Entscheidungsdatum: 03.07.2014
1. Die sich aus § 37 Abs. 1 SGB VIII ergebende Verpflichtung des Jugendamts, die leiblichen Eltern über die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie zu unterrichten, hat nicht den Zweck, den Kindesvater vor der Zahlung nicht mehr geschuldeten Kindes- und Betreuungsunterhalts an seine geschiedene Ehefrau zu schützen.
2. Die besondere, sich aus § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ergebende Pflicht des Jugendamts, eine unterhaltspflichtige Person über die Folgen für ihre Unterhaltspflicht aufzuklären, besteht nur im Zusammenhang mit der Erhebung eines Kostenbeitrags.
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 30. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszugs hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin ist die Erbin des im Laufe des Berufungsverfahrens verstorbenen ursprünglichen Klägers (im Folgenden: Kindesvater). Dieser hat gegen den beklagten Landkreis einen Amtshaftungsanspruch geltend gemacht, weil ihn der zuständige Mitarbeiter des Jugendamts nicht zeitnah über die Unterbringung seiner beiden Kinder in einer Vollzeitpflegestelle informiert und er deshalb zu Unrecht Ehegatten- und Kindesunterhalt gezahlt habe.
Nach der Trennung der Ehegatten übertrug das Familiengericht im April 1998 das alleinige Sorgerecht für die beiden ehelichen Kinder zunächst dem Kindesvater. Nach einem Aufenthalt Ende Dezember 1998 bei der Mutter wurden die Kinder von dieser zu der befreundeten Familie S. gebracht. Obwohl das Familiengericht die Herausgabe der Kinder angeordnet hatte, gelang es dem Kindesvater nicht, sie wieder zu sich zu nehmen, weil die Familie S. nicht auffindbar war. Der Kontakt zu seinen Kindern, die in der Folgezeit wieder bei ihrer Mutter lebten, brach ab. Schließlich wurde ihr die alleinige elterliche Sorge übertragen. Auf ihren Antrag brachte das Jugendamt des beklagten Landkreises die Kinder ab dem 1. Oktober 2001 in Vollzeitpflege bei der Familie S. unter, ohne den Kindesvater hiervon in Kenntnis zu setzen. In den Jahren 2000 bis 2006 erstritt die Mutter mehrere Unterhaltstitel gegen ihn, offenbarte den Aufenthaltsort der Kinder aber nicht. Mit Schreiben vom 26. Februar und 30. März 2004 teilte der beklagte Landkreis dem Kindesvater mit, dass für seine beiden Kinder laufend Jugendhilfeleistungen nach §§ 27, 33 SGB VIII erbracht würden und er verpflichtet sei, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten an den Kosten der Jugendhilfe zu beteiligen. Unter dem 13. April 2006 wies ihn der Beklagte darauf hin, dass er mit der Festsetzung eines Kostenbeitrags zu rechnen habe, wobei im Betreff dieses Schreibens erstmals die Art der Hilfe (Vollzeitpflege) konkret beschrieben und der Zeitpunkt ihres Beginns (1. Oktober 2001) angegeben waren. Ein zu zahlender Kostenbeitrag wurde im Hinblick auf die Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Kindesvaters nicht festgesetzt. Am 30. Mai 2006 erwirkte er ein Anerkenntnisurteil des zuständigen Familiengerichts, mit dem der letzte Unterhaltstitel zugunsten seiner geschiedenen Ehefrau und der Kinder (Anerkenntnisurteil vom 6. April 2006) dahingehend abgeändert wurde, dass er ab dem 15. Mai 2006 keinen Kindes- und Ehegattenunterhalt mehr zu zahlen habe.
Der Kindesvater hat vorgetragen, er sei bei seinen Unterhaltszahlungen stets davon ausgegangen, dass seine Kinder weiter bei ihrer Mutter lebten. Wegen der Unterbringung in einer Pflegefamilie habe seine geschiedene Ehefrau keinen Anspruch auf Ehegattenunterhalt gehabt. Mangels Leistungsfähigkeit habe auch kein Anspruch auf Kindesunterhalt bestanden; er habe gleichwohl gezahlt in der Hoffnung, irgendwann die entzogenen Kinder zurückzubekommen, und selbst am Existenzminimum gelebt, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, nicht für seine Kinder sorgen zu wollen. Die Mutter der Kinder sei nicht in der Lage, die zu Unrecht erhaltenen Beträge zurückzuerstatten.
