Entscheidungsdatum: 20.12.2012
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 5. Juni 2012 - 12 U 42/12 - wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Der Gegenstandswert für die Rechtsbeschwerde beträgt 10.000 €.
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Gewinnzusage auf Zahlung von 10.000 € nebst Zinsen in Anspruch und hat vor dem Landgericht ein klagestattgebendes Urteil erwirkt. Dieses Urteil ist den Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 23. März 2012 zugestellt worden. Am 29. März 2012 hat der Beklagte Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2012, eingegangen am 4. Juni 2012, hat er hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und seine Berufung begründet.
Der Beklagte hat zu seinem Wiedereinsetzungsgesuch vorgetragen, der sachbearbeitende Rechtsanwalt habe bei Eingang des landgerichtlichen Urteils verfügt, dass sofort Berufung gegen die Entscheidung eingelegt und die Berufungsbegründungsfrist notiert werde. Diese Verfügung sei beim Diktat und auch durch Markierung des Urteils mit einem roten "F" erfolgt. Die seit 15 Jahren für die Eintragung und Überwachung der Fristen zuständige Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte O. , die bislang stets gewissenhaft und ohne Beanstandungen gearbeitet habe, habe es dann aber versäumt, die Berufungsbegründungsfrist zu notieren. Zur Glaubhaftmachung hat der Beklagte eidesstattlich versicherte Erklärungen des Rechtsanwalts und der Fachangestellten O. vorgelegt.
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Es hat ausgeführt, die Versäumung der Rechtsmittelfrist beruhe auf einem dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten. Ausweislich der eidesstattlich versicherten Erklärung der Fachangestellten O. sei die Akte Anfang Mai 2012 zur Fristenkontrolle wieder vorgelegt, hierbei aber nicht überprüft worden, ob die Begründungsfrist notiert worden sei. Wenn der Rechtsanwalt es aber - pflichtwidrig - unterlasse, bei Vorlage der Akte die Notierung der Berufungsbegründungsfrist zu prüfen, so falle ihm ein eigenes Verschulden zur Last. Er dürfe sich nach der Aktenvorlage nicht mehr darauf verlassen, dass ihn sein Personal rechtzeitig an den Fristablauf erinnern werde.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.
II.
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthafte sowie rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat zu Recht die Berufung als unzulässig verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen.
1. Die Berufungsbegründungsfrist ist nicht schuldlos versäumt worden.
a) Es gehört zu den Pflichten des Rechtsanwalts bei der Unterzeichnung der Berufungsschrift, die Notierung der Berufungsbegründungsfrist auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, und zwar unbeschadet der Frage, ob dem Rechtsanwalt die Berufungsschrift zusammen mit der Handakte vorgelegt wird. Überlässt der Rechtsanwalt die Berechnungen und Notierungen von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft, hat er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen festgehalten und kontrolliert werden. Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fristenkontrolle gehört insbesondere, dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in den Fristenkalender eingetragen worden sind. Wird dem Rechtsanwalt die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, hat er die Einhaltung seiner Anweisung zur Berechnung und Notierung laufender Rechtsmittelfristen einschließlich deren Eintragung in den Fristenkalender eigenverantwortlich zu prüfen, wobei er sich grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränken darf. Diese anwaltliche Prüfungspflicht besteht auch dann, wenn die Handakte zur Bearbeitung nicht zugleich mit vorgelegt worden ist, so dass in diesen Fällen die Vorlage der Handakte zur Fristenkontrolle zu veranlassen ist (Senat, Beschluss vom 22. September 2011 - III ZB 25/11, BeckRS 2011, 24117 Rn. 8 mwN).
b) Nach diesen Maßgaben hat der Beklagte ein (ihm gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes) Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten nicht auszuräumen vermocht.
aa) Abzustellen ist insoweit zunächst allein auf diejenigen Angaben, die der Beklagte in seinem Wiedereinsetzungsantrag vom 1. Juni 2012 mitgeteilt hat. Denn die eine Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen müssen gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO grundsätzlich bereits im Wiedereinsetzungsantrag enthalten sein; jedenfalls sind sie innerhalb der für die Wiedereinsetzung geltenden Frist nach § 234 Abs. 1 ZPO vorzubringen (Senatsbeschluss vom 24. Juni 2010 - III ZB 63/09, BeckRS 2010, 16574 Rn. 14 mwN). Zulässig ist nur die Ergänzung von fristgerecht gemachten, aber erkennbar unklaren oder unvollständigen Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten war (Senatsbeschluss vom 24. Juni 2010 aaO mwN).
