Entscheidungsdatum: 08.12.2015
Die Auflösung der stillen Gesellschaft, die als bloße Innengesellschaft über kein gesamthänderisch gebundenes Gesellschaftsvermögen verfügt, führt grundsätzlich zu deren sofortiger Beendigung. Dies gilt in gleicher Weise für eine mehrgliedrige stille Gesellschaft, die als sog. „Innen-KG“ ausgestaltet ist, jedenfalls dann, wenn nur die Auflösung der stillen Gesellschaft beschlossen worden ist. Der auf Berechnung seines Auseinandersetzungsguthabens zum Zeitpunkt der Auflösung der stillen Gesellschaft gerichtete Anspruch des stillen Gesellschafters entsteht demgemäß nicht erst dann, wenn sämtliche Schulden des Geschäftsherrn (hier: einer GmbH & Co. KG) berichtigt sind.
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 31. Oktober 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 34 des Landgerichts Hamburg vom 9. Februar 2012 in Bezug auf seinen Anspruch auf Errechnung und Auszahlung seines Auseinandersetzungsguthabens zum Stichtag 15., hilfsweise 31. Dezember 2009 zurückgewiesen hat.
Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Abänderung des vorgenannten Urteils der Zivilkammer 34 des Landgerichts Hamburg verurteilt, das auf den Kläger zum 15. Dezember 2009 entfallende Auseinandersetzungsguthaben für den Beteiligungsvertrag 19031/033 zu errechnen.
Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Der Kläger beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 12. Dezember 2002 als atypisch stiller Gesellschafter an der A. AG, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte, eine GmbH & Co. KG, ist, mit einem Betrag in Höhe von 18.000 € zuzüglich eines Agios in Höhe von 1.080 €. Er wählte das Beteiligungsmodell „Sprint“, bei dem die Einlage in Form einer Anzahlung in Höhe von 3.000 € und darüber hinaus in monatlichen Raten von 100 € gezahlt werden sollte. Insgesamt zahlte der Kläger 10.900 €.
Der atypisch stille Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV) enthält u.a. folgende Regelungen:
„§ 5 Geschäftsführung
1. Die Geschäftsführung steht allein dem Geschäftsinhaber zu.
…
Als über den laufenden Geschäftsbetrieb hinausgehend und damit zustimmungsbedürftig gelten insbesondere …:
- Auflösung, Verschmelzung oder Umwandlung des Unternehmens
…
Diese Maßnahmen darf der Geschäftsinhaber nur mit Zustimmungsbeschluss der Gesellschafter vornehmen.
§ 6 Gesellschaftsbeschlüsse
…
3. Ist Gegenstand der Beschlussfassung
…
- die Auflösung, Verschmelzung oder Umwandlung des Unternehmens
…
- die Auflösung der Gesellschaft
… so bedarf der Gesellschafterbeschluss einer Mehrheit von 75 Prozent der abgegebenen Stimmen …
§ 9 Beteiligung am Vermögen (Auseinandersetzungswert)
1. Die Gesellschafter erhalten im Falle ihres Ausscheidens oder bei Liquidation des Unternehmens des Geschäftsinhabers entsprechend dem Verhältnis ihrer erbrachten Einlagen zum Gesamtbetrag der Einlagen aller Gesellschafter und dem zu diesem Zeitpunkt voll eingezahlten Grundkapital des Geschäftsinhabers einen Anteil an dem seit ihrem Beitritt zu dem Unternehmen des Geschäftsinhabers gebildeten Vermögen einschließlich der stillen Reserven der bilanzierten Wirtschaftsgüter (unter Berücksichtigung eines etwaigen Geschäftswerts). Die Einzelheiten ergeben sich aus den Regelungen in § 16 dieses Vertrags.
…
§ 10 Gewinn- und Verlustbeteiligung, Gewinnvorab, Rangrücktritt
…
6. Die Gesellschafter treten mit ihren Auszahlungs- (Entnahme- und Ausschüttungsansprüchen) und Abfindungsansprüchen im Rang hinter die Erfüllung der Forderungen von Gläubigern des Geschäftsinhabers zurück.
