Entscheidungsdatum: 10.10.2013
Zur Haftung eines Verbands von Teilnehmergemeinschaften gegenüber einem am Flurbereinigungsverfahren Beteiligten wegen Verletzung der Unterhaltungspflicht für gemeinschaftliche Anlagen.
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 28. Dezember 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Im Jahre 2003 wurde dem Kläger im Rahmen der Durchführung des Flurbereinigungsverfahrens R. -Ü. das Weinbergflurstück Gemarkung Ü. , Flur 15 Nr. 46, zugeteilt. Trägerin der Flurbereinigungsmaßnahmen war die Teilnehmergemeinschaft R. -Ü. , die den beklagten Verband der Teilnehmergemeinschaften mit der Herstellung gemeinschaftlicher Anlagen und der Durchführung von Bodenverbesserungen beauftragte. Dabei wurden unter anderem Bodenmassen in die Hangflächen eingefahren und schwere Transportfahrzeuge eingesetzt, die den oberhalb der Parzelle des Klägers und zum Hang gelegenen, geteerten Wirtschaftsweg Nr. (P. weg) befuhren. Dabei kam es parallel zum Verlauf des Weges zur Bildung von Rillen. Nachdem es in den Jahren 2005 und 2006 auf der Parzelle des Klägers zu Wasseraustritten mit Bodenabschwemmungen im mittleren Hangbereich gekommen war, wurden Drainagen verlegt und zusätzlich Schieferboden eingebracht. Zum Jahreswechsel 2006/2007 kam es erneut zu Bodenabschwemmungen auf der Parzelle des Klägers. Nach Beendigung der Flurbereinigungsmaßnahmen wurde der Wirtschaftsweg Ende des Jahres 2007 neu ausgebaut und geteert. Danach kam es nicht mehr zu Bodenabschwemmungen auf dem Grundstück des Klägers.
Der Kläger verlangt von dem Beklagten Ersatz des Schadens, der ihm dadurch entstanden sein soll, dass er wegen der Bodenabschwemmungen zum Jahreswechsel 2006/2007 im höheren Hangbereich und unterhalb des Wirtschaftswegs seine Weinbergparzelle 2007 und in den nachfolgenden Jahren nicht "ordnungsgemäß" bepflanzen konnte (Ernteausfall).
Das Landgericht hat - sachverständig beraten - die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufung des Beklagten ist die Klage abgewiesen worden. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Schadensersatzanspruch weiter.
Die Revision ist zulässig und auch in der Sache begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung an die Vorinstanz.
I.
Das Berufungsgericht hat einen Amtshaftungsanspruch verneint und seine Entscheidung (veröffentlicht in DVBl. 2012, 255) wie folgt begründet: Nach dem Vorbringen des Klägers liege die zentrale Schadensursache darin, dass im Wege- und Gewässerplan keine wasserwirtschaftlichen Maßnahmen vorgesehen gewesen seien und es dadurch zu einer "Notentwässerung" entlang der oberen Parzellengrenze und im weiteren Verlauf zu Bodenabschwemmungen auf seinem Grundstück gekommen sei; zudem habe er eine "planmäßige und fehlerfreie" Bauweise bestritten, Ausführungsmängel jedoch nicht konkret dargelegt. Richte sich sein Klagebegehren damit aber gegen eine fehlerhafte Wege- und Gewässerplanung, habe er als Beteiligter des Flurbereinigungsverfahrens bereits in diesem Verfahren mit den darin vorgesehenen Rechtsmitteln um entsprechenden Rechtsschutz (Schutzmaßnahmen oder Nachteilsausgleich) nachsuchen und seine Ansprüche geltend machen oder eine sogenannte Ausbauklage erheben müssen. Im Hinblick auf die Zielsetzung des Flurbereinigungsgesetzes sei es ausgeschlossen, dass ein Beteiligter von der Anfechtung einer ihn belastenden Maßnahme mit den dafür vorgesehenen Rechtsmitteln absehe und stattdessen die Rechtmäßigkeit der fraglichen Maßnahme im Rahmen einer Amtshaftungsklage geltend mache.
