Entscheidungsdatum: 27.06.2016
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 30. Januar 2015 durch Beschluss gemäß § 552a ZPO auf Kosten der Beklagten zurückzuweisen.
Streitwert: 3.500 €
Zulassungsgründe liegen nicht vor, die Revision der Beklagten hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
1. Zulassungsgründe liegen nicht vor. Weder hat der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen unter anderem dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (BGH, Beschluss vom 22. September 2015 - II ZR 310/14, ZIP 2016, 266 Rn. 3 mwN). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Klärungsbedürftige Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Rückforderung gewinnunabhängiger Auszahlungen an Kommanditisten hat der erkennende Senat mit seinem Urteil vom 12. März 2013 (II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222) geklärt. Weitere klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen sich im vorliegenden Fall nicht.
Der vorliegende Fall gibt auch keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 225). Die Voraussetzungen, unter denen gewinnunabhängige Auszahlungen an Kommanditisten von der Gesellschaft zurückgefordert werden können, hat der erkennende Senat mit seinem Urteil vom 12. März 2013 (II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222) umschrieben. Vorliegend geht es nur noch um die Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Einzelfall.
2. Die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch der MS „S. “ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co KG (im Folgenden: Fondsgesellschaft) auf Rückzahlung im Prospekt vorgesehener, regelmäßiger Auszahlungen an die Kommanditisten verneint.
Dem Gesellschaftsvertrag der Fondsgesellschaft lässt sich bei der gebotenen objektiven Auslegung nach Wortlaut, Zusammenhang und Zweck aus der Sicht eines verständigen Publikumspersonengesellschafters nicht klar und unmissverständlich entnehmen, dass die an die Kommanditisten geleisteten und im Prospekt der Fondsgesellschaft vorgesehenen regelmäßigen Auszahlungen den Kommanditisten als Darlehen der Fondsgesellschaft zur Verfügung gestellt worden sind. Ein Darlehensrückzahlungsanspruch bestand daher nicht.
a) Diese Feststellung kann der Senat selbst treffen, weil Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften nach ihrem objektiven Erklärungsbefund nur anhand des schriftlichen Vertrags auszulegen sind. Die Vorstellungen und der Wille der Gründungsgesellschafter, die in dem Gesellschaftsvertrag keinen Niederschlag gefunden haben, sind nicht zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 16. Februar 2016 - II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 13; Urteil vom 12. März 2013 - II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 13).
Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegen die Regelungen in Gesellschaftsverträgen von Publikumsgesellschaften unabhängig davon, ob die Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGBG bzw. § 310 Abs. 4 BGB n. F. eingreift, einer ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie Allgemeine Geschäftsbedingungen. Hieraus folgt in Anlehnung an § 305c Abs. 2 BGB, dass Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen (BGH, Urteil vom 16. Februar 2016 - II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 14; Urteil vom 12. März 2013 - II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 14).
Für den einer Publikumspersonengesellschaft beitretenden Gesellschafter müssen sich die mit dem Beitritt verbundenen, nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgenden Rechte und Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag klar ergeben. Denn die erst nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags beitretenden Kommanditisten müssen sich darauf verlassen können, nur solche Leistungen erbringen zu müssen, die dem Vertragstext unmissverständlich zu entnehmen sind (BGH, Urteil vom 16. Februar 2016 - II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 14; Urteil vom 12. März 2013 - II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 14).
b) Der Gesellschaftsvertrag der Fondsgesellschaft (im Weiteren: GV) enthält unter anderem folgende Regelungen:
§ 9 Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung
Die Gesellschafterversammlung beschließt über alle ihr gesetzlich und durch diesen Gesellschaftsvertrag zugewiesenen Angelegenheiten, insbesondere über:
(…)
f) Auszahlung (Entnahme) von Liquiditätsüberschüssen. Die im Prospekt vorgesehenen Auszahlungen an die Kommanditisten wird die persönlich haftende Gesellschafterin auch ohne gesonderten Gesellschafterbeschluss unter Berücksichtigung vorrangiger Ansprüche stiller Gesellschafter vornehmen, sobald es die Liquiditätslage der Gesellschaft erlaubt;
(…)
§ 12 Besondere Gesellschafterleistungen, Ergebnisverteilung, Entnahmen und sonstige Rechtsbeziehungen mit Gesellschaftern
(...)
5. Auszahlungen können die Kommanditisten nur zu Lasten ihrer variablen Kapitalkonten gem. § 4 Ziffer 3 verlangen. Voraussetzung für Auszahlungen ist eine ausreichende Liquiditätslage der Gesellschaft.
Soweit Auszahlungen von Liquiditätsüberschüssen vorgenommen werden, werden sie den Kommanditisten als unverzinsliche Darlehen gewährt, sofern die Auszahlungen nicht durch Guthaben auf den variablen Kapitalkonten gem. § 4 Ziffer 3 gedeckt sind.