Das Landgericht hat die Schadensersatzklage über zunächst 44.240,02 € abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung ist - nach teilweiser Klagerücknahme - erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die jetzige Klägerin einen Schadensersatzanspruch von noch 35.734 € nebst Zinsen weiter.
Die zulässige Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht (die Entscheidung ist in SchlHA 2014, 105 = NordÖR 2014, 145 veröffentlicht) hat die Auffassung vertreten, der beklagte Landkreis habe zwar eine Amtspflicht gegenüber dem Kindesvater verletzt, weil dieser nicht zeitnah über den Wechsel seiner Kinder in eine Vollzeitpflegestelle zum 1. Oktober 2001 informiert worden sei. Eine solche Pflicht ergebe sich bereits aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK, weil wegen der Schwere eines derartigen Eingriffs die Anhörung beider Elternteile Voraussetzung für eine derartige Maßnahme sei. Darüber hinaus bestehe eine Verpflichtung des Jugendamts nach §§ 33, 37 SGB VIII zur Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie, um einen das Kindeswohl gefährdenden Abbruch des Kontakts zu seinen leiblichen Eltern zu vermeiden. Dem sei das Jugendamt nicht nachgekommen.
Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei gleichwohl nicht begründet, weil mutmaßlich überhöhte Zahlungen auf Kindesunterhalt und rechtsgrundlose Zahlungen auf Betreuungsunterhalt nicht vom Schutzzweck der verletzten Normen erfasst seien. Die Regelungen der §§ 32 ff SGB VIII verfolgten das Ziel, die Rückkehr des Kindes in die Ursprungsfamilie zu ermöglichen. Das Jugendamt sei grundsätzlich verpflichtet, zur Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Familie sowie zur Förderung des Kontaktes zwischen Kindern und Eltern beratend und unterstützend tätig zu werden, und dabei auch den - vorliegend - nicht sorgeberechtigten Vater einzubeziehen. Ein Schutz der Kindeseltern vor möglichen Beeinträchtigungen ihrer finanziellen Verhältnisse regele das Gesetz dagegen nicht. Zwar sei ein Rechtsreflex insoweit denkbar, dass dem Kindesvater im Falle rechtzeitiger Informationserteilung praktisch finanzielle Mittel erhalten worden wären, die er unter Umständen auf anderem Wege zu Gunsten der Kinder hätte einsetzen können, so dass sich sein Verhältnis zu ihnen hätte stabilisieren und verbessern können. Dies sei jedoch nur eine theoretische Erwägung, zumal der Kindesvater über Jahre keinen Kontakt zu seinen Kindern gesucht habe. Die Statuierung einer grundsätzlichen Verpflichtung des Jugendamts, bei der Amtsausübung die finanziellen Belange der Kindeseltern jedenfalls mittelbar zu berücksichtigen, liefe dem Zweck des Achten Buchs Sozialgesetzbuch zuwider, da bei entsprechenden Informationen die Gefahr weiterer Streitigkeiten bestünde. Eine Erweiterung des Pflichtenkreises des beklagten Landkreises dahin, Informationen im Hinblick auf sich möglicherweise verändernde Unterhaltsansprüche zu erteilen, könne vorliegend auch deshalb keine Haftung begründen, weil mögliche Schäden des Kindesvaters ganz überwiegend auf das Verhalten der Kindesmutter zurückzuführen seien, die ihn nicht über den Wechsel des Aufenthaltsorts der Kinder informiert und die an sie gezahlten Unterhaltsbeträge vereinnahmt habe.
II.
Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.
Ein Amtshaftungsanspruch (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 34 GG) ist nicht begründet.
1. Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt zu Recht angenommen, dass die Bediensteten des Jugendamts des beklagten Landkreises eine ihnen gegenüber dem Kindesvater als Dritten bestehende Amtspflicht verletzt haben.
