Entscheidungsdatum: 08.09.2011
Gegen ein Urteil, durch das nach § 341 Abs. 2 ZPO der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil durch das Berufungsgericht als unzulässig verworfen wird, sind die Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde nach den allgemeinen Regeln eröffnet. Die Bestimmung des § 26 Nr. 8 Satz 2 EGZPO ist nicht entsprechend anwendbar .
Das Rechtsmittel der Klägerin gegen das am 1. September 2010 an Verkündung statt zugestellte Urteil der Zivilkammer 55 des Landgerichts Berlin - 55 S 66/10 - wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Wert wird auf 4.370,56 € festgesetzt.
I.
Nach einem klageabweisenden Versäumnisurteil vom 29. September 2008 und einem hiergegen eingelegten Einspruch der Klägerin wurden die Beklagten durch Urteil des Amtsgerichts vom 16. Februar 2009 unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils verurteilt, an die Klägerin 4.370,56 € nebst Zinsen als Gesamtschuldner zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten wurde dieses Urteil, nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2010 keinen Antrag gestellt hatte, durch Versäumnisurteil vom 12. März 2010 - zugestellt am 16. März 2010 - dahin abgeändert, dass das erstinstanzliche Versäumnisurteil vom 29. September 2008 aufrecht erhalten wird. Nach Eingang einer Einspruchsbegründung am 3. Mai 2010 und einem gerichtlichen Hinweis vom 7. Mai 2010, dass kein Einspruch eingegangen sei, legte die Klägerin am 26. Mai 2010 Einspruch ein und beantragte zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Landgericht versagte die Gewährung von Wiedereinsetzung und verwarf den Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil vom 12. März 2010 gemäß § 341 Abs. 2 ZPO als unzulässig. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, die sie vorsorglich als Revision behandelt sehen möchte, falls dieses Rechtsmittel kraft Gesetzes statthaft ist.
II.
Das Rechtsmittel ist nicht zulässig.
1. Nach der Neufassung des § 341 Abs. 2 ZPO durch das Zivilprozessreformgesetz entscheidet das Gericht, das einen Einspruch nicht für zulässig hält - auch wenn es hierüber nicht mündlich verhandelt -, durch Urteil. Mit dieser Neuregelung wollte der Gesetzgeber das nach früherem Recht bestehende unübersichtliche Nebeneinander verschiedener Rechtsmittel bereinigen und durch die zwingende Urteilsform die Entscheidung aufwerten und eine einheitliche Behandlung sicherstellen (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 19. Juli 2007 - I ZR 136/05, NJW-RR 2008, 218 Rn. 15 unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 14/4722 S. 86 f). Die Urteilsform gilt nach § 238 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO auch für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag (vgl. BGH aaO Rn. 16 bis 18). Die Bestimmung des § 341 Abs. 2 ZPO ist nach § 539 Abs. 3 ZPO auch im Berufungsverfahren anzuwenden.
2. Hinsichtlich der Anfechtung eines solchen Berufungsurteils gelten die allgemeinen Regeln (vgl. Musielak/Stadler, ZPO, 8. Aufl., § 341 Rn. 4; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 341 Rn. 13; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 22. Aufl., § 341 Rn. 10; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 32. Aufl., § 341 Rn. 8; MünchKommZPO/Prütting, 3. Aufl., § 341 Rn. 18; PG/Czub, ZPO, 3. Aufl., § 341 Rn. 7; Hk-ZPO/Pukall, 4. Aufl., § 341 Rn. 5). Danach kommen zur Überprüfung eines Berufungsurteils die Revision (§ 543 ZPO) oder - zunächst im Falle ihrer Nichtzulassung - die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) in Betracht.
a) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist im vorliegenden Fall nach § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO nicht zulässig, da der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung gilt nach dem durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) angefügten Satz 2 dieser Bestimmung nur dann nicht, wenn das Berufungsgericht die Berufung (durch Urteil) verwirft. Durch diese Regelung ist dieselbe Möglichkeit der Überprüfung wie bei der nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO vorgesehenen Rechtsbeschwerde geschaffen worden, die ohne Rücksicht auf den Beschwerdewert statthaft ist, wenn das Berufungsgericht die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO verwirft (vgl. zur Rechtslage nach § 26 Nr. 8 EGZPO a.F. BGH, Beschluss vom 4. September 2002 - VIII ZB 23/02, NJW 2002, 3783).
