Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 04.05.2016


BGH 04.05.2016 - III ZR 100/15

Verjährungshemmende Wirkung des Güteverfahrens: Auslegung der Verfahrensordnung zum Nachweis der Vollmacht; Ende der Hemmungswirkung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
04.05.2016
Aktenzeichen:
III ZR 100/15
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2016:040516BIIIZR100.15.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Hamm, 3. März 2015, Az: I-34 U 14/14vorgehend LG Siegen, 20. Dezember 2013, Az: 2 O 30/13
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. Zur Auslegung einer Regelung in einer von einer staatlich anerkannten Gütestelle erlassenen Verfahrensordnung, wonach die schriftliche Vollmacht beizufügen oder auf Antrag nachzureichen ist (Abgrenzung gegenüber BGH, Urteil vom 22. Februar 2008, V ZR 86/07, BeckRS 2008, 04680).

2. Für die konkrete Beendigung eines Güteverfahrens im Sinne des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB kommt es in erster Linie auf den Inhalt der Verfahrensordnung der Gütestelle an (im Anschluss an BGH, Urteil vom 28. Oktober 2015, IV ZR 405/14, WM 2015, 2288).

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 34. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. März 2015 - I-34 U 14/14 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Streitwert: bis 45.000 €

Gründe

1

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

2

1. Die Auslegung der Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 9 der von der staatlich anerkannten Gütestelle des Rechtsanwalts und Mediators F.   X. R.   erlassenen Verfahrensordnung ("Die schriftliche Vollmacht ist beizufügen oder auf Antrag nachzureichen") durch das Berufungsgericht dahingehend, dass bei anwaltlicher Vertretung des Antragstellers - in Parallele zu §§ 80, 88 ZPO - eine Prüfung der Vollmacht regelmäßig nur auf "Antrag des Antragsgegners" erfolgt, lässt (zumal zulassungsrelevante) Rechtsfehler nicht erkennen. Dies gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, dass die Auslegung der Verfahrensordnung im dritten Rechtszug vollständig zu überprüfen ist.

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a) Das Berufungsgericht hat zutreffend gesehen, dass der Güteantrag die formalen Anforderungen erfüllen muss, die von den für die Tätigkeit der jeweiligen Gütestelle maßgeblichen Verfahrensvorschriften gefordert werden, um die Hemmungswirkung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB herbeizuführen (vgl. Senatsurteile vom 18. Juni 2015 - III ZR 198/14, NJW 2015, 2407 Rn. 21 und vom 20. August 2015 - III ZR 373/14, WM 2015, 1807 Rn. 16; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 405/14, WM 2015, 2288 Rn. 13).

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b) Das Berufungsgericht hat bei der Auslegung der Verfahrensordnung einen zutreffenden Maßstab angelegt. Grundsätzlich gelten die allgemeinen Auslegungsgrundsätze (Wortbedeutung, Bedeutungszusammenhang, Entstehungsgeschichte, Gesetzeszweck, vgl. Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., Einl. Rn. 40 ff) auch im Verfahrensrecht. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass Verfahrensvorschriften keinen Selbstzweck haben und deshalb in Zweifelsfällen so auszulegen sind, dass sie eine Verwirklichung des materiellen Rechts ermöglichen und nicht verhindern. Dementsprechend ist bei der Auslegung von Verfahrensnormen ein übermäßiges Haften am Wortlaut regelmäßig unangebracht. Formale Voraussetzungen dürfen nicht zu "förmlichen Stolpersteinen" oder "Fallstricken" werden. Entscheidend ist allein, welcher Grad von Formenstrenge nach den maßgeblichen verfahrensrechtlichen Vorschriften sinnvoll zu fordern ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., Einl. Rn. 92 ff m zahlr. wN).

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c) Danach ist es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht den Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 9 der Verfahrensordnung für unergiebig gehalten hat, um zu bestimmen, welche Partei den "Antrag" auf Vollmachtsvorlage zu stellen hat. Zu Recht hat das Berufungsgericht bei "verständiger Auslegung" auf die sich aufdrängende Parallele zu §§ 80, 88 ZPO abgestellt.

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Hat sich im Zivilprozess ein Rechtsanwalt für die Partei bestellt, lässt die Nichteinreichung einer Vollmachtsurkunde zu den Akten (§ 80 Satz 1 ZPO) noch keinen Schluss auf einen Vollmachtsmangel zu (arg. § 88 Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO). Bei Vertretung durch einen Rechtsanwalt erfolgt eine Prüfung der Vollmacht in der Regel nicht von Amts wegen, sondern grundsätzlich nur auf Rüge des Gegners (§ 88 Abs. 1, 2 ZPO; Zöller/Vollkommer aaO § 80 Rn. 11 und § 88 Rn. 2). Wie sich aus der Entstehungsgeschichte der vorliegenden Verfahrensordnung ergibt, orientierte sich die hier maßgebliche Neufassung vom März 2011 an den Vorschriften der Zivilprozessordnung. Danach sollte der Bevollmächtigte seine Vollmacht dem Gegner nur nachweisen müssen, wenn dieser es verlangt. Ein Nachweis der Vollmacht sollte gegenüber der Gütestelle nur erforderlich sein, wenn sein Fehlen bemängelt wurde beziehungsweise der Gegner einen solchen verlangte (siehe das erläuternde Schreiben des Rechtsanwalts R.   vom 11. Oktober 2013).