Nachdem die beiden Kinder auf Antrag ihrer Mutter ab dem 1. Oktober 2001 bei einer Pflegefamilie untergebracht worden waren, bestand für das Jugendamt des beklagten Landkreises die Verpflichtung, einerseits darauf hinzuwirken, dass die Pflegepersonen und die leiblichen Eltern zum Wohle der Kinder zusammenarbeiten, andererseits auch beratend und unterstützend tätig zu werden (§ 37 Abs. 1 Satz 1 bis 3 SGB VIII in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Juni 2001, BGBl. I, S. 1046). Diese Aufgaben des Jugendamts sind vor dem Hintergrund und der primären Zielsetzung zu sehen, die Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie zu verbessern und die Beziehung des Kindes zu seinen leiblichen Eltern zu fördern, um eine Rückkehr des Kindes in die Herkunftsfamilie und damit deren Refunktionalisierung zu ermöglichen (vgl. MüKoBGB/Tillmanns, 6. Aufl., SGB VIII § 37 Rn. 1, 2; Schmid-Oberkirchner in Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl., § 37 Rn. 2, 14 f; v. Koppenfels-Spies in jurisPK-SGB VIII, 1. Aufl., § 37 Rn. 14 f; Münder u.a., FK-SGB VIII, 5. Aufl., § 37 Rn. 13; Stähr in Hauck/Haines, SGB VIII, Stand Juni 2012, § 37 Rn. 6, 9; Coester, FamRZ 1991, 253, 259). Die Regelung in § 37 Abs. 1 SGB VIII berücksichtigt damit das trotz der Unterbringung der Kinder in einer Pflegefamilie fortbestehende und nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Elternrecht (vgl. Schmid-Obkirchner aaO und Rn. 8) und setzt zudem das Recht der Eltern auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK um (vgl. EGMR, NJW 2005, 3401, 3403 Rn. 82). Hierbei handelt es sich um eine Regelverpflichtung (vgl. MüKoBGB/Tillmanns aaO Rn. 2), von der nur unter besonderen Umständen abgewichen werden kann. Solche sind hier nicht erkennbar, zumal auch nicht sorgeberechtigte Elternteile mit in diese Regelung einbezogen sind, weil die Pflege von Beziehungen und Kontakten zu beiden Elternteilen im Vordergrund steht (vgl. v. Koppenfels-Spies aaO Rn. 11, 13; Münder u.a. aaO Rn. 3, 5; Stähr aaO Rn. 5; DIJuF-Rechtsgutachten, JAmt 2003, 239).
Aus dem Gesagten ergibt sich ohne Weiteres, dass die Einschaltung und zeitnahe Unterrichtung des Kindesvaters bei der Anordnung und Durchführung der Vollzeitpflege der Kinder auch seinem Interesse diente, er mithin geschützter Dritter im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB ist (s. allgemein dazu nur Senatsurteile vom 6. Juni 2013 - III ZR 196/12, NJW 2013, 3370, 3371 Rn. 14 mwN und vom 8. November 2012 - III ZR 151/12, BGHZ 195, 276, 283 Rn. 15 mwN).
2. Das Berufungsgericht hat trotz Nichtbeachtung dieser dem Kindesvater gegenüber bestehenden Amtspflicht eine Haftung des beklagten Landkreises verneint und dies damit begründet, dass der geltend gemachte Schaden in Form der Zahlung von Kindesunterhalt und nachehelichem Betreuungsunterhalt an die geschiedene Ehefrau nicht vom Schutzbereich der verletzten Normen und den sich daraus ergebenden Pflichten des Jugendamts umfasst sei. Dies hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung stand.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats bedeutet die Feststellung, dass der Geschädigte zum Kreis der geschützten Dritten gehört, nicht, dass er Ausgleich aller ihm durch die verletzte Amtspflicht zugefügten Nachteile verlangen kann. Es kommt vielmehr darauf an, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll. Entscheidend ist demnach, ob der Schutzzweck der verletzten Amtspflicht auch den jeweils geltend gemachten Schaden erfasst (vgl. nur Senatsurteile vom 6. Juni 2013 - III ZR 196/12, NJW 2013, 3370, 3371 Rn. 14 mwN; vom 8. November 2012 - III ZR 151/12, BGHZ 195, 276, 283 Rn. 15 mwN; vom 13. Oktober 2011 - III ZR 231/10, BGHZ 191, 187, 193 Rn. 13, vom 22. Januar 2009 - III ZR 197/08, NJW 2009, 1207, 1208 Rn. 11 und vom 10. März 1994 - III ZR 9/93, BGHZ 125, 258, 269). Von einer derartigen Sachlage kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.
b) Die Pflicht des Jugendamts aus § 37 Abs. 1 SGB VIII, auf eine entsprechende Zusammenarbeit hinzuwirken, zu beraten und zu unterstützen und damit einhergehend die notwendigen Informationen zu erteilen, hat nicht den Zweck, den Unterhaltspflichtigen, hier den Kindesvater, vor der Zahlung gegebenenfalls nicht mehr geschuldeten Unterhalts an seine Kinder oder seine geschiedene Ehefrau zu bewahren.