Im Emissionsprospekt der Fondsgesellschaft befindet sich auf Seite 9 folgende Aussage:
Auszahlungen an die Kommanditisten
Beginnend ab Dezember 2004 ist eine Auszahlung in Höhe von 8 % p.a. an die Anleger vorgesehen. Sofern die geplante Umstellung auf Tonnagesteuer in 2006 erfolgt, stehen den Auszahlungen in der Betriebsphase ca. 0,1% p.a. Steuerzahlungen gegenüber. Die Auszahlungen während der Fondslaufzeit sollen insgesamt 128 % betragen. Hinzu kommen die Erlöse aus der Veräußerung.
Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsberechnungen wird auf den Seiten 28 und 29 des Prospekts der Fondsgesellschaft erläutert:
Die vorgesehenen Auszahlungen an die Kommanditisten erfolgen gemäß Prognose ab 2004 mit 8 % p.a. Insgesamt betragen die Auszahlungen 128 %. Hinzu kommen die Erlöse aus der Veräußerung. Die Auszahlungen erfolgen jährlich im Dezember. …
c) Die Auslegung des Gesellschaftsvertrags der Fondsgesellschaft führt hinsichtlich der in § 9 lit. f) Satz 2 GV im Hinblick auf ihre Auszahlungsmodalitäten geregelten und im Prospekt der Höhe nach prognostizierten regelmäßigen Auszahlungen zu keinem klaren und unmissverständlichen Ergebnis. Insbesondere lässt sich der Bestimmung des § 12 Nr. 5 Abs. 2 GV in Verbindung mit den übrigen Bestimmungen nicht mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die im Prospekt vorgesehenen Auszahlungen den Kommanditisten (nur) als Darlehen gewährt werden. Aus der Sicht eines verständigen Publikumspersonengesellschafters ist es schon nicht eindeutig, dass § 12 Nr. 5 Abs. 2 GV die im Prospekt vorgesehenen Auszahlungen überhaupt erfasst. Der Gesellschaftsvertrag kann dahin verstanden werden, dass es verschiedene Arten von Auszahlungen an Kommanditisten gibt, für die unterschiedliche Regelungsmodelle gelten, nämlich einerseits die im Prospekt vorgesehenen regelmäßigen Auszahlungen und auf der anderen Seite außerplanmäßige Auszahlungen (Entnahmen) von Liquiditätsüberschüssen, über die die Gesellschafterversammlung nach § 9 lit. f) Satz 1 GV zu beschließen hat. Weiter kann der Gesellschaftsvertrag dahin verstanden werden, dass sich § 12 Nr. 5 Abs. 2 GV nur auf diese außerplanmäßigen, von der Gesellschafterversammlung beschlossenen und nicht auf die im Prospekt vorgesehenen regelmäßigen Auszahlungen bezieht. Ob der Gesellschaftsvertrag insoweit klar und unmissverständlich regelt, dass es sich bei den von der Gesellschafterversammlung beschlossenen außerplanmäßigen Auszahlungen (Entnahmen) von Liquiditätsüberschüssen um Darlehen handelt oder, wie in der dem Senat im Urteil vom 16. Februar 2016 (II ZR 348/14, ZIP 2016, 518) vorliegenden Vertragsgestaltung, nicht, bedarf keiner Entscheidung, weil die Fondsgesellschaft die Rückzahlung der im Prospekt vorgesehenen regelmäßigen Auszahlungen verlangt hat.
In § 9 GV ist geregelt, in welchen Angelegenheiten die Gesellschafterversammlung der Fondsgesellschaft zuständig ist. In § 9 lit. f) Satz 1 GV ist vorgesehen, dass die Gesellschafterversammlung über die Auszahlung (Entnahme) von Liquiditätsüberschüssen beschließt. § 12 Nr. 5 GV enthält eine weitere Bestimmung über Auszahlungen an Kommanditisten. Allein daraus, dass die Regelung über die Voraussetzungen, unter denen Auszahlungen von Liquiditätsüberschüssen den Kommanditisten als Darlehen gewährt werden sollen, der Bestimmung, zu Lasten welchen Kontos die Kommanditisten Auszahlungen verlangen können, unmittelbar nachfolgt, kann nicht darauf geschlossen werden, dass sich § 12 Nr. 5 Abs. 2 GV auf jedwede Art von Auszahlung bezieht. Denn § 9 lit. f) Satz 2 GV unterwirft eine bestimmte Art von Auszahlungen, nämlich die im Prospekt vorgesehenen, einer Sonderbehandlung. Zu deren Auszahlung bedarf es keines Beschlusses der Gesellschafterversammlung nach § 9 lit. f) Satz 1 GV. Vielmehr kann grundsätzlich die persönlich haftende Gesellschafterin diese Auszahlungen als Geschäftsführungsmaßnahme auch ohne gesonderten Gesellschafterbeschluss vornehmen, sobald es die Liquiditätslage der Gesellschaft erlaubt. Bereits das Wortverständnis spricht nicht dafür, dass § 12 Nr. 5 Abs. 2 GV auch diese im Prospekt vorgesehenen planmäßigen Auszahlungen erfassen soll. In § 12 Nr. 5 Abs. 2 GV ist nicht allgemein von Auszahlungen die Rede. Dieser soll nur Anwendung finden, soweit Auszahlungen von Liquiditätsüberschüssen vorgenommen werden. Es wird hier derselbe Begriff verwendet wie in § 9 lit. f) Satz 1 GV, während in § 9 lit. f) Satz 2 GV von den im Prospekt vorgesehenen Auszahlungen die Rede ist. Dass es sich bei den von der Geschäftsleitung veranlassten im Prospekt vorgesehenen planmäßigen Auszahlungen nach dem Fondskonzept regelmäßig auch um solche aus freier Liquidität handelt, ändert an diesem Wortverständnis nichts.