§ 16 Abfindungsguthaben bei Beendigung der atypisch stillen Gesellschaft
1. Bei Beendigung der atypisch stillen Gesellschaft steht den Gesellschaftern ein Abfindungsguthaben zu. Dieses errechnet sich nach Maßgabe des § 9 dieses Vertrags und den nachstehenden Buchstaben a) bis d) wie folgt:
…
g) Die Ermittlung des Abfindungsguthabens erfolgt durch einen seitens des Geschäftsinhabers zu bestellenden Wirtschaftsprüfer. …“
Mit Schreiben vom 7. Juli 2009 teilte die Beklagte den stillen Gesellschaftern mit, dass sie sich in einer schwierigen finanziellen Lage befinde. Ihre Zahlungsfähigkeit könne nur aufrechterhalten und ein Insolvenzverfahren abgewendet werden, wenn Forderungen Dritter gestundet würden und die Anleger offene Einlageverpflichtungen erfüllten sowie Kapitalrückzahlungen erstatteten. Die stillen Gesellschafter wurden durch einen dem Schreiben beigefügten Beschlussvorschlag im Umlaufverfahren um Zustimmung zur Liquidation der Beklagten außerhalb eines Insolvenzverfahrens gebeten. Der Beschluss kam indes nicht zustande. Am 11. Dezember 2009 beschlossen die stillen Gesellschafter vielmehr stattdessen, die stille Gesellschaft mit Wirkung zum 15. Dezember 2009 zu liquidieren.
Der Kläger begehrt, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, mit seiner in der Berufungsinstanz hilfsweise erhobenen Stufenklage die Verurteilung der Beklagten zur Errechnung und Auszahlung seines Auseinandersetzungsguthabens zum 15., hilfsweise zum 31. Dezember 2009. Mit der vom Berufungsgericht beschränkt auf die Frage, ob der Gesellschafterbeschluss vom 11. Dezember 2009 die Liquidation der mehrgliedrigen stillen Gesellschaft als „Innen-KG“ zur Folge gehabt oder zur Vollbeendigung der mehrgliedrigen Gesellschaft geführt habe, verfolgt der Kläger sein Begehren, mit dem er bisher ohne Erfolg geblieben ist, weiter.
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und der Verurteilung der Beklagten zur Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens des Klägers auf den Stichtag 15. Dezember 2009.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz, im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf ein auf den Stichtag des 15. oder 31. Dezember 2009 zu berechnendes Auseinandersetzungsguthaben, weil der Liquidationsbeschluss vom 11. Dezember 2009 nicht zur Vollbeendigung der stillen Gesellschaft geführt habe. Vielmehr sei diese wegen ihrer besonderen Ausgestaltung als „Innen-KG“ nach den Regeln über die Auflösung einer Kommanditgesellschaft zu liquidieren. Folglich entstehe der Anspruch des Klägers auf Mitteilung und Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens analog § 155 Abs. 1 HGB erst, nachdem sämtliche Schulden der Beklagten berichtigt seien. Dies folge auch aus § 10 Nr. 6 GV, wonach u.a. die Abfindungsansprüche der stillen Gesellschafter im Rang hinter die Erfüllung der Forderungen von Gläubigern der Beklagten zurückträten.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat der Kläger gem. § 9 i.V.m. § 16 GV einen Anspruch auf Errechnung seines Auseinandersetzungsguthabens zum Stichtag 15. Dezember 2009. Die stille Gesellschaft ist durch den Beschluss der Gesellschafter vom 11. Dezember 2009 mit Wirkung zum 15. Dezember 2009 im Sinne des § 16 Nr. 1 GV beendet worden. Bei Beendigung der stillen Gesellschaft steht den Gesellschaftern nach § 16 Nr. 1 Satz 1 GV ein Abfindungsguthaben zu, dessen Berechnung sich nach einem in § 16 und § 9 GV näher geregelten Auseinandersetzungswert bestimmt. Etwaige offene Verbindlichkeiten der Beklagten stehen dem Anspruch auf Errechnung des Auseinandersetzungsguthabens des Klägers nicht entgegen.
