Entscheidungsdatum: 13.04.2017
1. Liegt eine sachlich nicht gerechtfertigte Verfahrensverzögerung vor, entfällt die haftungsbegründende Rechtsgutsverletzung - die unangemessene Verfahrensdauer - selbst dann nicht, wenn die Klage oder der Rechtsbehelf im Ausgangsverfahren von vornherein erkennbar aussichtlos waren.
2. Durch eine Anhörungsrüge (hier: § 44 FamFG) oder eine Gegenvorstellung wird kein entschädigungsrechtlich isoliert zu betrachtendes Verfahren eingeleitet. Vielmehr ist die Bearbeitungsdauer für diese Rechtsbehelfe dem Hauptsacheverfahren hinzuzurechnen (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 21. Mai 2014, III ZR 355/13, NJW 2014, 2443).
3. Zur Widerlegung der Vermutung nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG bei bloßem Beharren auf einer Rechtsauffassung, die vom erkennenden Gericht nicht geteilt wird und der Sache nach bereits beschieden wurde (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 12. Februar 2015, III ZR 141/14, BGHZ 204, 184).
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München - 22. Zivilsenat - vom 9. Mai 2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines familiengerichtlichen Ordnungsmittelverfahrens in Anspruch. Sie ist Mutter eines minderjährigen nichtehelichen Kindes. Mit Beschluss vom 11. Mai 2012 änderte das Familiengericht eine zwischen der Klägerin und dem Vater des Kindes getroffene Vereinbarung zum Umgangsrecht vom 23. April 2010 dahingehend ab, dass der Vater das Recht habe, das Kind alle zwei Wochen zu sehen. Zugleich wies das Familiengericht darauf hin, dass bei Zuwiderhandlungen Ordnungsgeld, hilfsweise Ordnungshaft, angeordnet werden könne. Da die Klägerin in der Folgezeit keinen Umgang des Vaters mit dem Kind ermöglichte, setzte das Familiengericht mit Beschluss vom 10. August 2012 gegen die Klägerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000 € fest (Nr. 3 des Beschlusses) und drohte ihr an, dass bei weiteren Zuwiderhandlungen gegen den Beschluss vom 11. Mai 2012 auch direkt Ordnungshaft verhängt werden könne (Nr. 4 des Beschlusses). Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin verminderte das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 29. April 2013 das Ordnungsgeld auf 1.000 €. Hinsichtlich der Nr. 4 des angefochtenen Beschlusses wurde in den Gründen der Beschwerdeentscheidung ausgeführt, dass darin lediglich ein - rechtlich unbedenklicher - formloser Hinweis auf die mögliche Sanktionierung weiterer Verstöße zu sehen sei. Mit Schriftsatz vom 16. Mai 2013 erhob die Klägerin Anhörungsrüge und Gegenvorstellung gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts zur Ordnungsgeldfestsetzung und beantragte außerdem die Ergänzung der Beschwerdeentscheidung dahingehend, die Nummer 4 des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 10. August 2012 aufzuheben und die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Durch Beschluss vom 19. Juni 2013 berichtigte das Oberlandesgericht die Beschwerdeentscheidung nach § 42 Abs. 1 FamFG, indem es zusätzlich die Zurückweisung der Beschwerde "im Übrigen" aussprach und zur Begründung ausführte, über die Beschwerde sei ausweislich der Beschlussgründe in vollem Umfang entschieden worden, die teilweise Zurückweisung des Rechtsmittels im Tenor sei jedoch versehentlich unterblieben. Dagegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 9. Juli 2013 erneut Anhörungsrüge und Gegenvorstellung verbunden mit den Anträgen, den Berichtigungsbeschluss aufzuheben und die Beschwerdeentscheidung vom 29. April 2013 nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 16. Mai 2013 gemäß § 43 FamFG zu ergänzen. Zur Begründung führte sie aus, bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vor Erlass des Berichtigungsbeschlusses hätte sie geltend gemacht, ihre Beschwerde gegen Nummer 4 des Beschlusses des Amtsgerichts hätte verworfen werden müssen und nicht als unbegründet zurückgewiesen werden dürfen. Mit undatiertem Beschluss, der am 12. August 2013 an die Geschäftsstelle übergeben und am 16. August 2013 an den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin zugestellt wurde, wies das Oberlandesgericht die Anhörungsrüge und Gegenvorstellung vom 16. Mai 2013 als unbegründet zurück. Eine Entscheidung über die weitere Anhörungsrüge und Gegenvorstellung vom 9. Juli 2013 unterblieb zunächst, wobei die Klägerin erstmals unter dem 21. Januar 2015 an die noch ausstehende Entscheidung "erinnerte". Mit Schriftsatz vom 20. Februar 2015 erhob sie sodann Verzögerungsrüge. In dem daraufhin ergangenen Beschluss vom 7. April 2015, der am 17. April 2015 an die Klägerin zugestellt wurde, wies das Oberlandesgericht die Anhörungsrüge mit der Begründung zurück, einer etwaigen Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin im Zusammenhang mit dem Berichtigungsbeschluss vom 19. Juni 2013 fehle jedenfalls die Entscheidungserheblichkeit im Sinne des § 44 FamFG, da die Entscheidung auch bei Berücksichtigung des Vorbringens in der Anhörungsrüge nicht anders ausgefallen wäre. Da sämtliche Einwände der Klägerin im Rahmen der Anhörungsrüge behandelt worden seien, bedürfe es keiner Entscheidung über die nur hilfsweise erhobene Gegenvorstellung.
