Entscheidungsdatum: 02.06.2014
1. NV: Hat ein beherrschender Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft aus gegenüber der Gesellschaft erbrachten Leistungen einen Vergütungsanspruch, ist ein Zufluss der Vergütung nicht erst im Zeitpunkt der Zahlung oder der Gutschrift auf dem Konto des Gesellschafters, sondern bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung anzunehmen. Diese Zuflussregel gilt jedenfalls dann, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet.
2. NV: Voraussetzung für das Vorliegen einer Divergenz ist u.a., dass sich die voneinander abweichenden Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG und der Divergenzentscheidung unmittelbar und mit hinreichender Deutlichkeit ergeben. Für die Frage, ob eine solche Divergenz des angefochtenen FG-Urteils zu einer Entscheidung des BFH vorliegt, kann nicht allein auf den Wortlaut eines veröffentlichten Leitsatzes des BFH abgestellt werden. Vielmehr müssen hierbei auch die Ausführungen herangezogen werden, mit denen der BFH den betreffenden Leitsatz in den Entscheidungsgründen näher erläutert hat.
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte u.a. Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit und ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung. Der Kläger war darüber hinaus Alleingesellschafter und Geschäftsführer mehrerer Gesellschaften, die mit der Planung, Errichtung und Vermarktung von Gebäuden beschäftigt waren, u.a. einer Bauträger GmbH (nachfolgend BT GmbH) und einer Immobilienverwaltungsgesellschaft mbH (nachfolgend Immo GmbH).
In den Jahren bis 1998 erbrachte der Kläger gegenüber der BT GmbH Leistungen. Zum 31. Dezember 2000 wies die BT GmbH Verbindlichkeiten gegenüber dem Kläger aus abgerechneten Leistungen in Höhe von 1.229.525,77 DM aus. Daneben hatte sie eine Rückstellung für nicht abgerechnete Leistungen in Höhe von 650.000 DM gebildet.
Bei einer die Vorjahre 1997 bis 2000 betreffenden Außenprüfung hatte der Prüfer keine Schlussrechnungen für die verwirklichten Bauprojekte erhalten. Er ging davon aus, dass der Kläger bewusst keine Schlussrechnungen gestellt hatte und es im Jahr 2001 zu einer Aufrechnung zwischen dem Kläger, der BT GmbH und der Immo GmbH gekommen sei.
Im Jahr 2001 erfüllte die BT GmbH ihre gegenüber dem Kläger bestehenden Verbindlichkeiten teilweise durch Zahlung in Höhe von insgesamt 559.000 DM.
Des Weiteren schloss der Kläger mit der BT GmbH und der Immo GmbH eine Vereinbarung vom 10. Dezember 2000 ab, aufgrund derer die Immo GmbH zum einen zum 1. Januar 2001 die Verbindlichkeit der BT GmbH gegenüber dem Kläger in Höhe von 1.320.525,77 DM (670.525,77 DM aus abgerechneten, 650.000 DM aus nicht abgerechneten Leistungen) übernahm und zum anderen der Kläger diese Forderungen an die Immo GmbH abtrat.
In zwei weiteren Vereinbarungen vom 7. Januar 2001 erklärte die Immo GmbH, dass dem Kläger die Beträge in Höhe von 670.525,77 DM und 650.000 DM zustünden und sie auf die Einrede der Verjährung verzichte. Der Kläger erklärte, dass er bis zur Vermarktung eines bestimmten Bauprojekts auf die Geltendmachung der bereits abgerechneten Honorare und auf die Abrechnung der noch nicht abgerechneten Leistungen verzichte und mit diesen Forderungen im Rang hinter sämtliche Verbindlichkeiten der Immo GmbH zurücktrete.
