Entscheidungsdatum: 22.04.2010
1. NV: Macht der Kläger (als Autodidakt) substantiiert geltend, seit Jahren im Auftrag freiberuflich tätiger Ingenieurbüros als Fachbauleiter selbständig und eigenverantwortlich Leistungen u.a. nach den Leistungsstufen 8 und 9 der HOAI erbracht zu haben, so bedarf es weder hinsichtlich der für die Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse noch hinsichtlich der Ausübung einer einem Ingenieur vergleichbaren Tätigkeit weiterer Darlegungen .
2. NV: Hat das Gericht Zweifel, dass die Behauptungen des Klägers zutreffen, muss es die dazu angebotenen Beweise erheben .
Die Beschwerde ist begründet. Der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gerügte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) eines Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) liegt vor; auf ihm kann das Urteil auch beruhen. Das Finanzgericht (FG) hat dadurch gegen seine Verpflichtung zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen verstoßen, dass es den Antrag des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt hat.
1. Durch ein vom Gericht einzuholendes Gutachten eines Sachverständigen wollte der Kläger beweisen, als Autodidakt in den Streitjahren (2001 und 2002) in Tiefe und Breite über die Kenntnisse eines Diplom-Ingenieurs des Studiengangs Elektrotechnik der Studienrichtung Nachrichtentechnik verfügt zu haben. Das FG hat den Antrag im Urteil abgelehnt und dazu u.a. ausgeführt, der Kläger habe (durch Ausbildungs-, Fortbildungs- oder Tätigkeitsnachweise) nicht schlüssig dargelegt, bereits in den Streitjahren über die entsprechenden Kenntnisse verfügt zu haben. Auf danach erst erworbene Kenntnisse könne nicht abgestellt werden. Soweit der Kläger im Prozess die von ihm privat eingeholte Stellungnahme eines Sachverständigen vorgelegt habe, ergebe sich daraus nicht, welche Unterlagen dem Sachverständigen vorgelegen hätten. Auf Nachfrage des Gerichts habe der Kläger dazu auch keine Angaben gemacht. Der Kläger habe auch nicht ausreichend dargelegt, in den Streitjahren eine einem Ingenieur vergleichbare Tätigkeit ausgeübt zu haben. Zumindest könne nicht davon ausgegangen werden, dass ingenieurähnliche Tätigkeiten den Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers gebildet hätten.
2. a) Macht der Kläger geltend, er habe im streitigen Zeitraum über die für die Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse verfügt, muss er Tatsachen dazu vortragen, wie er die Kenntnisse erworben und inwieweit er sie in der Praxis eingesetzt hat. Unter bestimmten Umständen kann bereits aus der Art der Tätigkeit auf das Vorhandensein der entsprechenden Kenntnisse geschlossen werden (vgl. Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 18 EStG Rz 218). Stehen diese Tatsachen nicht bereits zur Überzeugung des Gerichts fest, muss das FG aufgrund seiner Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) den vom Kläger gestellten Anträgen zur Erhebung von Beweisen grundsätzlich entsprechen, die geeignet erscheinen, den erforderlichen Nachweis der Kenntnisse zu erbringen.
b) Dazu kann auch die Vornahme einer Wissensprüfung gehören, wenn sich aus den vorgetragenen Tatsachen zum Erwerb und Einsatz der Kenntnisse bereits erkennen lässt, dass der Kläger über hinreichende Kenntnisse verfügen könnte. Dabei dürfen die Darlegungsanforderungen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht überspannt werden (BFH-Urteile vom 26. Juni 2002 IV R 56/00, BFHE 199, 367, BStBl II 2002, 768; vom 18. April 2007 XI R 34/06, BFH/NV 2007, 1495). Unschädlich ist insbesondere, wenn die bei einer solchen Prüfung festgestellten Kenntnisse auf einem Gebiet nicht denen entsprechen, wie sie in der vergleichbaren staatlichen Prüfung verlangt werden, sofern auch eine solche Prüfung mit nicht ausreichenden Kenntnissen in (nur) einem Fach bestanden werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 19. September 2002 IV R 74/00, BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27, m.w.N.).
c) Stellt der Kläger auf dieser Grundlage einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens, muss das FG ihm grundsätzlich entsprechen. Ablehnen darf es ihn nur, wenn es auf das Beweismittel für die Entscheidung nicht ankommt, das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsachen zu Gunsten der betreffenden Partei unterstellt, das Beweismittel nicht erreichbar ist (BFH-Urteil vom 12. April 1994 IX R 101/90, BFHE 174, 301, BStBl II 1994, 660; BFH-Beschlüsse vom 17. September 2003 I B 18/03, BFH/NV 2004, 207; vom 5. Juni 2007 I B 130/06, BFH/NV 2007, 1909) oder wenn das FG über ausreichende eigene Sachkunde verfügt, um die Frage zu entscheiden.