Die Klägerin hat Zahlung einer angemessenen Entschädigung von circa 1.500 € nebst Zinsen sowie die Feststellung der Unangemessenheit der Dauer des Beschwerdeverfahrens vor dem Oberlandesgericht begehrt, wobei sie in der mündlichen Verhandlung über die Entschädigungsklage ergänzend ausgeführt hat, dass sich der Feststellungsantrag auf das gesamte Ordnungsmittelverfahren beziehe. Sie hat insbesondere geltend gemacht, über die Anhörungsrüge/Gegenvorstellung vom 9. Juli 2013 hätte binnen sechs Monaten entschieden werden können. Allein das Anhörungsrügeverfahren habe 15 Monate zu lang gedauert. Durch die Androhung von Ordnungshaft sei sie, die Klägerin, unzulässig eingeschüchtert worden.
Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Die Klägerin verfolgt mit der Revision ihre erstinstanzlichen Anträge weiter.
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe keinen Entschädigungsanspruch gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Durch die Anhörungsrüge/Gegenvorstellung vom 9. Juli 2013 sei kein eigenständiges Verfahren im Sinne des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG eingeleitet worden. Anhörungsrüge und Gegenvorstellung seien dem Hauptverfahren zuzurechnen. Dementsprechend müsse die Bearbeitungsdauer für diese Rechtsbehelfe in die abschließende Betrachtung der Gesamtverfahrensdauer einbezogen werden. Bei der Frage, ob im Streitfall eine überlange Verfahrensdauer vorliege, dürfe nicht auf den Zeitraum zwischen Erhebung der Anhörungsrüge vom 9. Juli 2013 und deren Verbescheidung durch Beschluss des Oberlandesgerichts vom 7. April 2015 abgestellt werden. Vielmehr sei mindestens das durch den Beschluss des Familiengerichts eingeleitete Ordnungsmittelverfahren als Gesamtverfahren im Sinne des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG zu qualifizieren. Da die Vorschrift des § 198 GVG für die Beteiligten eine zeitgerechte Entscheidung über ihr Rechtsschutzbegehren sicherstellen oder jedenfalls Kompensation hierfür leisten wolle, umfasse ihr Schutzzweck erkennbar nicht die Sanktionierung rein formaler Verstöße gegen die Pflicht, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen. Dass die formale Entscheidung des Oberlandesgerichts M. über die Anhörungsrüge vom 9. Juli 2013 erst mit Beschluss vom 7. April 2015 erfolgt sei, führe nicht zur Annahme einer entschädigungspflichtigen Verzögerung, weil es an der Entscheidungserheblichkeit einer etwaigen Gehörsverletzung im Sinne des § 44 FamFG fehle. Selbst bei Gewährung rechtlichen Gehörs wäre keine für die Klägerin günstigere Entscheidung zu erwarten gewesen. Die Klägerin habe mit der Anhörungsrüge keine Änderung der Sachentscheidung begehrt, sondern lediglich die Rechtsgrundlage der Entscheidung (Berichtigung nach § 42 FamFG statt Ergänzung nach § 43 FamFG) als unzutreffend angesehen. Entschädigung nach § 198 GVG werde nur wegen einer überlangen Verfahrensdauer, nicht jedoch wegen möglicherweise unrichtiger Sachentscheidung gewährt.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem Punkt nicht stand. Die Revision ist gleichwohl als unbegründet zurückzuweisen, weil sich die Entscheidung des Berufungsgerichts aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO).
