Entscheidungsdatum: 22.09.2011
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 14. März 2011 - 24 U 166/10 - wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Der Gegenstandswert für die Rechtsbeschwerde beträgt 19.925 €.
I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus fehlerhafter Beratung geltend.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 2. November 2010 zugestellt worden. Nach Beauftragung eines anderen Prozessbevollmächtigten hat die Klägerin am 1. Dezember 2010 Berufung eingelegt. Mit gerichtlicher Verfügung vom 6. Januar 2011 ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass die Frist zur Begründung der Berufung abgelaufen ist. Am 24. Januar 2011 hat die Klägerin die Berufung begründet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat sie geltend gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter im Berufungsverfahren erst am Morgen des 1. Dezember 2010 das Mandat zur Berufungserhebung erhalten habe. Er habe wegen des nahen Fristendes am Folgetag unmittelbar Korrespondenz und Urteilsabschrift an seine sehr erfahrene, stets zuverlässige und mit dem Fristenwesen seit 19 Jahren betraute Mitarbeiterin Frau B. übergeben. Sie habe unverzüglich eine Akte anlegen, nach einem bekannten Muster die Berufungsschrift fertigen, sofort anschließend zur Unterschrift vorlegen und danach sogleich per Fax an das zuständige Gericht senden sollen. Entsprechend dieser Anweisung sei verfahren worden. Nach der Übermittlung der Berufungsschrift nebst Kopie der angefochtenen Entscheidung habe seine Mitarbeiterin weisungsgemäß das Schriftsatzoriginal und den Sendebericht vorgelegt. In diesem Zusammenhang habe sie den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gefragt, ob die Berufungsfrist noch notiert werden müsse. Da diese Frist nach der Vorlage des den Eingang beim Berufungsgericht bestätigten Telefaxberichtes zugleich wieder hätte gestrichen werden können, habe der Prozessbevollmächtigte die Frage verneint. Frau B. habe anschließend allerdings nicht nur die Berufungsfrist nicht notiert, sondern versehentlich auch nicht die Frist zur Begründung der Berufung nebst Vorfrist. Mangels Eintragung sei keine Wiedervorlage beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin erfolgt und die Frist versäumt worden.
Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die Berufung als unzulässig zu verwerfen gewesen sei, weil die Berufungsbegründung nicht rechtzeitig beim Gericht eingegangen sei. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe nicht gewährt werden können. Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist sei nicht ohne das Verschulden der Klägerin erfolgt, wobei nach § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem eigenen gleichstehe. Vorliegend habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seiner anwaltlichen Sorgfalt zuwider gehandelt. Er habe nach Übermittlung der Berufungsschrift an das Berufungsgericht per Fax und anschließender Vorlage des Schriftsatzoriginals und des Sendeberichts die Frage seiner Mitarbeiterin, ob die Berufungsfrist noch notiert werden müsse, verneint, ohne sicherzustellen, dass die Berufungsbegründungsfrist vermerkt werde. Bei Übernahme eines neuen Mandats gehöre es zu den originären anwaltlichen Pflichten, die Handakten unverzüglich selbst auf laufende Fristen zu überprüfen. Das gelte unabhängig davon, ob ihm bei der Vorlage eines zu unterzeichnenden fristwahrenden Schriftsatzes auch die Handakten vorliegen. Sei das nicht der Fall, habe der Rechtsanwalt sich diese vorlegen zu lassen und zu prüfen, ob eine Frist laufe. Treffe dies zu, habe er zu kontrollieren, ob in den Handakten die Eintragung in einen Fristenkalender vermerkt sei. Diese notwendige Überprüfung habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unterlassen.
2. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr.1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil die Rechtssache weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, noch die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits geklärt. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Berufung als unzulässig verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen.
a) Die Berufungsbegründungsfrist ist nicht schuldlos versäumt worden. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten muss sich die Klägerin zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Anforderungen nicht überspannt, die an die Sorgfaltspflichten eines Prozessbevollmächtigten zu stellen sind. Es gehört zu seinen Pflichten bei der Unterzeichnung der Berufungsschrift, die Notierung der Berufungsbegründungsfrist auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und zwar unbeschadet der Frage, ob dem Rechtsanwalt die Berufungsschrift zusammen mit der Handakte vorgelegt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2009 - IV ZB 14/09, BeckRS 2009, 28635 Rn. 5 mwN). Überlässt der Rechtsanwalt die Berechnungen und Notierungen von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft, hat er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen festgehalten und kontrolliert werden. Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fristenkontrolle gehört insbesondere, dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in den Fristenkalender eingetragen worden sind. Wird dem Rechtsanwalt die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, hat er die Einhaltung seiner Anweisung zur Berechnung und Notierung laufender Rechtsmittelfristen einschließlich deren Eintragung in den Fristenkalender eigenverantwortlich zu prüfen, wobei er sich grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränken darf. Diese anwaltliche Prüfungspflicht besteht auch dann, wenn die Handakte zur Bearbeitung nicht zugleich mit vorgelegt worden ist, so dass in diesen Fällen die Vorlage der Handakte zur Fristenkontrolle zu veranlassen ist (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZB 10/09, Beck RS 2010, 05459 Rn. 7 mwN).
Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei der Unterzeichnung der Berufungsschrift die Notierung der Berufungsbegründungsfrist anhand der Handakte zu kontrollieren hatte. Dies war ihm noch nicht möglich, da die Handakte zu dem Zeitpunkt noch nicht angelegt und die Fristen im Fristenkalender noch nicht notiert waren. Dies befreite jedoch den Rechtsanwalt nicht von der Pflicht, die ihm obliegende Prüfung nachzuholen. Er hätte daher die Vorlage der Handakten nach Eintragung der Fristen im Fristenkalender veranlassen müssen. Dies hat er nach eigenem Vortrag nicht getan, was dazu führte, dass die unterbliebene Eintragung im Fristenkalender nicht auffiel.
b) Entgegen der Auffassung der Beschwerde durfte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wegen der ausdrücklichen Nachfrage der Mitarbeiterin, ob die - bereits gewahrte - Berufungsfrist noch notiert werden müsse, nicht ohne weiteres darauf verlassen, dass die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist erfolge. Zwar darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine ausgebildete und bisher zuverlässig tätige Bürokraft eine konkrete Einzelanweisung, auch wenn sie nur mündlich erteilt wird, befolgt und ordnungsgemäß ausführt. Er ist deshalb im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (vgl. im Einzelnen dazu BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 aaO Rn. 9 mwN). Im vorliegenden Fall ist die Auskunft des Prozessbevollmächtigten der Klägerin an seine Bürokraft, die Berufungsfrist brauche nicht notiert zu werden, schon keine auf die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist bezogene Einzelanweisung. Davon abgesehen waren aber auch keine Vorkehrungen dagegen getroffen worden, dass diese mündliche Erklärung in Vergessenheit geriet und die Eintragung der Fristen unterblieb (BGH aaO).
c) Mangels Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist ist die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen worden.
Schlick Dörr Wöstmann
Seiters Tombrink