Die mit dieser gesetzlichen Regelung in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK vorgesehene gemeinsame Gestaltung des Hilfeprozesses dient vor allem dem Interesse des Kindes oder Jugendlichen, um damit den bestehenden Beziehungen und Bindungen zur Pflegeperson und zu den leiblichen Eltern Rechnung zu tragen, Loyalitätskonflikten entgegen zu wirken und die Ressourcen von Eltern und Erziehungspersonen nutzbar zu machen (vgl. Schmid-Obkirchner § 37 Rn. 8; MüKoBGB/Tillmanns aaO § 37 Rn. 2; Münder u.a. aaO § 37 Rn. 4, 14 f). Der Schutzzweck der sich danach ergebenden Pflichten des Jugendamts ist somit aus Sicht der Eltern allein darauf ausgerichtet, diesen die Möglichkeit zu geben, das (fortbestehende) Elternrecht sowie die elterliche Erziehungsverantwortung aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 8 EMRK in einer am Kindeswohl orientierten Weise wahrzunehmen und daran mitzuwirken, dass durch eine Verbesserung der Erziehungsbedingungen die Voraussetzungen für eine Rückkehrperspektive geschaffen werden. Zwar mögen die finanziellen Verhältnisse grundsätzlich einen Beitrag dazu leisten können, eine Rückkehr zu fördern. Die beschriebenen Pflichten des Jugendamts, die eine Einbeziehung und Information des Kindesvaters umfassen, haben jedoch nicht die finanziellen Auswirkungen dieser Maßnahme im Blick. Die anzustrebende sachgerechte Zusammenarbeit und die Aufrechterhaltung der emotionalen Bindung zwischen dem Kind oder Jugendlichen und seiner Herkunftsfamilie während der Zeit der Unterbringung bei einer Pflegestelle sind auf das Recht der Eltern ausgerichtet, das Kind erziehen und mit ihm Umgang pflegen zu können. Die Beachtung zivilrechtlicher Unterhaltsverpflichtungen eines Elternteils steht damit in keinem unmittelbaren Zusammenhang, vielmehr ist die Regelung derartiger Ansprüche grundsätzlich Sache der Kindeseltern untereinander. Das „Wächteramt“ des Staates geht nicht soweit, dass er bei familiären Konfliktsituationen die Beteiligten generell dabei zu unterstützen hat, berechtigte Unterhaltsforderungen durchzusetzen oder unberechtigte Unterhaltsforderungen abzuwehren. Dies findet auch in den einschlägigen Bestimmungen des Unterhaltsrechts seinen Niederschlag. Danach wird das Jugendamt nur dann Beistand eines Kindes für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen und damit - ausnahmsweise - zu einem Verfahrensbeteiligten, wenn dies von einem Elternteil beantragt wird (vgl. § 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB; § 53a ZPO aF = § 234 FamFG).
c) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus den maßgeblichen gesetzlichen Regelungen für die Heranziehung von Eltern und anderen Verpflichteten zu den für die Hilfe zur Erziehung, hier in Form der Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII, erbrachten Leistungen und entstehenden Kosten nichts anderes; insbesondere kann diesen Bestimmungen nicht entnommen werden, dass die den Eltern gegenüber obliegenden Informations- und Unterrichtungspflichten des Jugendamts allgemein (auch) den Zweck verfolgen, einen unterhaltspflichtigen Elternteil vor nicht (mehr) berechtigten Unterhaltszahlungen zu schützen.
