Entscheidungsdatum: 09.03.2012
1. NV: Die Rechtsgrundsätze, nach denen zu beurteilen ist, ob ein Steuerpflichtiger, der selbständig in der IT-Branche tätig ist, einen dem Ingenieur oder dem Diplom-Informatiker ähnlichen Beruf ausübt, sind hinreichend geklärt. Die damit verbundenen verfassungsrechtlichen Fragestellungen sind ebenfalls geklärt .
2. NV: Zur Feststellung, ob der Steuerpflichtige über in Breite und Tiefe vergleichbare Kenntnisse wie der Träger eines Katalogberufs verfügt, müssen die Finanzgerichte ggf. Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erheben. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden .
Die Beschwerde ist --bei Bedenken gegen ihre Zulässigkeit-- jedenfalls unbegründet und wird daher durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrten Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO bedarf es nicht, weil die von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits geklärt sind.
a) Bei dem Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung handelt es sich um eine Konkretisierung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung. § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO setzt daher unter anderem voraus, dass über eine bisher ungeklärte abstrakte Rechtsfrage zu entscheiden ist. Ein Klärungsbedarf besteht dann nicht mehr, wenn die Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bereits hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 15. Dezember 2004 X B 48/04, BFH/NV 2005, 698, m.w.N.; vom 14. Dezember 2011 X B 116/10, juris; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 41).
b) Der Kläger, dessen selbständige berufliche Tätigkeit im IT-Bereich von der Vorinstanz nicht als freiberufliche i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beurteilt wurde, hält die Frage für klärungsbedürftig, inwieweit bei der Einstufung eines Selbständigen aus dem IT-Bereich, der über keinen akademischen Abschluss verfügt, verfassungsrechtliche Aspekte und Argumente für die Gewerbesteuerbefreiung der freien Berufe zu berücksichtigen sind. Vor dem Hintergrund des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) müsse außerdem geklärt werden, inwieweit die Einholung eines Sachverständigengutachtens verfassungswidrig sei, mit dem nachgewiesen werden solle, ob ein IT-Berater ohne akademischen Abschluss über ein vergleichbares theoretisches Wissen in Breite und Tiefe wie ein IT-Berater mit akademischem Abschluss verfüge.
c) Auf diese Fragen hat die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits Antworten gegeben. Dass ein neuerlicher Klärungsbedarf entstanden wäre, ist in der Beschwerdeschrift weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
aa) Der BFH hat in einer Vielzahl von Entscheidungen Rechtsgrundsätze entwickelt, anhand derer zu beurteilen ist, wann ein Steuerpflichtiger einen der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aufgeführten "Katalogberufe" oder einen "ähnlichen Beruf" ausübt (z.B. BFH-Urteile vom 5. Oktober 1989 IV R 154/86, BFHE 158, 409, BStBl II 1990, 73; vom 14. März 1991 IV R 135/90, BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769; vom 28. August 2003 IV R 21/02, BFHE 203, 152, BStBl II 2003, 919; vom 14. Juni 2007 XI R 11/06, BFH/NV 2007, 2091). Viele dieser Entscheidungen betreffen speziell die Abgrenzungsfrage, ob Steuerpflichtige, die --wie der Kläger-- in der IT-Branche tätig sind, einen dem Ingenieur oder dem Diplom-Informatiker ähnlichen Beruf ausüben oder nicht (z.B. BFH-Urteile vom 18. April 2007 XI R 29/06, BFHE 218, 65, BStBl II 2007, 781; vom 16. Dezember 2008 VIII R 27/07, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2009, 898; vom 22. September 2009 VIII R 63/06, BFHE 227, 386, BStBl II 2010, 466). Der Kläger geht fehl in der Annahme, dass hierbei die verfassungsrechtlichen Aspekte nicht berücksichtigt worden seien. Das Gegenteil ist der Fall. Der BFH hat bereits mehrfach die verfassungsrechtliche Problematik ausdrücklich erörtert (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. Juni 1980 I R 109/77, BFHE 132, 16, BStBl II 1981, 118; in BFH/NV 2007, 2091). Er zieht die Merkmale der Ausbildung --etwa der für viele Katalogberufe typische Abschluss eines Studiums-- und der Kenntnisse zur Bestimmung des "ähnlichen Berufs" heran und sieht darin zulässige und einleuchtende Unterscheidungskriterien i.S. des Art. 3 Abs. 1 GG (BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 2091). Den Belangen solcher Steuerpflichtiger, die eine Ausbildung in einem förmlichen Ausbildungsgang nicht vorweisen können (z.B. Autodidakten ohne akademischen Abschluss), hat der BFH gerade aus Gründen der steuerlichen Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) dadurch Rechnung getragen, dass diese den Erwerb vergleichbarer Kenntnisse auch auf andere Weise (z.B. durch erfolgreiche Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen) nachweisen können (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 2091). Um allerdings den gegenteiligen Effekt, nämlich die sachlich nicht zu rechtfertigende Besserstellung der Autodidakten gegenüber den Trägern der Katalogberufe, die sich einer oft langwierigen und anspruchsvollen Ausbildung unterziehen müssen, zu vermeiden, hat es der BFH auch für erforderlich angesehen, dass von jenen das Wissen des Kernbereichs des jeweiligen Fachstudiums in der Tiefe und der Breite nachgewiesen wird (BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 2091, m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Rechtsprechung des BFH als verfassungsrechtlich unbedenklich bestätigt (BVerfG-Beschluss vom 9. Oktober 1990 2 BvR 146/90, Zeitschrift für Kommunalfinanzen --ZKF-- 1992, 85) und Verfassungsbeschwerden gegen BFH-Entscheidungen, in denen die Ausbildung bzw. die Kenntnisse als regelmäßig zulässiges und einleuchtendes Unterscheidungskriterium angesehen wurden (BFH-Beschlüsse vom 9. September 1999 XI B 106/98, BFH/NV 2000, 188; vom 30. Oktober 1996 XI B 197/95, juris), ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschlüsse vom 4. Januar 2000 1 BvR 1916/99, juris; vom 3. Mai 1997 1 BvR 568/97, juris).