1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Gesellschafter am 11. Dezember 2009 die Liquidation der stillen Gesellschaft und nicht etwa die Liquidation der Beklagten oder deren Unternehmens beschlossen. Für einen die Beklagte selbst oder ihr Unternehmen betreffenden Liquidationsbeschluss wären in erster Linie die Gesellschafter der Beklagten zuständig, in § 5 Nr. 1 Abs. 3 GV ist hinsichtlich der Auflösung des Unternehmens lediglich das Erfordernis der Zustimmung der stillen Gesellschafter geregelt. Um einen solchen Zustimmungsbeschluss handelt es sich bei dem Beschluss vom 11. Dezember 2009 aber nicht. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts folgt auch sonst nicht, dass sich, wie die Revisionserwiderung meint, der Beschluss vom 11. Dezember 2009 bereits seinem Inhalt nach darauf erstreckt, dass das Unternehmen der Beklagten in Abwicklung befindlich sei und zunächst die Verbindlichkeiten der Beklagten ihren Gläubigern gegenüber zu begleichen seien. Insbesondere lässt sich dies nicht daraus herleiten, dass die „Liquidation“ der stillen Gesellschaft beschlossen worden ist. Das Berufungsgericht hat den Beschluss, die stille Gesellschaft zu liquidieren, ersichtlich dahin ausgelegt, dass damit die Auflösung der stillen Gesellschaft beschlossen worden ist. Dass diese Auslegung auf Rechtsfehlern beruht, wird von der Revisionserwiderung nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Gesellschaftsvertrag regelt (nur) in § 6 Nr. 3 GV die Anforderungen an die Beschlussfassung über die Auflösung der Gesellschaft und in § 16 GV das Abfindungsguthaben bei Beendigung der stillen Gesellschaft. Im Übrigen werden die Begriffe „Auflösung“ und „Liquidation“ im Gesellschaftsvertrag synonym verwendet, soweit es um die Auflösung des Unternehmens (vgl. § 5 Nr. 1 Abs. 3 GV) bzw. dessen Liquidation (vgl. § 9 Nr. 1 GV) geht. Dass die Gesellschafter mit dem Beschluss vom 11. Dezember 2009 etwas anderes als die Auflösung der stillen Gesellschaft gemäß § 6 Nr. 3 GV beschließen wollten, ist daher nicht ersichtlich.
2. Der Beschluss über die Auflösung einer BGB-Innengesellschaft, zu der auch die stille Gesellschaft gehört, führt, wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, grundsätzlich zur sofortigen vollen Beendigung derselben. Da bei einer bloßen Innengesellschaft kein gesamthänderisch gebundenes Gesellschaftsvermögen vorhanden ist, kommt eine Liquidation wie bei einer (teil)rechtsfähigen Personen(handels)gesellschaft nicht in Betracht. Insbesondere hat die stille Gesellschaft keine Verbindlichkeiten, die im Rahmen einer Liquidationsphase vorrangig zu erfüllen sein könnten (BGH, Urteil vom 22. Juni 1981 - II ZR 94/80, WM 1981, 876; Urteil vom 22. Oktober 1990 - II ZR 247/89, NJW-RR 1991, 613, 614; Harbarth in Großkommentar HGB, 5. Aufl., § 234 Rn. 1 sowie § 235 Rn. 61; Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl., § 234 Rn. 1; Gehrlein in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 234 Rn. 3; Servatius in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 234 HGB Rn. 13; Oetker/Schubert, HGB, 4. Aufl., § 234 Rn. 3 ff.; Kindler in Koller/ Kindler/Roth/Morck, HGB, 8. Aufl., § 234 Rn. 13). Die Abwicklung einer stillen Gesellschaft ähnelt nur insoweit der Liquidation einer rechtsfähigen Personen(handels)gesellschaft, als der stille Gesellschafter nach der Auflösung lediglich noch einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Inhaber des Handelsgeschäfts auf Auszahlung seines Abfindungsguthabens hat, bei dem die Einzelansprüche der Gesellschafter aus dem stillen Gesellschaftsverhältnis unselbständige Rechnungsposten der nach § 235 Abs. 1 HGB vorzunehmenden Auseinandersetzungsrechnung sind und daher nicht mehr selbständig geltend gemacht werden können (BGH, Urteil vom 22. Juni 1981 - II ZR 94/80, WM 1981, 876; Urteil vom 22. Oktober 1990 - II ZR 247/89, NJW-RR 1991, 613, 614;Urteil vom 28. Januar 1991 - II ZR 48/90, NJW-RR 1991, 1049; Urteil vom 3. Februar 2015 - II ZR 335/13, ZIP 2015, 1116 Rn. 15; Harbarth in Großkommentar HGB, 5. Aufl., § 234 Rn. 1 und § 235 Rn. 14 mwN).
