStG unberührt, sind also --ebenso wie Schuldzinsen, die auf ein gesondert aufgenommenes und zur Finanzierung von Anlagevermögen verwendetes Darlehen entfallen-- in vollem Umfang als Betriebsausgaben abziehbar. Sie gehen nicht in die Berechnung nach § 4 Abs. 4a Sätze 1 bis 4 EStG ein. Das bedeutet, dass sie vorab von den insgesamt entstandenen betrieblichen Schuldzinsen abgezogen und nur die übrigen betrieblich veranlassten Zinsen der Abzugsbeschränkung nach § 4 Abs. 4a EStG unterworfen werden (ebenso FG Münster, Urteil vom 29. März 2006 1 K 3456/04 F, EFG 2006, 1152; FG Nürnberg, Urteil vom 27. September 2005 I 309/2002, EFG 2006, 804; Schmidt/Heinicke, EStG, 30. Aufl., § 4 Rz 533).
3. Die bisherigen Feststellungen des FG ermöglichen keine Prüfung, ob und ggf. in welchem Umfang der Klägerin infolge der Finanzierung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens über Kontokorrentkonten nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG in vollem Umfang als Betriebsausgaben abziehbare Kontokorrentzinsen entstanden sind. Das FG erhält daher die Gelegenheit, auch die insoweit erforderlichen Feststellungen zu treffen.
III. Im zweiten Rechtsgang muss das FG schließlich feststellen, ob die Klägerin in Wirtschaftsjahren, die vor dem 1. Januar 1999 geendet haben, Unterentnahmen getätigt hat. Sollte dies der Fall sein, wird es entscheiden müssen, ob § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794) jedenfalls für Veranlagungszeiträume ab 2001 --und somit auch für das Streitjahr 2002-- eine verfassungsrechtlich nicht zulässige Rückwirkung beinhaltet (vgl. hierzu z.B. BFH-Beschluss vom 21. Mai 2010 IV B 88/09, BFH/NV 2010, 1613, und BFH-Urteil in BFHE 233, 127, BStBl II 2011, 688; FG Münster, Urteil vom 10. Februar 2005 8 K 3745/03 F, EFG 2005, 1177; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Januar 2006 10 K 99/03, EFG 2006, 1817, Revision anhängig unter X R 30/06).