Im Rahmen einer u.a. das Streitjahr umfassenden Außenprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass dem Kläger die Honorare in Höhe von 1.320.525,77 DM im Jahr 2001 zugeflossen seien. Zur Begründung verwies er u.a. darauf, dass die Verrechnungskonten zwischen der BT GmbH und der Immo GmbH per Saldo unverändert geblieben seien, während sich die Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber der BT GmbH um den betreffenden Betrag verringert hätten. Die Buchungen seien laut Belegdaten am 1. und 2. Januar 2001 erfolgt.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) erließ am 21. August 2008 einen entsprechenden Änderungsbescheid. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 29. September 2011).
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage als unbegründet ab. Es ging davon aus, dass dem Kläger neben den in Höhe von 559.000 DM gezahlten Honoraren auch der Betrag in Höhe von 1.320.525,77 DM im Jahr 2001 zugeflossen sei. Bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft könne ein Zufluss von Einnahmen zwar auch vor Zahlung oder Gutschrift eintreten. Die insoweit erforderliche Fälligkeit des Anspruchs sei jedoch erst durch die Vereinbarungen vom 7. Januar 2001 eingetreten, nachdem der Kläger keine Schlussrechnungen vorgelegt habe.
Mit ihrer Beschwerde begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
II. Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).
1. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.
a) Eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist anzunehmen, wenn das FG mit einem das angegriffene Urteil tragenden und entscheidungserheblichen Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung abgewichen ist. Das angefochtene Urteil und die vorgebliche Divergenzentscheidung müssen dabei dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein (z.B. Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2011 III B 56/11, BFH/NV 2012, 178). Die voneinander abweichenden Rechtssätze müssen sich aus dem angefochtenen Urteil des FG und der Divergenzentscheidung unmittelbar und mit hinreichender Deutlichkeit ergeben (Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2013 III B 55/12, BFH/NV 2014, 575, m.w.N.). Nicht erforderlich ist dabei, dass der abstrakte Rechtssatz nach Art eines Leitsatzes in den Gründen des angefochtenen Urteils formuliert ist; er kann sich auch aus scheinbar nur fallbezogenen Rechtsausführungen ergeben (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671).
b) Die von den Klägern gerügte Abweichung des FG-Urteils von dem BFH-Urteil vom 11. Februar 1965 IV 213/64 U (BFHE 82, 440, BStBl III 1965, 407) liegt nicht vor.
Die Kläger rügen, dass das FG konkludent folgenden Rechtssatz aufgestellt habe:
"Gehaltsbeträge oder sonstige Vergütungen eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers gegenüber der von ihm beherrschten Kapitalgesellschaft fließen auch dann, wenn sie (sich) schon zu eine(m) früheren Zeitpunkt bei der Kapitalgesellschaft einkommensmindernd ausgewirkt haben, frühestens mit ihrer zivilrechtlichen Fälligkeit zu."
Im Widerspruch hierzu habe der BFH in BFHE 82, 440, BStBl III 1965, 407 folgenden Rechtssatz aufgestellt:
"Tätigkeitsvergütungen, die aufgrund eines ernstgemeinten Dienstvertrages gegenüber dem (beherrschenden) Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zugesagt wurden und für die (die) Kapitalgesellschaft eine Rückstellung bildet, die sich einkommensmindernd auswirkt, sind dem (beherrschenden) Gesellschafter auch dann bereits zugeflossen, wenn er seine Einkünfte nach der Überschußrechnung ermittelt."
Zu Unrecht leiten die Kläger indes aus dem BFH-Urteil in BFHE 82, 440, BStBl III 1965, 407 ab, dass es für einen Zufluss (§ 11 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) beim beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer allein auf die Rückstellungsbildung bei der Gesellschaft ankommt. Vielmehr führte der BFH in der genannten Entscheidung aus, dass den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft Beträge, die die Gesellschaft ihnen schuldet, bereits "mit der Fälligkeit" zufließen, wenn die Gesellschafter die Gesellschaft beherrschen. Nichts anderes ergibt sich auch aus dem von den Klägern zitierten BFH-Urteil vom 3. Februar 2011 VI R 66/09 (BFHE 232, 497). Auch in dieser Entscheidung hat der BFH ausgeführt, dass dem alleinigen oder jedenfalls beherrschenden Gesellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen die Kapitalgesellschaft "bereits mit deren Fälligkeit" zufließt. Zudem wies er darauf hin, dass zivilrechtliche Vereinbarungen über die Fälligkeit einer Vergütung grundsätzlich auch im Steuerrecht beachtlich sind.