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Die Neufassung der Verfahrensordnung erfolgte in bewusster Abkehr von der früheren, der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22. Februar 2008 (V ZR 86/07, BeckRS 2008, 04680 Rn. 3) zugrunde liegenden Fassung "Der Antrag ist von der antragstellenden Person oder ihrem Bevollmächtigten zu unterschreiben, die schriftliche Vollmacht ist beizufügen." Nur für diesen Fall hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass auf Grund des klaren Wortlauts der Verfahrensordnung a.F. eine entsprechende Anwendung von § 88 Abs. 2 ZPO ausscheidet (aaO Rn. 12, 14). Gerade im Hinblick auf diese restriktive Auslegung hat Rechtsanwalt R.   sodann seine Verfahrensordnung überarbeitet und der Regelung der §§ 80, 88 ZPO nachgebildet. Nach alledem ist es gemäß § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung unschädlich, wenn dem Güteantrag des anwaltlich vertretenen Klägers vom 29. Dezember 2011 eine Vollmacht nicht beigefügt war und später auch nicht nachgereicht wurde, da die Beklagte einen Mangel der Vollmacht zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht ("gerügt") hat.

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2. Die von der Beschwerde ferner aufgeworfene Rechtsfrage, ob ein Güteverfahren bereits mit der Ablehnung eines Güteversuchs durch den Antragsgegner oder erst mit der Bekanntgabe des Scheiterns des Güteverfahrens durch die Gütestelle gegenüber dem Antragsteller endet, ist nicht klärungsbedürftig.

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a) § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB legt für die in Absatz 1 geregelten Hemmungstatbestände fest, dass die Hemmung sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens endet. Grundsätzlich endet ein Güteverfahren im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB durch Abschluss eines Vergleichs, die Rücknahme des Güteantrags oder durch die Einstellung des Verfahrens wegen Scheiterns des Einigungsversuchs. Dabei kann die konkrete Beendigung des Verfahrens nur innerhalb der Verfahrensordnung der jeweiligen Gütestelle festgestellt werden (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2014 - XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 160; Urteil vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 405/14, WM 2015, 2288 Rn. 27; s. auch OLG München Urteil vom 24. November 2014 - 21 U 5058/13, juris Rn. 31). Im Streitfall ist somit in erster Linie der Inhalt der Verfahrensordnung der Gütestelle R.   vom März 2011 maßgebend. Nach § 7 Buchst. b der Verfahrensordnung endet das Verfahren, wenn eine Partei erklärt, dass sie nicht an einem Mediationstermin teilnimmt und dies der anderen Partei mitgeteilt wird. Damit steht fest, dass die Nachlauffrist erst mit der "Mitteilung" des Scheiterns des Güteversuchs an die andere Partei beginnt. Unabhängig davon, ob im vorliegenden Fall für den Fristbeginn auf den Zugang der Mitteilung (8. August 2012) oder die Veranlassung der Bekanntgabe (7. August 2012) abgestellt wird (für Letzteres BGH, Urteil vom 28. Oktober 2015 aaO Rn. 37), war zum Zeitpunkt der Klageeinreichung am 31. Januar 2013 die sechsmonatige Nachlauffrist des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB in jedem Fall gewahrt.

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b) Es kommt hinzu, dass der Bundesgerichtshof inzwischen mit Urteil vom 28. Oktober 2015 für eine frühere Fassung der Verfahrensordnung der Gütestelle R.   ("Das Verfahren endet, wenn eine Partei erklärt, dass sie nicht an einem Mediationstermin teilnehmen wird") entschieden hat, dass § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB nach seinem Sinn und Zweck so auszulegen ist, dass es auch in dem Fall, in dem die Beendigung eines Hemmungstatbestands vom Gläubiger nicht unmittelbar wahrnehmbar ist, für den Lauf der sechsmonatigen Nachlauffrist darauf ankommt, dass dieser Umstand dem Gläubiger zur Kenntnis gebracht wird (aaO Rn. 32). Dies bedeutet, dass selbst dann, wenn nach der Verfahrensordnung das Güteverfahren bereits mit Eingang der ablehnenden Stellungnahme des Gegners beendet ist, der Beginn der Nachlauffrist davon abhängt, dass die Bekanntgabe der Weigerung an die Gegenpartei durch die Gütestelle veranlasst wird (aaO Rn. 26, 30, 32, 37 f). Dies muss selbstverständlich erst recht gelten, wenn bereits die Verfahrensordnung die Bekanntgabe vorschreibt.

11

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Herrmann                      Hucke                      Seiters

                     Reiter                     Liebert