1. Zutreffend hat das Oberlandesgericht gesehen, dass das Ordnungsmittelverfahren nach §§ 86, 89 FamFG als eigenständiges Gerichtsverfahren im Sinne des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG zu qualifizieren ist, das als Vollstreckungsverfahren einer isolierten Betrachtung unterliegt. Kommt es sowohl im familiengerichtlichen Erkenntnisverfahren (z.B. bei einer Entscheidung zum Sorge- und Umgangsrecht) als auch im nachfolgenden Vollstreckungsverfahren (§§ 86 ff FamFG) zu sachlich nicht gerechtfertigten Verfahrensverzögerungen, entstehen zwei eigenständig zu bemessende Entschädigungsansprüche (vgl. Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 43; s. auch Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BGHZ 199, 190 Rn. 30 zur Entstehung eigenständiger Entschädigungsansprüche bei Verzögerungen im selbständigen Beweisverfahren und nachfolgenden Hauptsacheprozess).
Das Ordnungsmittelverfahren nach §§ 86, 89 FamFG ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG, weil es sich nach besonderen Verfahrensvorschriften (§§ 86 ff FamFG) richtet und mit einer Entscheidung über die Festsetzung eines Ordnungsmittels endet (Endentscheidung). Während das familiengerichtliche Erkenntnisverfahren der Schaffung eines Vollstreckungstitels im Sinne des § 86 Abs. 1 FamFG dient (z.B. Umgangsregelung), soll im Ordnungsmittelverfahren die im Erkenntnisverfahren getroffene Entscheidung effektiv durchgesetzt werden, ohne dass eine erneute Überprüfung der Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Entscheidung stattfindet (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2012 - XII ZB 188/11, NJW-RR 2012, 324 Rn. 9, 22).
2. Dem Oberlandesgericht ist auch darin zuzustimmen, dass durch die Anhörungsrüge nach § 44 FamFG und die Gegenvorstellung vom 9. Juli 2013 kein entschädigungsrechtlich isoliert zu betrachtendes Verfahren eingeleitet wurde. Vielmehr ist die Bearbeitungsdauer für diese Rechtsbehelfe dem Ordnungsmittelverfahren hinzuzurechnen.
a) Nach der Legaldefinition des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG geht das Gesetz von einem an einer bestimmten Hauptsache orientierten Begriff des Gerichtsverfahrens aus, so dass nicht jeder einzelne Antrag oder jedes einzelne Gesuch als gesondertes Gerichtsverfahren anzusehen ist. Lediglich für den Bereich des bereits eröffneten Insolvenzverfahrens fingiert § 198 Abs. 6 Nr. 1 Halbsatz 3 GVG, dass jeder Antrag auf Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren gilt. In zeitlicher Hinsicht erfasst der Begriff des Gerichtsverfahrens alle Verfahrensstadien von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss (Senatsurteile vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BGHZ 199, 190 Rn. 20 f; vom 13. März 2014 - III ZR 91/13, NJW 2014, 1816 Rn. 23 und vom 21. Mai 2014 - III ZR 355/14, NJW 2014, 2443 Rn. 11).
b) Das Verfahren über eine Anhörungsrüge nach § 321a ZPO oder § 44 FamFG ist dem vorangegangenen Hauptsacheverfahren zuzuordnen. Mit der Anhörungsrüge wird eine unmittelbare Fortführung des Ausgangsverfahrens angestrebt (siehe § 321a Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 ZPO, § 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 FamFG). Darin erschöpft sich ihr Zweck. Dementsprechend ist das Rügeverfahren nach dem an einer bestimmten Hauptsache orientierten Begriff des Gerichtsverfahrens dessen Teil und kein eigenständiges Verfahren. Bei einer unbegründeten Anhörungsrüge endet das Gerichtsverfahren im Sinne des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG daher nicht mit der Rechtskraft der mit der Rüge angegriffenen Entscheidung, sondern erst mit der Bekanntgabe des die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschlusses (Senatsurteil vom 21. Mai 2014 aaO Rn. 12 f; BeckOGK/Dörr, BGB, § 839 Rn. 1272 [Stand: 1. Dezember 2016]).
c) Für den gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Rechtsbehelf der Gegenvorstellung gilt im Ergebnis nichts anderes. Dadurch soll das Gericht, das entschieden hat, veranlasst werden, seine Entscheidung aus übersehenen oder neuen tatsächlichen und rechtlichen Gründen zu ändern (Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 38. Aufl., Vorbem. § 567 Rn. 13; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl. § 567 Rn. 22). Die Gegenvorstellung, aus welcher das Institut der Anhörungsrüge entwickelt wurde (Zöller/Heßler aaO Rn. 24), setzt somit kein eigenständiges Gerichtsverfahren im Sinne des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG in Gang. Sie ist vielmehr Bestandteil des Verfahrens, in dem die zu überprüfende Entscheidung ergangen ist.