c) Auch soweit die Kläger eine Abweichung des FG-Urteils vom BFH-Urteil vom 22. Mai 1973 VIII R 97/70 (BFHE 109, 573, BStBl II 1973, 815) rügen, liegt diese nicht vor.
Die Kläger machen geltend, das FG weiche mit dem dort unter 1.b dargestellten Rechtssatz von dem in BFHE 109, 573, BStBl II 1973, 815 aufgestellten Rechtssatz ab, der wie folgt laute:
"Weist eine GmbH eine gegen sie gerichtete Forderung der Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin als Verbindlichkeit aus, so gilt die Forderung der Gesellschafterin nur dann nicht als im Sinne des § 11 EStG zugeflossen, wenn die Gesellschaft im maßgebenden Zeitpunkt infolge Zahlungsunfähigkeit konkursreif war."
Zu Unrecht stellen die Kläger dabei aber allein auf den veröffentlichten Leitsatz der Entscheidung ab und ziehen dabei nicht die vom BFH zur näheren Erläuterung dieses Rechtssatzes gemachten Ausführungen heran. Daher übersehen sie, dass der BFH auch in dieser vorgeblichen Divergenzentscheidung von dem Rechtssatz ausgeht, wonach Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft Beträge, die die Gesellschaft ihnen schuldet, grundsätzlich bereits "mit der Fälligkeit" i.S. des § 11 EStG zufließen, wenn die Gesellschafter die Gesellschaft beherrschen. Eine Ausnahme von dem Grundsatz des Zufließens bereits bei Fälligkeit lässt der BFH dann zu, wenn die Auszahlung infolge der Illiquidität der Gesellschaft unterbleibt. Anders als der BFH in der genannten Entscheidung ging das FG indes --nach seinen nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen-- nicht von einer illiquiden Kapitalgesellschaft aus.
2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
a) Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn ihre Beantwortung durch den BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei soll es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig sein muss. Ein im allgemeinen Interesse liegendes Bedürfnis nach Klärung einer Rechtsfrage ist gegeben, wenn sich diese Frage nicht ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt, wenn sie nicht bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist oder wenn neue Gesichtspunkte zu Unsicherheiten in der Beantwortung der Rechtsfrage führen und eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen.
b) Die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob der Zufluss einer Vergütung beim beherrschenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft im Falle fehlender Zahlung oder Gutschrift (auf dem Empfängerkonto) zwingend voraussetzt, dass die Forderung des beherrschenden Gesellschafters zivilrechtlich fällig ist, bedarf keiner Klärung, da sie durch die Rechtsprechung des BFH bereits hinreichend geklärt ist.
Danach ist bei einem beherrschenden Gesellschafter der Zufluss eines Vermögensvorteils nicht erst im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des Gesellschafters, sondern bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung anzunehmen, da ein beherrschender Gesellschafter es regelmäßig in der Hand hat, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen. Diese Zuflussregel gilt jedenfalls dann, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet (z.B. BFH-Urteile vom 8. Mai 2007 VIII R 13/06, BFH/NV 2007, 2249, m.w.N., und in BFHE 232, 497). Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung dieser Rechtsfrage geboten erscheinen lassen, ergeben sich aus der Beschwerdebegründung nicht. Ob für den Zufluss von Gewinnanteilen beim beherrschenden Gesellschafter andere Grundsätze gelten (s. hierzu etwa vom 17. November 1998 VIII R 24/98, BFHE 187, 292, BStBl II 1999, 223), wäre im Streitfall nicht klärungsfähig, da das FG keinen entsprechenden Sachverhalt festgestellt hat.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.