bb) Die vom Kläger als verfassungswidrig bewertete Einholung eines Sachverständigengutachtens betrifft keine in einem Revisionsverfahren klärbare Rechtsfrage, sondern dient allein der Beantwortung der Tatfrage, ob der Steuerpflichtige, der keine förmliche Ausbildung absolviert hat, das zur rechtlichen Gleichstellung mit einem Träger eines Katalogberufs erforderliche Wissensniveau im Einzelfall erreicht oder nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 22. April 2010 VIII B 264/09, BFH/NV 2010, 1300, m.w.N.). Da die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme eines ähnlichen Berufs den Anforderungen aus Art. 3 Abs. 1 GG gerecht werden, müssen die betroffenen Steuerpflichtigen grundsätzlich auch die hieraus resultierenden verfahrensrechtlichen Folgen hinnehmen. Daher haben die Gerichte zur Feststellung, ob der Steuerpflichtige über ein vergleichbares Wissen tatsächlich verfügt, im Rahmen ihrer Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) gegebenenfalls Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben. Das Sachverständigengutachten ist nur eines von mehreren denkbaren Beweismitteln. Der "Wissensnachweis" kann auch durch die Vorlage von praktischen Arbeiten, eine sog. Wissensprüfung oder durch Urkunden, die den erfolgreichen Besuch von Fortbildungsveranstaltungen belegen, geführt werden (BFH-Urteil vom 26. Juni 2002 IV R 56/00, BFHE 199, 367, BStBl II 2002, 768).
cc) Der Hinweis des Klägers auf den Beschluss des BVerfG vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04 (BVerfGE 120, 1, BGBl I 2008, 1006) rechtfertigt die Revisionszulassung zum Zwecke der Rechtsfortbildung nicht. Der Kläger folgert aus dieser Entscheidung, dass die verfassungsrechtlichen Argumente für die Gewerbesteuerbefreiung der freien Berufe ebenso für in der IT-Branche selbständig Tätige ohne akademischen Abschluss gelten würden; der Gleichbehandlungsgrundsatz gebiete folglich die Behandlung als freier Beruf.
Neue, bislang vom BFH ungeprüfte Gesichtspunkte ergeben sich aus der Entscheidung des BVerfG nicht. Das Beschwerdevorbringen lässt die gebotene Differenzierung zwischen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die den Fachgerichten anvertraute Auslegung des einfachen Rechts einerseits und an die Gesetzgebung andererseits vermissen. Der Beschluss des BVerfG betrifft allein die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Differenzierungen zwischen den freien Berufen und den --gewerbesteuerpflichtigen-- Gewerbebetrieben. Die darin liegende Ungleichbehandlung ist sachlich gerechtfertigt und der (verfassungs-)rechtliche Klärungsbedarf mit der Entscheidung des BVerfG entfallen. Auslegung und Anwendung der danach verfassungsgemäßen einfach-rechtlichen Vorschriften des EStG und des Gewerbesteuergesetzes sind grundsätzlich allein Sache der Fachgerichte (vgl. BVerfG-Beschlüsse in ZKF 1992, 85; vom 14. Februar 2001 2 BvR 460/93, HFR 2001, 496; vom 25. März 2004 2 BvR 944/00, HFR 2004, 691, m.w.N.). Die Rechtsprechung des BFH zur Auslegung des Begriffs des "ähnlichen Berufs" beruht weder auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Gleichheitsgrundrechts noch ist sie willkürlich. Denn die einfach-rechtlich maßgeblichen Kriterien der Ausbildung beziehungsweise des Wissens stellen sachliche Gesichtspunkte dar, die eine Differenzierung zwischen verschiedenen Gruppen von Steuerpflichtigen rechtfertigen können (vgl. BVerfG-Beschluss in ZKF 1992, 85).