aa) Die bis zum 30. September 2005 geltende Vorschrift des § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3546) regelte die Heranziehung der Eltern eines unterhaltsberechtigten Kindes zum Ersatz der Kosten unter anderem bei auswärtiger Unterbringung dahin, dass unter den dort genannten Voraussetzungen ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch des Kindes oder Jugendlichen kraft Gesetzes, begrenzt durch die Höhe der geleisteten Aufwendungen, auf den Träger der öffentlichen Jugendhilfe überging (vgl. dazu auch Münder u.a., aaO, § 94 Rn. 7 f). Diese Bestimmung betraf damit lediglich den gesetzlichen Übergang des Unterhaltsanspruchs des Kindes gegen einen barunterhaltspflichtigen Elternteil, nicht jedoch die materiell-rechtliche Unterhaltsverpflichtung eines oder beider Elternteile als solche. Da somit die Jugendhilfeleistungen auf die Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind dem Grunde und der Höhe nach keine Auswirkungen hatten, konnte sich unter diesem Gesichtspunkt ein Informationsinteresse des Kindesvaters nicht ergeben. Soweit in § 94 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII aF eine Mitteilungspflicht über die Gewährung von Jugendhilfe normiert war, handelte es sich lediglich um eine notwendige Voraussetzung für eine Inanspruchnahme von erstattungspflichtigen Personen für die Vergangenheit (vgl. Münder u.a. aaO Rn. 10). Diese Regelung diente deshalb allein dem Interesse des Jugendamtsträgers an der Durchsetzung der auf ihn von Gesetzes wegen übergegangenen Unterhaltsansprüche, jedoch nicht dem Schutz eines Elternteils vor möglicherweise nicht (mehr) gerechtfertigten Zahlungen von Kindesunterhalt.
bb) Auch der ab dem 1. Oktober 2005 geltenden Vorschrift des § 92 SGB VIII in der Fassung des Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetzes vom 8. September 2005 (BGBl. I, S. 2729) lässt sich ein derartiger Schutzzweck nicht entnehmen. Nach Abs. 3 Satz 1 dieser Regelung kann ein Beitrag zu den Kosten von Leistungen und vorläufigen Maßnahmen nach § 91 SGB VIII unter anderem bei den Eltern des Kindes von dem Zeitpunkt an erhoben werden, ab welchem dem Pflichtigen die Gewährung der Jugendhilfeleistung mitgeteilt und er über die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt worden ist. Diese Bestimmung bezieht sich damit ebenfalls allein auf den Kindesunterhalt und regelt lediglich, von welchem Zeitpunkt an ein Kostenbeitrag bei dem Kostenschuldner erhoben werden darf. Deshalb handelt es sich lediglich um eine materiell-rechtliche Voraussetzung hierfür (vgl. Krome in jurisPK-SGB VIII, 2014, § 92 Rn. 35).
Das Jugendamt wird zwar zusätzlich verpflichtet, über die Folgen der Jugendhilfeleistung für eine bestehende Unterhaltspflicht aufzuklären. Diese Pflicht wurde im Hinblick auf die in das Gesetz eingefügte Regelung des § 10 Abs. 2 SGB VIII geschaffen (vgl. Krome aaO, Rn. 20; Stähr, aaO, § 92 Rn. 22). Nach der bisher geltenden Vorschrift des § 94 Abs. 3 SGB VIII hatte die auswärtige Unterbringung eines Kindes keine Auswirkungen auf die Höhe seines Unterhaltsanspruchs gegenüber einem barunterhaltspflichtigen Elternteil. Mit den neu geschaffenen Bestimmungen wird dagegen geregelt, dass der Bedarf des Kindes durch die Jugendhilfe ganz oder teilweise gedeckt werden kann und dementsprechend seine Unterhaltsberechtigung in Höhe der Bedarfsdeckung entfällt (vgl. BT-Drucks. 15/3676, S. 31, 41; Münder u.a., aaO, § 92, Rn. 22).