Soweit in dem Vorbringen des Klägers auch eine Beschädigung des im Zuge des Flurbereinigungsverfahrens ausgebauten Wirtschaftswegs Nr. durch das Befahren mit schweren Transportfahrzeugen und daran anknüpfend eine Verletzung der "Wegeunterhaltungs- bzw. Verkehrssicherungspflicht" angesprochen werde, sei dies lediglich Folge der behaupteten Fehlplanung. Im Übrigen sei weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass der Beklagte die grundsätzlich der örtlichen Teilnehmergemeinschaft obliegende Unterhaltungspflicht hinsichtlich der gemeinschaftlichen Anlagen in dem betreffenden Flurbereinigungsgebiet übernommen habe oder ihm auch nur Überwachungspflichten insoweit verblieben seien.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach den bislang getroffenen Feststellungen und auf der Grundlage der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme kann ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den beklagten Verband nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 34 GG nicht ausgeschlossen werden.
1. Dem Berufungsgericht ist allerdings darin zuzustimmen, dass etwaige Mängel im Flurbereinigungsplan - hier möglicherweise das Fehlen wasserwirtschaftlicher Maßnahmen - als Grundlage eines Amtshaftungsanspruchs ausscheiden. Denn dem Kläger, der als Eigentümer eines zum Flurbereinigungsgebiet gehörenden Grundstücks nach § 10 Nr. 1 FlurbG am Flurbereinigungsverfahren beteiligt ist, steht kein Wahlrecht in der Weise zu, dass er von der Anfechtung einer ihn rechtswidrig belastenden Maßnahme mit den im Flurbereinigungsgesetz vorgesehenen Rechtsmitteln in dem dort geregelten Verfahren absehen und sich auf eine Amtshaftungsklage vor dem ordentlichen Gericht beschränken kann. Vielmehr ist eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Flurbereinigungsplans, der zugleich den Wege- und Gewässerplan umfasst, und darin enthaltener wasserwirtschaftlicher Maßnahmen im Rahmen eines Amtshaftungsprozesses dann nicht mehr möglich, wenn der Plan - wovon auch im Streitfall auszugehen ist - bestandskräftig geworden ist (vgl. Senatsurteil vom 15. Mai 1986 - III ZR 241/84, BGHZ 98, 85, 88; Wingerter/Mayr, Flurbereinigungsgesetz, 9. Aufl., § 59 Rn. 14). Bei einer fehlerhaften oder unzulänglichen Planung von (insbesondere) gemeinschaftlichen sowie wasserwirtschaftlichen und bodenverbessernden Anlagen (vgl. § 41 Abs. 1 FlurbG) muss ein Beteiligter gegen den Wege- und Gewässerplan vorgehen (§ 59 Abs. 2 FlurbG) und gegebenenfalls vor dem Flurbereinigungsgericht (§ 140 FlurbG) eine Änderung oder Ergänzung des Plans anstreben (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 2, § 64 FlurbG; siehe dazu Wingerter/Mayr aaO § 61 Rn. 8). Dies ergibt sich sowohl aus der Zielsetzung des Flurbereinigungsverfahrens, wonach im Interesse aller Beteiligten durch eine größtmögliche Beschleunigung verhindert werden soll, dass die in diesem Plan geregelte Neuordnung des Bereinigungsgebiets, die für die Beteiligten und die Behörden verbindlich ist, noch nach längerer Zeit angegriffen werden kann, als auch aus der umfassenden rechtsgestaltenden Wirkung, die § 41 Abs. 5 FlurbG für den Flurbereinigungsplan vorsieht (vgl. Senatsurteil vom 15. Mai 1986 aaO S. 91). Ein Schadensersatzanspruch gegen den beklagten Verband nach Amtshaftungsgrundsätzen kann deshalb nicht auf die Unterlassung wasserwirtschaftlicher Maßnahmen im Zuge der Flurbereinigungsplanung und eine hierdurch bedingte "Notentwässerung" entlang der oberen Parzellengrenze gestützt werden, zumal Fehler im Wege- und Gewässerplan allein in den Verantwortungsbereich der Flurbereinigungsbehörde fallen (§ 58 Abs. 1 FlurbG).
