Entscheidungsdatum: 11.02.2013
Auf die Revision des Klägers und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 9. Januar 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 806,75 € nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil der 32. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 1. Februar 2012 über die vom Berufungsgericht vorgenommene Abänderung hinaus dahingehend abgeändert, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt werden, weitere 806,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Februar 2011 bezüglich der Beklagten zu 1 und dem 23. Februar 2011 bezüglich der Beklagten zu 2 an den Kläger zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung seiner Rechte aus der Beteiligung an der D. GmbH & Co. M. und Be. , R. straße KG.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten in Bezug auf die Annahme der vorgenannten Rechte aus der Beteiligung im Verzug sind.
Die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Kläger. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen
Der Kläger verlangt Schadensersatz aus Prospekthaftung im weiteren Sinne. Er beteiligte sich im Jahr 1997 mit 100.000 DM nebst 5 % Agio über einen Treuhandkommanditisten an dem geschlossenen Immobilienfonds D. GmbH & Co. M. und Be. , R. straße KG (im Folgenden: Fonds). Unter Berufung auf verschiedene Prospektmängel begehrt er von der Beklagten zu 1) als Gründungskomplementärin und der Beklagten zu 2) als Gründungskommanditistin des Fonds im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung der Beteiligung.
Mit seiner Klage hat der Kläger Zahlung von 57.681,21 € nebst Zinsen verlangt Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligungsrechte an dem Fonds. Weiter hat er beantragt festzustellen, dass die Beklagten im Annahmeverzug seien und dass sie verpflichtet seien, den Kläger von sämtlichen Pflichten aus der Beteiligung freizustellen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Zahlungsklage in Höhe von 21.701,22 € und der übrigen Klage in vollem Umfang stattgegeben. Dabei hat es Steuervorteile in Höhe von insgesamt 1.818,23 € schadensmindernd angerechnet. Weiter hat es die Revision in Bezug auf die Frage zugelassen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Steuervorteile anzurechnen sind.
Nachdem der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zurückgewiesen hat, verfolgt der Kläger mit der Revision nur noch sein Begehren, den Schadensersatzbetrag nicht um Steuervorteile in Höhe von 1.818,23 € zu kürzen.
Die Revision hat nur teilweise Erfolg.
Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Anrechnung erlangter Zinsvorteile gemäß § 233a AO in Höhe von 1.011,48 € richtet. Insoweit fehlt es an einer Revisionsbegründung im Sinne des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 ZPO.
Im Übrigen ist die Revision zulässig und führt auch in der Sache zum Erfolg. Die Zahlungsklage ist in Höhe weiterer 806,75 € begründet.
Infolge der Beschränkung der Revision steht fest, dass die Beklagten verpflichtet sind, den Schaden, den der Kläger durch den Beitritt zu dem Fonds erlitten hat, zu ersetzen. Auf diesen Schaden sind die von den Beklagten geltend gemachten Steuervorteile, die dem Kläger aufgrund der Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz gewährt worden sind, nicht anzurechnen.
I. Das Berufungsgericht hat seine gegenteilige Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Steuervorteile seien anzurechnen, weil die Finanzverwaltung weder die Sonderabschreibungen nach § 4 FördG gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO rückgängig machen noch die Schadensersatzleistung insoweit als Zufluss negativer Werbungskosten berücksichtigen könne. Das folge schon aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG, der insoweit eine Sperrwirkung entfalte.
Das gelte jedoch nicht für die übrigen Werbungskosten. Der Ersatz derartiger Aufwendungen im Rahmen der Rückabwicklung des Beitritts sei eine Einnahme, die der Kläger nach § 21 EStG versteuern müsse und die deshalb seinen Schaden nicht mindere.
Der danach als Steuervorteil anrechenbare Betrag sei auf 806,75 € zu schätzen.
II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand. Auch die Steuervorteile aus den Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz in Höhe von jedenfalls 806,75 € sind nicht auf den Schadensersatzanspruch des Klägers anzurechnen.