Ob das stille Gesellschaftsverhältnis hinsichtlich der Abwicklung der zur Zeit der Auflösung schwebenden Geschäfte (§ 235 Abs. 2 HGB) mit darauf beschränktem Zweck fortbesteht, wie von einzelnen Stimmen im Schrifttum vertreten wird (vgl. Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft, 7. Aufl., Rn. 15.3; Heymann/Horn, HGB, 2. Aufl., § 234 Rn. 2 f.; Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 234 Rn. 1), kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn auch nach dieser Ansicht erfolgt die Abwicklung der schwebenden Geschäfte außerhalb der auf den Auflösungszeitpunkt zu erstellenden Auseinandersetzungsrechnung, wie sich aus § 235 Abs. 2 und 3 HGB ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1959 - II ZR 204/57, WM 1960, 13, 14; Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft, 7. Aufl., Rn. 16.58; Heymann/Horn, HGB, 2. Aufl., § 235 Rn. 19; Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 235 Rn. 5; Harbarth in Großkommentar HGB, 5. Aufl., § 235 Rn. 72 mwN), und steht damit der Durchführung der Auseinandersetzung im Übrigen nicht entgegen.
3. Für eine mehrgliedrige stille Gesellschaft - die vorliegend anzunehmen ist, wie der Senat in seinen Urteilen vom 11. Februar 2014 zu demselben Gesellschaftsvertrag bereits festgestellt hat (II ZR 219/13 und II ZR 223/13, jeweils juris Rn. 10) - gelten jedenfalls dann keine Besonderheiten, wenn ihre Auflösung nicht mit einer Liquidation des Geschäftsherrn einhergeht. Der Umstand, dass eine Vielzahl von stillen Gesellschaftern mit dem Geschäftsherrn in einem Gesellschaftsverhältnis miteinander verbunden ist und sich hieraus Treuepflichten untereinander ergeben, die u.a. dazu führen, dass die gesellschaftsrechtlichen Abfindungs- und Auseinandersetzungsansprüche der einzelnen Beigetretenen nur im Wege einer geordneten Auseinandersetzung geltend gemacht werden können (BGH, Urteil vom 19. November 2013 - II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 Rn. 27), ändert nichts daran, dass auch die mehrgliedrige stille Gesellschaft keine zu tilgenden Verbindlichkeiten hat. Schuldner der Abfindungs- und Auseinandersetzungsansprüche bleibt auch im Falle der mehrgliedrigen stillen Gesellschaft der Geschäftsherr (BGH, Urteil vom 19. November 2013 - II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 Rn. 26). Eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Gläubiger des Geschäftsherrn ergibt sich aus der Verbundenheit der stillen Gesellschafter untereinander und zum Geschäftsherrn nicht.
4. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gilt im vorliegenden Fall nicht deshalb etwas anderes, weil die mehrgliedrige stille Gesellschaft hier in dem Sinne als „Innen-KG“ ausgestaltet ist, dass die Beklagte eine der einer Komplementärin einer Kommanditgesellschaft vergleichbare Stellung innehat und die stillen Gesellschafter Kommanditisten gleichgestellt sind. Diese Gestaltung ändert ebenfalls nichts daran, dass die stille Gesellschaft als solche über kein Gesellschaftsvermögen verfügt, keine eigenen zu tilgenden Verbindlichkeiten hat und sich die Abfindungs- und Auseinandersetzungsansprüche der stillen Gesellschafter gegen die Beklagte als die Geschäftsherrin richten (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2013 - II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 Rn. 26). Soweit im Schrifttum die Auffassung vertreten wird, eine solche „Innen-KG“ werde wie eine Kommanditgesellschaft abgewickelt (vgl. insbesondere MünchKommHGB/K. Schmidt, 3. Aufl., § 230 Rn. 81 und § 235 Rn. 62, 65), kann dem, soweit damit gemeint sein sollte, dass diese Abwicklung entsprechend §§ 145 ff., 155, 161 Abs. 2 HGB die vorangehende Berichtigung der Schulden des Geschäftsherrn, hier der Beklagten, erfordere, jedenfalls dann nicht gefolgt werden, wenn wie hier nur die Auflösung der stillen Gesellschaft beschlossen worden ist.