2. Im Streitfall stützt der Kläger seinen Schadensersatzanspruch jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht, jedenfalls nicht in erster Linie, auf eine unterlassene oder fehlerhafte Wasserbewirtschaftung und ein fehlerhaftes Bodengefälle im Flurbereinigungsplan, sondern vor allem auf eine (eigenständige) Verletzung der "Wegeunterhaltungs- bzw. Verkehrssicherungspflicht" durch den Beklagten. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger sehe als zentrale Schadensursache im Wege- und Gewässerplan fehlende wasserwirtschaftliche Maßnahmen, verkennt, wie die Revision zu Recht rügt, den Kerngehalt seines Vorbringens.
Der Kläger hat zwar in der Klageschrift pauschal das Unterlassen wasserwirtschaftlicher Maßnahmen gerügt, gleichzeitig aber schon dort darauf hingewiesen, dass der Wirtschaftsweg Nr. im Zuge der Flurbereinigungsmaßnahmen beschädigt und nicht ordnungsgemäß instand gesetzt worden sei, wodurch der Beklagte seine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Damit hatte er bereits zum Ausdruck gebracht, dass die Ursache der "Notentwässerung" auf sein Grundstück jedenfalls nicht nur eine Folge einer etwaigen vorausgegangenen Fehlplanung sei. Auch im weiteren Verlauf des Rechtsstreits hat er vorgetragen, der Weg sei im Zuge der Flurbereinigungsmaßnahmen mit schweren Fahrzeugen befahren und von diesen beschädigt worden. Aufgrund der dadurch entstandenen Risse in der (geteerten) Straßenfläche und Rillen auf den unbefestigten Seitenstreifen seien Wassermassen auf sein Grundstück gelangt und hätten den geltend gemachten Schaden verursacht.
Bei dieser Sachlage kann - wie bereits das Landgericht angenommen hat - eine schadensursächliche Pflichtverletzung der für den Beklagten handelnden Amtsträger (Vorstandsmitglieder, vgl. § 26b Abs. 3 i.V.m. § 25 FlurbG) vor allem darin zu erblicken sein, dass die durch das Befahren mit schweren Fahrzeugen entstandenen Beschädigungen des Wirtschaftswegs (Rinnen- und Rissbildungen) nicht beziehungsweise verspätet beseitigt worden sind. Im Gegensatz zu der dem Urteil des Senats vom 15. Mai 1986 (aaO) zugrundeliegenden Fallgestaltung würde dabei unabhängig von dem Inhalt des Flurbereinigungsplans eine selbständige Pflichtverletzung des beklagten Verbands vorliegen - nämlich eine Verletzung der sich aus § 18 Abs. 1 Satz 2, § 42 Abs. 1 FlurbG ergebenden Unterhaltungspflichten -, die nicht lediglich als Folge einer vorausgegangenen fehler- oder lückenhaften Planung angesehen werden könnte.
a) Der Beklagte ist ein durch den Zusammenschluss mehrerer Teilnehmergemeinschaften entstandener Verband (§ 26a Abs. 1 Satz 1 FlurbG), der ebenso wie die Teilnehmergemeinschaften (§ 16 Satz 2 FlurbG) eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist (§ 26a Abs. 1 Satz 3 FlurbG). Er wird demnach, wenn er - wie hier - nach § 26a Abs. 1 Satz 2 FlurbG an die Stelle der Teilnehmergemeinschaft tritt, bei der Erfüllung der ihm nach Maßgabe des Flurbereinigungsgesetzes obliegenden Aufgaben hoheitlich tätig (vgl. Senatsurteil vom 15. Mai 1986 aaO S. 86 f).
Nach der Generalklausel des § 18 Abs. 1 Satz 1 FlurbG hat die Teilnehmergemeinschaft das Recht und die Pflicht, die gemeinschaftlichen Angelegenheiten der Teilnehmer wahrzunehmen. Dies umfasst nach Satz 2 insbesondere die Herstellung der gemeinschaftlichen Anlagen und deren Unterhaltung, soweit nicht der Flurbereinigungsplan anderes bestimmt oder die Ausführung oder Unterhaltung einzelnen Beteiligten oder einem Wasser- oder Bodenverband überlassen werden. Zu den gemeinschaftlichen Anlagen können insbesondere auch Wege und Straßen gehören (§ 39 Abs. 1 FlurbG). Gemäß § 42 FlurbG hat die Teilnehmergemeinschaft, soweit nicht ein anderer den Ausbau übernimmt, die gemeinschaftlichen Anlagen herzustellen und bis zur Übergabe an den Unterhaltungspflichtigen zu unterhalten, sofern gesetzliche Vorschriften nichts anderes bestimmen.