1. Im Rahmen der Schadensberechnung sind vorteilhafte Umstände, die mit dem schädigenden Ereignis in einem qualifizierten Zusammenhang stehen, zu berücksichtigen, soweit ihre Anrechnung dem Sinn und Zweck des Schadensersatzes entspricht und weder den Geschädigten unzumutbar belastet noch den Schädiger unbillig entlastet. Der Geschädigte darf nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nicht alle durch das Schadensereignis begründeten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, sondern nur solche, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt (BGH, Urteil vom 14. Januar 2002 - II ZR 40/00, WM 2002, 813, 815; Urteil vom 17. November 2005 - III ZR 350/04, ZIP 2006, 573 Rn. 7). Dazu können auch steuerliche Vorteile gehören, die der Anleger aus seiner Beteiligung an einem Immobilienfonds erlangt hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheidet aber im Rahmen der Schätzung des Schadens (§ 287 ZPO) eine Vorteilsanrechnung bezogen auf Steuervorteile grundsätzlich dann aus, wenn die entsprechende Schadensersatzleistung ihrerseits der Besteuerung unterworfen ist. Soweit die Schadensersatzleistung - als Rückfluss der zuvor angefallenen Betriebsausgaben oder Werbungskosten - vom Anleger zu versteuern ist, ohne dass es bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise darauf ankommt, ob der Anleger die Schadensersatzleistung tatsächlich versteuert, sind die erzielten Steuervorteile nur dann anzurechnen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Anleger derart außergewöhnliche Steuervorteile erzielt hat, dass es unbillig wäre, ihm diese zu belassen (siehe nur BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 - II ZR 259/11, ZIP 2013, 311 Rn. 10; Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 43 f.; Urteil vom 1. März 2011 - XI ZR 96/09, ZIP 2011, 868 Rn. 8 f., 13; Urteil vom 15. Juli 2010 - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 36 ff.; Urteil vom 31. Mai 2010 - II ZR 30/09, ZIP 2010, 1397 Rn. 25).
Danach sind die Steuervorteile des Klägers, die er infolge des Abzugs der Werbungskosten erlangt hat, nicht schadensmindernd zu berücksichtigen, weil er in diesem Umfang die ihm zufließende Schadensersatzleistung versteuern muss. Darüber besteht im Ergebnis kein Streit, weil die Beklagten gegen das Berufungsurteil, das insoweit zutreffend entschieden hat, kein Rechtsmittel eingelegt haben.
2. Für die Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz gilt nichts anderes, wie der Senat ebenfalls bereits in seinem - nach der Entscheidung des Berufungsgerichts - verkündeten Urteil vom 18. Dezember 2012 (II ZR 259/11, ZIP 2013, 311 Rn. 21) ausgesprochen und in dem heute verkündeten Urteil in der Parallelsache II ZR 276/12 bestätigt hat.
Dem steht eine Sperrwirkung des § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG nicht entgegen. Vielmehr ist eine Schadensersatzleistung auch im Umfang der auf den betreffenden Gesellschafter entfallenden Sonderabschreibungen steuerbar. Damit entfällt auch insoweit eine Anrechnung zuvor erhaltener Steuervorteile.
a) Mit der Möglichkeit von Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz verfolgte der Gesetzgeber den Zweck, die steuerlichen Bedingungen im Beitrittsgebiet zu verbessern und eine auf die Erleichterung und Beschleunigung des dort notwendigen Anpassungsprozesses zielende Regelung zu schaffen (BFHE 197, 503, juris Rn. 12; BFHE 206, 444, juris Rn. 18). Dabei hat er, um ein einheitliches Ausüben des Wahlrechts über die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung für alle beteiligten Steuerpflichtigen auf der Ebene der Gesellschaft sicherzustellen, in § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG bestimmt, dass bei Personengesellschaften an die Stelle des Steuerpflichtigen die Gesellschaft tritt (Töben, Fördergebietsgesetz, 2. Aufl., § 1 Rn. 89). Insoweit entfaltet diese Bestimmung eine Sperrwirkung (BFH, BFHE 197, 503, juris Rn. 9; NV 2007, 2097, juris Rn. 13 f.). Die Sonderabschreibung kann danach dem Grunde und der Höhe nach nur einheitlich in Anspruch genommen werden. Diese Bestimmung verdrängt den § 7a Abs. 7 Satz 1 EStG, wonach erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen bei mehreren Beteiligten anteilig vorzunehmen sind, wenn die Voraussetzungen nur bei einzelnen Beteiligten erfüllt sind (Stuhrmann in Blümich, EStG, KStG, GewStG, Loseblattkommentar, Stand: März 2010, FördG § 1 Rn. 6; zweifelnd Töben, Fördergebietsgesetz, 2. Aufl., § 1 Rn. 93).