Die mehrgliedrige stille Gesellschaft hat als solche auch in der Ausgestaltung als sog. „Innen-KG“ keine eigenen Verbindlichkeiten, die in entsprechender Anwendung der §§ 149, 155, 161 Abs. 2 HGB vorweg befriedigt werden könnten. Dass die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften dahingehend gegeben sind, dass infolge der Auflösung der stillen Gesellschaft nunmehr auch die im Außenverhältnis dem Geschäftsherrn zuzuordnenden Schulden zu berichtigen seien, ist nicht ersichtlich. Die Auflösung der stillen Gesellschaft führt, auch wenn sie als sog. „Innen-KG“ ausgestaltet ist, nicht bereits als solche zur Liquidation des Geschäftsherrn. Innen- und Außenverhältnis bleiben auch nach dem Auflösungsbeschluss der stillen Gesellschaft rechtlich getrennt, Rechtsträger des Unternehmens ist nach wie vor der Geschäftsherr (so auch MünchKommHGB/K. Schmidt, 3. Aufl., § 230 Rn. 81 und § 235 Rn. 65). Die Liquidation des Geschäftsherrn richtet sich grundsätzlich nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften und erfordert, wenn es sich bei dem Geschäftsherrn wie hier um eine Gesellschaft handelt, einen Auflösungsbeschluss der Gesellschafter des Geschäftsherrn.
Ob sich etwas anderes ergäbe, wenn ein Recht des Geschäftsinhabers, das Unternehmen unter Abfindung der stillen Gesellschafter fortzuführen, bei der sog. „Innen-KG“ grundsätzlich nicht bestünde (so MünchKommHGB/ K. Schmidt, 3. Aufl., § 235 Rn. 65), kann dahingestellt bleiben. Ein solcher Grundsatz besteht nicht. Der Beschluss der stillen Gesellschafter, die stille Gesellschaft aufzulösen, hat auch bei der sog. „Innen-KG“ rechtlich keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Recht des Geschäftsherrn, das Unternehmen, dessen Inhaber und Rechtsträger er ist (wie hier ausdrücklich in § 1 Nr. 1 GV festgehalten), fortzuführen, sofern sich aus den zwischen den stillen Gesellschaftern und dem Geschäftsherrn getroffenen Vereinbarungen nicht etwas anderes ergibt. Im vorliegenden Fall lässt sich dem Gesellschaftsvertrag der stillen Gesellschaft nicht entnehmen, dass deren Auflösung Auswirkungen auf die rechtliche Zuordnung des Unternehmens zur Beklagten haben, die Beklagte insbesondere nicht berechtigt sein soll, das Unternehmen fortzuführen. Für eine derartige über die beschlossene Auflösung der stillen Gesellschaft andauernde rechtliche Bindung des Geschäftsherrn besteht - jedenfalls bei der vorliegend zugrunde zu legenden vertraglichen Gestaltung - auch kein Bedürfnis. Die den stillen Gesellschaftern im Innenverhältnis wie Kommanditisten eingeräumten Rechte sind, soweit sie nach der Auflösung der stillen Gesellschaft nicht überhaupt entfallen sind, jedenfalls auf die Durchsetzung ihrer sich aufgrund der Auflösung der Gesellschaft ergebenden Ansprüche beschränkt. Hinsichtlich ihrer vermögensmäßigen Beteiligung an dem Unternehmen sind die stillen Gesellschafter nach Maßgabe von § 16 i.V.m. § 9 GV abzufinden.