b) Mangels gegenteiliger Feststellungen durch das Berufungsgericht ist im Revisionsverfahren davon auszugehen, dass dem beklagten Verband (auch) die Unterhaltung des P. wegs oblag und es sich bei diesem Weg um eine gemeinschaftliche Anlage im Sinne des § 39 FlurbG handelt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedurfte es, nachdem der Beklagte unstreitig alle im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Flurbereinigungsmaßnahmen durchgeführt hat beziehungsweise (durch Transportaufträge an ein privates Unternehmen) hat durchführen lassen, keiner weiteren Darlegung, dass der beklagte Verband auch und gerade die Unterhaltungspflicht (mit-)übernommen hat. Dafür, dass die Unterhaltungspflicht zum Zeitpunkt der schadensursächlichen Bodenabschwemmungen infolge "Übernahme" der gemeinschaftlichen Anlage durch die Gemeinde bereits auf diese übergegangen war (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 FlurbG sowie OVG Koblenz AgrarR 1972, 331; RdL 1972, 209; RzF - 20 - zu § 149 Abs. 1 FlurbG), ist nichts ersichtlich.
c) Ob der Kläger, der auch als Mitglied der Teilnehmergemeinschaft geschützter Dritter im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB sein kann (vgl. Senatsurteil vom 15. Mai 1986 aaO S. 87), die Durchführung der durch die Beschädigungen des Wirtschaftswegs notwendig gewordenen Unterhaltungsmaßnahmen durch eine gegen den Beklagten gerichtete so genannte Ausbauklage (siehe allgemein BVerwGE 57, 31, 36 f; Wingerter/Mayr aaO § 18 Rn. 3, § 61 Rn. 10) hätte erzwingen können (vgl. dazu OVG Koblenz, AgrarR 1972, 331; Hoecht, AgrarR 1983, 85, 90), kann dahinstehen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass er mit einem solchen Begehren so rechtzeitig Erfolg gehabt hätte, dass der Eintritt der geltend gemachten Schäden verhindert worden wäre (§ 839 Abs. 3 BGB).
III.
Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif. Infolgedessen ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache gemäß § 563 Abs. 1 ZPO zur erneuten tatrichterlichen Beurteilung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass nach dem Vorbringen des Klägers eine Haftung des Beklagten (auch) wegen Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht in Frage kommen kann, und zwar deshalb, weil er im Rahmen der Durchführung von Bodenverbesserungsmaßnahmen den Verkehr mit schweren Transportfahrzeugen veranlasst hat, der zu den Straßenschäden führte. Dass der Beklagte ein privates Unternehmen mit den Transportfahrten beauftragt hatte, schließt seine eigene Haftung nicht aus. Er brauchte sich zwar bei Beauftragung eines zuverlässigen Transportunternehmers grundsätzlich nicht darum zu kümmern, ob infolge des Einsatzes von Fahrzeugen zum Transport von Materialien und Boden bei Anliegern der Zufahrtswege vermeidbare Schäden entstehen können (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 1980 - VI ZR 121/79, VersR 1981, 262). Dem steht jedoch eine Pflicht zur Überwachung und bei erkennbaren Gefahren auch zum Eingreifen nicht in jedem Fall entgegen (vgl. Senatsurteile vom 5. November 1992 - III ZR 91/91, BGHZ 120, 124, 128 f und 17. Dezember 1992 - III ZR 99/90, NVwZ-RR 1993, 337, 338).
Ob sich die Haftung des beklagten Verbands im Falle einer derartigen Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht aus § 839 BGB, Art. 34 GG ergibt oder aber nach allgemeinem Deliktsrecht richtet (§ 823 Abs. 1 i.V.m. §§ 31, 89 BGB), kann dahinstehen, da sich der Beklagte in keinem Fall auf das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB berufen könnte (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 1993 - III ZR 167/92, BGHZ 123, 102, 105).
Schlick Herrmann Hucke
Tombrink Remmert