3. Rechtsfehlerhaft ist allerdings die Auffassung des Oberlandesgerichts, die Entschädigungsregelung der §§ 198 ff GVG erfasse nach ihrem Schutzzweck nicht die Sanktionierung rein formaler Verstöße gegen die Pflicht, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, so dass eine auf nicht entscheidungserhebliches Vorbringen gestützte Anhörungsrüge/Gegenvorstellung bei der Betrachtung der Gesamtverfahrensdauer keine Rolle spiele. Damit hat das Gericht die in § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG genannte haftungsbegründende Rechtsgutsverletzung der unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens unzulässig eingeschränkt.
a) § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG begründet einen Entschädigungsanspruch gegen den Staat wegen überlanger Dauer eines gerichtlichen Verfahrens. Der hierfür maßgebliche Tatbestand ist die Verletzung des Anspruchs eines Verfahrensbeteiligten aus Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 20 Abs. 3 GG (i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) und aus Art. 6 Abs. 1 EMRK auf Entscheidung seines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit (Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, BT-Drucks. 17/3802 S. 1, 18). Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG kommt es für die Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei das Gesetz beispielhaft und ohne abschließenden Charakter ("insbesondere") die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter benennt.
b) Ein weiteres wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist die Verfahrensführung durch das Gericht. Dabei ist dem Gericht zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse - auch im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit - ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen, der lediglich einer Vertretbarkeitskontrolle unterliegt. Laufzeiten, die durch die Prozessleitung des Gerichts bedingt sind, haben nur dann eine unangemessene Verfahrensdauer zur Folge, wenn sich die verfahrensleitende Entscheidung - auch bei Berücksichtigung der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege - nicht auf verfahrensökonomische Sachgründe stützen lässt, sondern von sachfremden und zweckwidrigen Erwägungen getragen und somit nicht mehr verständlich ist (st. Rspr; vgl. nur Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, BGHZ 199, 87 Rn. 28, 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BGH 199, 190 Rn. 40, 42 ff; vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BGHZ 200, 20 Rn. 36, 38 ff; vom 13. März 2014 - III ZR 91/13, NJW 2014, 1816 Rn. 27, 31 f, 34 f und vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/14, BGHZ 204, 184 Rn. 24 ff; siehe auch BeckOGK/Dörr, BGB, § 839 Rn. 1255 [Stand: 1. Dezember 2016]). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein entscheidungsreifes Verfahren nicht mehr gefördert wird und sich die "Tätigkeit" des Gerichts auf ein Liegenlassen der Akten beschränkt (vgl. BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 52; BeckOGK/Dörr aaO). Der Anspruch des Betroffenen auf Rechtsschutz in angemessener Zeit darf auch nicht mit der Erwägung relativiert werden, seinem Rechtsschutzbegehren fehle die Erfolgsaussicht. Auf das Ergebnis des Verfahrens (Erfolg/Misserfolg) kommt es nicht an (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 63). Dementsprechend findet im Entschädigungsprozess auch keine Überprüfung der der Entscheidungsfindung zugrunde liegenden rechtlichen Überlegungen statt (Senatsurteil vom 13. März 2014 aaO Rn. 34). Liegt eine sachlich nicht gerechtfertigte Verfahrensverzögerung vor, entfällt die haftungsbegründende Rechtsgutsverletzung - die unangemessene Verfahrensdauer - selbst dann nicht, wenn die Klage oder der Rechtsbehelf im Ausgangsverfahren von vornherein erkennbar aussichtlos waren. Dem Umstand, dass das Rechtsschutzbegehren des Betroffenen von Anfang an unbegründet war, kann, soweit - wie im vorliegenden Fall - eine Entschädigung für immaterielle Nachteile geltend gemacht wird, dadurch Rechnung getragen werden, dass eine Geldentschädigung versagt und gegebenenfalls gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 GVG lediglich die Unangemessenheit der Verfahrensdauer festgestellt wird (vgl. BFHE 240, 516 Rn. 62).