5. Unter Fortführung des Unternehmens des Geschäftsinhabers würde die Auffassung des Berufungsgerichts zudem zur Folge haben, dass eine Abwicklung der offenen Positionen nie zu einem Ende käme. Bei laufendem Geschäftsbetrieb würden fortwährend neue Forderungen entstehen und Verbindlichkeiten begründet werden. Ein Endstand an Verbindlichkeiten, deren Tilgung vorrangig sein könnte, könnte erst dann ermittelt werden, wenn der Inhaber des Handelsgeschäfts seinen Geschäftsbetrieb einstellt.
6. Selbst wenn sich aber der Geschäftsbetrieb der Beklagten (ohne Auflösung der Gesellschaft) in der Abwicklung befände, wozu das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, stünde dies dem Anspruch des Klägers auf Errechnung seines Abfindungsguthabens gemäß § 16 i.V.m. § 9 GV auf den Stichtag 15. Dezember 2009 nicht entgegen. Die Auskunft über sein Abfindungsguthaben, das die Beklagte nach § 16 Nr. 1 g) GV durch einen von ihr zu bestellenden Wirtschaftsprüfer zu ermitteln hat, ist erforderlich, damit der Kläger, der über den Vermögensstand der Gesellschaft nicht unterrichtet ist, seinen Abfindungsanspruch beziffern kann. Innerhalb der hier erhobenen Stufenklage (§ 254 ZPO) sind die stufenweise erhobenen Ansprüche auf Rechnungslegung und Zahlung prozessual selbstständige Teile eines einheitlichen Verfahrens mit der Folge, dass zunächst nur über den Anspruch auf Rechnungslegung zu befinden ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2011 - II ZR 206/09, ZIP 2011, 1145 Rn. 12 mwN). Einwendungen, die lediglich die zweite Stufe betreffen, sind in diesem Verfahrensabschnitt nicht von Bedeutung. Schon aus diesem Grunde steht auch der in § 10 Nr. 6 GV vereinbarte Rangrücktritt dem Anspruch auf Berechnung des Abfindungsguthabens auf den Stichtag 15. Dezember 2009 nicht entgegen. Die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Kläger mit seinem Abfindungsanspruch hinter Ansprüchen anderer Gläubiger zurücktreten muss, stellt sich erst auf der zweiten Stufe, wenn der Abfindungsanspruch des Klägers auf den Stichtag 15. Dezember 2009 berechnet und in einer dann bezifferten Höhe geltend gemacht worden ist.
7. Etwaige (offene) Verbindlichkeiten der Beklagten bleiben damit bei der Berechnung des Abfindungsguthabens des Klägers nicht unberücksichtigt. Für den Auseinandersetzungswert ist gemäß § 9 Nr. 1, § 16 GV die Beteiligung des stillen Gesellschafters an dem seit seinem Beitritt gebildeten Vermögen einschließlich der stillen Reserven im Unternehmen des Geschäftsinhabers unter Einbeziehung des Geschäftswerts maßgeblich. In die zu erstellende Unternehmensbewertung der Beklagten zum Stichtag des 15. Dezember 2009 fließen somit als Negativposten Ansprüche Dritter gegen die Beklagte ebenso ein wie etwa offene Forderungen der Beklagten auf rückständige Einlagen von Gesellschaftern (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 1994 - II ZR 223/92, NJW-RR 1994, 1185, 1186). Bestehen ernsthafte Zweifel an der Werthaltigkeit von Forderungen der Gesellschaft, ist diesem Umstand bei der Bewertung in angemessener Weise Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2011 - II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 Rn. 30).
III. Der auf der ersten Stufe geltend gemachte Anspruch auf Errechnung des Auseinandersetzungsguthabens zum Stichtag 15. Dezember 2009 ist danach auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts begründet, so dass der Senat insoweit in der Sache selbst entscheiden kann (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der auf den 31. Dezember 2009 bezogene Hilfsantrag ist damit gegenstandslos geworden. Im Übrigen - hinsichtlich der weiteren Stufen der Klage - ist die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Bergmann Strohn Caliebe
Reichart Sunder