Der Revision ist zuzugeben, dass nunmehr - im Unterschied zur früheren Rechtslage - die Unterrichtung der kostenbeitragspflichtigen Person nicht mehr nur dem Interesse des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe dient, seinen Anspruch auf Erhebung des Kostenbeitrags zu sichern; vielmehr soll darüber hinaus auch die kostenbeitrags- und unterhaltspflichtige Person davor geschützt werden, sowohl unterhaltsrechtlich als auch öffentlich-rechtlich in Anspruch genommen zu werden (vgl. BT-Drucks. 15/3676, S. 41; vgl. Degener in Jans/Happe/Saurbier/Maas, aaO, § 92 Rn. 8; Stähr, aaO; Münder u.a., aaO, Rn. 20, 23; Wiesner, aaO, § 92 Rn. 13). Daraus folgt jedoch nicht, dass die Verpflichtung zur Information über eine Jugendhilfemaßnahme, hier die auswärtige Unterbringung, (auch) allgemein dem Zweck dienen würde, den unterrichteten Elternteil in die Lage zu versetzen, die Berechtigung eines geltend gemachten Unterhaltsanspruchs zu überprüfen. Vielmehr steht die besondere Belehrungs- und Hinweispflicht des § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII in untrennbarem Zusammenhang mit der Erhebung eines Kostenbeitrags. Auch soweit die Bestimmung dem Kostenbeitragspflichtigen die Möglichkeit zu Vermögensdispositionen eröffnen soll, ist dies nur in Bezug auf eine mögliche Kostenbeitragspflicht zu sehen (vgl. BVerwGE 144, 313, 316 f Rn. 12, 13). Die nach § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Mitteilung über die Jugendhilfeleistungen bezieht sich damit nicht auf die Verpflichtung zu einer Unterhaltszahlung für das Kind oder den Jugendlichen schlechthin; sie hat insbesondere nicht den Zweck, den Unterhaltspflichtigen vor den finanziellen Nachteilen zu bewahren, die ihm durch das prozessbetrügerische Verhalten desjenigen entstehen können, der Unterhaltsansprüche geltend macht.
cc) Im Streitfall kam die besondere Aufklärungspflicht des § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII hinsichtlich des gezahlten Kindesunterhalts deshalb nicht zum Tragen, weil es wegen der fehlenden Leistungsfähigkeit des Kindesvaters zu keinem Zeitpunkt zur Festsetzung eines Kostenbeitrags gekommen ist. Die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme stand damit ohnehin nicht im Raum.
dd) Da § 94 Abs. 3 SGB VIII aF und § 92 Abs. 3 SGB VIII lediglich Unterhaltsansprüche von Kindern und Jugendlichen gegenüber unterhaltspflichtigen Personen zum Gegenstand haben, wird der Schaden, der dem Kindesvater durch den zu Unrecht an die geschiedene Ehefrau weiter gezahlten Betreuungsunterhalt (vgl. § 1570 BGB) entstanden ist, von vorneherein nicht vom Schutzzweck der Vorschriften erfasst.
3. Eine Haftung des beklagten Landkreises lässt sich vorliegend auch nicht aus der Verletzung einer im Zusammenhang mit den Angaben des Kindesvaters zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen Anfang April 2004 stehenden Aufklärungs- oder Hinweispflicht des zuständigen Mitarbeiters des Jugendamts herleiten. Dies kann der Senat, da insoweit weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, selbst entscheiden.
a) Eine derartige Belehrungspflicht ergäbe sich allerdings - entgegen der Auffassung der Revision - nicht aus der (entsprechenden) Heranziehung vertragsrechtlicher Haftungsgrundsätze, sondern wäre allenfalls nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des Senats anzuerkennen, nach der sich auf Grund der besonderen tatsächlichen Lage und der bestehenden Verhältnisse im Einzelfall eine Hinweis- und Aufklärungspflicht ergeben kann. Insbesondere darf ein Beamter nicht "sehenden Auges" zulassen, dass der bei ihm vorsprechende Bürger Schaden erleidet, der durch einen kurzen Hinweis, eine Belehrung mit wenigen Worten oder eine entsprechende Aufklärung hätte vermieden werden können (vgl. etwa Senatsurteile vom 5. April 1965 - III ZR 11/64, NJW 1965, 1226, 1227; vom 24. Juni 1982 - III ZR 19/81, BGHZ 84, 285, 291; vom 5. Mai 1994 - III ZR 78/93, NJW 1994, 2415, 2417 vom 7. Dezember 1995 - III ZR 141/94, NVwZ 1996, 512, 514; vom 20. Juli 2000 - III ZR 64/99, VersR 2001, 1108, 1110, zusammenfassend Senatsurteil vom 2. Oktober 2003 - III ZR 420/02, VersR 2005, 1730, 1731, jeweils mwN; Staudinger/Wöstmann, Neubearb. 2013, § 839 Rn. 157 ff).
