Entscheidungsdatum: 24.05.2012
NV: Bei einem Überschreiten der Übergangszeit nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG von vier Monaten entfällt der Kindergeldanspruch unabhängig davon, ob ein Überschreiten des Zeitraums absehbar war oder nicht (Anschluss an das BFH-Urteil vom 22.12.2011 III R 41/07, BFHE 236, 144).
I. Der im Jahr 1987 geborene Sohn (S) des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) beendete im Juli 2007 seine Schulausbildung. Danach bewarb er sich um eine Zivildienststelle, die er allerdings erst zum 1. Mai 2008 antreten konnte. Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) hob die Festsetzung des bislang gewährten Kindergeldes durch Bescheid vom 14. April 2008 ab August 2007 auf und forderte das für die Monate August bis November 2007 gezahlte Kindergeld zurück. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg, ebenso wenig die anschließend erhobene Klage, mit welcher der Kläger --sinngemäß-- die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung erst ab Dezember 2007 begehrte. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, bei einem Überschreiten der Übergangszeit nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) könne auch für die ersten vier Monate kein Kindergeld gewährt werden.
Zur Begründung der Revision trägt der Kläger vor, nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. August 2004 VIII R 101/03 (BFH/NV 2005, 198) bestünden gegen die Übergangszeit von vier Monaten keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Kind nicht mit einem Überschreiten des Zeitraums habe rechnen müssen. Im Streitfall sei jedoch von Anfang an mit einem solchen Überschreiten zu rechnen gewesen. Es sei in der Regel nicht möglich, innerhalb von vier Monaten eine Zivildienststelle anzutreten, insbesondere dann nicht, wenn es sich um eine heimatferne Stelle handele.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Aufhebungsbescheid vom 14. April 2008 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2008 dahingehend zu ändern, dass die Festsetzung des Kindergeldes erst ab Dezember 2007 aufgehoben wird.
Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG und nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH könne bei einem Überschreiten der Übergangszeit auch für die ersten vier Monate kein Kindergeld gewährt werden. Dies gelte auch dann, wenn ein Überschreiten des Zeitraums nicht absehbar sei. Sei --wie im Streitfall-- von Anfang an mit einem derartigen Überschreiten zu rechnen gewesen, so bestünden erst recht keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der gesetzlichen Regelung.
II. Die Revision ist unbegründet und wird deshalb zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger für den Zeitraum August bis November 2007 kein Anspruch auf Kindergeld für S zusteht.
1. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG besteht für ein Kind, welches das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, u.a. dann Anspruch auf Kindergeld, wenn es sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes befindet. Wird der Viermonatszeitraum --wie im Streitfall-- überschritten, so entfällt auch für die ersten vier Monate der Übergangszeit der Kindergeldanspruch (BFH-Urteil vom 15. Juli 2003 VIII R 78/99, BFHE 203, 90, BStBl II 2003, 841).
2. Bereits nach bisheriger Rechtsprechung des BFH bestanden gegen die Regelung in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG keine verfassungsrechtlichen Bedenken (Urteil in BFH/NV 2005, 198; Senatsbeschluss vom 7. September 2005 III B 30/05, BFH/NV 2006, 50). Der Senat hat diese Rechtsprechung in den Urteilen vom 22. Dezember 2011 III R 41/07 (BFHE 236, 144, Deutsches Steuerrecht 2012, 785) und III R 5/07 (BFHE 236, 137, juris) sowie vom 9. Februar 2012 III R 68/10 (BFHE 236, 421, juris) bestätigt. Darüber hinaus hat er in den genannten Urteilen eine Regelungslücke in den Berücksichtigungstatbeständen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c EStG für die Fälle verneint, in denen --wie im Streitfall-- zwischen dem Abschluss einer Ausbildung und dem Beginn des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes mehr als vier Monate liegen, und zwar unabhängig davon, ob ein Überschreiten des Zeitraums absehbar war oder nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf diese Entscheidungen. Der Kläger hat somit für die streitigen Monate keinen Kindergeldanspruch.