d) Diese am Wortlaut orientierte Auslegung wird durch den Inhalt des Prospekts bestärkt, auf den der Gesellschaftsvertrag, soweit er die im Prospekt vorgesehenen Auszahlungen nennt, ausdrücklich Bezug nimmt, so dass er insoweit als Auslegungshilfe herangezogen werden kann. Aus der Sicht eines verständigen Personengesellschafters war es nicht erkennbar, dass die im Prospekt vorgesehenen regelmäßigen Auszahlungen lediglich als Darlehen gewährt werden sollten. Vielmehr stellt der Prospekt die Auszahlungen prognostisch als feste Kapitalverzinsung dar, die sich auf 128 % summieren soll. Diese Darstellung als Rendite wird dadurch bestätigt, dass die Erlöse aus der Veräußerung des Schiffes hinzukommen, also aus der Sicht eines verständigen Publikumspersonengesellschafters zu einer Erhöhung seiner Rendite aus regelmäßigen Auszahlungen beitragen sollen. Der Eindruck, bei den im Prospekt vorgesehenen Auszahlungen handele es sich um eine dem Kommanditisten zu belassende Kapitalverzinsung und nicht um ein Darlehen, wird letztlich dadurch verfestigt, dass der Prospekt weder im Zusammenhang mit der Erläuterung der geplanten Auszahlungen noch im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsberechnung einen Hinweis darauf enthält, dass diese Auszahlungen (nur) als Darlehen gewährt werden sollen.
Ein solches Verständnis deckt sich mit den rechtlich zulässigen Möglichkeiten der Gestaltung eines Gesellschaftsvertrags einer Kommanditgesellschaft. Es ist allgemein anerkannt, dass auch über die Regelung des § 169 Abs. 1 HGB hinaus Ausschüttungen an die Kommanditisten zulässig sind, wenn der Gesellschaftsvertrag dies wie hier in § 9 lit. f) Satz 2 GV vorsieht oder die Ausschüttung durch das Einverständnis aller Gesellschafter gedeckt ist. Solche Ausschüttungen können in der Weise vereinbart werden, dass sie auch insoweit zu gewähren und zu belassen sind, als sie nicht durch Gewinne gedeckt sind, also letztlich in Form einer festen Kapitalverzinsung oder garantierten Mindesttantieme zu Lasten des Kapitals gehen (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2013 - II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 9 mwN).
e) Lässt sich somit durch Auslegung der gesellschaftsvertraglichen Be-stimmungen schon nicht mit der gebotenen Klarheit feststellen, dass den Kommanditisten die im Prospekt vorgesehenen Auszahlungen als Darlehen gewährt werden, so fehlt es außerdem an einer Regelung der Voraussetzungen, unter denen ein gegebenenfalls nur als Darlehen ausgezahlter Betrag vom Kommanditisten zurückgezahlt werden muss. Das Fehlen einer Regelung der Rückzahlungsvoraussetzungen verstärkt die nach dem Gesellschaftsvertrag bestehende Unklarheit, ob die im Prospekt vorgesehenen Auszahlungen als Darlehen gewährt werden.
Wenn die im Prospekt vorgesehenen regelmäßigen Auszahlungen an die Kommanditisten (nur) als Darlehen gewährt sein sollten, dann wäre es naheliegend gewesen, im Gesellschaftsvertrag der Fondsgesellschaft die Voraussetzungen zu regeln, unter denen die Kommanditisten zur Rückzahlung an die Gesellschaft verpflichtet sein sollten. Das Recht der Personenhandelsgesellschaften gewährt keinen gesetzlichen Anspruch auf Rückzahlung von (vertraglich ermöglichten) Auszahlungen, auf den mangels vertraglicher Regelungen zurückgegriffen werden könnte. Ein Rückgriff auf gesetzliche Regelungen des bürgerlich-rechtlichen Darlehensrechts (§ 488 Abs. 3 BGB) würde dem im Gesellschaftsvertrag zum Ausdruck kommenden Willen der Gesellschafter nicht gerecht. Es wäre in sich nicht schlüssig, wenn die Gesellschafter, wie dies § 9 lit. f) Satz 2 GV in Verbindung mit dem Prospekt vorsieht, regelmäßige gewinnunabhängige Auszahlungen von der Gesellschaft erhalten sollen, ihnen diese möglicherweise über erhebliche Zeiträume hinweg geleisteten Zahlungen aber ohne besonderen Grund binnen einer Frist von drei Monaten wieder entzogen werden könnten (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2013 - II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 23).
Bergmann Caliebe Drescher
Born Sunder
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.