Unter Zugrundelegung der nach dieser Rechtsprechung zu beachtenden Grundsätze ist ein maßgeblicher Gesichtspunkt für einen derartigen Amtshaftungsanspruch vor allem, dass der Amtsträger das besondere Interesse des Betroffenen an der jeweiligen Information und das aus der Verletzung einer Hinweis- und Aufklärungspflicht resultierende Schadensrisiko erkennt oder jedenfalls erkennen kann. Daran fehlt es im Streitfall.
Dass den Mitarbeitern des Jugendamts des Beklagten die Unterhaltszahlungen des Kindesvaters bekannt gewesen sind, ist weder durch das Berufungsgericht festgestellt worden noch sonst ersichtlich. Auch die Revision stützt sich nicht auf eine entsprechende dem beklagten Landkreis zurechenbare Kenntnis bezüglich der Unterhaltszahlungen. Sie meint allerdings, eine Aufklärungspflicht habe sich ab Mai 2004 auf Grund des Umstands ergeben, dass der Kindesvater auf das Schreiben des Beklagten vom 30. März 2004 seine wirtschaftlichen Verhältnisse in einem so genannten Wirtschaftsfragebogen erläutert und dabei einen "Selbstbehalt" in Höhe von ca. 720 € monatlich erwähnt habe. Daraus habe das Jugendamt des beklagten Landkreises erkennen können und müssen, dass der Kindesvater Unterhalt für seine beiden Kinder leiste; dies hätte den sofortigen Hinweis darauf erforderlich gemacht, dass durch die mittlerweile vollzogene Vollzeitpflege Unterhaltszahlungen hinfällig geworden seien.
Dem kann nicht gefolgt werden. Allein aus der vom Kindesvater gewählten Formulierung in dem von ihm ausgefüllten Formular, es liege eine Gehaltspfändung bis auf den "Selbsterhalt" von ca. 720 € vor, konnte nicht ohne weiteres auf eine Zahlung von Unterhalt an seine beiden in einer Vollzeitpflegestelle untergebrachten Kinder geschlossen werden. Unabhängig von der Verwendung des - vom Kindesvater ersichtlich so gemeinten - Begriffs "Selbstbehalt" ergaben sich insoweit Unklarheiten im Hinblick darauf, dass er ein weiteres unterhaltsberechtigtes Kind in seiner Erklärung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse angegeben hatte. Auch spricht gegen das von der Revision zugrunde gelegte Verständnis der Angaben des Kindesvaters, dass in dem Wirtschaftsfragebogen ausdrücklich die Frage nach Unterhaltszahlungen gestellt wurde, die betragsmäßig aufzuschlüsseln waren, er hierzu jedoch keine Angaben gemacht hat. Schließlich ergaben sich weitere Zweifel schon deshalb, weil die Kindesmutter in ihrem Antrag auf Gewährung von Jugendhilfeleistungen die Unterhaltszahlungen durch den Kindesvater verschwiegen hatte, obwohl gerade sie als Empfängerin der Unterhaltsleistungen dazu verpflichtet gewesen wäre. Der Beklagte ist im Übrigen nach den unklaren Angaben des Kindesvaters auch nicht gänzlich untätig geblieben, sondern hat ihn mit Schreiben vom 13. April 2004 um Ergänzung seiner Angaben zu der mitgeteilten Pfändung aufgefordert. Eine Antwort ist jedoch ausgeblieben. Bei dieser Sachlage war für den zuständigen Mitarbeiter des Jugendamts nicht ausreichend erkennbar, dass der Kindesvater ohne Rechtsgrund weiterhin Unterhalt für seine Kinder und seine geschiedene Ehefrau zahlt. Nochmalige Nachfragen und Nachforschungen waren unter den gegebenen Umständen nicht erforderlich, zumal ein Kostenbeitrag im Hinblick auf die angegebenen wirtschaftlichen Verhältnisse des Kindesvaters ohnehin nicht festgesetzt worden ist.
Danach ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht hinsichtlich der durch den Kindesvater zwischen Mai 2004 und Mai 2006 geleisteten Unterhaltszahlungen ein Schadensersatzanspruch gegen den beklagten Landkreis.
Schlick Herrmann Hucke
Remmert Reiter