bb) In dem Wiedereinsetzungsantrag findet sich keine Angabe dazu, dass und in welcher Weise im Zusammenhang mit der - dem Diktat des sachbearbeitenden Rechtsanwalts nachfolgenden - Unterzeichnung der Berufungsschrift eine eigene Überprüfung der (ebenfalls im Diktat verfügten) Notierung der Berufungsbegründungsfrist geschehen sei. Da diese Frist nicht notiert worden sein soll, konnte eine solche Überprüfung tatsächlich auch nicht erfolgt sein. Bereits dies fällt den Prozessbevollmächtigten des Beklagten als eigenes Versäumnis zur Last.
Hinzu kommt, worauf das Berufungsgericht maßgeblich abgestellt hat, dass sich aus der eidesstattlich versicherten Erklärung der Fachangestellten O. entnehmen lässt, dass eine solche anwaltliche Kontrolle auch nicht im Zusammenhang mit "Wiedervorlagen" zum Zwecke der Fristenprüfung durchgeführt worden ist. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist der Text der eidesstattlich versicherten Erklärung der Fachangestellten O. ("Im Rahmen der hier stetig durchgeführten Wiedervorlagen … ist die Akte auch Anfang Mai wieder vorgelegt worden.") nicht dahin zu verstehen, dass mit "Wiedervorlage" die Wiedervorlage an Frau O. gemeint ist oder auch nur gemeint sein könnte. Vielmehr deutet alles darauf hin, dass es um die "Wiedervorlage" an den sachbearbeitenden Rechtsanwalt ging. Die Anweisung zu einer "Wiedervorlage" wird typischerweise in einer Verfügung des Sachbearbeiters getroffen und bezieht sich auf eine Vorlage der Akte an ihn. Dass Frau O. hier selbst in diesem Sinne als Sachbearbeiterin verfügt und somit eine Anweisung etwa gegenüber dritten Kanzleiangestellten getroffen haben könnte, ist weder mitgeteilt worden noch sonst - auch nur im Ansatz - ersichtlich gewesen. Zur Frage der nachfolgenden Fristenkontrolle durch den Rechtsanwalt enthält der (vom sachbearbeitenden Rechtsanwalt eidesstattlich versicherte) Vortrag im Schriftsatz vom 1. Juni 2012 nichts Weiteres. Es bestand sonach keine erkennbare Unklarheit oder Unvollständigkeit, die einen Hinweis des Berufungsgerichts nach § 139 ZPO erfordert und mithin neues Vorbringen nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist gestattet hätte.
cc) Unbeschadet dessen vermögen die mit der Rechtsbeschwerdebegründung vorgelegten weiteren eidesstattlich versicherten Erklärungen des sachbearbeitenden Rechtsanwalts und der Fachangestellten O. vom 24. August 2012 ein fehlendes Verschulden der Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht in genügender Weise darzulegen.
Die eidesstattlich versicherte Erklärung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts vom 24. August 2012 enthält wiederum keine Angaben dazu, dass und in welcher Weise im Zusammenhang mit der Unterzeichnung der Berufungsschrift eine eigene Überprüfung der Notierung der Berufungsbegründungsfrist geschehen wäre. Sie klärt - in gebotener Zusammenschau mit den Ausführungen in der eidesstattlich versicherten Erklärung der Fachangestellten O. vom 1. Juni 2012 - auch nicht zureichend auf, ob mit "Wiedervorlage" nun die Vorlage der Handakten an den Rechtsanwalt oder an Frau O. oder an beide Personen (im Sinne einer zweifachen - gestuften - "Wiedervorlage") gemeint war. Letzteres gilt auch für die eidesstattlich versicherte Erklärung der Fachangestellten O. vom 24. August 2012.
2. Mangels Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist ist die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen worden.
Schlick Herrmann Hucke
Tombrink Remmert