Das bedeutet aber nicht, dass auch bei einer Rückabwicklung des Gesellschaftsbeitritts in Form eines großen Schadensersatzanspruchs dem betroffenen Gesellschafter die ihm wirtschaftlich zugeflossenen Sonderabschreibungen verblieben, dass also die Ersatzleistung im Umfang der Sonderabschreibungen nicht steuerbar wäre. Auch im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG bleibt es entgegen der Auffassung der Revision dabei, dass steuerpflichtig allein die Gesellschafter sind. Auf der Ebene der Gesellschaft werden nur im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Feststellung die Einkünfte der Gesamtheit aller Gesellschafter ermittelt und den einzelnen Gesellschaftern zugerechnet (§ 39 Abs. 2 Nr. 2, §§ 179 ff. AO). Bei der Rückabwicklung der Gesellschaftsbeteiligung im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs kann damit durchaus der Teil der Schadensersatzleistung, der dem zugerechneten Teil der Sonderabschreibungen entspricht, besteuert werden.
Das steht nicht im Widerspruch zu der Auffassung des Bundesfinanzhofs, die Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz seien von einem Gesellschafterwechsel und einem Ein- oder Austritt eines Gesellschafters unabhängig (BFH, NV 2007, 2097, juris Rn. 14). Damit wird nur gesagt, dass es nicht darauf ankommt, ob der einzelne Gesellschafter die Voraussetzungen für eine Sonderabschreibung erfüllt. Vielmehr sind insoweit nach § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG allein die Verhältnisse der Gesellschaft maßgeblich. Das ändert aber nichts an der Steuerpflicht des Gesellschafters und damit an der Wirksamkeit der Sonderabschreibungen allein bei ihm. Im Übrigen ist die Rückabwicklung eines Gesellschaftsbeitritts im Wege des Schadensersatzes nach der Rechtsprechung des Senats weder rechtlich noch wirtschaftlich identisch mit der Veräußerung des Gesellschaftsanteils. Die Herausgabe des zuvor angeschafften Wirtschaftsguts stellt keinen gesonderten "marktoffenbaren Vorgang", sondern nur einen notwendigen Teilakt im Rahmen der Rückabwicklung dar (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 - II ZR 259/11, ZIP 2013, 311 Rn. 15). Dabei ist kein Grund ersichtlich, warum die Ersatzleistung beim betroffenen Gesellschafter nicht - wie auch hinsichtlich der sonstigen Werbungskosten - anteilig besteuert werden kann. Denn als Ergebnis der Rückabwicklung soll er so stehen, als hätte er sich nie an der Gesellschaft beteiligt.
b) Entgegen der Auffassung der Revision steht diesem Ergebnis auch nicht entgegen, dass die durch die Besteuerung der Schadensersatzleistung beim Kläger rückabgewickelten Sonderabschreibungen von den Beklagten nicht mehr geltend gemacht werden können. Die Beklagten schulden dem Kläger Schadensersatz. In diesem Rahmen fallen Nachteile, die sich aus der Besteuerung ergeben, ihnen zur Last. Dem Kläger kann nicht zugemutet werden, eine Minderung des Schadensersatzes hinnehmen zu müssen, nur weil die Beklagten die mit einer Fondsbeteiligung verbundenen Abschreibungen für vergangene Zeiträume nicht mehr geltend machen können.
Bergmann Strohn Caliebe
Reichart Sunder