Nach alledem durfte der Umstand, dass über die Anhörungsrüge/Gegenvorstellung vom 9. Juli 2013 erst nach Ablauf von 21 Monaten entschieden wurde, nicht deshalb als von vornherein entschädigungsrechtlich irrelevant angesehen werden, weil den vorgebrachten Gesichtspunkten die Entscheidungserheblichkeit im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 2 FamFG fehlte.
4. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat die Klägerin, worauf der Beklagte in der Revisionserwiderung zu Recht hinweist, durch eine etwaige Verfahrensverzögerung keinen entschädigungspflichtigen immateriellen Nachteil erlitten. Die insoweit gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG bestehende Vermutung ist widerleglich und im vorliegenden Fall widerlegt. Unter Berücksichtigung des Sachvortrags in der Vorinstanz und des Vorbringens der Parteien im Revisionsrechtszug ist weitere Aufklärung nicht zu erwarten, so dass der Senat eine insoweit abschließende Würdigung selbst vornehmen kann.
a) Grundlage eines Entschädigungsanspruchs für einen durch überlange Verfahrensdauer verursachten immateriellen Nachteil ist § 198 Abs. 1 GVG. Als derartige Folgen eines überlangen Verfahrens kommen neben der "seelischen Unbill" durch die lange Verfahrensdauer vor allem körperliche Beeinträchtigungen oder Rufschädigungen und - in Sorge- oder Umgangsrechtsstreitigkeiten - die Entfremdung eines Kindes von einem Elternteil in Betracht (Senatsurteil vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/15, BGHZ 204, 184 Rn. 39 mwN).
b) Nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG wird ein immaterieller Nachteil vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Dabei handelt es sich - wie ausgeführt - um eine widerlegbare Vermutung, die dem Betroffenen die Geltendmachung eines immateriellen Nachteils erleichtern soll, weil in diesem Bereich ein Beweis oft nur schwierig oder gar nicht zu führen ist (Senatsurteil aaO Rn. 40 mwN). Diese Vermutungsregel entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der eine starke, aber widerlegbare Vermutung dafür annimmt, dass die überlange Verfahrensdauer einen Nichtvermögensschaden verursacht hat. Er erkennt aber auch an, dass der immaterielle Schaden in bestimmten Fällen sehr gering sein oder gar nicht entstehen kann. In diesem Fall müsse der staatliche Richter seine Entscheidung mit einer ausreichenden Begründung rechtfertigen (EGMR, NJW 2007, 1259 Rn. 204).
c) Im Entschädigungsprozess ist die Vermutung widerlegt, wenn der Beklagte das Fehlen eines immateriellen Nachteils darlegt und beweist, wobei ihm, da es sich um einen Negativbeweis handelt, die Grundsätze der sekundären Behauptungslast zugutekommen können (Senat aaO Rn. 41 mwN). Dabei dürfen - wie allgemein im Beweisrecht - an den Beweis des Gegenteils keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Die Vermutung eines auf der Verfahrensdauer beruhenden immateriellen Nachteils ist dann widerlegt, wenn das Entschädigungsgericht unter Berücksichtigung der vom Kläger gegebenenfalls geltend gemachten Beeinträchtigungen nach einer Gesamtbewertung der Folgen, die die Verfahrensdauer mit sich gebracht hat, die Überzeugung gewinnt, dass die (unangemessene) Verfahrensdauer nicht zu einem Nachteil geführt hat (Senat aaO; s. auch BFHE 243, 151 Rn. 26 ff; BeckOKG/Dörr aaO § 839 Rn. 1287). So hat der Senat die Vermutung eines fühlbaren immateriellen Nachteils als widerlegt angesehen, wenn ein in desolaten Vermögensverhältnissen lebender Entschädigungskläger, gegen den bereits 386 Schadensersatzprozesse mit einer Gesamtforderung von mehr als 10 Mio. € anhängig waren und Steuerforderungen in Millionenhöhe bestanden, im Rahmen seiner sekundären Behauptungslast keine fühlbaren (psychischen oder physischen) Beeinträchtigungen dargelegt hat, die sich gerade aus den von ihm zum Gegenstand einer Entschädigungsklage gemachten zehn Verfahren ergeben sollen (Senat aaO Rn. 43).
d) Nach diesen Maßgaben schließt der Senat aus, dass die Klägerin dadurch einen fühlbaren immateriellen Nachteil erlitten hat, dass über die Anhörungsrüge/Gegenvorstellung vom 9. Juli 2013 erst mit Beschluss des Oberlandesgerichts vom 7. April 2015 entschieden wurde.
