Entscheidungsdatum: 09.04.2014
1. NV: Die Bestimmung des örtlich zuständigen Finanzgerichts nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 FGO setzt voraus, dass der Finanzrechtsweg zulässig ist.
2. NV: Soweit für Ansprüche, deren Erstattung nach § 93 InsO gefordert wird, ein besonderer Rechtsweg eröffnet ist, ist dieser Rechtsweg auch vom Insolvenzverwalter einzuhalten.
3. NV: Die örtliche Zuständigkeit lässt sich nicht nach § 38 FGO bestimmen, wenn der Beklagte eine natürliche Person ist; dies eröffnet die Anwendung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 FGO.
4. NV: Zur Bestimmung des örtlich zuständigen Finanzgericht ist grundsätzlich auch dann auf Sitz des Beklagten nicht um eine Behörde, sondern um eine natürliche Person handelt; eine entsprechende Anwendung des § 38 Abs. 2 FGO kommt nur ausnahmsweise in Betracht.
I. Mit einer beim Finanzgericht (FG) München am 30. Dezember 2010 eingereichten Klage macht der zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der X-GbR (GbR) bestellte Kläger die persönliche Haftung des Beklagten, einem Gesellschafter der GbR, nach § 93 der Insolvenzordnung (InsO) wegen Verbindlichkeiten der GbR geltend. Bei den Verbindlichkeiten handelt es sich um Forderungen des Finanzamtes Z (Rückforderung einer Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz --InvZulG--, Umsatzsteuer, Zinsen, Säumniszuschläge), die zur Tabelle angemeldet worden sind (§ 174 Abs. 1 InsO).
Das FG München hat mit Beschluss vom 15. Januar 2014 1 K 50/11 den Bundesfinanzhof (BFH) zwecks Entscheidung darüber angerufen, welches Finanzgericht im vorliegenden Rechtsstreit örtlich zuständig ist. Der hier beschließende Senat hat den Beteiligten Gelegenheit gegeben, zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts Stellung zu nehmen.
II. Das Gesuch ist zulässig. Zum örtlich zuständigen Gericht ist das FG München zu bestimmen.
Gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 39 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wird das zuständige Finanzgericht durch den BFH bestimmt, wenn der Finanzrechtsweg eröffnet ist, eine örtliche Zuständigkeit nach § 38 FGO nicht gegeben ist und das mit dem Rechtsstreit befasste Finanzgericht oder ein am Rechtsstreit Beteiligter den BFH anruft.
1. Die Voraussetzungen für eine Anrufung des BFH durch das FG nach § 39 Abs. 2 Satz 1 FGO liegen vor.
a) Die Bestimmung eines örtlich zuständigen Finanzgerichts durch den BFH setzt voraus, dass der Finanzrechtsweg eröffnet ist. Für die Bestimmung des Rechtswegs ist die Natur des Rechtsverhältnisses entscheidend, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 29. Oktober 1987 GmS-OGB 1/86, BGHZ 102, 280, 283). Mit der hier in Rede stehenden Klageforderung, die sich im Einzelnen aus den Anmeldungen der Forderungen ergibt, werden Rückzahlungen von Investitionszulagen, festgesetzte Steuern und steuerliche Nebenleistungen geltend gemacht. Es handelt sich daher um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten i.S. des § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 FGO i.V.m. § 6 Abs. 1 InvZulG, für die der Finanzrechtsweg gegeben ist.
Der vorliegende Rechtsstreit ist auch nicht deshalb zivilrechtlicher Natur, weil der Kläger die Ansprüche gemäß § 93 InsO geltend macht. § 93 InsO ist keine anspruchs- oder haftungsbegründende Norm für den Insolvenzverwalter, er erhält nur die Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis --sog. Sperrwirkung-- (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 9. Oktober 2006 II ZR 193/05, Deutsches Steuerrecht 2007, 125; Kroth in Braun, InsO, 5. Aufl., § 93 Rz 12, 15; Hammes in Hess, Großkommentar Insolvenzrecht, Band 1, § 93 InsO Rz 72). Die Rechtsnatur des geltend gemachten Anspruchs ändert sich daher nicht, wenn der Insolvenzverwalter ihn als gesetzlicher Prozessstandschafter für das Finanzamt gegen den persönlich haftenden Gesellschafter geltend macht (vgl. Oberlandesgericht Frankfurt, Beschluss vom 22. Januar 2014 19 W 2/14, juris).
b) Gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 FGO wird das zuständige Finanzgericht durch den BFH bestimmt, wenn eine örtliche Zuständigkeit nach § 38 FGO nicht gegeben ist. § 38 FGO geht für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit davon aus, dass es sich bei dem Beklagten um eine (Finanz-)Behörde handelt; eine natürliche Person als Beklagten kennt die Vorschrift nicht. Deshalb lässt sich die örtliche Zuständigkeit nicht nach § 38 FGO bestimmen. Insoweit entsteht jedenfalls im Anschluss an eine hinsichtlich des Rechtswegs bindende Verweisung eine Lücke, die die Anwendung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 FGO eröffnet (BFH-Beschlüsse vom 26. August 2008 VI B 68/08, BFH/NV 2008, 2036, und vom 10. Februar 2012 VI S 10/11, BFH/NV 2012, 771).
2. Für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ist im Streitfall maßgebend, in welchem Finanzgerichtsbezirk der Beklagte seinen Sitz hat. Dies folgt aus der in § 38 Abs. 1 FGO geregelten allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundregel, die auf den Sitz des Beklagten abstellt. Diese Regelung findet im vorliegenden Fall entsprechende Anwendung (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 771). Sie wird bestätigt durch die Regelung des § 52 Nr. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung, wonach der Wohnsitz des Beklagten als allgemeiner subsidiärer Gerichtsstand ausgestaltet ist. Auch die Regelung in § 17 der Zivilprozessordnung (ZPO) knüpft an den Wohnsitz des Beklagten an.
Im Streitfall sprechen auch keine Gesichtspunkte dafür, in entsprechender Anwendung des § 38 Abs. 2 FGO und abweichend von der Grundregel die örtliche Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Klägers zu bestimmen.
3. Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 155 FGO i.V.m. § 37 Abs. 2 ZPO).