Eine analoge Anwendung des § 26 Nr. 8 Satz 2 EGZPO auf die Verwerfung des Einspruchs kommt nicht in Betracht. Die aufgezeigte Regelung über die Anfechtung des Urteils nach § 341 Abs. 2 ZPO, das als kontradiktorisches Urteil anzusehen ist (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 5. März 2007 - II ZB 4/06, NJW-RR 2007, 1363 Rn. 8), ist nicht lückenhaft. Bereits zu dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Prozessrecht war anerkannt, dass ein Berufungsurteil, mit dem nach mündlicher Verhandlung ein Einspruch verworfen wurde (§ 341a ZPO), (nur) mit der Wertrevision oder der Zulassungsrevision im Sinne des § 546 ZPO a.F. anfechtbar war (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 1991 - IV ZB 4/91, NJW 1992, 1701, 1702; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 341 Rn. 13); dementsprechend war nach früherem Recht bei Einspruchsverwerfung durch Beschluss in einer Familiensache die sofortige Beschwerde nur bei Zulassung durch das Oberlandesgericht eröffnet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 1981 - IVb ZB 846/81, NJW 1982, 1104 f; vom 9. Juni 1999 - XII ZB 2/99, BGHR ZPO § 341 Abs. 2 Familiensache 1). Ein vom Beschwerdewert (oder der Zulassung) unabhängiges Rechtsmittel gegen eine Einspruchsverwerfung ist auch nach neuem Recht nicht vorgesehen (vgl. MünchKommZPO/Prütting, aaO Rn. 19; Stein/Jonas/Grunsky, aaO Rn. 11; Zimmermann, ZPO, 8. Aufl., § 341 Rn. 4).
Der Gesetzgeber war nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen gehalten, die Überprüfung einer Einspruchsverwerfung ebenso wie diejenige einer Berufungsverwerfung wertunabhängig auszugestalten. Zwar mag es für eine betroffene Partei keinen relevanten Unterschied ausmachen, wenn ihr, wie dies hier von der Beschwerde geltend gemacht wird, zu Unrecht Wiedereinsetzung versagt wird, so dass sie zu keiner Überprüfung des Versäumnisurteils in der Sache gelangen kann. Bei der Verwerfung der Berufung ist damit jedoch jede Überprüfungsmöglichkeit eines angefochtenen Urteils genommen, während der Betroffene, gegen den ein ordnungsgemäß zugestelltes Versäumnisurteil ergangen ist, sein rechtliches Gehör erhalten hat. Das wird in dem vorliegenden Fall besonders deutlich, in dem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vertreten war, es aber für richtig gehalten hat, in der Sache keinen Antrag zu stellen. Die Ausgestaltung des Versäumnisverfahrens ist allgemein durch den Gedanken geprägt, im Interesse der Prozessbeschleunigung eine durch ein Versäumnisurteil gewarnte Partei zu besonders sorgfältiger Prozessführung anzuhalten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. April 1986 - VIII ZB 26/85, BGHZ 97, 341, 345; vom 5. März 2007 - II ZB 4/06, aaO Rn. 10).
b) Da die Revision hier nicht von Gesetzes wegen eröffnet und vom Berufungsgericht nicht zugelassen worden ist, hat das Rechtsmittel auch als Revision keinen Erfolg.
Schlick Dörr Herrmann
Seiters Tombrink