aa) Durch die Beschwerdeentscheidung vom 29. April 2013, den Berichtigungsbeschluss vom 19. Juni 2013 und den Beschluss vom August 2013 betreffend die (erste) Anhörungsrüge/Gegenvorstellung vom 16. Mai 2013 ist über das Rechtsschutzbegehren der Klägerin vollständig entschieden worden, so dass anschließend kein Schwebezustand mehr bestand. Insbesondere hat das Oberlandesgericht bereits in der Beschwerdeentscheidung klargestellt, dass die "Androhung" der Ordnungshaft in dem Beschluss des Amtsgerichts vom 10. August 2012 lediglich als Hinweis auf die geltende Rechtslage (siehe § 89 Abs. 2 FamFG) zu verstehen und deshalb rechtlich unbedenklich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2012 - XII ZB 188/11, NJW-RR 2012, 324 Rn. 28). Durch den Berichtigungsbeschluss vom 19. Juni 2013 hat das Oberlandesgericht hinsichtlich der Beschwerdeentscheidung die zunächst bestehende offenbare Diskrepanz zwischen Beschlusstenor und -gründen gemäß § 42 FamFG beseitigt und die Beschwerde "im Übrigen" zurückgewiesen. Indem das Gericht ausgeführt hat, in dem Beschluss vom 29. April 2013 sei in vollem Umfang über das Beschwerdevorbringen entschieden worden, hat es damit zugleich - zumindest konkludent - den Ergänzungsantrag der Klägerin nach § 43 FamFG vom 16. Mai 2013 zurückgewiesen.
bb) Da das Vorbringen der Klägerin in der Anhörungsrüge vom 9. Juli 2013 sich darin erschöpfte, ihren (unzutreffenden) Rechtsstandpunkt hinsichtlich der "Androhung" der Ordnungshaft und der Notwendigkeit einer Berichtigungsentscheidung zu wiederholen, schließt der Senat aus, dass die Klägerin infolge der Dauer des Anhörungsrügeverfahrens eine fühlbare immaterielle Beeinträchtigung erlitten hat. Das bloße Beharren auf einer Rechtsauffassung, die vom erkennenden Gericht nicht geteilt wird und der Sache nach bereits beschieden wurde, vermag einen ausgleichspflichtigen Nachteil im Sinne des § 198 Abs. 1, 2 GVG nicht zu begründen. Es kommt hinzu, dass die Klägerin selbst dem Anhörungsrügeverfahren ersichtlich keine besondere Bedeutung beigemessen hat. Denn sie hat erstmals mit Schriftsatz vom 21. Januar 2015 an die Entscheidung über die Anhörungsrüge "erinnert". Die nach § 198 Abs. 3 GVG erforderliche Verzögerungsrüge wurde erst am Ende des Schriftsatzes vom 20. Februar 2015, also mehr als eineinhalb Jahre nach Anbringung der Gehörsrüge, erhoben. Ob schon aus diesem Grund - wie der Beklagte meint - ein Entschädigungsanspruch zu versagen wäre, und ob eine "versteckte Rüge" überhaupt geeignet ist, ihre Warnfunktion zu erfüllen, bedarf keiner Entscheidung, da es bereits an einem Nachteil im Sinne des § 198 Abs. 1, 2 GVG fehlt.
e) Da ein immaterieller Nachteil der Klägerin durch die Bescheidung ihrer Anhörungsrüge und Gegenvorstellung vom 9. Juli 2013 erst am 7. April 2015 nicht eingetreten ist, scheidet auch eine Feststellung nach § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG zur Wiedergutmachung aus.
5. Aus den oben in Nummer 4 Buchst. d aa ausgeführten Gründen ist es unzutreffend, wenn die Revision rügt, über den Ergänzungsantrag sei keine Entscheidung ergangen, so dass das Oberlandesgericht gemäß § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG zur Aussetzung des Entschädigungsprozesses verpflichtet gewesen wäre. Im Übrigen war das Ausgangsverfahren mit der Bekanntgabe des Beschlusses vom 7. April 2015 abgeschlossen. Danach kam die Aussetzung des Verfahrens nach § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG nicht mehr in Betracht.
6. Soweit die Revision gemäß § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) ZPO geltend macht, das Oberlandesgericht habe sich über den Tatbestandberichtigungsantrag der Klägerin vom 25. Mai 2016 unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG hinweggesetzt, hat der Senat die Verfahrensrüge im Einzelnen geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).
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