d) Ausnahmsweise muss das FG einem Beweisantrag nicht entsprechen, wenn konkrete entscheidungserhebliche Tatsachen, die Gegenstand der Beweisaufnahme sein sollen, weder vorgetragen noch anderweitig erkennbar sind (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 23. Juli 1996 X B 191/95, BFH/NV 1997, 50; vom 2. Oktober 2003 IV B 194/01, juris), so dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann; mit solchen Beweisanträgen genügen Beteiligte nicht ihrer Mitwirkungspflicht bei der Sachverhaltsaufklärung mit der Folge, dass solche Anträge dem Gericht eine Beweisaufnahme nicht nahelegen müssen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. September 2005 IV B 14/04, BFH/NV 2005, 2166 unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Oktober 1990 4 B 249/89, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - Rechtsprechungs-Report 1991, 118, unter 7.2 der Gründe; vom 29. Mai 2009 VIII B 205/08, juris).
3. Nach diesen Maßstäben hat das FG im Streitfall die Darlegungsanforderungen überspannt. Der Kläger hat durch Vorlage entsprechender Verträge (z.B. Rahmenvertrag mit dem Ingenieurbüro X vom 27. Juli 1999) und weiterer Unterlagen im Prozess dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er mindestens seit 1999 im Auftrag freiberuflich tätiger Ingenieurbüros als Fachbauleiter selbständig und eigenverantwortlich Leistungen u.a. nach den Leistungsstufen 8 und 9 der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure --HOAI--) erbracht hat und dafür von seinen Auftraggebern auch nach den Vorschriften der HOAI entlohnt worden ist. Inhalt und Umfang der danach vom Kläger entfalteten Tätigkeiten ergeben sich unmittelbar aus den Leistungsbeschreibungen in der HOAI. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang auch nachvollziehbare Angaben zu den von ihm (u.a. in den Streitjahren) im Einzelnen betreuten Projekten gemacht.
a) Bei diesen vom Kläger unstreitig erbrachten Leistungen handelt es sich bereits aufgrund gesetzlicher Zuordnung in der HOAI um für den Ingenieurberuf typische Aufgaben, deren verantwortliche Wahrnehmung grundsätzlich auch entsprechende theoretische Kenntnisse erfordert. Weitere Darlegungen waren deshalb hierzu nicht erforderlich. Insbesondere kann nicht verlangt werden, dass der Kläger auch noch andere für den Ingenieurberuf typische Tätigkeiten ausgeübt haben muss, um darzulegen, dass er in Breite und Tiefe über die Kenntnisse eines Ingenieurs verfügte. Wenn das FG nicht ausnahmsweise aufgrund eigener Sachkunde zu der Beurteilung in der Lage ist, welche theoretischen Kenntnisse die Wahrnehmung einer Tätigkeit als Fachbauleiter nach den Leistungsstufen 8 und 9 der HOAI erfordert und dass diese Kenntnisse in Breite und Tiefe hinter den durch ein Ingenieurstudium vermittelten Kenntnissen erheblich zurückbleiben, ist zugunsten des Klägers, was die Darlegungsanforderungen betrifft, grundsätzlich davon auszugehen, dass jede für die Ausübung des Ingenieurberufs typische Tätigkeit die gesamten im Ingenieurstudium vermittelten Kenntnisse voraussetzt. Aus dem Umstand, dass weitere Darlegungen insofern nicht erforderlich sind, muss das Gericht indes nicht ohne Weiteres schließen, dass die entsprechenden Kenntnisse im Einzelfall auch wirklich vorhanden waren. Wenn es daran Zweifel hegt, muss es jedoch den angebotenen Beweis erheben.
b) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass das FG im Streitfall auch die schlüssige Darlegung einer ingenieurähnlichen Tätigkeit verneint hat. Diese Würdigung widerspricht dem eindeutigen Akteninhalt. Der Kläger hat schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht, trotz fehlender akademischer Ausbildung eine für einen Ingenieur typische Tätigkeit ausgeübt zu haben. Weiterer Darlegungen bedurfte es nicht. Wenn das FG Zweifel daran hat, welche Tätigkeiten der Kläger tatsächlich ausgeübt hat, muss es ggf. auch darüber Beweis erheben.
4. Die Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 116 Abs. 6 FGO).